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kurse, sondern auch wertvollste Biblio theken und möglichst auch eigene Lese raume. ES ist deshalb auch eine Selbst verständlichkeit, daß die Gewerkschaften von jeher dem Schulwesen, insbesondere dem Fortbtldungsschulwesen der gewerb lichen und kaufmännischen Lehrlinge, das lebhafteste Interesse entgegenbrachten und die größte Förderung angedeihen ließen. In geradezu grandioser Weise wird dieses Streben auf geistige Kultur der Arbeitnehmerschaft ergänzt durch ein gewaltiges Zeitungswesen. Riefenauf lagen von GcwerkschastSzeitungen, von Fach- und Jugendzeitschriften vermitteln Millionen von Arbeitern und Angestell ten seit vielen Jahrzehnten berufliches, wirtschaftliches und staatsbürgerliches Wissen. Darüber hinaus greift die gewerk schaftliche Kulturarbeit auch hinüber auf die weiten Gebiete der klassischen und schöngeistigen Literatur und der Kunst. Sondervorstellungen der besten Bühnen, die Volksbühnen und Wanderbühnen sind in erster Linie auf die Initiative der Ge werkschaften znrückzuführen. Führungen durch unsere Museen und Galerien, Be sichtigungen von Ateliers der bildenden Künstler sind in Gewerkschaftskreisen lange schon eine Selbstverständlichkeit. Eigene auf der Grundlage der Gemein nützigkeit aufgebaute große Verlags anstalten vermitteln den Arbeitnehmern in guten und billigen Ausgaben die besten Werke der Weltliteratur. Innerhalb ein zelner Gewerkschaften haben sich muster gültige Buchgemeinschasten gebildet, die über die Vermittlung regelmäßig erschei nender Bücher hinaus durch umfangreiche Literaturführer dem aufstrebenden Ar beitnehmer beratend und vermittelnd zur Sette stehen. Daneben ist das Lichtbild wie der Film in die Dienste gewerkschaft lichen Kulturstrebeus gestellt worden. Lehr- und Kulturfilm, Lichtbildreihe auf Lichtbildrethe wandern von Ort zu Ort. Lebensfreude und bewußtes Erleben zu erwecken, führt die Gewerkschaften da zu, sich auch der Wohnungs- und Heim- knltur in starkem Maße anzunehmen. So gehört es zu den Aufgaben vieler Ge werkschaften, den arbeitenden 'ungen Mädchen und den verheirateten Frauen der Arbeitnehmer Hanshaltungsunterricht und Näh- und Handarbeitsunterricht er teilen zu lassen. Eigene Erholungsheime, gemeinsame Ferien- und Studienreisen, eigene Heilstätten lassen für billiges Geld während der Urlaubszeit die Sorgen des täglichen Lebens vergeßen. Kinderheime bieten auch den Aermsten der Armen un ter den Arbeitnehmern die Möglichkeit — ihren Kindern — vielfach sogar in Frei stellen — eine kulturell hochstehende kör perliche und geistige Erholung und Wei terentwicklung zu ermöglichen. Wer unbefangen diese umfassenden Kulturarbeiten prüft, wer ohne Vorein genommenheit dann noch nackvrüft, wie ungezählte Millionen von Goldmark an Beihilfen und Unterstützungen in Not zeiten alljährlich von den Gewerkschaften ausgezahlt werden, um die betroffenen Aor-erunven -er Mieter Am 27. und 28. November hielt -er große Ausschuß des Bundes Deulschcr Mieter- vereine eine Tagung in Dresden ab, an der die Vertreter der Landes-, Provinzial- und Gauverbünde des Bundes an» allen Teilen de» Reiches tetlnahmen. Die Tagung beschäf. tigt« sich mit den Gegenwartsfragen des Miet, und Wahnwesens insbesondere auch mit den Plänen des preußi- scheu Wohlfahrtsmintster» Hirtsiefer wegen Erhöhung der Mieten auf 180 v. H. der Frte- denSmtete. Das Ergebnis der Beratungen wurde in einigen Entschließungen zusammen, gefaßt, denen wir die folgenden Punkte ent- nehmen: 1. An die Regierungen und an die politi schen Parteien des Reichstages und der Lün- berparlamcnte wird die Forderung gestellt, endlich durch eine großzügige soziale WohnungSrefvrm das deutsche Volk aus seiner Not zu erlösen. 2. DaS dringendste Gebot ist die Durchfüh rung eines zunächst aus mindestens zehn Jahre berechneten Wohnungsbauprogramm- für jährlich 2S00V0 Wohnungen Zur Finanzierung sind die vollen Erträgnisse der vom Hausbesitzer restlos abzusührenden HauSzinSsteuer, d. h. 40 v. H. -er Friedens- Miete, bereitzustellcn. Der Wegfall des für Fmanzzwecke bestimmten Hauszinssteuer- antetlS ist durch andere, gerechtere Steuern zu ersetzen. 8. Die Grundbücher sind für private Be- lastungSeintragungen zu schließen. Neuetntra- gongen bedürfen einer besonderen Genehmi gung- 4. Die Mieten der Altwohnungen und Ge werberäume dürfen die lOOprorentige Arleden-miete nicht übersteige« 8. Die Mieterschaft fordert die beschleunigte Einbringung und Verabschiedung des Wohn- heimstättengesctzeS. 6. Durch Netchsgesetz ist zu bestimmen, -aß von Ländern und Gemeinden die Mittel zur Durchführung einer großzügige« vobeu- »,rra1Sw,rtschaft durch Erhebung einer WertzuwachSstener zu beschaffen sind. 7. DaS Reichsbewertungsgesetz ist mit Be schleunigung zu ändern mit dem Ziele, den Weg für eine reine Grundwertsteuer nach an- haltinischem Muster freizumachen. 8 Der Bund wendet sich mit Entschiedenheit gegen jede Lockerung des Mieterschutzes. Mitglieder nicht wirtschaftlich und kul turell verkommen zu lasten, der wird be greifen lernen, in welchem Ausmaß die Arbeitnehmerorganisationen den kul turellen Hochstand Deutschlands geför dert haben und täglich aufs neue fördern! Die deutsche Arbeitnehmerschaft empfindet bewußt, daß die beste Pflanz- und Pflegestätte menschlicher Kultur nach wie vor die Familie ist. Deshalb kämpft sie um eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit in den Fa briken, Kontoren und in den Verkaufs geschäften. Sie will in angemessener Freizeit sich selbst und ihrer Familie gehören, um im Kreise von Frau und Kind Mensch zu sein und Menschentum zu pflegen. — Der Sinn der Familien- grünoung droht aber für die Masten des Volkes verloren zu gehen. Von den furchtbaren Wohnungsverhältnisten droht der deutschen Kultur eine der größten Gefahren. — Darum legen die Ge werkschaften aller Richtungen so großen Nachdruck auf die Wohn- und Siedlungs probleme. Alle kennen sie die au^e- türmten Schwierigkeiten und wenn sic dennoch auf eine alsbaldige Lösung drän gen, dann nur deshalb, weil alle Kultur arbeit Flickwerk bedeutet, wenn es nicht gelingt, die Keimzelle aller Kultur, die Familie, vor dem Verfall zu retten. Alle sozialpolitischen Fragen sind anch Fragen des kulturellen Fortschritts. Atte gewerkschaftlichen Forderungen sollender Höherentwicklung des Menschen tum) im Arbeitnehmer dienen, denn alle Kultnr der Sachen und der Dinge ist sinn los, jeder zivilisatorische Fortschritt ist ohne Zweck, wenn der Mensch als solcher dabei zu Schaden kommt. ArbeOsstoff für -en neuen Landtag Beim Landtage sind schon 18 Antrüge ein- gegangen, davon allein 15 von den Kommunt stcn, die u a. fordern: die Verringerung der Ministerien, die Entlassung aller unter dem Druck des Reichswehreinmarsches und von der Heldt-Regierung eingesetzten „reaktionä ren* Beamten, aller Richter u. Staatsanwälte, die sich bei der Führung von Prozeßen als monarchistische Stützen gezeigt haben; die ferner fordern die Aufhebung des Ge setzes über die Unabsehbarkeit der Richter und der Verordnungen des Innenministeriums, die Ueberwachung von Versammlungen sowie die Gemeindewahlordnung betreffend; die weiter fordern die Aufhebung und Ent waffnung aller bürgerlichen Kleinkaliber-, Schützenvereine und sonstigen faschistischen Organisationen, sowie die Aushebung des Ver botes der kommunistischen Presse in den Ge fängnissen und die sich schließlich auf die Er- werbSlosenfürsovge, Notstandsarbeiten, In- angriffnahme eines großzügigen WohnungS- bauprogrammS, Achtstundentag usw. beziehen. Die Nationalsozialisten ziehen «m. Die Verteilung der Abgeordnetenplätze Im LandtagSsitzungSsaale hat eine neu« Aende rung erfahren. Die zwei Nationalsozialisten sind von den Dentschnationalen wegzezogen und sitzen jetzt neben den Altsozialisten. Umwandlung der altenAeichsanleihen? Wie verlautet, beabsichtigt das ReichS- finanzmintsterium, die Vörkriegs- und Kriegsanleihen in eine neue Rcichsanleihe umzutauschen. Die neue Anleihe soll mit 42 Prozent verzinst werben. Angeblich soll der Änleiheplan noch in diesem Jahre dem Reichstage vorgeleat werden. Eine Bestätigung dieser Absichten war vom Reichsfinallzmtnisterium bisher nicht zu erhalten- die Meldung möchte zunächst mit Vorsicht ausgenommen werben. Ausdehnung des Dortmunder Gchulfireiks Der Dortmunder Schulstreik hat sich seh Beginn dieser Woche Wetter ausgedehnt. Die evangeU^che Elternschaft im Kreise Dori» münd Land ll hat sich jetzt ebenfalls der Dewewlng angeschlossen und wird die Kinder von Dienstag ab vom Schulbesuch fernhalten. Auch die Elternschaft von Dortmund Stadt trifft Vorbereitungen, um im gegebene, Augenblick in den Streik einzutreten. Der Provinzialverband des Westfälischen GlternbundeS beschloß in einer Dertreterver» sammlung -einstimmig, hinter die kämpfende Elternschaft des Landkreises Dortmund zu treten und nötigenfalls einen Sympathiestreik in ganz Westfalen zu proklamieren. Die Ur sache des Streiks liegt bekanntlich in der Berufung eines Dissidenten zum Schulrat. Oie Verschleppung -er Müüätkonlrolle Die amtliche Pariser Mitteilung über das Ergebnis der Sonnabendsitzung der Botschafterkonferenz hat in Berlin große Enttäuschung hervorgerufen. Die Feststellung, daß die Interalliierte Kon trollkommission zurückgezogen werden soll, wenn die militärischen Klauseln des Versailler Vertrages durch Deutschland völlig durchgcführt sind und wenn die Kontrolle der deutschen Rüstungen dem vom Völkerbund ernannten Ausschuß übertragen ist, beweist, baß die Angelegen heit nicht mehr vor der Dezembcrtagung des Völkerbundrates geregelt werden kann. Oer Schlußstrich unter den englischen Streik Die Arbeit in den englischen Kohlengruben ist gestern allgemein wieder ausgenommen worden. Der Kohlenpreis ist um ungefähr 2) Schilling für di« Lonne gefallen. Im Unterhaus« erklärte der Staatssekretär des Innern, wenn 80 Prozent der Berg» arbeiter die Arbeit wieder ausgenommen haben, werde die Regierung am Donnerstag die AuSnahmeverfügungen zurückziehen. Wie gut es Amerika geht Der amerikanische Handelsmtntster Hooper erklärte in einem Ueberblick über die Jahres- berichte ScS amerikanischen Handelsministe riums. daß das Finanzjahr 1925/26 an Umfang der Produktion und des Verbrauches, an Ex port und Import sowie an Löhnen in der amerikanischen Geschichte einen bisher nie er reichten Rekord darstelle. ES habe praktisch keine Arbeitslosigkeit gegeben. Hoover bc- tonte weiter, daß die Vereinigten Staaten den iöchsten Lebensstandard in ihrer Geschichte auf recht erhielten, der sich über dem Standard der meisten anderer Länder halte pariser Reisebrief Von Studienrat Türcke-Freital. I Meine Reise führte mich über Leipzig, Frankfurt, von hier mit dem Baseler Schnellzug bis Kehl, wo die Paß- und Zoll revision stattfand, die — wie bei dem Ein wanderungsstrom zur Zeit der französi schen Inflation erklärlich — natürlich et was langwieriger war wie zu normalen Zetten. Die Behandlung der Fahrgäste durch die französischen Zollbeamten war durchaus liebenswürdig. Bon Kehl ging's dann nach Straßburg weiter, wo der kurze Aufenthalt, den ich bis zur Abfahrt des Zuaes nach Saarbnrg hatte, gerade hin reichte, nm mir den Kleber- und Broglie- platz, das altehrwürdige Münster und die angrenzenden alten urdentsch anmutendea Stadtviertel mit ihren engen, winkligen Gäßchen anzufehen, sowie ein dsjenner in einem Restaurant einzunehmen. Die für die Gäste bestimmten Ankündigunaen sind hier meist zweisprachig — französisch nnd darnnler deutsch —; -aS Deutsch ist aber so oft so h«nde« miserabel, daß es den Anschein erweckt, als hätte .s ein der deutschen Sprache absolut Unkun diger mühselig aus einem Wörterbuch zu sammengeklaubt. ES ist ungefähr das selbe Deutsch, das ich in Parts im Justiz- palast in den Anschlägen der Polizeiver- waltuna zn lesen bekommen habe, an de nen wobl jeder D-uts<be nach dem Dv^ch- lesen schmunzelnd vorüberaegangen sein wird. Noch einmal, am Grabe Heines auf dem Montmartrcfriedhofe. habe ich ein derartig von Franzosen wüst korrumpier tes Deutsch entdeckt,- — ein Verbot, seinen Namen auf das weiße Marmorkreuz zn schreiben, was übrigens durchaus nicht be- achtet wnr-e. Nebenbei sei hier bemerkt, dab das Grab mit Visitenkarten von Be suchern aüS aller Herren Länder übersät war. Als ein Betsoiel unter vielen sür dieses entstellte Deutsch bringe ich folgendes: Ich l«se in meinem R stanrant: Casse se paye, für den biederen Elsässer mit seiner gegen das fremde Idiom rebellischen Zunge übersetzt: Bruch von Glas wird berechnet! Dabei unterhält sich die Wirtin, die im all gemeinen französisch sprach, mit einem eintretenden Reisenden plötzlich in unver fälschtem alemannischen Dialekt. Ihre kleine Tochter sitzt am Nebentische und fertigt französische Schularbeiten an. Wehmütige Gedanken beschleichen einen, wenn mau sieht, wie hier fremde Machthaber versuchen, eine« Teil ech ten, deutschen Bolkstumes in das Prokrustesbett der französischen Spra che und Kultur zu zwängen. Welche Verwirrung der Köpfe, welche see lische Zerrissenheit muß die Folge davon sein! Meine Gedanken schweifen zurück in meine Soldatenzeit, als wir von Ver- dnn kommend, in dem idyllischen Dörfchen Jmbsheim bet Zabern in Ruhe lagen, jene nun schon dem romantischen Glanze der Vergangenheit angehörigen glücklichere Zeit, als die leere, gedankenlose Phrase von den „teuren wiedergefundenen Pro vinzen* noch nicht durch die französisch"« Blätter ging. Schon damals gab es in manchem Hausbalte harte, politische De batten und zwischen der meist älteren französisch gesinnten Generation von 1870 nnd der iüngcren deutsch gesinnten und emvfindenden lin meinem Falle zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter), die oft in den wüstesten Zank andarteten. Beide Parteien bombardierten sich mit den gebässtgsten Schimnswo'-ten. und viel febfte nickst, dab ite von den Verbal- zu Realin- turien übergeaanoen mären. Ick» batie dabei insofern eine sehr nneranickliche Stel lung. als ick» von den streitenden Parteien bet teder Ges-oenhett als S^-d^ichter angervsen wneb«. ,»"d «s äuberst sckvvterta "mr, fick» ans den Bnd«»n wohlwollender N""t'-gsii8t dab-j,n stellen. ArmeS, unglücklichen Botk der Elsaß- "mhringer. „in dell'n Seele in gewaltigen Kämpfen feit alterSher zwei große Nach barn ringen! Alle paar Jahre sollt ibr dem ieweiligen Sieger znliebe euer Volks tum, euere Svrache, ja auch eure Gesin nung wechseln nnd wer bürgt dafür, daß ihr jetzt, trotz Genf, die letzte Metamor phose durchwacht! Das Gesinnungslum- pentum so mancher muß auf diese Weise llroßgezogen werden. Leider muß gesagt werde«, daß gewisse Volksgenossen das kulturpolitische Ziel der französischen Anpassung er leichtern helfen, indem sie, ihr eigenes Volkstum verach tend, in schamloser Selbstentweihung den französischen Asstmilationsfanatikcrn in die Hände arbeiten. Einen harten Kampf kämpft in dieser -Hinsicht der Hetmatbund mit seinem durch manche Feuerprobe hin durchgegangenen Führer Dr. Ricklin ge gen diese Kategorie von nationalen Schwächlingen. Es ist eine Schmach, zu sehen, wie die Franzosen geradezu mit dem elsässischen Volkstum, der elsässischen Volkstracht und -en elsässischen Tänzen usw. renommieren, und all diese Dinge in unzähligen Bildern, Postkarten nnd Zeich nungen, oft auch in recht geschmacklosen Karikaturen verewigen. Ja, es ist schon so weit gekommen, -aß man gewiss«- Ver treter und Vertreterinnen des elsässis«ben Volkstums einem klassierten Pariser Pu blikum gewissermaßen als ethnoqravhische Reliquie vorftthrt, so wie man heutzutage Negerfamilien mit Kind und Kegel in den zoologischen Gärten von einer staunenden Menge begaffen läßt. Der Unfug mit der ehrwürdige» elsäs sische« Volkstracht gebt so weit, daß heute in den Pariser Schaufenstern nicht bloß elsässische Pupven als ionveairS zu sehen sind, sondern daß in Spielzenglädev massenhaft Hampel- männer in elsässischer Volkstracht zum Verkauf angeboten vv-rben. W"lkh bitterer Hob« ans den elällisch-n Volkschgrakter. Leider kehlt eS auch nickst gn Lenten im Elsaß die ein Zeichen siberl<wener Bil dung darin erblicken, sich bei feder passen den und unpassenden Gelegenheit des Französischen in Wort nnd Schrift bedie nen. Die liebe Frauenwelt zeichnet sich dabei besonders ans. Eine große Gefahr für das Elsässer Volkstum ist namentlich die seit der Wie- dercrwcrbnng übliche Unsitte, daß elsäs sische Landmädchen in der Lichtstadt Paris > sich dje fremde Sprache aneignen. Ihr ge diegenes, elsässisches Wesen tauschn sie da bei ein gegen modische Kleidung, Puder und Schminke. Aber es geht ibnerr vielfach wie dem Falter, dem das Licht, das ihn unwiderstehlich anzieht, zum Verhängnis wird Das Schicksal solcher Unglücklichen wurde vor einiger Zeit in einem Film vorgcführt, der den sür uns beschämenden Titel trug: Vom elsässischen Dorfmädchen znm Variser Straßenmädchen. Während eines vierzehntägigen Aufent haltes an der normanischen Küste in einem kleinen Seebad zwischen Dieppe und F<stomp habe ich die Bekanntschaft eines elsässischen Kindermädchens gemacht, die man in Parts in ihrer franz. Bonnen tracht mit langem, herabwallenden, weißen Schleier sehr häufig antrifft. Sie war so froh, wieder einmal nach langer Zeit mit einem Deutschen deutsch sprechen zu kön nen und hat mir ihr Serz gründlich ü^ r die französischen Herrinnen, bei denen sie bedienstet war, ausgeschüttet. Als ich sie das erstemal mit ihrem Pflegekinde am Strande spielen sah, hätte ich an ihrer Sprache niemals erkannt, daß sie Elsälle- rin war, ein so akzentreines Franzi sprach sie. Sie war in Frankreich schon tüchtig herumgekommen in den Seebädern an der Loire, in der Bretagne, auch im Süden in Arcachon und kannte infolge dessen die französische Geographie besser wie ich. Doch merkte ich aus den Unter haltungen, die ich beinahe täg..ch mit ihr hatte, -ah ihr Herz sie unwiderstehlich «ach Deutschland zog. Französische Lektüre liebte sie nicht, .chr Herz schlug — genau wie bei einem echten, deutschen Dienstmädchen — für Courts Mahler, Natalie von Eschtrutb, Clara Viebig und nicht zu vera-ssen für da - Kino mit seinen rührseligen Dramen. Sie ge stand mir. daß sie sehr hänsig weinen müs se, wenn sie an die Heimat denke, aber den noch nicht zu ihren Eltern und Brüdern zurttckkebren wolle,- ans welchen Grün den verriet sie mir nicht. Das typische trendeutsche Dienstmädchen trotz des mir äußerlich haftenden französischen Firnis. (Fortsetzung folgt.)