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Viertes Blatt Ar. 292 Dienstag, den 16. Dezember 19S0 aufpeitschen-e Sensation... Sie ist mein Das Lächeln der Kenny Porten D man gewohnt war Plauderstnnde «it De»tschla»v» berühmtester Filmdarstcllerin Bou P. A. Luge« Geisler. Sie ist durch Glanz und Ruhm geschrit ten. Ihre Verehrer und Verehrerinnen zählen nach Millionen. Sie hat Hunderte von Frauenfchicksalen gestaltet, erlebt, -urchlitten. Sie hat alle Register mensch licher Leidenschaften durchlaufen, hat zu tiefst erschüttert, hat das Lachen von Mil lionen ausgelöst. Sie weih nichts von ihren Erfolgen in dieser Stunde der Er innerung. Sie gesteht, dah von all ihren Gestalten keine ihr so nahe gegangen, keine sie innerlich so tief gepackt, mitgerif- sen hat — als ihre Rose Berndt... „Rose Berndt — das war die Rolle, in der ich vollkommen aufging, die meiner innersten Natur am meisten entsprach... Dieser einfache, ungekünstelte Trieb mensch, geleitet von den unbewußten In stinkten ihres schlichten Weibtums, hat es mir angetan. Drei Männer sind um Rose ufaturen- beugt sich die Diva zurück. Als damals, vor Jahren, die ersten Nachrichten über die Verfilmung dieses wohl realistischsten Meisterwerkes Gerhart Hauptmanns in die Oeffentlichkeit -ran gen, setzte ein Entrüstungssturm ein, eine wütende Pressekampagne begann, dah der Film sich nun auch an die Gestaltung von seelischen Konfliktstoffen wagte, statt, wie Berndt. Den einen liebt sie, den anderen haht sie, den dritten soll sie heiraten. Wel cher Konflikt für diese einfache, unkompli zierte Mädchennatur. Die ist eine Gestalt ohne Dämonie, ohne, gekünstelte, nerven- tzie ist durch die schmale Seitentür in den sonnendurchfluteten Salon getreten, in dem ich sie erwarten durfte. Eine schlanke, feingliedrige Gestalt, das blonde, leicht gekräuselte Haar ist schlicht gescheitelt und liegt im schweren Knoten im Nacken... 9«, das ist sie, die Porten. Eine liebe Be kannte, die man zehn-, hundert-, tausend mal gesehen, erlebt hat und die nun un versehens heruntergestiegen zu sein scheint von -er Leinwand ins Leben. In der Plauderecke am Rauchtisch, dort wo die hoben Bogenfenster den Blick auf -as herrliche Elbtal frergeben, sitzen wir uns gegenüber, und indes der blaue Rauch -er Zigaretten sacht sich kräuselt — denn sie raucht, die Porten, in einer liebens würdig nonchalanten Art —, plaudert ste- Ich mustere sie verstohlen. Sie ist Dame, sie ist starke, eigenartige Persönlichkeit und doch — ein lieber Mensch. Sie ist nicht gekünstelt, nicht zurechtgemacht, sie ist kein Mrltyp, von «ex LppeLl keine Spur — unö -och ist sie das, was die Düse auf den Brettern, die die Welt bedeuten sollen, was die Pawlowa als Königin des klas sischen Balletts wurde —, sie ist, nehmt alles nur in allem, die Porten, die Verkör perung der lieblichen, ungekünstelten Frau. Wenn sie spricht, eine klangvolle, warme Altstimme, beugt sie sich leicht vor. Die Hände, die schmalen, weihen, gepflegten Hände, die meist ruhig im Schoß liegen, indes sie über Menschen und Dinge spricht in einer klug lvägenden, leidenschaftslosen Art, die Hände unterstreichen, wenn sie einen Satz betont spricht, weich, formend, gestaltend. Plastisch fast ersteht so ihre An sicht in klugen, wohlgeformten Sätzen. Nur manchnral flammen die großen, kla ren Augen, die das feine, schmale Gesicht beherrschen. Einmal streicht sie, sich besin nend, über die hohe, weiße Stirn. Sie lächelt, die Porten lächelt... und Retsefilme zu bringen. Wir haben unbeirrt nm alle Anfeindungen die ge stellte Aufgabe nach besten Kräften zu lösen gesucht... Vielleicht begann mit Most Bernde eine neue Aera des FUmS überhaupt... Gerhart Hauptmann hatte sich, von dem leidenschaftlichen Widerstaud gegen die Verfilmung seines Stückes un. angenehm berührt, zurückgezogen. Er sah erst die 75. Aufführung. In der Pause kam er zu mir. der greise Dichter, und er klärte, daß diese Gestaltung seines Stückes ihn aufs tiefste gepackt hatte... Das war meine schönste Belohnung..." Dies ist der klare Beweis: sie ist Voll- blutkünftlerin, die Porten. Dort liegt ihre tiefste Genugtuung, wo Erfüllung ihres Werkes war. Wir wissen es alle — die große Unr- ivälzuug, die der Film durch seinen plötz lichen schritt zum Tonfilm durchge- macht hat, hat auch die Porten aus der Zu rückgezogenheit der letzten Jahre, als sie fast von der Leinwand verschwunden schien, wieder in den Mittelpunkt des Interesses gebracht. Dies ist die große Duplizität ihres Lebens, ihres Schaffens: sie kam wie der, wurde gesehen lund gehört!) — und siegte... „Eine Frage, gnädige Frau! War cs für Sie nicht em ganz neues, ungewohntes Schaffen, als Sie am ersten Tonfilm-Auf nahmetag vor Kamera und Mikrophon zu spielen hatten...?" Tie Diva schüttelt lebhaft den Kopf. „Aber gar nicht! Mein erster Aufnahmc- tag für den Tonfilm war nicht anders, als vordem. Ich habe ja auch in meinen stummen Filmen immer gesproä-en — als stände ich auf der Bühne. Nur daß eben für das gesprochene Wort dann der ge schriebene Titel gesucht werden mußte. Eine Arbeit, die der Fernstehende kaum in all ihren Schwierigkeiten zu erfassen ver mag. Jahre ging das so. Manches Er. periment wurde gemacht. Als dann der erste Tonfilm kam..." Sie blickt nachdenklich auf ihre verschlun genen, still im Schoß ruhenden Hände — und lächelt. Es ist jenes feine, fast über der Sache stehende Lächeln, das wir alle ken nen und das sie so wundersam verschönt... „... Noch vor einem Jahr glaubte ich, nie einen Tonfilm spielen zu können. Als ich den ersten Tonfilm hörte — es war in Paris —, war ich aufs tiefste ent täuscht, offen gestanden, entsetzt. Es war mir, als bewegten sich da oben Schemen, seelenlos bewegte Photographien und ir gendwo dahinter stände jemand, durch ble cherne Trichter überflüssige Terte spre chend... Aber dann kam die Ueberlegung — hier war ja nur ein Anfang. Was der stumme Film in dreißig Jahren erreichte, Vollendung, das kann man nicht von einem sozusagen neugeborenen Kinde verlangen. Ich gehe mit Ihnen in der Ansicht einig, daß die jetzige Tonfilm-Lperette nichts als kopiertes Theater, meist ohne Eigen wert, ist. Die Ausgaben des Tonfilms liegen auf ganz anderem Gebiet. In den meisten Tonfilmen wird zuviel gesprochen. Der Ton muß lediglich als Höbepuucr der Handlung dienen. Ta, wo auch im Leben Das vertuschte Sch Siom^n von vermal»» Hilgendorfs copTtigdc 07 Oreloer varUa S Nachdruck verdoten 26. Fortsetzung. Er legte die Hände auf die Schulter de» Werkmeister». Ablehnung und Mißtrauen brannte in dessen Gesicht. Wa§ wollte dieser Blutsauger von ihm. Hatte er ihn noch nicht genug ausgesogen? „Die Aram-Werke haben im letzten Jahr fast eine Million abgeworfen!" sagte Lestmann. „Diese Million soll als Tantieme zu gleichen Tellen unter euch Arbeitern verteilt werden!" Bentheim und Winter stießen einen leisen Schrei aus. Inge von Grabow zuckte zusammen und sah sprachlos aui Lestmann. Der alte Grabow lachte ein blödes hyste« rijches Lachen. „Das war ein Witz! Ein prächtiger Witz! Aber auch ein gefährlicher Witz! Die Hölle würd ihn sür solche Witze fressen," dachte Grabow, denn er war davon über- zeugt, daß Aram nur den Arbeiter verhöhnen wollte. HunterS Augen bekamen einen starren Glanz. Er trat, wie von einem Ekelgefühl gepackt, von Lest mann fort. „Hohn! Hohn!" schrie er heiser. „Da» sieht Ihnen ähnlich! Sie Schuft . . . !" Hunter spie au». Er spie vor Lestmann- Füße, und brennende Röte jagte in sein Gesicht. Haß entblößte seine Zähne. „Die Stunde der Bergeltung ist nahe!" schrie er, und unwilltürlich glitt sein Blick auf die Uhr, die über der Tür hing. „Hören Sie zu, Hunter l Ich begreife Ihr Mißtrauen. Aber es ist mein Ernst. Bilden Sie ein Komitee der Werk- meister. Kommen Sie in einer Stunde wieder, dann wer den wir über die Verteilung de- Geldes sprechen, und Sie werden sehen, daß e» mir Ernst »st .. Noch immer jagte Blässe und Röte über das Gesicht des Werkmeisters. Aber er sah in den Augen Lestmanns keinen Falsch. Er sah in diesen Augen eine Flamme, die er kannte . . . die er au« den Arbeiterversammlungen kannte, die selbst in seiner Jugend in seinen Augen gebrannt hatte . . . Die Flamme de- Fanatismus... die Flamme der Menschen liebe .... Und diesem einfachen Manne ging die Wahrheit auf, die allen bisher verboraen war. Seine einfache und vri- mitive Seele begriff, daß eine solche Wandlung eines Menschen nicht von heute auf morgen möglich sei . . . Er stöhnte fast, als er murmelte: „Dieser Mann ist nicht . . . Aram! Aber es ist ein . . . Mensch!" Er begriff nicht, was passiert war! Das interessierte ihn auch nicht! Er wußte und erkannte nur das eine . . . dieser Mann, der sich Aram nannte, wollte ihnen helfen . . Und groß und brennend stand der Gedanke und die Erkenntnis in ihm auf, daß in wenigen Minuten eine Hölle des Streiks ausbrechen sollte, die diesen Menschen vielleicht vernichtete. Das mußte er verhindern! Das war verhindert, wenn er dieses große Geschenk AramS bekanntgab. ,Hch will das Komitee bilden!" sagte er und ergriff Arams Hand. Es war ein fester Druck der Hände. Und Lestmann fühlte ein heißes Glücksgefühl in sich ausquellen. . . und nun glaube ich, können wir ruhig früh, stücken!" sagte Lestmann und reichte Inge den Arm. Er fühlte das Zittern von JngeS Armen. Er sah den heißen, brennenden Glanz in oer Tiefe ihrer Augen. Liebe! Liebe! Liebe! begann JngeS Herz zu klopfen. Aber Inge verschloß sich dem Klange ihres Herzens. Lüge! Lüge! murmelte sie, und konnte doch dem brennenden Glanz, der aus ihres Verlobten Auge strahlte, nicht standhalten. „Alles ist verloren?" murmelte mit bebenden Lippen Bentheim, al- er an Winter vorbeischritt. „Nein!" formten Winters Lippen, und ein böser, drohender Glanz kam in seine Augen. Winter war im Direktorzimmer zurückgeblieben, um den anderen den Vortritt zu lassen. Auch Hunter war noch zurückgeblieben. In seinen Augen saß ein ekstatischer Glanz. Winter schloß hart und drohend die Tür hinter den anderen und wandte sich kurz an Hunter. „ES ist natürlich alle- ein Witz von Aram!" sagte er, und seine Augen liesen schnell und lauernd wie Wiesel augen über Hunter hin. HunterS Augen glitzerten. „Nein!" sagte er, „es war Wahrheit, Sie haben sie vielleicht nicht gerne gehört, Herr Direktor, trotzdem bleibt es Wahrheit!" „Sie werden den Leuten nichts von diesem Blödsinn vorschwätzen!" „Doch! Ich werde das Komitee bilden und den Streik verhindern, denn es war zu zwölf Uhr einer angesagt!" Winter griff in seine Tasche. Er zog einen Tausendmarlschein hervor. Er hielt ihn Hunter hin: „Schweigen!" Aber plötzlich spie der Werkmeister Winter ins Gesicht. „Hund!" Er ging an Winter vorbei zur Türe zu. Winter war wie erstarrt! Blutige Schleier tanzten vor seinen Augen. Er sah das verräterische Buch in Arams Hand. Er sah das Zusammenbrechen des Streik-^ Er sah sich und Ben. »eim hinter Zuchthausmauern. Hunter hatte noch nicht die Tür erreicht, da traf ein eiserner Briefbeschwerer seinen Kopf. Hunter stürzte lautlos w Boden '3. Kapitel. Schlagt sie nieder! In dem Augenblick, als Leon von Grabow den ersten Sektpfropfen knallend gegen die Decke springen ließ, öffnete Winter die Tür des Sitzungssaales: „Bentheim, Sie wer den am Telephon verlangt!" Bentheim sprang auf. Die Tür schloß sich hinter Heiden (Fortsetzung folgt.)