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Sächsischer Landes-Anzeiger : 29.09.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188809291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880929
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880929
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-09
- Tag 1888-09-29
-
Monat
1888-09
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 29.09.1888
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Nr. 228. — 8. Jahrgang. Der jede» Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangende „Sächsische Lanves-Anzeiger" mit täglich einem Extra-Beiblatt: 1. Kleine Botschaft L. Sächsischer Erzähler 3. Sächsische GcrlchtSzeitung 4. Sächsisches Allerlei s. Illiistrirtcs Untcrhaltungsblatt 6. Sonntagsblatt 7. Lnstigcs Bilderbuch kostet bei den Ausgabestellen monatlich 70 Pfg., bei den Post-Anstalten 75 Pfg. (Post-Zeitungs-Preisliste Nr. 5035.) Sächsischer Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, Bnchdruckerei, Chemnitz, Theaterstratze Rr. S. Fernsprech'Anschluß Nr. 136. — Telegramm-Adresse: Landes-Anzeiger, Chemnitz. Sonnabend, 29. September 1888. Von den Hauptblättern des „Sächsischen Landcs-AiizeigcrS" erscheint (ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter) eine billigere Sonder-Ausgabe unter dem Titel: - Chemnitzer General-Anzeiger für monatlich nur 50 Pfg. mit Zutragen: außerhalb Chemnitz monatl. 57 Pf. m. Ztr. (Zeitungs-Preisliste 9. Nachtr. Nr. 1350a.) Jllustrirtes Jahresbuch des LandeS-AnzeigerS. Anzcigeilprets: Nanm einer schmalen Corpuszeile 15 Pfg. — Bevorzugte Stelle (lspaltige Pctitzeile) 30 Pfg. — Bei Wiederholung großer Anzeigen Preisermäßigung. — Bei Bestellungen von Auswärts wolle man den Einrückungsbetrag (in Briefmarken) beifügen tje 8 Silben Cvrpusschrift bilden ca. 1 Zeile.) — Anzeigen können nur bis Vormittag angenommen werden, da Druck und Verbreitung der großen Auflage längere Zeit erfordern. Die Anzeigen finden ohne Preisaufschlag gleichzeitig Verbreitung durch den „Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-Ausgabe der Hauptblätter des „Sächsischen Landes-Anzeigers" ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter). Amtsgerichtliche Bekanntmachungen. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute auf Folium 3160 die Firma Eduard Bauer in Chemnitz, (Lange- straßc Nr. 18) und als bereu Inhaber der Buchbindermeistcr Herr Ernst Eduard Bauer daselbst, Besitzer einer Geschäftsbücherfabrik, eingetragen. Chemn tz, am 21. September 1888. Königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 27. September. Wien. Nach der „Neuen Freien Presse" wird in Prager politischen Lbreiscu versichert, die feudale Partei sei gesonnen, sich von der tschechischen Partei zu trennen. Namentlich beabsichtige Fürst Karl Schwarzenberg, alle öffentlichen Ehrenämter niederzulegen, da er die Ueberzcugung gewonnen, daß die gesammten tschechischen Wähler schaften entweder bereits im Gefolge der Jungtschechen oder im Bann kreise der jnngtschechischen Agitation ständen. Damit soll zusammen- hängen, daß die Feudalen im mährischen Landtage in de» letzten Tagen sich bereits bei mehreren Abstimmungen von den Tschechen getrennt haben. Konstan tino pel. Die diplomatischen Vertreter Deutschlands, Oesterreichs und Englands haben dem bulgarischen Exarchen, welcher bei ihnen die von der bulgarischen „Swoboda" betreffs der mace- donischcn Frage geltend gemachten Punkte warm vertrat, die ent schiedene Mißbilligung ihrer Regierungen ausgesprochen. Die Mächte seien durchaus nicht gewillt, durch ein vorzeitiges Ausweisen jener Frage den europäischen Frieden zu gefährden. Die Regierung in Sofia hat hier und in Belgrad beruhigende Erklärungen abgegeben, welche als zufriedenstellend ausgenommen wurden. Vom 28. September. Stuttgart. Bei der gestern Abend zu Ehren der Anwesenheit des deutschen Kaisers abgehaltenen Serenade hob Oberbürgermeister Hack in seiner Begrüßungsrede hervor, wie Stuttgart stolz darauf sei, daß es ihm vergönnt gewesen, dem Kaiser Wilhelm II. zum ersten Male seine Huldigung zollen zu dürfen und das Gelübde der Treue zu Kaiser und Reich erneuern zu können. Muthvoll und hoffnungs froh blicke das Volk heute zum Kaiser auf und lebe der Zuversicht, daß der junge Kaiser in Erfüllung des hohen Vermächtnisses seines Großvaters allezeit ein Mehrer des Reiches an Gütern und Gaben des Friedens, der nationalen Wohlfahrt, der Freiheit und der Gesittung sein werde. Kaiser Wilhelm sprach seine hohe Freude aus über den ihm gewordenen herzlichen Empfang. — Bei herrlichstem Wetter nmflnthet viel Publikum, namentlich vom Lande, das Schloß. Die Bahnzüge bringen immer neue Tausende. Politische Nrmdschait. Chemnitz, den 28. September. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm ist Donnerstag früh 9 Uhr von Detmold über Bergheim nach Stuttgart abgcreist. Vom Schlosse bis zum Ausgange der Stadt bildeten die Schulen, Vereine und Corporationen Spalier. Der Fürst gab dem Kaiser bis Bergheim im Wagen das Geleit. Die Reise ging von dort mittels Extrazuges über Kassel und Frankfurt nach Stuttgart. Wiederholt wurden dem Kaiser unterwegs enthusiastische Ovationen dargebracht. Die württcm- bergische Hauptstadt ist glänzend geschmückt. Ucberall sieht man prachtvolle Decorationen, eine Via triumphalis mit zehn Pyramiden führt zur Stadt, die prachtvoll erleuchtet war. Bei der Ankunft wurde der Kaiser von dem Könige Karl, den königlichen Prinzen, Hofstaaten, Minister», Generälen n. s. w. empfangen. Die Begrüßung der Majestäten war eine äußerst herzliche. Nach der Besichtigung der Ehrcncouipagnie, welche das 120. Regiment gestellt, durchschritten Der Geistersee. Original-Novelle von Gustav Höcker. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Das rasche Zugeständniß ihrer Liebe zu einem Fremden bei seinem ersten Anblick, das Orlando seinen gewohnten Siegen über Frauenherzen zu gute schrieb, hatte ihm gar nicht gegolten. Wie verächtlich, wie lächerlich mochte er ihr erschienen sein, als er bei seinem ersten Be- suche sich seiner Errungenschaft rühmte, seinen größten Triumph zu feiern glaubte, und in Wirklichkeit die jämmerliche Niederlage erlitt. Während er sie von Scham über eine liebenswürdige Schwäche er füllt glaubte, kochte in ihrer stolzen Brust die Wuth über den ent deckten Jrrlhum, und sicher sollte die wankende Bewegung, die Orlando sie machen sah, dem Glockcnzuge gelte». Vielleicht hätte dem zudringlichen Gaste eine schimpfliche Ausweisung bevor gestanden, hätte sein Mund nicht das Wort „Erbschaft" ausgesprochen. Er entsann sich genau jenes Augenblicks und kannte jetzt die innere Geschichte dieses Ucbergangs, der stets etwas dunkles für ihn gehabt nnd schon oft seine Gedanken beschäftigt hatte. Wer weiß, welche Rolle der Erbe der halbe» Million schon längst in den Plänen des ruinirten Advokaten gespielt hatte! Sicher kannte Leopoldine be reits den Goldwerth des Klienten, der sich schon Wochen vorher angekündigt hatte, nnd ihre stolze Berufung auf die strenge Geschäfts disziplin ihres Vaters war ein naheliegender Kunstgriff gewesen. Alles durchschaute Orlando jetzt, alles, bis auf den verstorbenen „Kousin" sogar, den Leopoldine rasch vorschob, als ihr Vater nahe daran war, in seiner ersten Ueberraschung de» wahren Namen zu nennen. Alles war jetzt am Tage, und auch die Wahrnehmung, die ihn längst bekümmerte, daß sich in der Liebe seines Weibes jede Svur non jener ersten Hingebung verleugnete, womit die Bekannt schaft n- viclverheißend begonnen, war dem schwer enttäuschten Mann kein Raihsel mehr. Im ersten Ansturm seiner empörten Gefühle wollte Orlando z» dem falschen Weibe stürzen und sie zur Rechenschaft ziehe». Aber was konnte er dadurch ändern? Was konnte er ausrichten? Jeder Vorwurf, den er ihr gemacht hätte, wäre nur ein »euer Stich ge wesen, der seine tödtlich verwundete Eitelkeit traf. Nein! sie durfte nicht wissen, daß er die ganze Lächerlichkeit der Rolle kannte, die er in ihren Augen gespielt hatte. Sie sollte glauben, daß sie ihm so gleichgültig geworden sei, wie er ihr von jeher gewesen. Sie sollte die fürstlichen Herrschaften die Bahnhofshalle, wo die Behörden der Stadt den Kaiser begrüßten. Auch die Geistlichkeit der Stadt, Reichstags- und Landtagsabgeordnete, sowie hundert Festjungfrauen waren dort aufgestellt, deren Führerin beiden Majestäten einen Strauß überreichte. Unter unendlichem Jubel erfolgte die Fahrt zum Schlosse. Elektrische Beleuchtung und Jlluminationslampen verbreiteten Tages helle; der Königsban, Schloßhof und Schloßplatz, das Postgebäude strahlten in einem wahren Lichtmeer, auch von de» die Stadt um gebenden Höhen erglänzten Frcudcnfeuer. Der Einzug bot ein ganz überwältigendes Bild. Im Schloßhofe war eine zweite Ehren compagnie vom 125. Regiment ausgestellt. Während des Soupers der fürstlichen Herrschaften sollte der „Liederkranz" dem Kaiser ein Ständchen darbringen, das durch „Schwabens Kaisergruß" eröffnet werden sollte. Es folgen oie Lieder: „Zwischen Frankreich und dem Böhmerwald," „Zum Walde," das schwäbische Volkslied „Muß i den», muß i denn rc." und zum Schluß das „Deutsche Lied." In der Stadt herrscht die freudigste Feststimmung, mit dem Kaiserbcsuch ist ein lang gehegter Wunsch der Stuttgarter erfüllt. Heute Freitag: Vormittag 10 Uhr Rundfahrt der beiden Majestäten durch die Stadt, Nachmittags 2 Uhr Festtafel im Schlosse, um 4 Uhr Abreise des Kaisers. Vielleicht läßt sich derselbe aber bewegen, seine Anwesenheit im schönen Stuttgart noch etwas anszudehnen, da erst Sonntag auf der Insel Mainau die Geburtstagfeier der Kaiserin Augnsta statt findet. Der Kaiser ist trotz aller Reisestrapazen wohlauf. — Fürst Bismarck wird für die nächste Zeit in Friedrichsruhe verbleibe», wo es ihm ausnehmend wohl gefällt. Die Reise nach Varzin ist vor der Hand aufgegeben. — lieber den künftigen Reichsetat wird von berufener Seite bekannt, daß die Eiuzeletats nur wenig von den früheren abweichen, und keine besonderen Mehrforderungcn bringen. Das gilt auch vom Militär- und Marine-Etat. Sollten außerordentliche Anforderungen geplant werden, müssen sie im Nachtragsctat erscheinen. — Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: „Eine Korrespondenz aus den Reichslanden giebt den diesmal anscheinend von Metz ausgeh enden Gerüchten über den angeblichen Rücktritt des Statthalters, Abänderung der Verfassung, die damit angeblich zusammenhängende Verschiebung des Kaiserbesnches u. s. w. Verbreitung. Dieselben be ruhen sammt und sonders auf Erfindung, und die Verbreitung solcher Gerüchte dient jedenfalls nur Interessen, welche darauf gerichtet sind, die Konsolidirung der Verhältnisse in Elsaß-Lothringen thunlichst zu hindern. Weder von einem Rücktritt des Fürsten Hohenlohe, noch von einer Abänderung der Verfassung ist das Geringste bekannt, und was den Kaiserbesnch anbelangt, so haben wir schon vor sechs Wochen in aller Form erklärt, daß derselbe für dieses Jahr weder beabsichtigt noch ausführbar ist." — Der preußische Minister des Innern, Herrfurth, macht be kannt, daß die Wahlen zum preußischen 'Abgeordnetenhaus«: am 30. October und O.November stattfindcu werden und zwar am 30. Oktober die Wahl der Wahlmänner, am 6. November die der Abgeordneten. — Fürst Bismarck über das „Tagebuch Kaiser Friedrichs." Der „Reichsanzcigcr" publicirt einen sehr ausführliche» Bericht des Reichskanzlers au den Kaiser, in welchem ausgesprochen wird, daß das Tagebuch in der vorliegenden Form nicht echt sei. Der Kron prinz habe allerdings außerhalb der geschäftlichen Verhand lungen gestanden, sei also über manche Details vielleicht nicht genau unterrichtet gewesen, aber es sei unmöglich, daß bei täglicher Niederschrift sich so viele Jrrthümer cingeschlichcn haben könnten, wie es der Fall ist. Unrichtig sei es, daß er (der Kanzler) noch am 13. Juli 1870 den Frieden für gesichert hielt; der Kronprinz habe gewußt, daß der Krieg unvermeidlich war, und sei auch ganz mit der Mobilmachung einverstanden gewesen, während der König immer noch hoffte, den Krieg vermeiden zu können. Der Kronprinz habe ferner gewußt, daß mit diesem Kriege (1870) eine andauernde Ruhx nicht zu erziele» sei; unrichtig sei auch, daß der Kronprinz de» König den Zusammenbruch ihrer Macht an seiner kargenden Hand spüren. Sein Reichthum war seine Stärke und daß er diese Quelle, aus der sie mit vollen Händen zu schöpfen gewohnt war, ihr und ihrem geld bedürftigen Vater mit eiserner Widerstandskraft erbarinungslos ver schloß, das sollte seine Rache sei». So wurde an der harmlosen Plaudcrhaftigkeit eines alten Mannes, den Leopoldiue reif für das Irrenhaus hielt, alle List und Klugheit zu Schanden, womit sie bisher die Gefahr beschworen hatte, welche über dem Frieden ihrer Ehe, über dem Frieden des brasilia nischen Erben schwebte. Leopoldine knirschte vor Wuth, denn sic hatte, wieder hinter dem Vorhänge lauschend, Schratts Erzählung augehört. Sie machte sich auf eine heftige Scene mit Orlando ge faßt. Tag um Tag verging jedoch, ohne daß er sie auch nur mit einem Worte zur Rechenschaft gezogen hätte. Als er aber ihr nächstes Geldanlicgen kalt abwies und ihr sogar in rauhem Tone bedeutende Einschränkungen zur Pflicht machte, — da blieb ihr über die empfindliche Methode der Wicdervergeltuug, für die er sich entschieden hatte, kein Zweifel übrig, und die bestürzte Frau glaubte nun ihr zukünftiges Schicksal zu kennen. VII. Orlando suchte gegen den bitteren Unmuth seines Inneren Zu flucht bei seiner Kunst. Er malte eifriger als je zuvor an seinem Bilde. Der todte König Philipp war bis auf den letzten Pinselstrich vollendet und die Reihe war jetzt an der trauernden Königin. Schratt's Stelle als Modell hatte die Gliederpuppe eingenommen; sie war mit einem faltigen schwarzen Gewand angethan und ein schwarzer Schleier verhüllte ihr seelenloses Gesicht. Wie auf allen Bildern Orlandos die Gewandung und der Faltenwurf mit besonderer Sorg falt behandelt war, so verwandte er auch bei dieser Figur ei» fast peinliches Studium darauf, daß jede Falte, jede Verschiebung des Stoffes den Eindruck des scheinbar Zufälligen, machte und doch har monisch auf das Auge wirkte. Obwohl Orlando Schratts nicht mehr bedurfte, so fand sich dieser doch dann und wann zum Besuch ein, wie es überhaupt seine Gewohnheit war, in den Malerateliers vorzusprechen, auch wenn man ihn nicht brauchte, und seine Geistergeschichteu zum besten zu geben oder seine mystische Weltanschauung zu begründe». Der Ernst, mit dem er von solchen Dingen sprach, das Düstere seiner ganze» Persönlichkeit schützte ihn vor der Gefahr des Lächerlichen. Man brachte ihm eher Mitleid und Duldung entgegen, um so mehr, als mit Mühe bewogen habe, das eiserne Kreuz auch Nichtpreußen zu verleihen. Bezüglich der Kaiserfrage bestand schon am 3. September ein volles Einvernehmen zwischen dem Kanzler und dem Kronprinzen und geradezu Verleumdung sei cs, wenn der Kronprinz die Anwen dung von Gewalt gegen die süddeutschen Bundesgenossen empfohlen haben soll, um sie zur Anerkennung des Kaiserreiches zu zwingen. Unrichtig seien auch die Mittheilungen über die Schaffung eines Reichs-Oberhauses und von Reichs-Ministerien. Ebenso habe der Kanzler nie gesagt, er wolle nach dem Kriege einen Streit wegen der Unfehlbnrkeitsfrage beginnen. Nach Allein hält der Kanzler daS Tagebuch in der vorliegenden Form für unecht. „Wäre es echt, müßte es als Staatsgcheimniß behandelt werden, die Veröffentlichung also unter Strafe fallen. Besonders durch die Aeußerungen über die fremden Bundessürsten würde, wenn sie echt wären, Bestand und Einigkeit des Reiches schwer gefährdet werden. Ist die Publikation nicht echt, so würde das Strafgesetz auch gleichfalls Gelegenheit bieten, gegen die Urheber der verleumderischen Publikation vor zugehen. Daß dies geschehe, liegt im Interesse der bei den Hochseligen Vorgänger Ew. Majestät, deren Andenken ein werth volles Besitzthum oes Volkes nnd der Dynastie bildet und vor der Entstellung bewahrt werden sollte, mit welcher diese anonyme im In teresse des Umsturzes und des inneren Unfriedens erfolgte Veröffentlich ung in erster Linie sich gegen den Kaiser Friedrich richtet. In diesem Sinne bitte ich Ew. Majestät ehrfurchtsvoll, mich huldreichst ermäch tige» zu wollen, daß ich dem Justizminister Allerhöchstdero Aufforderung zugchm lasse, die Staatsanwaltschaft zur Einleitung des Strafverfahrens gegen die Publikation der „Deutschen Rundschau" und deren Urheber anzuweisen. von Bismarck." Der Kaiser hat diesen Antrag genehmigt, und die bereits eingelcitete Untersuchung wird also nun wohl bald Klar< heit ergeben. Daß die ganze Publikation falsch ist, sagt Fürst Bis marck übrigens nicht, nur die vorliegende Form ist unecht, in das Original müssen also Fälschungen hineinkorrigirt sein. Die Verlags- Handlung der Rundschau hat bereits angckündigt, daß das betreffende Heft nicht mehr ausgegeben wird. — Die „Nat.-Ztg." schreibt zu der Sache noch: „Innerhalb der Negierung wird die Veröffentlichung als eine Schädigung der auswärtigen Politik des Reiches betrachtet. Es wirs die Vermuthung laut, daß die Veröffentlichung auf eine englische Quelle zurückzuführen sei, was nicht ausschließen würde, daß ein Deutscher als Mittelsmann benutzt worden. Die Kaiserin Friedrich hat dem Abgeordneten Professor Delbrück ausdrücklich ihr größtes Mißfallen und Erstaunen über die unbefugte Veröffentlichung des Tagebuches zu erkennen'gegeben. Jedenfalls lag es in ihrer Absicht, wenn eins Publikation der schriftlichen Hinterlassenschaft Kaiser Friedrichs statt» finden sollte, daß dieselbe nur in authentischer Form und mit Zustimmung des Kaisers erfolgen sollte." — Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt Folgendes: Angesichts der abfälligen Urtheile, welche in dcm angeblichen Tagebuch Kaiser Friedrichs über den König Ludwig von Bayern gefällt werden, ist es nützlich, daran zu erinnern, daß die entscheidende Kundgebung der nationalen Gesinnung des bayerischen Monarchen nicht in der Frage der Redaktion seiner formellen Anregung der Kaiserwürde — vbschon auch diese den Dank Deutschlands für ewige Zeiten verdient - sondern in der schnellen Entschließung liegt, mit welcher er un mittelbar nach der am 15. Juli erfolgten preußischen Mobilmachung am 16. Vormittags bereits den Berathungeu seiner Minister über die Haltung Bayerns durch den kurzen telegraphischen Befehl, die Armee sofort zu mobilisiren, ein Ende machte. Durch diesen hoch herzigen Entschluß, de» der König aus ganz freier Initiative faßte und der im ganzen bayerischen Lande mit Jubel begrüßt wurde, hat sich König Luswig ein unzerstörbares Denkmal im Herzen des deutschen Volkes gesetzt, indem er ohne jede Rücksicht auf Eifersucht der Stämme und Dynaslieen sein Heer und sein Land sofort und energisch für das gemeinsame deutsche Vaterland cinsetztc. Keine nachträgliche Kritik wird ihm dieses Verdienst rauben können nnd ebensowenig das es kein Maler mit dem ebenso gesuchten als seltenen Modell zu ver derben wagte. So ließ sich auch Orlando seine Besuche gefallen und hörte seinen Geschichten geduldig zu. „Sie kommen mir sehr gelegen," bewillkommnete er eines Tages den Geisterseher, „soeben dachte ich an Sie und wollte „ach Ihnen schicken." Schratt warf einen fragenden Blick auf das Gemälde, ob viel leicht König Philipp noch einer Nachhülfe bedürfe. Orlando schüttelte jedoch de» Kopf. „Es handelt sich um einen Dienst anderer Art," belehrte er den Besucher. „Sie habe» mir gelegentlich gesagt, daß Sie des NachtS nicht schlafen können —" „Je näher die Nacht heranrückt", begann Schratt sogleich aus- einaudcrznsetze», „desto regsamer wird meine Phantasie. Die Sonne des Tages drückt mich nieder, die Nacht weckt meine Lebensgeister. Man spricht von den Dämonen der Nacht, — ich fürchte sie nicht. Ich fürchte nur die Dämonen des Tages — die Mensche»; wo sie jch.veigc», wo ihr Thun und Treiben nicht zu spüren ist, da herrscht Ruhe und Frieden." „Es giebt aber auch unter den Menschen Nachtdämonen," be merkte Orlando, „die im Dunklen schleichen und ihr Handwerk unter dem Schutze der Nacht ausüben. So sind in meiner nächsten Nachbarschaft in allerjüngster Zeit mehrere Einbruchsdiebstähle ver übt worden und leider hat man die Diebe bis jetzt noch nicht ermittelt." Schratt wunderte sich, daß er im Polizeibericht der städtischen Zeitungen noch nichts darüber gelesen habe. Orlando ging über diesen Einwurf hinweg, als gehöre er nicht zur Sache, sondern fuhr fort: „Ich bin wegen dieser Vorkommnisse sehr beunruhigt; die Gartenmauer ist leicht zu übersteigen und ist ein Dieb erst im Garte», so braucht er nicht hoch zu klettern, um sich durch eines der Fenster Eingang ins Haus zu verschaffen. Da es Ihnen kein Opfer ist, den Schlaf der Nacht zu entbehren, so wollte ich Sie bitten, einige Nächte in meinem Atelier zu wachen. Ich werde mich Ihnen dankbar erweisen." Schratt erklärte sich sofort hierzu bereit und lehnte jede Cr- kenuttichkeit dafür ab, da es ihm gleichgültig sei, wo er seine Nacht wache» verbringe, ob zu Hause bei einem Buche, draußen iu Wald und Feld oder in einem Maler-Atelier. Fortsetzung folgt. WM,
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