Suche löschen...
Sächsischer Landes-Anzeiger : 02.10.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189210020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18921002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18921002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-10
- Tag 1892-10-02
-
Monat
1892-10
-
Jahr
1892
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 02.10.1892
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Beilage zuNr.23Ü.-12.Jahrsi Lle jeden Wochentag Abend erscheinende Heilung Sächsischer Landes - Anzeiger (Chemnitzer General-Anzeiger) tostet monatlich SS Pfg. i» Chemnitz frei Hans. Mit dem Extra-Beiblatt Lustiges Bilderbuch monatlich US Psg. i» Chemnitz frei Hans. Außerhalb Chemnitz Zntrag. monatl.lüPf. Bei den Postanstaltcn ist der Anzeiger mir mit dein Extra-Beiblatt Lustiges Bilderbuch zn beziehe» für US Psg. monatlich. (Nr. 5o80» 10. Nachtiag znr Posllistc.) Große Auktion. Eine Porzellan-Geschichte von Fritz Brentano. - Nachdruck verboten- Daß ich seit meiner frühesten Jugend eine fast an Vergötterung tzrenzende Verehrung für frisches Wasser empfinde, wird mir hoffent lich in de» Auge» all' derer, welche die nachfolgende Leidens geschichte lesen, nichts schaden. Auch nicht bei den mir bekannte» Wirthen, wenn ich von vornherein die Versicherung gebe, daß ich die edle Gvttesgabe nicht etwa mit Loidenschast innerlich verwerihe. Nein, soweit geht meine Hochachtung für das kühle Univcrsalnaß liicht, und ich ziehe für diese» Gebrauch jederzeit ein Glas „Echtes", Wenn cS sein muß, eine» Hnmpcn Nolhweins, im Nvlhfalle sogar eine Flasche Oiiatonu ülnr^nux entschieden vor. Aber äußerlich treibe ich die Verschwendung des Wassers sehr weit. Ich lege dieses Geständniß hier öffentlich nieder, selbst auf die Gefahr hin, daß es mein HanSwirih liest und mir eine Extra steuer für den übermäßigen Gebrauch der Wasserleitung in meinen nächsten Micthskonlrakt setzt. Das wird indessen den stark ausge prägten Neinlichkeitssin», der mich von jeher beseelte, nicht cin- dämmcn. Ich kan» für ihn noch weitere Opfer bringen, nachdem wir jüngst eines anferlegt worden ist, so unheimlich groß, daß wir mitfühlende Herzen ihre Theilnahme hoffentlich nicht versagen werden. ? . * Ich bin ei» Freund aller wirklichen Kunstgenüsse, rauche mit Vorliebe thenre Cigarren und kann mich mit einer gewissen Andacht tagelang in die Lektüre eines interessante» Buches versenken. Aber all' dies wiegt mir nicht dis Wonne des „Plantschens" in einer großen Waschschüssel auf. Darüber geht mir nur Eines — das Baden. Allein, da man naturgemäß nicht immer im Seebad, oder in einer Badewanne sitzen kan», muß ich mich schon vorwiegend mit der Waschschüssel begnügen, die bei mir allerdings stets vom größten Calibcr ist, so daß ich meinen sechsjährigen Buben wiederholt dabei ertappte, wie er besagte Schüssel als Operationsfeld für- fein blechernes Dampfschiff benutzte, das ich ihm im vorigen Jahre zum Geburtstag geschenkt habe. Das Glück, als verhcirntheter Staatsbürger eine so große Waschschüssel zn besitze», entschädigt mich für die schmerzlichen Entbehrungen, welche ich mir in dieser Beziehung so lange c»uf- erlege» mußte, als ich im trostlosen Staude des Chambregarnisten wein Leben vertrauerte. Was ich während dieser Zeit gelitten habe, wird nur derjenige begreifen, dessen Plautschleidenschast, wenn auch nur annähernd, der weinigen gleichsam»»«. Man kennt sie ja, diese einschläfrigen Berliner Waschtische, Welche in irgend einein dunklen Winkel des Miethszimmers ihr künimerlicheS Dasein fristen, über denen ei» halbbtindcr Spiegel hängt, der, gleich den» unglücklichen Pferde in eine», Bergwerk, niemals ras Sonnenlicht erschaut und »vorin man nur bei starker Beleuchtung seine Schönheit bewundern kann. Schaudernd gedenke ich des Porzellangesüßes, welches das obige Möbel ziert und eher einem Finkennapf, wie ihn jeder nur halbwegs verniinfiige Vogelzüchter in de» Käfig seiner Pfleglinge setzt, als einen» Waschbecken gleicht — je,»es Gesäßes, das sofort beim Eintauchen der Hände übcrlänft, unsere Schlafschiihe in permanente Nässe setzt und zur Ursache wird, daß wir beim Auszugs einen ge. hörigen Posten für den verdorbenen Teppich ans unserer Rechnung finden. Gottlob, diese Calainitäten liege» weit hinter mir. Wenn ich sie, was zuweilen verkommt, im Traum der Nacht nochmals durchmache, so tröstet und beruhigt mich beim Erwache» ei» Blick auf »»einen großen, mit den» ganze» Raffinement eines Fanatikers der Reinlichkeit ansgeslattctcn Waschtisch, auf den» ein Waschbecken pra-vfl, das an Umfang nichts zu wünsche»» übrig läßt. Vor sechs Wochen stellten »vir ein neues Dienstmädchen ein. -— Dienstmädchen sind bekanuUich keine Engel, »nd eine vernünftige Sonntan, 2. Oktober 1892. AnzelgeiiprelS: 6 gespaltene Corpnsjell« (ca. 9 Silben fastend) oder deren NainN rS Pfg. — Bevorzugte Stelle (^gespaltene Peützeile ca. II Silben fassend) oder deren Rann» 3» Pfg. Bei wicdcrboltcr Aufnahme entsvrebcnd billiger. — Anzeige» können nur bis Vormittag angenommen werde», da Druck »nid Vcrbreilmig der große» Auslage längere Zeit erfordern. Verlags-Anstalt von Alexander Wie!« Bachdruckmi, Lhenmitz, Thkatct'slrahe k Hausfrau ist schon zufrieden, wenn das ihrige nur einen Haupt fehler besitzt, voransgcsetzst, daß er nicht in Unehrlichkcit besteht. Der Hauptfehler unserer neu«» Line ivar etwas kostspielig. Er gab sich i» einem beständige» Klirren »nd Rasseln kund, das mich oft mehrere Male dcs Tages vcranlaßte, von mcinem Schreibtisch nervös anfzuspriligen, nach der Thnre z» stürzen und meiner Frau ziizurnfen: „WaS hat sie den» nun wieder zerschmisse»?!" Jung Line war nämlich eine entschiedene Feindin alles Zer brechlichen. Vorwiegend schien sie Gegenstände ans Glas »nd Porzellan mit ihrem Haß zu beehren. DaS gab mir zu denke», und so oft ich am frühen Morgen Toilette machte, konnte ich mich trüber Ahmnigc» wegen der Zukunft meines Waschbeckens nicht crlvchre». Während der ersten zwölf Tage nach Linens Dienstcmtrilt gingen diese Ahnungen nicht in Erfüllung. Ich wiegle mich schon in einer gewissen Sicherheit, als »»ich am dreizehnten Tage ein schwerer Fall »nd ein heftiges Gerassel, welche aus dem Schlaf zimmer tönten, wieder einmal ansschreckle» .... Lassen Sie mich über die nachfolgende Scene einen Schleier ziehe»! Die Unglücks- Person Halle natürlich mein Waschbecken zerschlage» »nd ich tobte wie eine verwundete Löwin, der man vor ihren Auge» daS Jnnge getödtct hat. Ich hatte zwar »och niemals Gelegenheit, eine „Königin der Wüste" in solcher Situation z» beobachten', habe aber die Ueberzeugnng, daß sie in dieser ihre Feinde auch nicht ärger anbrüllc» kann, als ich Lina bei»» Anblick der Porzellan- trümmer. Ich glaube, ich machte sogar von de»» Paragraphen der Gcsindevrdnniig Gebrauch, welcher der Herrschaft ein gelindes Ziichtigllngsrecht znerkemit. Das Mädchen heulte, weine Frau versuchte wich zu beruhigen, nie,'» Junge verkroch sich nnler dem Tisch, und Schnudi, unser Pudel, schien meine Wnth z» thcilen, den» er rannie wie ei» Besessener im Zimmer »nihcr »nd bellte die Uebellhäteri» an. Aber alles dies machte das Prachtstück »»eines Waschtisches nicht wieder ganz und es miißie Ersatz beschafft werden. Das leuchtete auch meiner Frau ein, den» nach Tisch legte sie mir das Mvrgeublatt vor »nd deutete schweigend ans ein Inserat folgende» Inhalts: Große Anction. Wegen schleuniger Ausgabe des Geschäfts werden Glas-, Steingut- und Porzellan-Waaren zn Schleuderpreisen Seydel-Gtraße 48 so lange der Vorrath reicht, veranctl'oni'rt. Ganz besonders anfmerkfain wird auf eins Partie prachtvoller waschservkee gemacht. Der Auktionator. Kirchliches. Kirchliche Armenpflege. Bei dieser Frage gilt es, von dem Grundgedanke» aiiszugehc», daß die Gemeinde die Pflicht hat, Seelsorge a» ihren Glieder» zn üben Die Seelsorge hat aber dann ihren Zweck durchaus nicht erreicht, wenn das — geistlich oder leiblich — kranke Gemcindeglied wieder für die Theilnahme an der Predigt gewonnen ist. Seelsorge i »> eva» geli scheu Sinne ist Erziehung zu christlichem Charakter, zn christliche»» Glauben und Leben. Diese ist aber nur mög lich durch eine unablässige »nd stetige Einwirkung und zwar einmal durch sittlich religiöse, christlich geläuterte, vom heiligen Geist getragene Persönlichkeiten und sodann durch die ganze Umgebung der Gemein schaft. Es ist ja wohl klar, daß wir »»»ehr erzogen werden durch die Gemeinschaft, in der wir lebe», als durch eine einzelne Persönlich keit, die »ins hier und da einmal gegenüber tritt. Der Ansgangspunkl aller kirchliche» Armen» »nd Kranke»-Pflege muß dar»»» die Selbst- thäligkcit der Gemeinden sei». Diese ist durch unsere Kirchenvor- stands- und Synodalordnung geweckt und gehoben worden. Der Ein richtung »nd der Thätigkeit der Kirchcnvvrstäiide verdanke» »vir in» kirchlichen Leben sehr viel. Aber diese Selbstverwaltung und Selbst- thätigkeit der Gemeinde» durch das Organ dcs Kirchcuvorstandes hat sich leider zunächst nur auf ökonomische»» Gebiete gezeigt, aber noch recht herzlich wenig auf religiösem «nd socialem Gebiete. Die Kirchenvorstauds- und Synodalordnung bezeichnet aber als den vor- nehmlichsten Beruf des Kirchenvorslandes „nnler Anregung des Amtes die Kirchgemeinde zu einer Pflanzstätte evangelisch - christliche» Prachlvolls Waschservice! Das war »nein Fall! Ich belrachtcte das Inserat als einen Wink des Himmels, dem natürlich sofort Folge geleistet werde» mußte, »nd befand mich eine Stunde später mit meiner Frau auf den» Wege nach der Scydelstraßc ck8. Das in dem Anctionslokal angchänfte Waarcnlager machte einen vielversprechenden Eindruck »nd ganz besonders imponirlen mir die Waschservice, die in reicher Answahl mehrere Regale der breiten Hinterwand zierten. Eine vereinzelte Schüssel namentlich erregte gleich meine Anfuierksanikcit, sie war, wen» mich mein Augenmaß nicht trog, noch größer als die, welche Linens Zcrtrümmcrniigswuih zni» Opfer gefallen war, und ich gelobte mir, sie um jede»» Preis in meine» Besitz zu bringen. Glaubens, Sinnes und Lebens zu gestalten und in Sonderheit für Bedürftigkeit z» schwinde» beginnt, oder vielmehr »ven» die Nvth nicht Erhaltung von Zucht »nid Sitte »nd Belebung des christliche» Sinnes in der Kirchgemeinde besorgt zn sein." Dazu gehört aber doch wahrhaftig die Armen» und Krankenpflege, die mehr als jede andere Thätigkeit einen Einblick gewährt in da- Leben unsrer Gemeinden und die uns erkennen läßt, wo denn die ungeheuren Gefahre» stecke», die Tausende an Leib und Seele zu Grunde gehen lasse», und wo die Quellen der ungehenren sittlichen Schäden» dcs religiösen »nd moralischen Niederganges liegen, den »vir so sehr bellagen. Durch die Arbeit i» der Armen- »nd Krankenpflege» die sich mit elementarer Gewalt der Berhältniffe den Kirchenvorständrn aufdrängt, wird eine ueue Phase iu deren Geschichte und damit in der Geschichte der Ent» »ickelung uns«» kirchlichen Leben» einlreten. »Nach allchristliche»- Anschauung und Uebnng müsscn Seelsorge und Liebcstbätigkcit »»getrennt bleiben. Gott hat sie in seine»» Reich znsaininciigegebe», Christus sie bestätigt und geübt. Was Gott zn saminengesngt hat, das soll der Mensch, anch ein Verein, »nd wäre cs ein Wohlthätigkcitsvercin nicht scheide». Luther ist von Anfang an für eine kirchliche Armen- »nd Krankenpflege eingctrelc». Er schlug vor, daß jede Sladt ihren „geistlichen Gcnicinkaslcn »nid Almosen haben und die Kirchendiener darauf sehen sollie», wer die armen Leute seien, und wie sie leben, und daß inan nicht den faulen Streicher» Raum lasse, die Lcnic zn bcschweren." Die evangelische Kirche hat sich aber dieses Band der Armenpflege und Seelsorge durch ihre Saumseligkeit zerschneiden lassen. Das ist ihre Schuld. Sic darf aber diesen Zu stand nicht länger dulden. Sie wird damit die Armenpflege der bürgerlichen Gemeinde und die Wohlthäligkcitsübniig freier Vereine, die sie vorsindct, nicht in ihren Arbeiten störe». Die bürgerliche Ge meinde hat ohne Rücksicht ans scelsorgcrliche Zwecke dafür zn sorge», daß kcins ihrer Mitglieder durch Hunger und Obdachlosigkeit zu Grunde gehe. Sie giebt das znr Lebensfristung Unentbehrliche und betrachtet das Gewährte »nr als einen Vorschuß, den der Arbeits fähige znrückzuzahlcn verpflichtet ist. Die kirchliche Armenpflege wird sich vflnials dvrt fernhallcn inüssen, wo jene handelt. Umgekehrt wird sie dort oft cingreise», wo die Pfleger der bürgerlichen Gcmcindc cs nicht könne» und die der freien Vereine nach ihre» Grundsätze» es nicht dürfen, wo der Noth oorgebcngt werde» muß oder wo die Roth noch nicht in Erscheinung getreten ist. Für die bürgerliche Armen pflege so gut wie für die der freien Vereine hört das Interesse an» Pflegling allemal dann auf, wen» die Noth anfhört und wen» die Freilich mußte ich meiner Kauflust vorläufig noch eine» Dämpfet aussetzen, denn der Herr Anctionator belehrte mich, daß die Ver steigerung der Waschservice erst in einer Stunde beginnen würde» Nun kenne ich aber »»eine liebe Frau zur Genüge. Würde ich ditft Stunde in dem Anciionslokal verbracht habe», so hätte sie eine lanßs Reihe vo» Dinge» erstanden, die »»screr thenre» Line erneute Veraü« nssmig gegeben halten, ihre» Haß gegen GlaS nnd Porzellan zit be- thätigen. st-» Tein »nißie vorgcbeugt werden, und so beredete ich meine zarte« Hälfte unter den» heuchlerischen Vorwand, daß Ich meinen gewvhttteit NrichnlittagSmokka vermisse, dazu, die Stunde in dem nahen Wirnet Cafö z» verbringen, indem ich auch Gebäck mit Schlagsahne, das fit leidenschaftlich verehrt, dnrchschimmer» ließ. Dies zog denn auch» litt!» ich kam mit einer Mark zehn Pfennige» über die Wartezeit hinweg, die »»ich, falls ich sie in» Anctionslokal verbracht Halle» wahrscheinlich das Zehnfache gekostet haben würde. Ich Halle dem» auch daS Glück» das Waschbecken für zwei Mark 50 Pfennig zu erstehe», trotzdem es, wie der-Auktionator versicherle, linier Brüdern da- Doppelte Werth sei. Das Anerbieten eines in» Lokal herunilnngernden Vnrschen, Ntir daS Geschirr »ach Hanse z» bringen, lehnte ich ab und trug die ilt Zeitnngspapiec gehüllte Riesenschüsscl selbst unter dem Arm davost- Es ivar nicht gerade cmgenehni, vielleicht niich nicht ganz gentleinatMh aber sicherer — freilich anch beim Einnehitien uiiscrer Plätze jtit Pferdebahnwage» mit gewissen Schwierigkeiten verknüpft, da ich mich »ntcr den, maliliösen Kicher» verschiedener Fahrgäste vergeblich V«s niühie, das zerbrechliche Paket irgendwo mUcrzubringe», nnd niich schließlich genölhigt sah, es mit beiden Händen vor mir ans de» Kniee» zn halten. Meine Fra» hatte mir allerdings den Vorschlag gemacht, eiils. Droschke zn nehmen, ihn aber sogleich zurückgezogen, als ich ihr ans» einander setzte, daß man bei solchen Gelegenheiten sparen müsse, bä ja sonst die Vorthcile einer derartigen Anction wieder illusorisch würde». Als der Schaffner den üblichen Obolus einkassirte, halte ich -- mein alles Pech — kein kleines Geld. Meine Schüssel mit beiden Arme» »»»klammernd, entnahm ich meinem Portemonnaie ein Zehn« niarkstnck, das ich dank meiner niibegncineii Situation natürlich falleil ließ nnd das eben so natürlich ans der Stelle unter den Füße» der zahlreichen Wagcniiisassen in jener gehci'iiinißvollen Weise verschwand,, die »»ich nnd gewiß auch Andere schon oft zur Verzweiflung gebracht- Die kranlhaste »nd erfolglose Suche nach dem Goldstück versetzte die Milfahrende» in »»angenehme Aufregung, und mir blieb schließlich weiter nichts übrig, als den» Schaffner abermals 10 Mark zn reichen. Während er mir herausgab, bemerkte ich, daß ein aller, mürrisch dreinschanender Herr, der ziemlich schäbig gekleidet war, sich bückt« »nid Etwas vom Boden anshob, was »ach meiner Ansicht nicht- Änderest als »nein verlorenes Goldstück sei» konnte. Als er indessc» keine' Miene machte, cs mir ziniickzngebei», regte sich in mir die Galle, und ich sagte ihm ziemlich unverblümt die Fniidnillcrschlagnng auf dfi« Kaps zu. Na, da kam ich schön an! Wie ein gereizter Tiger fiel dek Alle über mich her, und die sich nn» abspielende erregte Scene endig« damit, daß er, als der Wagen an» Alexandcrplatz hielt, eine» dort postirten Schutz»»,»»»» hcrbeiricf, »nich dann z»»n Anssteigen »öthigte und meine Persönlichkeit feststelle» ließ. Dam» zog er unter aller«! geheimnißvolle» Drohungen ab, »nd ich rettete »»ich, »»ein Waschbecken »nd meine Frau schleunigst i» eine Droschke erster Güte, »nn de» Anslassungen des süße» Mobs z» entgehen, der sich rasch im» nns aiigesaninielt halte. O, hätte ich diese Droschke doch früher genonime»! Als ich, zu Hanse angclangt, meine Rechnung n,achte, fand ich, daß das billige Waschbecken doch etwas thcuer geworden sci- 30 Pfennig für die Hinfahrt »ach der Scydclstraße, 1 Mark 10 Pfennige für Kaffee re. 2 Mark 50 Pfennig das Geschirr, 10 Mark 30 Pfennig für die Rückfahrt bis Alexanderplatz und 1 Mark für die Droschke — i» Summa 15 Mark 20 Pfennige. »ehr i» die Erscheinung tritt, wen» die Begleiterscheinungen wirth chciftlicher Noth znrücklrcten. Die Nvth selbst wnchert weiter »nd zerstört die Lebenskräfte. Das Interesse au» Pflegling wird erst dann wieder rege, wenn er selbst wieder, von der Noth gezwungen, sich an die helfende Stelle wendet. Man kann hierbei ganz davon absehen, daß es in der Praxis so ist, daß die gesetzlich geübte Armenpflege immer das Bestreben haben muß die Unterstützung so bald wie möglich ziirückznzieheii, da sonst die Gcmeindebertrelnng »nd die Steuerzahlct über die hohe Last der Armenverwaltung klage». Weiter braucht dieMetz- liche Armenpflege, die sich darauf beschränkt, nicht verhungern z keineAntwort aufdieFrage zu geben» wodurch der Hilfesuchend ' unken ist. Auch die freie WohWtlgkett pelltdlrs, Frage nur, u darnach dicWürdigkeit nnd dcnGrad der Bedürfliglcitzn ermesse», abernicht um die Quelle der Noth zn verstopfen oder nm den Hilfesuchenden fähig zu machen, de» Tiefpunkt seiner Nothlagc zn überwinden. Vielleicht giebt der Pfleger sich die Antwort selber, auch ohne theoretische Borschnlnng ans der Praxis seiner Fälle, ans den Lebens schicksalen seiner Pfleglinge. Demgegenüber hat die kirchliche Armen- »nd Krankenpflege dauernd sich dcr Pfleglinge anznnchmen, immer mit dem Ziele, den Gepflegten zu einem gesunden lebendigen Glicde dcr Gemeinde zn machen. Lebe» zeigt sich aber i» Thätigkeit, also muß dcr Pflegling zn einem Glicde weede», das nun selbst in» Stande ist, Andern z» helfe». Schritt für Schritt muß die Licbeslhäligkcit an sittliche Forderungen geknüpft werden, weil cs Glieder nnserer Gemeinde sind, die »vir pflege», mit denen »vir zusammen in dcr Gemeinschaft des evangelischen Glaubens und Lebens sichen. Sv wird sic stets in den Dienst dcr Seelsorge gestellt, ciner Seelsorge, die die Gcsamnitheit am Einzelnen treibt. Sie muß stets dessen eingedenk bleibe», daß ihr Zweck nicht blvs die Rettung, sondern die Erucnernng dcr Seele ist. Mit der Hilfe verbindet sie die Ermahnung. Anfangs werden Viele dies sich nicht gefallen lassen, Mil sic meine», ein ebensolches Recht ans nn're Hilfe zn haben, wie ans die Hilfe dcr bürgerliche» Gemeinde. Unsere Hilfe aber wird an Bedingungen geknüpft; werden die Bedingungen nicht erfüllt, so muß die Hilfe versagt werden, ohne daß die Pflege »nd Erziehung anfhör». So allein kann der sociale Gedanke dcs Christenthnnis von» allgemeinen Pricstcrthniii, von der Durchdringung dcr Welt, dcr Gesellschaft durch die Gemeinschaft dcs Reiches Gottes verwirklicht werde». Die ganze Gesellschaft muß sehe» nnd fühlen, daß die Christen gemeinde das Gewissen der Welt ist, welches reagiert gegen die Noth in der Welt, und die Nvth nicht bloß abstcllcn, sonder» anfhcbsn d. h. die Quellen verstopfen und de» Nährboden derselben gesund machen will. Nicht- macht eine erziehliche Einwirknng ans die, die a» ihrer Noth selbst schuld sind, so leicht »»möglich, als das Vorhandensein vieler WohlthäligkeilSvereine, an die sich „die Noth" wenden kann wie an die Aerzte oder an die Rechtsanwälte. Nimmt der Eine die Sache nicht an, so. dcr Andere. Zuletzt wird doch iniiner ei» Verein zn täusche» sein, wen» die Andere»» anch schärfer znsahe» nnd der Client oder Patient unzufrieden sich weiter waiidte. Hier gilt e» das Ge- Men wieder zu wecke», und zwar da» Gewissen der Geuieinschaft, nemlti, wir «» tsnmal da» Socialgewissen. 6».
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)