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Viertes Blatt irr. 2SS Donnerstag, den Dezember 19S0 » « * « » mm»»«« » « « » Der Bau des neuen Landes finanzamtes Dresden Ne Umgestaltung des Dresdner Packhof. ae älides nmcht zusehends Fortschritte. Schon jetzt ist erkennbar, daß trotz des Hu. sammenwirkens so verschiedenartiger De. Hörden wie des Reiches, des Landes und -er Sta-t die Einheitlichkeit der Gesamt, anlage in keiner Weise beeinträchtigt wurde. Ter rege Besuch der neuen Elbterrasse, die im vergangenen Jahre mit den beim Aushub -es Zwingergrabens frei geworde nen Erdmassen errichtet wurde, beweist, -ah ihre Anlage im allgemeinen Interesse lag. Mit der Fertigstellung bes Einbaus -er Garagen für das Hotel Bellevue in das frühere Kesselhaus -es Staatlichen Fern heizwerks wird gleichzeitig ein neuer, be- quemer ZngangSweg zur Terrasse geschaf fen werden. Der Hauptzugang zur Terrasse wir- je-och auf -er noch an-ulegen-en etwa 30 m breiten Promenaöenstratze er folgen, die am Landesfinanzamt vorbei im rechten Winkel von -er Devrientsträße auegeht. Der Kern -es Ganzen bil-et -er um fangreiche Bau -es Landesfinanzamts, -er im Rohbau nunmehr fertiggestellt ist. Seine besondere Betonung erhält er durch den -ie VerbinSung zwischen den bei-en Flü geln an der Devrientstraße und -er Pro- menadcnstratze bildenden siebengeschossigen Turmbau, der, von der Elbseite aus be ttachtet, sich wirksam in das charakteristische Stadtbild Dresdens einfügt. Hier liegt -er Haupteingang des Gebäudes. Er führt zu einer geräumigen Halle von -er aus be queme Treppen den Verkehr nach den einzelnen Stockwerken vermitteln. Der Turmbau enthält im 1. Obergeschoß einen groben Sitzungssaal, in den folgenden Ge schossen mehrere Lehrsäle für -ie Fort bildung der Steuer- und Zollbeamten, ferner eine Bibliothek mit Lesesaal. Die Flügclbauten sind , viergeschossig aufgesührt. In ihnen sind -ie Diensträume siir die verschic-enen Abteilungen un- Gruppen untergebracht, aus denen sich das Ändesfinanzamt zusammensetzt, -ie Prä- si-ialstelle, -ie Abteilung für Besitz- und Berkehrssteuern, für Zoll- und Ver brauchsabgaben, -as Finanzgericht, die Oberfinanzkasse und -ie technische Prü- fungs- und Lehranstalt. Das Hauptzollamt Dres-en-Altsta-t und das Zollamt Packhof bleiben in ihrem bisherigen Dieust- gcbäu-e Devrientsträße 6, -agegen wird die Tabaksteuerstelle mit dem Banderolen- lager im Neubau ein neues Unterkommen finden. Für den An- un- Abtransport der Banderolen sind von -er Devrientsträße aus bequeme Ein- und Ausfahrten ge schaffen worden. Ein Blick aus -er Vogelschau auf -en ganzen Gebändekomplex läßt im Inneren drei Höfe erkennen, die für Licht un- Luft in den Diensträumen sorgen. Von -en früheren auf -em Baugelände befindlichen Gebäuden sind der alte Staatliche Tabak speicher un- -as Hauptzollamtsgebäude mit in die Neuanlage eindezogen worden. Beide haben eine durchgreifende bauliche Veränderung durchwachen müssen. Beim Hauptzollamtsgebäude ist den vorhande nen drei Geschossen ein viertes hinzngcfügt worden. Gleichzeitig fiel der alte Zierat der Schauseiten. Noch reißt die altersge schwärzte Fassade des Tabakspeichers auf zwei Seiten ein Loch in das einheitliche Bild. Aber auch Liese Teile werden noch im Laufe -es nächsten Jahres ihr neues Gewand erhalten. Der früher an der Ecke Devrientsträße un- Kleine Packhofstratze stehende Fach werksbau mußte -em Neubau weichen. Mit ihm verfiel der bekannte alte Schasstall aus der Zeit Augusts Les Starken -em Ab bruch. Seine 80 cm starke Kellcrsohle konnte erst mit 1000 Sprengschüssen zum Weichen gebracht werden. Als letztes wird nach Bezug -es Neubaus Las Haus Devrientsträße 2 fallen, um -em bereits erwähnten Zugang zur Elbterrasse Naum zu geben. Mit -er Aufhöhuny des früher im Hoch wasserbe reich gelegenen Geländes ans -ie Höhe 111,00 m über N. N. ist nunmehr auch -ie Ueberschwemmungsgesahr beseitigt wor-en. Zum weiteren Schutze gegen auf- steigendes Grundwasser wurde das gesamte Kellergeschoß -es Neubaus als wasserdichte Eisenbetonwanne ausgebildet. Diese Wanne wird von etwa tausend Eisenbeton pfählen getragen, die wegen Les ungünsti gen Untergrundes mit Hilfe einer schweren Dampframme 6 bis 7 m tief in -en Boden bineingctrieben werden mußten. Die bilden die Tragpfeiler, auf denen das ganze Ge- bäude aufgebaut ist. Lange konnte man das Stahlgerüst des Turmes sehen, -as jetzt vollstärr-ig in der Zicgelummauerung verschwunden ist. Für -re Konstruktion der Decken zuüschen den einzelnen Geschos- scn sind BimSbeton-Hohlkörper, für die -er Treppen ist Eisenbeton verwendet wor den. Die Dächer -er neuen Teile sind mit Tecuta-Blech, einer 0,3 mm stark ausge- ivalzten Bronzelegierung, eingedeckt, -ie mit einem Asphpaltpräparat in langen Bahnen auf die Dachschalung aufgeklebt wurde. Dem Ernst der Zeit entsprechend ist die Architektur schlicht und einfach gehalten. Auf dem gelblich-weißen Putz ergeben -ie durchlaufenden Fensterbändcr mit ihren kastenförmig herausgezogenen Granitnm- rahmuilgen eine wirksame Betonung -er langgestreckten Baukörper. Daß -er Architekt kein fanatischer Bilderstürmer war, zeigt die maßvolle Verwendung bild hauerischen Schmucks als sachliche Be tonung einzelner charakteristischer Bau teile, so über -en drei Eingängen an -er Devrientsträße, wo mit sinnfälligen Motiven versehene hervorgekragte Bossen- steine auf -ie von dort aus zu erreichen-en Diensträume Hinweisen, so auch -as Hoheitszeichen, ein 5 Meter spannender Zldler mit ausgebreiteten Schwingen am oberen Teil des Turmes. Dort, wo jetzt noch am unteren Teil -es Turnres ein Gerüst -ie Fensteröffnungen -es großen Sitzungssaales verdeckt, werden sechs je 3,öO m hohe Granitfiguren -em architekto nischen Bild einen markanten Abschluß geben. Nachdem -ie Außenarbeiten zum größten Teil vor Eintritt -er kälteren Jahreszeit Mi l IS» T Dresden. Blick vom Turm des Fernheizwerkes ans den Landesftnauzamtsnenban — «««SV U «soss TM L i beendigt werden konnten, wird jetzt an den inneren Ausbau gegangen, um das Ge- bäude bis zum Juli -es nächsten Jahres bezugsfertig zu machen. Damit -Urftc für den Winter eine erfreuliche Beschäftig gurlgsquelle für das heute besonders schwer leidende Bauhandwerk gegeben sein. Aus -em Gerichtsfaale Der Disztplinarprozetz Tempel Im Verlaus der gestrigen Verhandlung tm Dtsziplinarprozeß Tempel machte Präsi dent Dr. Hänel, der als erster Zeuge ge hört wurde, die aufsallenüe Bemerkung, daß es ihm schleierhast bleibe, wie das Gutachten des Landesgesun-Heitsamtes, das bekanntlich für Tempel glänzend lautet, zustandcgekom- men sei, da der Neubau der Coswiger Lun genheilstätte, der in seiner Einrichtung in dem Gutachten als der beste der Welt bezeichnet worden ist, zurzeit der Abfassung des Gutach tens erst im Rohbau fertig gewesen sei. Zeuge Oberregierungsrat Nöntsch belastete Tempel vor allem in dem Sinne, daß er die Beamten cingeschüchtert habe und despotisch ausgetreten sei. Beamte hätten ihm, dem Zeugen, gesagt, sie wüßten nicht, was sie aussagen sollten, da sie Tempels Rache sürchteten. Tempel habe jeder juristische Instinkt gesehlt. Zeuge Oberregierungsrat Tr. Bochmann bekundete, -atz Tempel in allen Bewilligun gen, die seine Privatwohnung betrafen, allein ohne Gegenzeichnung des Vorstandes gezeich net habe. Am Schlüsse der Mittwochsitzung wurde der frühere W i r t s ch a f t s m i n i st e r Müller, ein Parteifreund des Angeschuldigten, ver nommen, dessen Zeugnis auf alle Prozeß- beteiligten sensationell wirkte. Müller ist An- »ang 1928 als Oberregierungsrat in die Lan desversicherungsanstalt eingetreten. Er be kundete, datz das Verhältnis zwisä>en dem Präsidenten Tempel und den beamteten Vor standsmitgliedern ein ziemlich unerquickliches gewesen sei. Er machte dafür verantwortlich zum Teil die Satzungöbcstimmungcn, die viel fach tm Widerfpruch zu den gesetzlichen Be stimmungen ständen, zum anderen aber die Eigenschaften des Präsidenten Tempel. Die ser könne zwar sehr liebenswürdig, aber auch furchtbar grob sein und dabei bis hart an die Grenzen der Beleidigung gehen. Er, der Zeuge, sei oft höchst unglimpslich von deur Präsidenten behandelt worden. Der Zeuge gab zu, daß er sich einmal dahin geäußert habe, daß die Selbstherrlichkeit des Präsidenten als Krankheit anzusehen sei. Ihm sei der Prä sident psychologisch überhaupt ein Rätsel. Tie Methoden, die Tempel angewandt habe, seien niemals geeignet gewesen, das Vertrauen sei ner Beamten zu gewinnen. Tieie Methoden hätten vor allem darin bestanden, die Beamten gegeneinander auszuspielen. Die Dezernenten seien immer dann verantwortlich gemacht worden, wenn eine Sache verfahren war. Für diese seine Beschuldigungen bezog sich der Zeuge auf eine ganze Reihe von Einzelvor- gängen. Auf Vorhalt der Verteidigung, daß der Zeuge doch früher Parteifreund des An- geschuldigten gewesen sei und sich auch mit ihm geduzt habe, erklärte der Zeuge, datz er nie mals geselligen Verkehr mit dem Angeschul- diglen gehabt habe, ebenso habe ein besonders freundschaftliches Verhältnis mit diesem yie bestanden. — Daraus wurde die Weiterver handlung aus den heutigen Donnerstag ver tagt. Das vertauschte Ich Roman von Herman« Hilgendorff Oopyrixkt d> OreiverckLo^kerlivdllVS Nachdruck verboten 17. Fortsetzung. Lestmann trug die Faust um den sechSschüssigen Weblev gekrampft, als der Inspektor dte Tür zum Zimmer des Kommissars aufstieß. „Ich werde dies Zimmer entweder tot oder in Fesseln verlassen!" sagte sich Lestmann und er fühlte einen stechen- den Sc' erz In seinem Herzen. Er dachte an die »Frau, die er hatte küssen wollen und er mußte sekundenlang die Augen schließen, um den wilden Schmerz zu verbergen. Und ganz plötzlich setzte dte Reaktion in Lestmann ein. Er wollte nicht mehr kämpfen . .. Die Verhöre . . . Die Konfrontationen . . . Leugnen . . . Gestehen ... Er wollte gleich gestehen. Dann war dte Sache vorbei . . . Der Traum zersprungen . . . Aus der Blume des Abenteuers kroch der häßliche Wurm . . . Kommissar Longinus erhob sich von seinem Jessel Eine große Erscheinung mit mächtigen Schultern. Das Genckü fast viereckig. Eine gewaltige Stirn wie eine Mauer. Dar- unter kluge, große und scharfe Augen. Er schritt aus Lestmann zu und Lestmann hatte das Gefühl, als schritte das Schicksal auf ihn zu. Er wich unwillkürlich einen Schritt zurück Er -nt. sicherte die Warfe in seiner Tasche rast gegen fernen Willen. Dann ritz er sie hervor . . . doch er schoß nicht . . . Er reichte sie dem Kommissar. „Es ist ja doch alles zwecklos . . .!" Seine Bewegung war müde und der Glanz ui seinen Augen war erloschen. Er ähnelte dem Lestmann wieder, der sich damals auf der Polizeiwache selbst stellen wollte . . . Um den Mund des Kommissar- flog ein leichtes spöttisches lächeln „Ja es m alles zwecklos . " Er wog einige Sekun ¬ den nachdenklich die Waffe in der Hand und jagte plötz lich: „Eine schöne Waffe. . . eine sehr schöne Waffe . . . Erne Luxusausgabe von Webley . . . Der Herzog von Exminster erschoß mit der gleichen Ausgabe den berüch tigten Einbrecher Torlinfeld in seinem Palais, den er beim Einbruch überraschte . . . Ich hielt mich damals zum Studium der englischen Verhältnisse in Scotland Mrd auf . . ." Ler Kommissar lächelte in der Erinnerung ein wenig vor sich hin und reichte die Waffe Lestmann zurück. Lestmann vergaß fast die Waffe anzunehmen, so selt sam erschien ihm das Benehmen ^es Kommissars. Der aber fuhr fort: . . und trotzdem hat der Hc.'vz von Exminster den berüchtigten Torlinfeld nicht getötet. . . trotz der Web- teylugel im Herzen Torlmselds. . ." „Wieso ?" fragte Lestmann ganz mechanisch. Was inter essierte ihn diese ganze Geschichte überhaupt'? Warum erzählte sie dieser Kommissar, der noch den Eindruck eines müßigen Schwätzers machte. „Wieso ? . . . Nun, weil Torlinfeld schon jo viel töd- ltches Gift in seinem Körper trug, daß dies Gift tast im gleichen Augenblick tötete, wie die Kugel des Her zogs. Ein Komplice, der ihn haßte, hatte ihm kurz vor oem Einbruch bas Gift gegeben. Er bot ihm aus feiner Laichenslasche vergifteten Whisky . . . Ja, der Herzog hatte das Leben Torlmtelds nicht auf dem Gewissen, obgleich es ihn hätte auch nicht lehr belasten können. Lieser Torlinfeld hätte längst den Strang verdient. . ." „Warum erzählt er mir dies nur . . . Warum'? . . Warum ?" fragte sich Lestmann, ohne sich eine Antwort geben zu können, und starrte noch immer voll Grauen au« den Webley, den ihm der Kommissar zurückgegeben hatte Ler Kommmar zeigte letzt auf den Revolver: „Lieie Waffe ist unnütz, Herr Konsul! S»e haben recht, zwecklos . . .! Las ist das richtige Wort, denn ne kann Sie nicht mehr gegen den rabiaten Lestmann ichupen ... vor dem Sie gewiß Furcht hatten...'?" „Gewiß! Gewiß!" stöhnte Lestmann und drehte den Revolver tun und her. Er wagte nicht, seine Augen aui den Kommmar zu richten. dieser Lestmann ist nämlich während deS Trans portes von der Polizeiwache bis zum Präsidium . . . ent- slohen!" In LestmannS Gesicht schoß jäh und fast schmerzhaft eine Blutwelle. „Er ist entflohen?"' keuchte er. „Ja, und hat damit den Beweis erbracht, daß er wirklich. . . Lestmann ist! Ich bitte Sie daher um Ent schuldigung, Herr Konsul, daß nur Sie bemüht haben... aber die Vorschriften, ach, die Vorschriften!" Er machte eine kurze Verbeugung vor Lestmann und trat an seinen Schreibtisch zurück. Paul Lestmann verließ mit fast schwankenden Schritten den Raum des Kommissars. 'Ler Kommissar stand am Fenster, als Paul Lest mann »n sein Auto stieg. Er murmelte einige Worte vor sich hin, und als sein Sekretär fragte, ob er ihm einen Auftrag erteilt habe, sagte der Kommissar: „Nein, ich sagte nur, daß man einen Verbrecher nicht gleich beim ersten Zugriff festhalten mutz. . ." Dann setzte sich der Kommissar an »einen Schreib tisch und griff nach der Mordakte „Lornheim gegen un bekannten Mörder". b. Kapitel. Ich liebe dich! „Ler Herr Konsul wird gleich erscheinen!" sagte Jo hann, der mit der »hm eigenen Lautlosigkeit die Tür des <rmoiangszimmers geöffnet hatte und nun unbeweglich, laluenhaft und unlebend,g wie eine Holzftgur in der Lür stand. „Es ist gut!" antwortete Inge v. Grabow und drehte Johann brüsk und unUebenswürdig den Rücken zu. Sie starrte unbeweglich »n den Park. Nur an dem lachten Zucken ihrer Schultern erkannte Leon von Grabow, ihr Vater, datz thre Erregung sich nicht gemildert hatte. Johann verschwand w»e eine Marionette hinter der sich schließenden Tür. „Du brauchst deine Antipathie gegen Benno nicht aus die Dienerschaft übertragen . . .!" sagte ihr Vater mu einer müden und stumpfen Stimme. (Fortsetzung folgt.)