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Nnlcrhsliiuigs-Keüsge der ^ 36 Sonntag den 8. September „Sachs. Bolkszeitung" 1S6V 'VV Steckenpferde. Humoristischer Roman von Karl von Bezold. IS. Forlsetzung. i Nachdruck Verbote» ) Vierzehntes Kapitel. Tie beiden Herren ivanderten am nächsten Morgen gleich nach dem Frühstück znm Hause des Modewaren händlers. Madame Krebslein empfing sie. In den Plan ihres zukünftigen Sckmstegersohnes eingeweiht, entfaltete sie eine Liebenswürdigkeit, welche den Professor entzückte und die Seele des Antiquars mit den kühnsten Hoffnungen erfüllte. Sie führte die Herren ins Besnchzimrner und dann ging sie hinunter ins Kontor. „Der Herr Professor Müller und ein Antiquar wün- sclx'n deine Sammlung zu besichtigen," sagte sic. „Uebrigens sage ich dir voraus, du wirst dich enttäuscht sehen, der Herr Professor ist ein ganz anderer Herr, als der Schuft, der sich damals für den Professor Müller ausgab." „Wer weist, wer der Schuft ist," brummte Krebslein, von dieser Einleitung keineswegs erbaut. „Ich denke, das wirst du sofort wissen, wenn du diesen Herrn siehst," entgegnete Madame mit scharfer Betonung; „last dir nichts anmerken, Nikolaus, die Geschichte mit dem Sckpverte könnte dich —" „Ich weist selbst, lvas ich zu tun habe," unterbrach der alte Herr sie unwirsch; er verliest rasch das Kontor und stand bald daraus den beiden Herren gegenüber. „Schön, sehr sckpin," sagte der Professor. „Aber dieser Tisch ist nicht eckst." „Er ist neu," sagte der Antiquar. „Das kann ich nicht glauben. Sehen Sie nur, wie ab genutzt das Schnitznxwk ist! Wenn Sie das Tischblatt ge nau betracksten, werden Sie finden, daß eine Jahreszahl —" „Allerdings," unterbracb der Antiquar ihn lächelnd, ,1623 — es ist merkwürdig." „Merkwürdig?" fragte Krebslein gereizt. „Ich find» das sehr natürlich. Die Jahreszahl ist seinerzeit von irgend einem Müßiggänger oder Taugenichts eingeschuitteu wor- den und es ist ein Glück, daß die späteren Besitzer des Tisches das Blatt nicht abhobeln ließen." „In der Tat, ein großes Glück!" spottete der Professor, dessen Lippen jetzt auch ein sarkastisches Lächeln umspielte. „Diese Sessel, meine Herren, stammen aus der edelsten Zeit der Nennaissance —" „Und sind vortrefflich nachgemacht," ivarf der Anti quar ein. „Sie sahen schrecklich aus, als ich sie fand. Man sieht's ja auch dem Schnitzwerk an —" „Das ist für mich kein maßgebendes Kennzeichen, ich vx'ist, wie derartige Sachen alt gemacht werden. Dieser Stuhl und jener Schrank dagegen sind echt." Nikolaus Krebslein nahm aus den Händen der ein tretenden Magd eine Flasche Wein und Gläser in Empfang. „Madame läßt fragen, ob die Herren uns die Ehre erweisen toollten, mit uns zu Mittag zu speisen," sagte die Magd. Krebslein blickte fragend die Herren an. „Ihre Frau Gemahlin ist sehr liebenswürdig," ver setzte der Professor. „Die Herren nehmen an." toandte Krebslein sich zu der Magd. „Mit dem verbindlichsten Tanke!" sagte der Professor. Der Antiquar hatte einen Schrank geöffnet. „Schöne Gläser," versetzte er, „die Flügelgläser sind hübsch, ich kaufe sie augenblicklich." „Entschuldigen Sie —" „Sie verkaufen nichts? Das bedauere ich. Diese Speck- steinschatulle ist ebenfalls schön, nur schade, daß sie keinen besonderen Wert hat." , t ! „Wieso?" „Die Specksteinsachen werden nicht mehr verlangt —" „Ich habe eine namhafte Summe für die Schatulle gezahlt." „Mag sein. Ah — da haben Sie ja auch Elfenbein- schnitzlverke?" „Gewiß, und zwar —" „Sehen Sie, Herr Professor, da haben Sie den Bo roeis für meine Behauptung, welche Sie vor einigen Wo hen nickst gelten lassen wollten," rief der Antiquar trium phierend. „Ich sagte damals, man arbeite jetzt eben so fein in Elfenbein, wie früher, und die unechten Schnitzwerke seien kaum von den echten zu unterscheiden; betrachten Sie diese Platten, sie sind sehr sauber gearbeitet — aber —" Ter Professor nickte zustimmend. „Sie sollen unecht sein?" fragte Nikolaus Krebslein in grollendem Tone. „Natürlich!" erwiderte der Antiquar gelassen, indem er den Schrank wieder schloß. In den Adern des alten Mannes begann das Blut zu kochen; nicht die vernietende Kritik allein war es. was ihn so gewaltig ärgerte: der gleichmütige, geringschätzendc Ton. in welchem sie gegeben wurde, trieb ihm zumeist die Galle ins Blut. Der Professor hatte ein Paket alter Spitzen entdeckt, er beachtete sie kaum, auch der Antiquar ging mit einem Blick der Geringschätzung an ihnen vorbei. „Gefallen Ihnen die Spitzen nicht?" fragte Krcbslein in wackstender Erregung. „Sie sind echt." „Ohne Zweifel," erwiderte der Professor, aber sie liaben keinen Wert." „Und diese Krüge?" „Sind nachgemacht. Wir bedauern sehr, daß wir Ihnen das sagen müssen." Der alte Mann zitterte, seine Wangen waren fahl ge worden. Er öffnete jetzt die Tür zu seiner Waffensamm lung. „Eine hübsche Rüstung," sagte der Antiquar, der vor dem vielgepriesenen Kabinettsstück stand, „wohlerhalten und sauber gearbeitet." „Wohl auch unecht?" spottete der alte Mann. „Durchaus nicht, aber einen großen Wert bat sie nicht, es ist die Rüstung eines armen Ritters gewesen." „Götz von Derlichingens, mein Herr!" Der Professor trat rasch näher. „Beweise!" sagte er. „Betrachten Sie diese Armschiene!" Der Antiquar brach in ein schallendes Gelächter aus. „In der Tat sehr sinnreich!" rief er. „Aber im Grunde genommen doch zu dumm!"