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mii Loschwiher Anzeiger Tageszeitung für das Ssilichc Dresden und seine Vororte. B«B ltsuts: Gtsdtd«» Dresden, «Irokasie Blesewitz Ar. «« p»stsch«ftK»uts ». »7 Orgsb« n werden di« » 1S6 »M-in, «-«» m« d» «E K-Md-N. °n» Im MW, »«'"-»-^,^2^» i SA"«LLL,' ToNtwi-er Stt.1 Dies« Vlatt entl Slt die amtlichen Vekanntmachungen des Nates zu Dresden für die Stadtteile valckwin Weiker Slrsch, Vühlau, Nochwitz und Lanbegast (ll. und w. Verwaltungsbezirk) der Gemeinden Wach- Vlasewitz, Loschwl^ W^ver Weitztg und Schönfeld, sowie der «mtshauptmannschaft Dresden. V V - . --- __ -*-rl Veachs, für der, üdei-w, Zahn« En««» Werner, beide in vreeden daftsn« Prtsi-Zefte mii 20 Gold-keimten berecknei, Reklamen di« 4 gespaltene Z^i« lnpckgea v. Reklamen mii platzvorichrlfsen und schwierigen Satzarien werden mit AvD» «usschiag berechne«. Schiuß der »nzeigenannahm« verm. 11 Uhr. Für da« Erschein«, der Anzeigen an bestimmt«, Tagen oder Plätzen, sowie für teieptzonIsche Aufträge wir» feine Äewäbr geleistet. Inseriionödeiräg« sind sofort bei Erscheinen der Anzeige fällig. Del später« Zotzlung wird d« am Tag« »er Achtung giftige ZeiienpreU tn Am,: mm, g»brach«. Ttabaticmspruch «tischt: d. »«spät. Zchkmg, Mage ch. Kankur« b. «nftraggeder«. Mittwoch, den 12. August 192S Reich, Volk und Verfassung Schwere Umetter in NMentschland Oie DerfaffungSfeier im Reichstage Der Plenarsitzungssaal des Reichstages war am Dienstag mittag mit Abgeordneten und anderen Gästen überfüllt, nur in den kommunft sttschcn u. deutschnationalen Bänken zeigten sich einige Lücken. Präsidentenestrade und Redner tribüne, Galerie und Logen einfach, aber ge schmackvoll mit Grün bekleidet, über dem Pra- sidentenstnhl die Reichsflagge, an der Galerie die Wappen der Länder: es mar der Anblick, den man von Festtagen her gewöhnt ist. Um 12 Uhr erschien in der Diplomatenlogc die hohe Gestalt des Reichspräsidenten von Hindenburg; die Persammlung erhebt sich, und Hindenburg nimmt Platz, um an der Feier der republika nischen Verfassung tcilzunehmen. Links von ihm sitzt der Reichsinnenminister Schiele, rechts von ihm der Reichstag-Präsident Loebe und die Vizepräsidenten. - Zwei Sätze einer Symphonie von BrahmS rahmen / die Festrede deS Bonner Universitäts professors Hermann Platz ein, der durch ein Buch über die geistigen Strömungen im modernen Frankreich bekannt geworden ist. Seine Rede liest sich bester, als sic sich anhörte; sie ist ein feiner Essay über die geistigen Wurzeln der Verfassung, über die praktische Auswertung der Grundsätze dieser Verfassung für die deutsche Zukunft. Als ein echt deutsches Erzeugnis bezeichnete der Redner das Werk von Weimar; die nationalen Früchte, die dieses Werk tragen soll, suchte er in der deutschen Jugend und am deutschen Rhein. Er betonte, daß die Ver fassung zwar nach rückwärts gesehen viel zer rissen habe, daß sie aber organisch dachte und das Reich erneuere, nicht aber umstürze. Zwi schen der Amerikanisierung des Lebens und der Asiatisierung des Denkens suchte der Redner den Weg der Demokratie als den europäischen Weg und den deutschen Weg zu bahnen. Nach dem musikalischen Zwischenspiel ergriff der Reichskanzler Dr. Luther das Wort. Hier sprach der Praktiker nach dem Theoretiker, der Politiker nach dem Akademi ker. Luther sagte nur wenige Sätze, und die bezogen sich gleich auf die unmittelbare Gegen wart. Hatte Professor Platz einen weiten Bogen aus der Vergangenheit in die Zukunft gespannt und betont, daß unsere Zeit nach Menschen schreie, die dem Geist dienen, so nahm Dr. Luther die Parole der Arbeit und des Dienstes am deutsche« Volk und Vaterland aus. Er wies auf die letzten parlamentarischen Arbeiten hin, in denen Mehrheit und Opposi tion alle Kräfte angespannt hätten, er kündigte aussenpolitische große Aufgaben iSicherheits- pakt) an und schloss mit der Aufforderung, ein zustimmen in das Hoch aus das »in der. Republik geeinte Volk". Wie ein Symbol wirkte es dann wieder, als nach dem Gesang des Deutschlandliedes der Reichspräsident von Hindenburg auf der Freitreppe des Reichstags die Ehren kompagnie besichtigte. Als er die Front der aus Truppenkörpern aller deutschen Stämme zusammengesetzten Abteilung abschritt, mußte so mancher erkennen, dass die Wehrhaftigkeit und die Stramrnheit sehr wohl auch in einer Republik beheimatet sein können. Ohne Zwei fel hat auch diese Feier, die vielleicht anfangs etwas matt schien, zur Kräftigung des Staats gedankens in Deutschland beigetragen. Eie hat tildhast gezeigt, daß Bergaugen» heit uud Gegenwart i« den Dingen, die «an als zukuustsweifcud betrachten kann, «ehr zusammenhäugea, als dies die ab seits stehende« Gegner der versaffuug zu geben wollen. Immer mehr erkennt man in Deutschland die Tatsache, daß die Republik und die Verfassung nichts Revolutionäres sind, sondern daß sic aus den Gefahren einer chaotischen Revolution den Staat und die Nation gerettet haben Zyklon über Schleswig-Holstein Nachdem am Sonntag und Montag wieder starke Hitze und Schwüle über Hamburg und seiner Um gebung geherrscht hatten, folgte eine Depression, die mit ihrem Kern nördlich der britischen Inseln liegt, eine scharfe Abkühlung über Nord- und Westdeutschland. An der Nordseeküste sank die Temperatur um fast 15 Grad auf l8 Grad Celsius. Diese plötzliche Abkühlung führte zu starken Ge wittern, die an der Nordseeküste begannen und sich dann in ost- und nordöstlicher Richtung vor schoben. Iwischen 9 und 10 Uhr. entluden sich die außerordentlich heftigen Gewitter, verbunden mit starken, aber nur kürzen Regenfällen über Ham- ourg. In nördlichen Vororten Hamburgs schlug der Blitz in zwei Bauernhäuser ei«, sie dann vom Feuer vollständig verzehrt wurden. Diel schwerer tobte das Wetter in Uentersen in der Provinz Schleswig-Holstein. Die Stadt und ihre Umgebung wurde gegen 7 Uhr von einem schweren Zyklon heimge'ucht. der mit Wolkenbrüchen und Hagclschlägen verbunden war. Das Unwetter dauerte etwa eine Viertelstunde. Viele Häuser wurden abgedeckt und Tausende von Fensterscheiben zertrümmert. Zahlreich« Fabrikschornsteine stürzten ein. Fuhrwerke auf den Landstraßen wurden in Wassergräben geworfen, jahrhunderte alte Bäume wurden entwurzelt. Die Ernte wurde größtenteils Wenn heute der Reichspräsident von Hinden burg die höchste Stelle dieses Staates beklei det und das Ansehen seiner Person bei den Gegnern der Verfassung sich doch auf die von ihm bekleidete Stelle überträgt, dann entgiftet sich das Verfassungsproblem Deutschlands zu sehends. An der Stelle, wo republikanische Be geisterung und rcalpolitischc Erkenntnis zusammcnstoße», muß das neue staats politische Gefühl der Zukunft entstehen. Wer die Tage, in denen vor sechs Jahren die Weimarer Nationalversammlung Deutschland eine neue Form gab, gerecht und objektiv würdigt, der muß verstehen, daß diese Ver fassung ein nationales Ereignis gewesen ist. Sie hat das Volk wieder politisch mündig ge- macht, sie hat ein völkerrechtlich gültiges Deutsches Reich erst wieder geschaffen. Lang sam, vielleicht zu langsam, aber desto sicherer dringt diese Erkenntnis durch, und man konnte aus der Verfassungsfeier dieses Jahres den ganzen Fortschritt entnehmen, der schon erzielt worden ist. Wer den Staat praktisch bejaht, der muss von dieser Verfassung ausgehen, die einzig und allein vor 6 Jahren das Reich zu- sammenhielt. Er muss cs verstehen, dass nur diese Verfassung, deren Einzelheiten da und dort verbessert werden können, imstande war, die staatspolitische und nationale Grundlage für die Zukunft zu liefern. Der grundsätzliche Republikaner fühlt dies — der staatspolitisch Denkende, sonst aber abseits Stehende rssnss durch das Verständnis zum Gefühl kommen. Dann werden wir in der Welt nicht mehr als fremde, in sich uneinige Menschen dastehen, dann werden wir den Platz in Europa und -er Welt erhalten, der den geistigen und wirtschaft lichen Lebenskräften des deutschen Volkes ge bührt. Umfangreiche Betriebsstillegungen im Ruhrgebiet Die Lage im Ruhrgebiet verschärft sich in folge zahlreicher Arbeiterentlassungen von Tag zu Tag. Nach den Erklärungen des Landrates Hanssmann im Kreistag von Hörde ist der Landkreis Hürde durch die Zechen-Stillegungen in eine äußerst bedrängte Lage gebracht wor- den. Am 1. Oktober werden wahrscheinlich höchstens nur noch zwei bis drei Zechen im Kreise in Betrieb sein. Von 15 909 Bergarbei tern werden dann etwa 18 990 brotlos sein. Die Essener Steinkohlenbergwerke sehen sich gezwungen, -ie Schachtanlage Herkules 1—5 und Viktoria am 15. September sttllzulegen. vernichtet. Ueberhaupt bietet die ganze Gegend jetzt einen furchtbaren Anblick. In Neuendeich wurde von dem Sturm ein großes Bauernhaus zerstört. Das Wasser drang auch in die anderen Häuser der Stadt, wobei arge Verwüstungen angerichtet wurden. Di« Feuerwehr mußte die ganze Nacht hindurch in Tätigkeit bleiben. Die Stadt war in Dunkel gehüllt, da die elektrische Leitung von der Ueber- landzentrale vera chtet war. Verschiedentlich wurden Personen von einstürzenden Schornsteinen verletzt und mußten ins Krankenhaus gebracht werden. Das Unglück hat einen Schaden anqerichtet, der noch gar nicht zu übersehen ist. Man erwartet finanzielle Helfe von der Landesregierung. Gewitterschäden in Holland In Holland gingen gestern schwere Unwetter nieder. In Lldenzaal schlug der Blitz in viele Häuser ein,- zwei Häuser sind vollkommen nieder gebrannt. Die elektrische Lichtleitung ist gestört. In Doetrinzhen wurde die Motorenfabrik d« Dijf vernichtet. Die Siedlungen Borculo und Need« in Gelderland sollen durch einen Zyklon voll- kommen vernichtet worden sein. Die Telegraphen- und Telephonoerbindung nach dort ist unterbrochen. Eine königliche Kommission zur Untersuchung der Schäden in den betroffenen Gegenden ist ein- gesetzt worden Zur Entlassung kommen auf Herkules 800—850 Mann. Auf der Viktoria müssen 60 Mann entlassen werden. Ter Betrieb der Zeche Prinz Friedrich Essener Steinkohle muß bis aus 125 Mann eingeschränkt werden. Zur Entlassung kommen etwa 250 Arbeiter, sowie eine Anzahl technische sowie kaufmännischer Angestellten. Die Betriesetnschränkung soll bis zum 31. August durchgeführt werden. Die Glöcknerwcrke beabsichtigen die auf Zeche Kvnigsbern-Schachtanlage 1—2 befind liche Kokerei zum 15. August stillzulegen. Die entsprechenden Verhandlungen mit dem Demo bilmachungskommissar fanden bereits statt. Auf den staatlichen Moeller- und Rhein- baben-Schächten sind bis zum 31. August 1565 Arbeiter (einschl. 706 freiwillig Ab gekehrten) zur Entlassung gekommen. Don 1148 Abgskehrtrn der Moellerschächke wur den 168 auf Rhembaben und 90 auf der Ko kerei Moeller wieder eingestellt. Lieber wev- teren Abbau sind noch keine Beschlüsse ge faßt. Die Zeche Rheinpreuhen hat mit dem 1- 8. den Betrieb der Schachtanlage l—2 stillge legt. Für die Instandhaltung der Anlage üleiben noch 475 Menn beschäftigt. Bon den übrigen Belegschaftsmitgliedern ist ein Teil nach Schachtanlage 4—5 verlegt, der größte Teil aber (786 Mann) entlassen worden. Zum 30. September mußte 56 technischen und 50 kaufmännischen Beamten gekündigt werden. Abreise des Reichspräsidenten nach Bayern Der Reichspräsident hat sich gestern abend mit dem fahrplanmäßigen Zuge 9,02 Uhr zum Besuche der bayerischen Regie rung nach München begeben. Im Anschluß an diesen Besuch wird der Reichspräsident einen kurzen Erholungsurlaub in Bayern verbringen. Aufhebung desGichtvermerl'Zwanges Amtlich wird gemeldet: Die Abmachungen zwischen der österreichischen und der deut schen Regierung über die Aufhebung des Stchtvermerkzwanges für die beiderseitigen Staatsangehörigen treten am morgigen Ta ge in Kraft. Parlamentarismus „Ein Parlament, das nur mit Hilfe der Schupo tagen kann, verwirkt auf die Dauer seine Daseinsberechtigung." Dieser Satz beschloss am Montag abend da» Stimmungsbild nicht etwa einer oppositionel len, sondern einer deutschnationalen Berliner Zeitung. Hervorgerufen war diese Kritik durch die neuerlichen und diesmal besonders argen Szenen in der Reichstagssitzung vom Montag. Die kommunistische Obstruktion setzte zeitweilig den Präsidenten matt, arbeitete mit Beschimp fungen und konnte schliesslich nur durch An wendung des Ausschließungsrechtes gegenüber fünf Abgeordneten niedergehalten werden, und ein Abgeordneter wurde von den Polizisten regelrecht aus dem Saale geschleift. Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" sagt dazu, daß man vielleicht doch eine andere Methode für derartige Vorfälle wählen könne. In anderen Parlamenten gibt es eine beson- sondere Parlamentswache, die nur für das Haus selbst bestimmt ist und dem Präsidenten untersteht. Darin drückt sich die Souveränität des Parlaments aus, das in parlamentarischen Staaten der sichtbare Vertreter der Volks souveränität ist. Es muß nicht mehr bewiesen werden, dass Äusserlichkeiten und Formfragen eine viel grö ßere Bedeutung haben, als ihnen rein objektiv zukommt. Die Behandlung des Instruments der Volkssouveränität färbt naturgemäss ab auf die Autorität, die dieses Instrument in den Augen deS Volkes hat. Man kann sich nicht darauf berufen, dass derartig schroffe und be schämende Mittel doch nur gegenüber einer verschwindend kleinen Minderheit angewendet werden. Beispiele ziehen, und baS politische Machtspiel kann irgendwann sich auch anderen Leuten gegenüber auf das Beispiel vom Mon- tag berufen. Zur Debatte steht nicht nur die Würde des einzelnen Abgeordneten, nicht nur die Würde dieses Parlaments, sondern der Parlamentarismus überhaupt. Wenn daS zitierte deutschnationale Blatt dies sehr richtig in seinem Stimmungsbild ausdrückt, dann sind darin nebenbei gewisse Restbestände der einsti gen Parlamentsseindschast enthalten, wie sie im Jahre 1923 auch in den Reihen der Deutsch» nationalen beliebt war. Immer wieder zeigt cs sich, dass die grund sätzlichsten und verbissensten Gegner der parla mentarischen Verfassung, wie die Kommunisten es sind, zwar minutiös genau ihre parlamen tarischen Rechte wahren und übermäßig zur Schau tragen, auf der anderen Seite aber ihre Freude daran haben, wenn das Parlament nicht funktioniert. Und überall schmunzeln die Kritiker des Parlamentarismus, wenn der Stoß den Gegenstoß auslöst und zuletzt die Würde -cs Reichstags in Scherben liegt. Nun ist aber gegen die Tauglichkeit einer Taschen uhr gar nichts bewiesen, wenn ein ungeratener Junge mit seinem Taschenmesser daS Werk ruiniert. Man erinnert sich auch an jenen Neger fürsten, der das Geschenk eines europäischen Gönners, wieder eine Taschenuhr, nicht anders zu würdigen wusste, als dass er sie in den Mund nahm. Alles das beweibt nichts gegen den Apparat, alles gegen seinen Inhaber. Sollen wir nun eS uns nachsagen lassen, daß der tn England und an-erswo recht bewährte parlamentarische Apparat gerade tn Deutsch- land nicht funktioniert? DaS würde ein Bor wurf gegen Deutschland sein, nicht aber einer gegen den Parlamentarismus. Dessen Schwächen sollen deshalb nicht ver schwiegen werden. Solange man aber prak tisch nichts anderes zur Verfügung hat — und man wird noch lange nichts Bessere- Haden als den Parlamentarismus —, solange soll man die Schäden nicht zum Anlaß einer nrr- fruchtbaren Verurteilung des Systems neh men, sondern lieber zum Anlaß einer prakti schen Verbesserung deS Systems. Kein Mensch wird anläßlich eines Eisenbahnunglücks aus den Gedanken kommen, deshalb sämtliche Eisenbahnen abznschaffen; und mehr al- eine praktische Verkehrssorm ist ja auch der Parla mentarismus nicht.