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ß „Lach,. Balls«,idmg- .W ! Ä. Sonntag, den 8. Januar. 1808. Die schwarze Schar. Roman, nach dem Französischen von Ludwig Wechsler. I!>. Fortsetzuilg. (Nachdruck verbaten.» Ick. Das Hans N'nmmcr in der Mtzrrha-Straße ist ein großes, sechsstöckiges Gebäude, dessen schwarze, unreine Fenster, die keine Läden und keine Vorhänge ausweisen, mächtigen Tränen gleichen, die über die Anßenmaner herab rieseln, als sollte schon damit das grenzenlose Elend an- gedeutet werden, welches innerhalb dieser Mauern herrscht. Frau Greliche bewohnte im sechsten Stockwerke dieses Hauses, unmittelbar unter dein Finkdach, ein einziges Zimmer, welches im Winter eisig kalt, im Sommer sengend Hein war. Neben diesem Zimmer, dessen gesamte Einrichtung ans einem schmalen Bett und einem Ofen, der niemals ge heizt war, sonne ans einem Tisch und zwei wackeligen Stüh len bestand, befand sich eine völlig dunkle Kammer mit einem Bette, das für Jargues Greliche bestimmt, aber nur selten in Anspruch genommen war. Johanna stieg die sechs Stockwerke ans einer Treppe empor, der man die Unreinlichkeit förmlich anroch. Ans dem letzten Treppenabsatz angelangt, mußte sie stehen blei ben, nm Atem zu schöpfen: auch wußte sie nicht, wohin sie sich wenden sollte, da sich mehrere enge und finstere Korri dore vor ihr ansbreiteten. Zum Glück tonnte eine Frau, die hinter ihr die Treppe heransgekonimen war und ein Kind an der Hand führte, während sie ans dem Rücken rein gewaschene Wäsche trug, von der noch das Wasser troff, zu- rechtweiien. Am Ende eines Korridors rechter Hand lag die Tür des von der Witwe Greliche bewohnten Zimmers. Johanna pochte an diese Tür und Frau Greliche öffnete. Seitdem Johanna den Fnß in dieses Haus gesetzt batte, fühlte sie ihr Herz von einem schmerzlichen Gefühl ersaßt. Sie batte blasse, hagere Frauen, in Lumpen ge hüllte Kinder an sich vorübergehen sehen, hatte erraten, daß sich biiiter diesen Türen, hinter welchen kein Lachen, kein Gesang vernehmbar war, das Elend, das grinsende Elend cingeniuet habe. Dieser Eindruck verstärkte sich noch, als sie in die Dach stube trat, in der die Witwe Greliche langsam dem Hunger tode entgegenging. War es möglich, daß menschliche Wesen in solchen« Elend lebten? lieber die eisernen Dnerstangen des Bettes war eine durchlöcherte Decke gebreitet, unter welcher «ich ein paar Handvoll Stroh befanden. Ties war das Lager, ans welchem die alte Frau schlief. Das Bett zeug war schon längst in die Psandleibanstalt gewandert, um dein dem Trünke ergebenen Greliche noch ein paar Fla schen Branntwein zu spenden, bevor er starb. Tie einzige Matratze, die der Greisin geblieben war. hatte sie in das Bett des Sohnes gelegt, damit er weicher liege, wenn er eine Nacht bei ihr verbrachte. Tie Wände waren vollkommen kahl. Ein kleiner, irde ner Dsen in einer Ecke vertrat auch die Stelle der Küche In dem Dien brannte kein Feuer. Als die Witwe Greliche das selbst in seinen Trauerge- wändern hinreißend schöne junge Mädchen bei sich eintreten sab, wich sie erstaunt zurück und das liebreizende jungfräu liche Gesicht mit dem sanften, teilnehmenden Ausdruck an- blickend, fragte sie: „Welckiem Umstande verdanke, ich die Ehre eines sol chen Besuches?" „Iw habe gehört." gab das junge Mädchen zur Ant wort. „daß Sie sehr unglücklich seien, und da kam ich, um zu sehen, worin ich Firnen nützlich sein könnte." Tie aUe Frau verhüllte sich das Gesicht mit den runze ligen Händen und brach in Schluchzen aus. Tief bewegt ließ sich Johanna auf einen Stuhl nieder und richtete sanfte, tröstende Worte an sie. Nach einigen Minuten schien sich die Alte zu beruhigen, und dann setzte sie sich neben ihrem Gaste ans den zweiten Stuhl. „Ja, ich bin sehr unglücklich," murmelte sie starren Blickes und mit gefalteten Händen. „Ich glaube nicht, daß jemand im Leben mehr gelitten haben könnte als ich." , Und obschon ein gewisser Stolz in ihr vorhanden war, der ihr verbot, sich jemandem gegenüber zu beklagen, und sie lieber Hungers gestorben wäre, als in den Straßen ge bettelt hätte, vermochte sie jetzt die sich ihr auf die Lippen drängenden Schilderungen ihrer bisherigen Leiden und Dualen nicht zu unterdrücken. Und während ihr die Tränen langsam über die einge fallenen Wangen rollten, schilderte sie ihr Leben, das so vielen Frauen ihrer Art gemeinsam war. Ihre Eltern waren einfache, rechtschaffene Arbeiter gewesen. Sie selbst batte eine genösse Erziehung erhalten, womit sich das sanfte und geduldige Wese» erklärte, das sie inmitten aller Heim suchungen bekundet hatte. Im Alter von zwanzig Jahren ward sie die Frau eines Wagenlackierers, mit dem sie zwei Jabre lang sehr glücklich und zufrieden lebte. Tann aber war das Unglück über sie hereingebrochen. Peter Greliche ergab sich einem leichtsinnigen Lebenstvandel und brachte kein Geld mehr nach Haine. Nach wenigen Jahren schon begann seine Hand infolge des übermäßigen Alkoholgenusscs zu ! zittern und er vermochte seinem Berus nicht mehr nachzu- geben, weil dieser ebensoviel Geschicklichkeit, als Genauig keit erfordert. So war es sehr schnell bergab gegangen. Das Elend hielt seinen Einzug ins Haus und mit ihm die i ichleckite Behandlung, die Pnigel und Verwünschungen seitens des Gatten. Tie arme Frau aber war von zarter Konstitution und zu schwach, nm zu arbeiten. Ihr Gatte machte ihr fortwährend Vorwürfe über ihre Untätigkeit, beschuldigte sie, daß sie die Ursache all des Elends sei und ^ immer häufiger wurden die Prügel, die sie zu ertragen ! hatte. Diese Hölle währte länger denn zwanzig Jahre. End- ^ lich slarb Grelickre. nachdem er- alles im Hause verpfändet ! hatte, was nicht niet- und nagelfest nmr. Kein roter Heller war der armen Frau geblieben, so daß sie seitens der öffent lichen Wohltätigteitsanstalten Hilfe erhielt. Tas heißt, sie bekam wöchentlich zwei Pfund Brot, von Zeit zu Zeit eine ^ Summe von drei Franken und einen kleinen Vorrat von ! Holz und .Kohlen, lind davon lebte sie. Bisher batte Frau Greliche nichts von ihrem Sohne oroznogog nogwZ oillo.rb tzvg oü aiil ao natplqa öiolpoackloö Hunger und Durst. - all das hatte sie resigniert und er- i Tie schlechte Behandlung seitens ihres Gatten, die Leiden.