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M O U o vb IIP W Nnterhaltnngs-Beilage -er Sächsischen volkszeitrrng Nr. 27 Sonntag den 7. Juli M2 Die Geheimnisse. (Fragment von Goethe). as Zeichen sieht er prächtig aufgerichtet, Das aller Welt zu Trost und Hoffnung steht, Zu dem viel tausend Geister sich verpflichtet, Zu dem viel tausend Herzen warm gefleht, Das die Gewalt des bitter» Tods vernichtet, Das in so mancher Siegesfahne weht: Ein kabequell durchdringt die matten Glieder, Er sieht das Kreuz und schlägt die Augen nieder. Lr fühlet neu, was dort für Heil entsprungen, Den Glauben fühlt er einer halben Welt; Doch von ganz neuem Sinn wird er durchdrungen, wie sich da^ Bild ihm hier vor Augen stellt: Ts steht das Kreuz mit Rosen dicht umschlungen, wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt? Ls schwillt der Kranz, um recht von allen Seiten Das schroffe Holz mit Weichheit zu begleiten. Und leichte Silber-Himmelswolken schweben, Utit Kreuz und Rosen sich emporzuschwingen, Und aus der Mitte quillt ein heilig Leben Dreifacher Strahlen, die aus einem Punkte dringen. 6. Sonntag nach Pfingsten. Eo: Das Wunder der Brotvermehrung. Markus 8, 1 — 9. Zweimal im Jahre wird uns ein Beispiel der wun derbaren Brotvermehrnng zur Betrachtung vorgelegt, das eine Mal während der Fastenzeit, damit wir dem göttlichen Heiland unseren Herzensdank darbringen für die noch wun derbarere Speisung im Allerheiligsten Altarsfakramcnte, das andere Mal zur Sommerszeit, wo wir der Ernte ge wärtig sind, damit wir unseren Blick vertrauensvoll und dankbar zu dem emporrichten, von dem aller Segen stammt, und der jedes Jahr das Wunder der Brotvermehrung auf den Erntefeldern vor unseren Augen erneuert. Ja, welche Macht und welches Erbarmen wohnt in Gott, um alles zu erhalten, was er geschaffen! Schauen wir nun einmal hin auf die vernunftlofen Ge schöpfe, bedenken wir die große Zahl der Gäste in der Luft, im Wasser und ans der Erde, Hunderttausende von Tier arten, lauter Kostgänger des allmächtigen Brotvatcrs am Tische der Natur, eine unermeßliche Feiertafel schon viele tausend Jahre, ein zahlloses Heer gleich den Sternen am Firmamente oder dem Sande am Ufer des Meeres. Und wie mannigfaltig ist das, was er ihnen als Speise verab folgt, einem jeden das, was es bedarf. Fürwahr, „du öff nest, o Herr, deine milde Hand und sättigst alles, >vas da lebt, mit Segen. lind beachten wir wohl. Alles, was da lebt auf Erden und vom gütigen Allvater erhalten und ernährt wird, das ist der Menschen wegen da. Und da sollten wir unsere Bitte: „Gib nns heute unser täglich Brot" nicht mit vollem Vertrauen zum Himmel emporschicken, und da sollten wir, jo oft wir am gedeckten Tische sitzen, nicht danken für die Gottesgabe? O, lernen wir von Jesus, der ja auch uns zum Vorbilde gebetet und die Brote gesegnet hat, herzlich und innig beten! Lerne» wir aber auch von Jesus herz inniges Erbarmen. „Mich erbarmt das Volk", dieses lieb reiche Wort Jesu muß wie ein himmlisches Samenkorn in unser Herz gelegt Norden, damit es dort Frucht bringe. Um der Armen, Elenden und Unglücklichen willen hat der liebe Gott uns das Mitleid scl>on anerschaffcn. Wir könnten es zum Beispiel uicht mit trockenen Augen ansehen, wenn wir an Orte kämen, wo uns die Verwüstring anstarrte, die ein mar Tage zuvor eine plötzliche Hochflut oder eine ver heerende Feucrsbrunst angerichtet. Da standen noch vor kurzem Snihl und Tische und Wiege und Bett in manchem Hause, und jetzt ist kaum noch eine Stelle zu sehen, wo das Haus gestanden. Ta waren sic vor kurzenr noch froh, Vater, Mutter und Kinder, »ich jetzt ist manches Kindes Vater oder Mutter im Wasser ertrunken, die Kinder sind verwaist, oder die Eltern sind init einem Schlage an den Bettelstab gebracht Da dürfen nun die anderen, die nicht so vom Unglück heim gesucht wurden, ihre Natur nicht verleugnen, nicht als Men schen, denen Gott das Mitleid ins Herz gepflanzt, nicht als Christen, die am Herrn und Heiland ein tiefgreifendes, himmlisches Beispiel haben. „Aber wir haben selber nicht viel und kommen nur zur Not aus." So haben jene Leute in der Wüste nicht ge dacht, die auch nur noch lvenig kleine Brote hatten, und sie doch hergaben, als sie Jesus durch die Apostel für sich der- langte. Sie wußten nicht, daß Jesus bannt ein Wunder wirken wollte: sie dachten nur: Jesus will es haben, und dem geben wir's, auch wenn wir selber nichts haben. Und so sollen wir alle denken, zumal diejenigen, die ohne beson ders große Mühe etwas entbehren können. Ist cs denn nicht so? Will es denn nicht Jesus haben? Hat er es denn nicht gesagt: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan." Wir gewahren beim Volke, das zu Jesus kam, nicht allein das Vertrauen, iveil es ja auch Essen und Trinken völlig vergaß, sondern auch dessen geduldiges Ausharren. „Schon drei Tage harren sie bei nur aus," sagte Jesus. Ucbersehen wir da ja nicht, wie der Heiland alle Tage und Stunden zählt, die man bei ihm zubrinat. Tie Welt ver gißt so gern die ihr geleisteten Dienste und die Opfer, die man ihr gebracht hat, im Buche des Lebens aber ist jede Minute eingetragen, die wir Gott gewidmet haben. O wie ist das köstlich für uns — wie muß es uns an- ciser», daß wir ja nicht mit der Zeit geizen, die wir Gott und unserem Seelenheil widmen! Werden wir nicht jubeln vor Freude, wenn uns Gott der Herr recht viele solcher Augenblicke vorzählen, wenn er zu uns sagen kann: „Wohl an, du liebe Seele, du bist mir stets treu gewesen. Du hast meine Liebe verstanden und erwidert. Tu warst so gern im Geiste bei mir, im Gebet und in der Betrachtung. Darum sollst du von nun an auch teil haben an den unerschöpflichen Schätzen meiner Herrlichkeit. Besonders war es das Ausharrcn, was Jesus so wohl gefiel. Es gehörte gewiß keine geringe Standhaftigkeit da zu, ohne Nahrung, unter freiem Himmel Tag und Nacht bei Jesus zu bleiben. Wird uns ja manchmal eine kleine Stunde in der Kirche zu lange. So schwinden im täglichen Lebe» wohl auch in wenig Stunden die besten Vorsätze und eine kurze, geringe Versnclmng ist imstande, uns von Gott wegzuwenden. Aber nur „wer auslwrrt, wird gekrönt".