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Feierabend GW Unterhaltungs-Beilage der Sächsischen Volkszeitung Nr. HO Sonntag den 6. Oktober W2 Letzte Vlumengvütze. till vergessen, fern am Waldweg Land ich diese letzten Blumen. Glaub', sie wollten sich verkriechen vor des nahen Winters Schritten; So versteckt ganz tief im Moose Sah ich ihre Blüten ragen. Darauf sprach ich: „Liebe Blumen; Seid zu Bessrem doch erkoren, Nicht zum welken hier im Moose Gab euch Gott dies Blumenleben, Nein, als Boten ihm zum Preise Sollt ihr, wenn auch spät Noch, ein Menschenherz erfreuen, Kündet ihm, daß still verborgen Vst die schönste Blume sprießet Und voll Demut ganz bescheiden, Gottes Herrlichkeit erschließet. Paul Woz'iak. 19. Sonntag nach Pfingsten. Evangelium: Das königliche Hochzeitsmahl. Matth. 22, 1—14. „Saget den Geladenen: Siehe mein Mahl habe ich be reitet, meine Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet und alles ist bereit, kommt zur Hochzeit! Sie aber achteten es nicht und gingen ihrer Wege: einer auf feinen Meierhof, der andere zu feinem Gewerbe." In diesen Worten führt uns der Heiland gleichnisweise vor, wie freundlich und dringend Gott den Menschen zu seinen himmlischen Freuden einladet und wie ein großer Teil der Menschen diese Ein ladung gering achtet. Der Himmel wird mit einem Hoch zeitsmahle verglichen, und fürwahr, wie Hätte seine Wonne besser angedeutet werden können, als mit dem Bilde eines Hochzeitsmahles? Hochzeiten gelten als die freudigsten Er eignisse in unserem Gesellschafts leben; die Aussicht auf ein langes gemeinschaftlich genossenes Glück, das zwei Men schen zur innigsten Verbindung zusammenführt, erhebt auch alle, welche diese Verbindung mitfeiern und läßt sie ge wissermaßen an den erwarteten Frenden teilnehmen. Und das himmlische Glück, von dein eine Hochzeitsfeierlichkeit nur ein schwacher Abglanz ist, verachtet der Mensch! Gott bietet es ihm an, ja er drängt ihn dazu, sich desselben teil haftig zu machen, aber als ein Tor schaut er nach den zu nächst liegenden Giitern und begnügt sich mit ihnen, nicht bedenkend, daß rhre Darier keine länger anivährende ist und I sein kann, als das irdische Leben, dem sie angehören. Was ist aller Reichtum im Vergleich mit den Schätzen, die in un vergänglicher Herrlichkeit ans der Ewigkeit uns entgegen- leuchten? Was ist alle sinnliche Freude im Vergleich mit der Seligkeit, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben? Aber so einleuchtend das auch im Augenblicke der Gnade erscheint, in dein Strudel des täglichen Lebens verlieren wir nur zu schnell wieder den richtigen Maßstab. Und da geht es uns oft auch wie den Gewalttätigen des heutigen Evan geliums, welche den drängenden Knechten des Königs Schmach antaten: wir erzürnen uns über diejenigen, welche uns mahnen, nicht an das Irdische zu sehr unser Herz zu hängen und das Himmlische darüber aus dem Auge zu ver- > iieren. Möge ivenigstens das schreckliche Strafgericht, das über jene Undankbaren ergeht, uns stets daran mahnen, daß Gott uns keine andere Wahl läßt, als die Freuden des Himmels oder die Qualen der Hölle! Halten wir uns aber auch bereit, wenn der Ruf näher an uns herantritt, d. h. wenn wir in die Ewigkeit abberufen werden. Sorgen wir stets dafür, das hochzeitliche Kleid der heiligmachenden Gnade an uns zu tragen, damit wir nicht auch in die äußerste Finsternis verstoßen lverden, wo Heulen und Zähneknir schen ist. Kore. Roman von H. Stephan. 8. Fortsetzung. Nachdruck Verbote». 10. Juli. Gestern war ein schlimmer Tag. Nach Tisch ließ Onkel anspannen und fuhr mit uns nach Werderswalde. Werders sind unsere nächsten Nachbarn, aber ich bin nur selten dort gewesen. Ich mag die Werdcrschen Mäd chen nicht leiden. Sie sind eitel und albern und behandeln mich immer so unausstehlich herablassend. Als wir ankamen, war große Freude. Lisa und Lona bewunderten und bestaunten Achim, der in seiner Extra- uniform ja auch wirklich bildschön ausfah, — aber so deut lich würde ich es mir doch nicht merken lassen, wenn mir jemand gefiele. Nach dem Kaffee gingen die drei auf dem Spielplatz um zu schaukeln — ich finde kein Vergnügen daran uird be gleite lieber Onkel Malte, der sich Herrn von Werders neue Gewächshäuser ansehen wollte. Dabei sagte er mir dann ganz im Vertrauen, die Lona sei so eine Art Jugendschwärmerei von Achim. Ob ich nicht auch fände, daß sie ein schönes stattliches Mädchen sei? Und ob die beiden nicht prächtig zu einander paßten? Mir war es, als ob ich einen Schlag aufs Herz bekam. Ich konnte auch gar nicht antworten, nickte nur stumm, und Onkel Malte sah mich scharf von der Seite an und sprach gleich von etwas anderem. Als wir Abschied nehmen wollten, luden die Werders Achim ein, auf ein paar Tage bei ihnen zu bleiben. Er war auch sofort damit einverstanden, und so fuhr ich mit Onkel Malte allein zurück. UntcrN»egs überraschte uns ein starkes Gewitter. Onkel wickelte mich ganz und gar in seinen Mantel ein, und da saß ich wie ein gefangener Vogel und lvar froh, daß ich nicht zu sprechen brauchte. 1». Juli. Noch immer ist Achim in Werderswalde. Onkel machte kürzlich eine Anspielung, als würde er als Bräutigam von dort zurückkehren. Großer Gott, wie soll ick das ertragen! 24. Juli. Nun sind es schsn drei Tage, daß das Wunderbare, Unfaßbare geschah, und noch bin ich ganz betäubt und ver wirrt — noch denke ich, lvenn ich des Morgens erwache, cs ist alles nur ein Traum geiuesen! Ick stand traurig und io recht verzagt an der Garten mauer und sah auf die Wiese hinunter, wo die Mädclien in weißen Kopftüchern das Gras schnitten.