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g E S g Die Dame in Grau. Criminal-Rousan von Georges Ohnet Macht-km- vckvas sit-I Nr. 28. Täglithe Unterhaltuugsbkilage in den ~Ncneft·kn Nachrichten«. 28. Januar. entdeckte-s Boot, das einem Pächter gehörte, diente den beiden Freunden, um ganze Tage in der Frische des Wassers und dem Duft der Wiesen zu verbringen. Jacques that, als fifche er. Er tauchte eine Angel iu die Strömung, ohne dadurch die Ruhe der Fische zu stören, die gleich silbernen Blitzen in der Sonne glänzten. Dauziat, im Hintertheile des Bootes ausgestreckt, träumte oder tauchte, indem er den Himmel betrachtete. Dieer wiederherstellende Leben dauerte nun zwei Wochen. Jacqnes sprach nicht mehr vom Aus-wandern oder Sterben. Danziat hatte den vierten Act seines neuen Stückes beendet, als der Director, dein es versprochen war, den Lin-raten nach Paris rief, um eine wichtige Darstellungsfrage zn regeln. Jacqnes be gleitete seinen Freund auf die Eisenbahn und empfahl ihm, gleich zurückzukounnen. Dauziat versprach, am drittnächiten Tag zurück zu sein· Aber er hatte ohne die tausend Anforderungen »eines, wenn auch noch so kurzen Aufenthaltes in Paris gerechnet. Er traf seinen Berleger, der ihn aufs Land zu einem Diner mitnahm, seine junge Liebhaberin verlangte Andeutungen über die Rolle, die sie während der Fcrien ausarbeiten mußte, um bei der Wiedereriiffnung ganz bereit zu fein, mit den Decorateuren und Tapezireru mußte eine Einigung erzielt werden, kurz, statt zwei Tage in Paris zu bleiben, blieb Dauziat fünf, und während dieser Zeit war Jaeaues, der so sehr eines Führers, eines Be rathers bedurfte, sich selbst überlassen. Er benutzte daher den ersten Abend, um sich beträchtlich zu langweilen. Die Landschast kam ihm trübe, der Sonnenunter gang finster vor. Er vermochte nicht ans dem Balcon zu bleiben, anf dem er so lange Stunden im Geplauder mit Danziat zuge sbracht hatte, und ging zum Strand hinab, wo er einsam und smetancholisch spazieren ging, indem er daran dachte, daß der Freund bald zurückkehren und er sich nicht mehr langweiien würde· Am nächsten Morgen erhielt er einen Brief von Dauziat, der ihm meldete, daß er länger nur-bleiben müsse, als es ihm lieb sei. Er empfand darüber ein so großes Mißvergniigen, daß er nicht allein bleiben wollte, und um Zerstreuung zu suchen, fuhr er nach St. Vast. Er friihstiickte an der Table d’höte, inmitten eines KoinmenH nnd Gehens,- eines Lärnies, die ihn zerstreuten, dann ging er an den Strand hinab und vor dem Casino spazieren. Dort sah er jeit einer Viertelstunde dem Spiel der Kinder zu, die ans Sand eine Festung bauten, als ein erstickter Ausruf ihn bewog, den ston zu heben und er, nicht ohne einen heftigen Schauer, zwei Schritte von sich entfernt Frau Descharinais stehen sah. Sie war sehr bleich und ihre Augen senchteten sich. Sie machte eine Bewegung, sich zu entfernen, neigte die Stirne und machte eine unbestimmte, grüßende Handbewegnng. Er brauchte ihren Gruß nur zu erwidern und sie weiter gehen zu lassen; aber eine unaussprechliche Angst bemächtigte sich seiner bei dem Gedanken, daß sie verschwinden werde. Er trat lebhaft auf sie zu und sagte, seine Aufregung verbergend, tnit einem Lächeln: »Wie, Annie·. Sie? Durch welchen Zufall gerade hier? Weh-ten Sie denn nicht mehr in Granville ?« Sie verharrte einen Augenblick, ohne zu antworten, nnd die Aufregung ihres ganzen Wesens-, dass Zittern ihrer Hände, die Unruhe ihres Blickes erklärten ihr Schweigen zur Genüge-. Endlich ailnnete sie kräftig auf, wie Jemand, der zum Bewußtsein zu rückkehrt, ihr Gesicht nahm wieder Farbe an, und sie vermochte niit deutlicher Stimme zu antworten: »Ich bin durch Privatangelegenheiten hierher geführt worden . . . Jch wohne noch inuner in Granbille lind Sie, Jnenues ?« (Fortfetzung.) Für Jaeaues war es eine wirlliche Erleichterung, als er erfuhr, daß Frau Descharmais dem Ereigniß, das sein Leben so verhängnißuoll zerriittete, absolut sernstand. Die Noth wendigtkih die junge Frau als eine sich grausam rächende Hermione u betrachten, hatte die Vorstellung. die er sich von ihr machteJ seltsam gestört. Und er wollte sie sich nicht so diister und drohend vorstellen. Er dachte gern an sie. Manchmal sagte er sich- daß das Unglück, das ihn betroffen hatte, vielleicht eine geheimniß volle Strafe für sein so hartes Benehmen gegen Annie war. Lange Zeit hatte er das Bild Frau Descharmais’ aus seinem Gedächtnis verbannt, aber seit der Verdacht Dauziats und die Aufregung des Untersuchungsrichters die Erinnerng an die junge Frau aufgesrischt und gleichsam wiederbelevt hatte, gefiel er sich darin, es heraufzubeschwbren. Das bot ihm in seiner Traurigkeit eine Zerstreuung, seinen Träumereien eine Nahrung. Da die Trauer ihn in seiner Wohnung cantonnirte, lang weilte er sich zum Sterben. An das sehr bewegte Leben der Miisziggiinger gewohnt, wußte er nicht, was er mit seiner Zeit anfangen solle. Sein Club war ihm aus Anstandsrücksichten verschlossen- ebenso die Theater; er ging nur bei Tage aus, nm die einer Gesundheit nothwendige Bewegung zu machen. Zur Bekämpfung der düsteren Gedanken, die ihn belagerten, hatte er kein anderes Hilfsmittel, als die Leetiire, ein beschränktes Hilfs mittel, denn all der von einem Tag zum andern publieikte Wust ermüdete ihn, ohne ihn zu zerstreuen. Er tatn dahin, über das Leben nachzudenken und sich zu fragen, .ob es der Mühe werth »sei, es zu wahren. Als Danzint eines Abends kam, fiel ihm die Veränderung in den Zügen feines Freundes anf. Er fragte ihn aus und von der Bitterkeit feiner Antworten peinlich berührt, versuchte er, ihn zu beruhigem ihm Vernunft znznfprechen nnd zu beweisen, welchen Ersatz ihm die Zukunft noch referviren könne. Sich selbst überlassen, hätte er irgend eine Dummheit be gangen, aber in beständigeni Contact mit dem Schriftsteller fand er nach und nach seine geistige Ruhe wieder und trat in moralische Reeonvalescenz. Der Sommer tam, nnd so wie in der Zeit, da sie noch Beide Junggesellen waren, begaben sie sich an die See. Sie suchten einen ein wenig nbgelegten Ort, der trotzdem nicht aller Hilfsmittel bar wäre. Bei Aoranches entdeckten sie ein kleines, von einem selsigen Ufer eingernhmtes Dorf, dessen Fuß im Sande ruhte nnd das durch ein Thal einen köstlichen Ausblick ans das Land gewährte. Sie qnartierten sich in einem ganz neuen Gasihof ein, der mit einer an die komische Oper qeinahnenden Gcsnchtheit der Dekoration gebaut war. Jin ersten Stockwett erhielten sie den Nntzgennß zweier Zimmer nnd eines Selon3. Ein geschnitzter Holzdaleom an dein wilder Wein hinenftleitcite, diente ihnen als Observatoriinn, und an innen, schönen Abenden, ans großen S·trohsantenils ansgestreest, gestanden sie sich, daß sie in dieser diibichen Wiisie ein rast nngeneinne Wochen verleben würden. Ein kleiner Fluß, der sich inmitten von dnrch iiberwnchernde Algen grun gewordenen Felsen in das Meer ergoß, lief dnkch »Weder-, ans denen die schweren Feiihe weideten, deren Milch die cesnmnne Umgeng nährte. Ein sinches, unter-den Weiden