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2 Wage M AWe« Dorftkiluug M WgaMch Nr. 92. j Mittwoch, den 22. April 1908. > 70. Jahrg. Achßschr Dechrichinl. Stolpen bei Neustadt. Im hiesigen Krankenhaus befindet sich ein Bäckergehilfe aus Haeselicht, der sich kürz lich eine Kugel aus Liebeskummer in die Schläfe schoß. Die Kugel konnte trotz Operation nicht entfernt werden, doch wurde festgestellt, daß durch den Schuß beide Sehner ven zerstört worden sind und der Schwerverletzte vollstän dig erblindet ist. Bautzen. Heute nachmittag ist in der Eisengieße rei und Maschinenfabrik der Fabrikarbeiter Friedrich Osk. Döhler auf noch unaufgeklärte Weise in die Horizontal bohrmaschine geraten und dadurch schrecklich verstümmelt worden, sodaß alsbald der Tod eintrat. Der Verunglückte ist 48 Jahre alt und Familienvater. Nossen. In der Nähe der Stadt wurde ein jun ger Waschbär erschossen. Das Tier ist vermutlich einer Tierbude entronnen und hat sich in die hiesige Gegend verirrt. Riesa. Der diesjährige Frühlingsjahrmarkt fin det von Sonntag, den 26. April, bis Dienstag, den 28. April, mittags statt. — Das Kaiser-Wilhelm- und Krie gerdenkmal-Komitee veranstaltet zur Stärkung des Denk malsfonds eine Warenlotterie. Die Verlosung ist auf den 1. Juni dieses Jahres festgesetzt worden. — Der Wasser stand der Elbe geht ständig zurück. Gestern zeigte der hie sige Brückenpegel noch 93 Zentimeter über Normalnull an. Der Umschlagsverkehr war hier während der letzten Woche lebhafter. Im Gröbaer Hafen waren zeitweilig alle Um schlagslagen mit Kähnen belegt. Mügeln bei Oschatz. Der Stadtgemeinderat hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, den verheirateten städt ischen Beamten eine Teuerungszulage von 5 Prozent zu gewähren. Marienberg. In einer Streitsache, ob bei Auf stellung einer Schulordnung die Stadtverordneten zu hören sind oder nicht, hat das Kultusministerium entschie den, daß in Städten mit Revidierter Städteordnung die Stadtverordneten bei Aufstellung einer Schulordnung ein Mitbeschließungsrecht haben. Glauchau. Nach einer stadträtlichen Bekanntmach ung ist den Schulkindern der Besuch öffentlicher kinemato- graphiscker Schaustellungen, soweit nicht besonders geneh migte Kindervorstellungen in Frage kommen, verboten. — Die hiesige Bürgerschule wird demnächst durch einen größe ren Anhäu erweitert, um in diesem die höhere Mädchen schule unterzubringen. - Hohenstein - Ernstthal. Man schreibt: Das Projekt einer elektrischen Bahn vom hiesigen Bahnhofe Aach Gersdorf-Oelsnitz i. Erzg. wird jetzt wieder von den beteiligten Gemeinden lebhaft erörtert. Es sind von den leitenden Kreisen Schritte eingeleitet, um dieses Projekt doch noch zur Ausführung zu bringen. Nebenbei schwebt aber auch noch das Projekt einer Eisenbahn durch das stark industrielle Lungwitzthal. Da auch das nahe Gersdorf an einer solchen Bahn stark interessiert ist, bewilligte der Ge meinderat zur Erbauung einen Beitrag von 10 000 Mk. Schwarzenberg. Die hiesigen städtischen Kol legien haben beschlossen, eine Besitzwechselsteuer einzufüh ren. Es sollen 6 Prozent erhoben werden, und zwar sol len je ein Drittel der Schulkasse und der Armenkasse, das letzte Drittel der Kirchen- und der Stadtkasse zufließen. — Die Pachtsumme des hiesigen Ratskellers ist um 600 Mark erhöht worden, da die Ausstattung der Fremdenzimmer den erheblichen Aufwand von 8297 Mark verursacht hatte. Von städtischem Grundbesitz wurden 26 Ar zum Preise von 7800 Mark an die Erzgebirgische Schnittwerkzeug- und Maschinenfabrik veräußert. Meerane. Man beabsichtigt hier ein neues Rat haus zu bauen, da die Räume des alten, aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Rathauses den heutigen Ver- kehrsverhältnifsen nicht mehr genügen. Zur Erledigung der notwendigen Vorarbeiten wählten die Stadtverordne ten eine 7gliedrige Kommission. Das neue Rathaus dürfte wieder auf dem Marktplatze zu stehen kommen. Plauen i. V. Ein 17jähriger Schreiber Friedel von hier hat sich in den Besitz zweier Sparkassenbücher ge setzt, die Stiftungsgelder enthielten. Er hat das Geld ab gehoben und ist mit 2000 Mark durchgebrannt. Eine Spur weist nach Gautzsch und Leipzig. Er führt Zeugnisse bei sich, die in Plauen ausgestellt sind, darunter ein wahr scheinlich auf einen anderen Namen lautendes Taufzeug nis mit dem Stempel der Johanniskirche zu Plauen. Auerbach. Vizedirektor Dr. Phil. Hugo Schmidt, früher Lehrer in Leipzig-Gohlis, ist von hier als Seminar lehrer nach Rudolstadt versetzt worden. Lengenfeld. Der hiesige Albert-Verein will die Gründung eines größeren Fonds, dessen Mittel im Kriegs fälle zur Pflege verwundeter und erkrankter Krieger ver wendet werden sollen, in die Wege leiten. Oeffentliche Veranstaltungen sollen zur Erhöhung des Fonds bei tragen. Sp»rt. -f Rennen zu Dresden am 20. April. Die gestrigen Rennen waren trotz der ungünstigen Witterung verhältnismäßig gut besucht und brachten auch Interessante sportliche Kämpfe. Eine große Ueberraschung brachte das Ehrenpreis-Handicap insofern, als Frhrn. v. Heintzes „Irrlicht" mit Hughes im Sattel als EMer durchs Ziel ging. Der Totalisator quittierte hierfür mit der kolossa len Quote von 832 Mark. Die einzelnen Rennen ver liefen wie folgt: 1. Preis von Königstein. 2500 Mark. Distanz 1200 Meter. 1. Herrn I. Beutlers „Autlerhorst" (Chcmison), 2. Herrn A. Hungers „Amorette", 3. Frau O. Gaus „The Golden Bird". Totalisator: Sieg 45 : 10, Platz 12, 10, 20 : 10. 2. PreisvonHütten. Ehrenpreis und 1700 Mark. Handicap-Herren-Reiten. Distanz 1800 Meter. 1. Major von Wuthenaus (Karab.) „Versbau" (Rittmei ¬ ster Kirsten), 1. Desselben „Suckowiter" (Rittmeister von Wuthenau), 3. Herrn E. von Kräckers „Wer weiß" (Herr Jahrmarkt). Totalisator: Sieg 26 : 10, Platz 24, 27 : 10. 3. Moritzburger Hürden - Handicap. Union-Klub-Preis. 2000 Mark. Herren-Reiten. Distanz 3000 Meter. 1. Graf El. Westphalens „Sodao" (Lt. Stresemann), 2. Herrn E. von Kräckers „Raosa" Herr Jahrmarkt), 3. Herrn W. Dodels „Liane" (Lt. v. Stron). Totalisator: Sieg 53 : 10, Platz 19, 14 : 10. 4. Ehrenpreis- Handicap. Ehrenpreis und 7000 Mark. Distanz 1500 Meter. 1. Freiherrn von Heintzes „Irrlicht" (Hughes), 2. Herrn L. Balls „Victoria regia", 3. Herrn L. Israels „Charbin". Totalisator: Sieg 332 : 10. Platz 57, 17, 38 : 10. 5. Elbtal - Jagdrennen. Ehrenpreis und 3000 Mark. Herren-Reiten. Distanz 4000 Meter. 1. Herrn W. Dodels „Tom" (Lt. von Stern), 2. Major von Wuthenaus (Karab.) „Rotthel-Expreß" (Lt. Kernten), 3. Hrn. W. Bleulers „Greville" (Herr Jahrmarkt). Totali sator: Sieg 30 : 10, Platz 18, 24 : 10. 6. Oster-Flachrennen. Union-Klub-Preis. 2000 Mark. Distanz 1600 Meter. 1. Herrn O. Kamps henkels „Cziczuska" (Raines), 2. Mr. E. S. Godfregs „Winterkönig", 3. Herrn R. Jltzs „Deutsch-Ordensritter". Totalisator: Sieg 28 : 10, Platz 14, 27, 28 : 10. ------- vr -------- MreimMgr-Lee zur Reinigung und Auffrischung de- Blute- und der KSrpersdste. Be- befsert nach den Grundsätzen de« Natur - Pftauzeuheu verfahr»«-, kein« Gewöhnung, keine Darmerschlaffung, sehr angenehm schmeckend. 50 Pfg. u. 1 v» Nouzeutr. Kriutersaft, Fl I Mk 8slomoni8-tlpotdvllv, LUt'ck». Ksgr. I5KÜ. Tadkllsskll Triat »u »rM«rd»o ist leiekL neid DMe ck. sei» ^»druvdotzau dev-trrLeu. KoHxlLosvock daxutaodLetau 11M > iMnUalnnm flW-IrWiUNlu kreis je l Ltd. unck 4 AK. Ot»«uüsedvs Dedorutoriuw vr N. Sokeuuckel, vresckeu tlfftm» kknodf, -WÜWtzmk. 0. 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Aber wenn sie auch alles, was sie seit ihrem Eintritt in dies Haus gearbeitet, geschafft und geleistet hatte, als einfache Pflichterfüllung aus der Reihe ihrer Verdienste strich — wennn sie sich überhaupt keiner lei Verdienste zuerkannte und all ihr Tun und Sein als einen diesem Hause zukommenden Dankeszins betrachtete, so blieb doch neben diesem noch ein ganzer Reichtum von Liebessaat übrig, der weder aus Dankbarkeit noch aus Pflichtgefühl, sondern nur aus der Aufrichtigkeit eines warmen und guten Herzens kommen kann. — Björn incrkte lange nichts von dem häßlichen Wurm, der an den Pfosten seines Hauses zu nagen begann. Er war wenig mit den beiden Frauen zusammen, und in sei ner Gegenwart beherrschte sich Julia. Noch wagte sie es nicht, ihrer Mißstimmung gegen Rottraut ihm gegenüber Luft zu machen, denn sie hätte keine Gründe dafür anzu geben gewußt. Und noch viel weniger kam es Rottraut in den Sinn, sich bei Björn zu beklagen, um so weniger, je fester sie innerlich davon überzeugt war, daß er ihr recht geben würde. Sie wußte, es würde das Verhältnis nicht verbessern,' sondern verschlechtern. Wozu da erst Szenen heransbe- schwören und Björn Ungelegenheiten machen! Tie zarte, verständnisvolle Rücksicht ans Björn war ^die unbewußte Triebfeder all ihres Handelns. Ans Rück sicht aus Björn nahm sie Rücksicht aus Julia nnd ertrug schweigend und mit freundlichem Gesicht alle schlechte Be handlung. Sie kam stillschweigend mit ihm darin überein, daß .man in jeder Weise ans Julia Rücksicht zu nehmen habe. Aber sogar über solch selbstloses Eingehen auf ihre Wünsche konnte Julia gereizt und empfindlich sein. „Wo ist Björn?" fragte sie einesTages gegen Abend. Rottraut stand im Garten und beaufsichtigte das Einernten des Wintergemüses. Sie sah flüchtig auf und sagte: „Er ist mit der Flinte sortgegangen. Wohin — weiß ich nicht." „Warum bist du nicht mitgegangen?" „Er hat mich gar nicht aufgefordert!" rief sie heiter. „Außerdem hätte ich heute keine Zeit gehabt," schloß sie mit einem Blick auf die Häuschen roter und weißer, sauber entblätterter Rüben rings umher am Boden. „O — sonst hattest du doch immer Zeit!" sagte Julia herausfordernd. Rottraut schwieg. „Warum gehst du denn jetzt nie mehr mit ihm?" Rottraut beherrschte nur mühsam ihre Ungeduld. „Habt Ihr Euch gezankt?" fragte sie immer ge reizter. Rottraut sah endlich ein, daß sie eine Antwort nicht würde umgehen können. „Nein, wir haben uns nicht gezankt. Wir denken aber, daß es dir lieber ist, wenn ich zu Hause bleibe." „So — also ganz stillschweigende Abmachung! Wa rum habt Ihr mich denn nicht danach gefragt? Wenn es mir nicht paßte, Euch zusammen gehen zu lassen, so hätte ich ja mitkommen können!" „Ja, Julia, das hättest du nur schon längst tun sollen! Uebrigcns meinte ich auch nicht, daß es dir unan genehm sei, wenn ich mit Björn ginge, sondern wenn du allein bliebest. Und das kann ich dir ja auch nachfühlen," setzte sie versöhnlich hinzu. Aber Julia war gar nicht versöhnlich gestimmt. „Du bist sehr gnädig. Aber ich verlange Enre Rück sichten gar nicht. Ihr sollt Euch meinetwegen keinen Zwang anserlegen. Du denkst wohl gar, ich sei eifersüch tig!" Rottraut sah die Frau, die so häßliche Worte sprach, mit einem großen, reinen Blick voll heiliger Entrüstung yn. „Pfui, schäme dich!" sagte sie und kehrte ihr den Rücken zu. „Tu nur nicht so!" lachte Julia schrill auf. Dann begreifend, daß sie zu weit gegangen, fing sie an, von den Gartenarbeiten zu sprechen. Rottraut aber blieb einsilbig und unzugänglich. „Nun sei auch noch empfindlich!" spottete Julia. Endlich ging sie davon. Es war ihr unbehaglich zu Mute. Als sie außer Sicht war, stellte Rottraut ihre Arbeit ein. Dann ging sie über das Beet und den Weg entlang nach dem baumreicheren Teile des Gartens. Während sie ging, fing sie an zu weinen; große Tränen perlten über ihre Wangen und fielen auf ihre Helle Schürze. Auf der Bank an der Hecke, wo sie damals Björn hatte trösten Wol fen, setzte sie sich nieder. Es war der einzige Platz, der von allen Seiten durch Buschwerk versteckt war. Sie fragte sich von neuem, womit sie die Behandlung von Julia verdient habe, und warum sie dieselbe immer noch schweigend ertrage. Ihre Pflicht war es doch nicht; Not zwang sie auch nicht dazu. Sie war ja frei — sie konnte jeden Tag in die Welt hinausgehen. Eine Stelle, die ihr die Möglichkeit gab, sich den Lebensunterhalt zu verdienen, würde sie schon finden. Dann dachte sie, daß das doch recht undankbar wäre. Wieviel Liebe, wieviel Gutes hatte sie in diesem Hause ge nossen — nun wollte sie es bei der ersten Unannehmlichkeit verlassen? Ja, wenn sic nur wüßte, ob diesem Hause mit ihrem Bleiben gedient war? Wenn wirklich sic die Ursache von Julias Stimmung war, so mochte es viel richtiger sein, wentt sie fortging. Denn mit der Zeit würden nicht nur sic, sondern unfehlbar auch Björn nnd das Kind unter die ser Stimmung leiden. Wenn Julia doch nur mit sich reden lassen, ihr einen unverschlciertcn Einblick in ihreGedanken gewähren wollte!