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ochkitlW «d ObMilprelsk i»»k 7- Nr. 90 70. Jahrg Freitag, den 17. April 1908 kl 4 7» 1 -i s> Jächsislhk Smchnrch«! — Drr-den dir. 869. !»tt-N. «rr»n- -ktioa Trlrgramm - Ndreff«: Elb-auprefie Vlafewitz. »tt, istlU i* Betlagea: „JlloftrierleS Ustterhalttm-Sbwtt" * ^R«ch Aeleradeud-4- »Hau-- und Gartenwirtschaft- »Arewden-Lifte-. Druck und Berlag: Elbgau-Buchdruckerei und Berlagtanstalt Herman« Beyer L To. teiligung, zu politischer Einigung und Zusammenschluß. Wenn er es aber durch seine gewissenhafte Arbeit zu aus« kömmlichen Verhältnissen gebracht hat, so daß er die Zeit erübrigen könnte, dann ist ihm erst recht die Politik nicht mehr wichtig. Er wendet ihr den Rücken und widmet sich lieber anderer Erholung, ein richtiger deutscher Philister, wie hüben, so drüben. Dennoch aber wäre es zu wünschen, baß sich der Deutschamerikaner den echten Zankes ^rn Vorbild nehme, was dessen Regsamkeit undRührigkeit im politischen Leben anbetrifft. Nur dann würde er den zahlreichen Deutsch feinden drüben gegenüber das bedeutende deutsche Volks element im öffentlichen Leben der Union zur Geltung bringen können und sich den gebührenden Platz erobern, der ihm jetzt trotz aller amtlichen Freundschaftsbezeugun gen zwischen Amerika und Deutschland, im Großen und Ganzen doch versagt bleibt. Denn der echte Amerikaner ist Politiker durch und durch, von dem einfachsten Farmer bis zu dem reichsten Milliardär, von dem einfachsten Pedlar bis zum mächtig sten Trustbeherrscher, beteiligt er sich mit wahrer Leiden schaft an der Politik, vor allem an den Präsidentschafts wahlen. Ties aber geschieht in Amerika nicht erst im eigentlichen Wahltermin, wie jetzt zu dem Abschluß der zweiten Präsidentschaft Roosevelts, am 1. März 19V9, zu den Wahlmännerwahlen am 3. November a. c. und bei der endgültigen Neuwahl im Januar 1909, sondern die Wahlagitation selbst setzt schon wieder ein mit dem Ein zug des neuen Präsidenten in das Weiße Haus in Washington. Neben diesen Hauptwahlen alle vier Jahre aber hat jeder Staat alle zwei Jahre zum Kongreß zu wählen, eben so den Gouverneur seines Staats, in den Hauptstädten z. B. in Newyork, für die gleiche Periode den Bürgermei ster, ferner den Staatssenat und jedes Jahr das Staats- Unterhaus, wozu noch die Wahlen von Richtern und Be amten treten. So kommt der echte Zankes aus dem politischen Leben und Wahltreiben fast gar nicht heraus und man RedakliouSschluß r 8 Uhr Mittag-. Eprechstrmde der Redaktion: S—6 Uhr Nachmittag-. Zuschriften in redaktionellen Aogeltgrvbeilen find Vicht an den Redakteur persönlich, sondern au-schließlich an dle Redaktion zu adressieren. Aber wenn es auch durch die Gründung des Deutschen Reiches in dieser Beziehung anders geworden ist und die Reichstagswahlen in politischer Hinsicht eine sehr bedeu tende erziehliche Wirkung geäußert haben, so zeigt doch die verhältnismäßig geringe Wahlbeteiligung, welche stets bei der besser situierten Mittelklasse festzustellen war, vielleicht abgesehen von den letzten Reichstagswahlen, daß der Deut sche dieser gewohnten Abneigung, die ihm im Laufe der Jahrhunderte, als seine Stimme nichts galt, zur zweiten Natur geworden war, noch immer nicht vollkommen Herr geworden ist. Diese Abneigung haben auch jene Deutschen mit über den Ozean genommen, welche sich als Auswanderer in den Vereinigten Staaten heimisch gemacht haben. Diesem Zuge des deutschen Wesens ist es vor Allem zuzuschreiben, wenn die Deutschen in der Union, wo sie sich in der Stärke von 14—16 Millionen befinden dürften, ihre Macht nicht stärker zusammengefaßt und mit mehr Gewicht in die Wagschale des politischen Lebens Amerikas geworfen haben, wenn sie nicht auch häufiger zu hervorragenden Staatsstellungen gelangt sind, als dies tatsächlich der Fall ist und wie es ihrer numerischen und geistigen Bedeutung entsprechen würde. Hierin sind ihnen selbst kleine Rassen gruppen innerhalb der Union, wie die Iren, bedeutens überlegen, weil diese durch langjährige politische Agitation schon im alten Kulturlande geborene Politiker sind, welche sich durch eifrige Wahltätigkeit sehr reelle Vorteile zu sichern wissen, was leider unsere lieben Landsleute am we nigsten verstehen in ihrer Ehrlichkeit und Zurückhaltung. Nicht umsonst haben die amerikanischen Iren ein Sprich wort, daß die Deutschen stimmen, während die Iren die Aemter kriegen. Andrerseits ist das Verhalten des Deutschen nur zu begreiflich. Sein Charakter ist nicht so unbekümmert und sorglos. Kommt er in das fremde Land, so hat er alle Tatkraft nötig, um sich vorwärts zu bringen, um eine aus kömmliche Stellung zu erlangen und um sich die unent behrliche englische Sprache vollkommen anzueignen. So bleibt ihm weder Zeit noch Energie zu politischer Mitbe ¬ sitze Figuren in den mannigfachen Volkstrachten bei der Arbeit, beim Spiel und in beschaulicher Ruhe zeigen an schaulich den Volkscharakter. Tiergruppen stehen wie lebend vor uns und zeigen ihre seltenen Arten, die wir in Europa vergebens mehr suchen. Steinbock, Wisent (Bison europaeus), Gemse, Lippenbär, Steinadler, großer Wald kauz, Trappe, Mandelkrähe hat kunstfertige Hand natur getreu zu erhalten gewußt, und künstlerisch ausgeführte Dekoration bildet den entsprechenden Rahmen dazu. Im Hofe des Museums hat man den Anfang mit einem Zoo logischen Garten gemacht. Große Käfige enthalten einige Exemplare der prächtigsten Raubvögel, als Waldkäuze, Steinadler, Geier und Edelfalken. Mit großem Sammelfleiße sind ferner selten karto graphische Werke, Photographien und plastische Karten zu sammengebracht worden und an passendem Ort ausgestellt. Ebenso besitzt das Museum seltene Fundobjekte in der Altertumsabteilung. Ter Besuch ist dementsprechend sehr lebhaft. Ein Sonntag ist wieder gekommen, und in der Frühe ist der Wagen bestellt, ein Phaethon, der mich nach dem Ai Stunde entfernt liegenden Bahnhofe bringen soll. Wir sind im Hotel nicht überteuert worden, und der gute Ein druck, den Tiflis auf uns gemacht hat, ist bleibend. Auf unserem Wege kommen wir, nachdem die Kura passiert ist, durch die deutsche Kolonie und den sogenannten neuen Stadtteil Didube. Im Jahre 1818 ließen sich hier Würt temberger nieder. Alles ist sauber gehalten. Reiche Frucht gärten umgeben die niedlichen Häuser. Wir kreuzen bei der „Deutschen Kirche" die lange Michailowskaja und sehen uns bald darauf in der großen Wagenhalle des Bahnhofs. Der Morgen des Feiertages bietet ein buntes Leben und Treiben. Ganz wie bei uns in der Heimat, ist hier ein reiselustiges Publikum versammelt. Die Schalter find überfüllt, ebenso das Pendant (!) dazu, das auf keinem ! russischen Bahnhof fehlt: die in einer Ecke befindliche Bet rapelle mit der ewigen Lampe. Bettler und — Taschen- 9 888 953 1 158 817 1652 256 7 543 438 » 810 r m ssL <500) SIL 0) 85968 »624 M- I 241 320 5 995 124 ><2000)98 53 151 40 6 822 446 7 SIS 404 5 4SS »41 6 401 463 4 776 546 LMM 15 »L49S .9 378 409 403 45 821 175 47 844 15 417 497 94 1OSS36 14 460128 12 182 470 457 35 8LS 593 928 6 1 673 (bwj 0 591 bbt 3 810 837 271 SS 80 >5 926 964 «137S S21 »7 S7S165 10 6S2 962 >2 249 886 W2 76SVÜ 77174975 48 188 179 ! 610 1500« )) SS« 1Ä 815<SOOO) WWI !29 4S6öL1 81177373 16 521 709 44 700 763 '»<500) ZU S8 77- SIS 156 408 23 68 852 US 44 836 974 ») 596 241 11 562 523 500 5 57» 747 tzlSStz 717 34 674 00) 216 4!',' 26 712 84« 18 359 198 M 72 2.4 40 sie W »00/ Iw' 65 L24 836 470 579 aou.. 474 5-7 »4 9) 413-502 »45 25 269 39» '58 640^1 vkUkSe Errißiiffk. — Kaiser Wilhelm telegraphierte von Korfu seine ncrkcnnung an die Berliner Feuerwehr beim Brande »er Garnisonkirche, deren Verlust er sehr beklagt. — In London wird im Herbst 1908 eine Inter nationale Seerechtskonferenz stattsinden. — Die Amurbahn wurde nut einigen Aenderungen »on der russischen Duma angenommen. — In Krzeszowice fand gestern im Beisein des Erzherzogs Karl Stephan die Beisetzung des ermordeten Statthalters Grafen Potocki statt. — Die mexikanische Deputiertenkammer hat die Ausfuhrzölle vorläufig abgeschafst. — Ter rumänische Senat nahm die Vorlage zur Er richtung eines Handels- und Jndustcieministeriums an. — Anwalt Bryankow, Mitschuldiger der Gräfin Tscharnowska am Morde des Grafen Komarowski, hat in Venedig einen Selbstmordversuch gemacht. — Die Feuerbestattung in Reuß j. L. wurde von der Regierung in Gera genehmigt. Mahlen vnd Mahler in Amerika und das deutsche Element. Wenn Goethe seinen Brander im „Faust" ausruscn läßt: „Pfui, ein politisch Lied, ein garstig Lied!", so hat er damit nicht nur die Abneigung der Deutschen gegen die politischen Stoffe in der Poetik kennzeichnen wollen, son dern den Widerwillen gegen jede Politik und politische Be tätigung, wie es wenigstens im 18. Jahrhundert zur Zeit der Kabinettsregierung in Deutschland allgemein verbrei tet war. e sv wir » r.,.n rde, tplechk unßuithlt. laufen ttj. eine fiett » „Meer bar wie- . Hatt- rlcxl» M Rech« «aast- » frtfcd. im SiShreltzt. ritz v,3vt. !cht durch: riu» Sdew«.. i. ,712 Potpourri aus der Gounod'schen Oper „Faust", ein Wal zer von Strauß (Fesche Geister), ein Marsch (Geburtstag) von Flige und das Phantasietongemälde „Lott' ist tot" zu Gehör gebracht. Abwechselung in diese Musikvorträge brachte eine so genannte „Asiatische Kapelle", die aus drei Armeniern be stand. Ein ziemlich beleibter Tenorsänger ließ seine, mit eigentümlichen Gesten begleitetenGesangsstücke durch einen Trommler und einen Titbibitoschläger ergänzen. Das Leitmotiv dieses höchst simplen Gesanges und die in fünf Tönen sich bewegende Musik konnte ich beim besten Willen nicht erfassen. Merkwürdig erscheint es uns Fremden, daß wir im Restaurant und auf der Straße so wenig Frauen bemer ken. Im Biergarten habe ich gar kein weibliches Wesen gesehen. Es ist nicht Sitte, daß die Ehefrau oder die Töch ter den Mann hierher begleiten. Der Grund aber der sel tenen Begegnung überhaupt liegt darin, daß die männliche Bevölkerung die weibliche nm das Fünffache überwiegen soll. — Der Besuch des bereits erwähnten „Kaukasischen Mu seums" sollte sich reichlich belohnen. Deutsche Ausdauer, deutscher Fleiß und seltenes Genie haben hier eine Fund grube auf ethnographischem und zoologischem Gebiete ge- schaffen, die unser gerechtes Staunen, unsre volle Bewun derung erwecken muß. Der Raum dieser Blätter ist zu be schränkt, um eine vollkommene Schilderung und Beschrei bung dieses Instituts zu geben; auch war es mir in der kurzen Zeit nicht möglich, die Sammlungen genau zu stu dieren; aber schon der Gesamteindruck muß für unser Ur teil maßgebend sein. In großen Sälen des Erdgeschosses und Oberstockes des stilvoll gebauten Hauses finden sich Objekte, die sich ausschließlich auf Kaukasien beziehen. Naturwissenschaft, Geschichte, Lander- und Völkerkunde und Litteratur der Völkerschaften deS Kaukasus kommen in höchst praktisch geordnetem Material zur Kenntnis des Besuchers. Plasti- mt < k 12 tt iül die figl. Rmirdatlptmannrcbaften vrerde»-llirl-dt u. -vetltladk, dar Kgl. llVlrgeücbl VrerA» Iinsv»«»- M Le Kgl. -upenntendenlur Dresden II, die Kgl. korsttenlSmter Dresden. Moritrdrrrg , en ra»d»s«»i. vodMr, VI«a«nmrOr. ksrienola. emulir. LtiidiNr unck eo»<diie«. «m-org»» mut cseilNmelger lül VIrrrmu. corchvntr. lvritt« Mn». sai»l»u. eie lkrnilrgrweinöe». vn»<Iea.;«n«e>, mi<r veogni«. I« Kiukas««. Bon Paul Benndorf. (Schluß.) IV. Die Nähe des Stadtgefängnisses wurde durch einen Gefangenentransport fühlbar. Ein taktmäßiges Klirren von Ketten ließ das Auge sich nach einer Straßenecke wen den, wo mir plötzlich der wenig anziehende Anblick eines größeren Gefangenenzuges zu teil wurde. Drei russische Soldaten, die Bajonettflinten geschultert, hatten in ihrer Mitte mehrere starkgefesselte Verbrecher. Eiserne Ringe um Fußknöchel und Handgelenke, hielten über einen Meter lange Ketten, die andererseits an den Leibriemen befestigt waren. Das Gewicht der Handfesseln soll nur 1 Kg., das der Beinschellen 2^» Kg. betragen. Da die letzte deutsche Zigarre längst verdampft war, deckte ich meinen Bedarf an Tabak bei einem gut empfohle nen Armenier. Leider sind aber europäische Zigarren sehr hoch im Preise. 10 Kopeken bezahlt man für einen schon minderwertigenKraftstengel; somit bequemen wir uns zur billigen russischen Pfeife. Ter Kopf ist aus rotem oder schwarzem Ton, etwas größer als ein Fingerhut, das Rohr hat eine Länge von Meter und besteht aus Jasminholz ; beides zusammen kostet 20 Kopeken. In Tiflis bestehen 6 Tabakfabriken, deren jährlicher Umsatz 560 000 Rubel beträgt. — In der Nähe des Jolowinsky-Prospekts fand ich ein gutes und billiges Restaurant, namens „Shich- ladse", wo man ein gutes Glas Bier genießen kann. Es wird in Kelchen verschenkt, die je nach ihrer Größe 5,7 und 1b Kopeken kosten. Drei große Brauereien liefern ein dem bayerischen Schankbier ähnliches Gebräu. Jeden Abend ist hier Freikonzert, ausgeführt von fiaer russisch-grusinischen Kapelle. Das reichhaltige Pro- «amm war an einem Abende insofern bemerkenswert, als tuchen Lettern verzeichnete Stücke enthielt, «mal vertreten; außerdem L«deu eia