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suchen: ich wußte ja, daß ich das Etui in die Umhängetasche gesteckt hatte. Endlich setzte ich mich hin, um nachzudenken. Ich erinnerte mich, daß die Frau in Paris gerade einge stiegen war. als ich das Etui in die Ledertasche gleiten ließ, also war sie es. die mich bestohlen hatte. Aber wie war das möglich? Ich legte ja die Tasche nie ab. — Ta fiel mir ein. daß ich es doch getan hatte, wenn auch nur auf ein paar kurze Minuten, als ich den Rock auszog und während ich nach Natalie suchte. Das Weib hatte mich nur zum Narren gehabt, mich ihr nachgefchickt und auch auf jeder Station getrachtet, mich aus dem Coup6 zu entfernen. Wie rasend brüllte ich auf und sprang, sechs Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter. Jni Bureau er kundigte ich mich, ob nicht eine vornehme, adelige Dame, wahrscheinlich russischer Nation, soeben in: Hotel ange- kommen sei. Das war natürlich nicht der Fall. Rasch sprang ich in eine Droschke und fragte noch in zwei anderen Hotels nach ihr. Dann sah ich ein, daß es Torheit sei. zu denken, ich könne ihrer ohne staatlickie Hilfe habhaft werden: so befahl ich denn deni Kutscher, nach der Polizei zu fahren. Dort erzählte ich meine Geschichte, und der Esel, der den Dienst hatte, sagte, ich möchte mich beruhigen, er werde meine Aus sage zu Protokoll nehmen. Dazu sei jetzt keine Zeit, er widerte ich ihm, es müsse gleich etwas geschehen. Das brachte ihn in Harnisch und ich verlangte sofort den Polizei chef zu sprechen. Ter Chef sei beschäftigt und könne mich nicht empfangen, entgegnte er. Ta zeigte ich ihm mein silbernes Windspiel, was ich in elf Jahren nur einmal ge tan hatte und bedeutete ihm in ziemlich kräftiger Sprache, daß ich ein Kurier der Königin von England sei und der Chef guttun würde, mich ungesäumt vorzulassen, sonst könnte es ihm an den Kragen gehen. Da stieg der Beamte vom hohen Pferde herab und eilte mit mir zu dem Chef, der ein höchst gewiegter junger Mann und ein kluger Kopf ist: er hat Lberstenrang in der Armee. Ich erzählte dem Herrn, daß mir in einem französischen Eisenbahnwagen ein Halsband gestohlen worden sei. das die Königin von England zum Geschenk für die russische Zarin bestimmt habe. Wenn es ihm gelänge, die Diebin zu fangen, so wäre er ein gemachter Mann und dürfe auf den Tank dreier Großmächte rechnen. Ter Polizeichef nahm sich nicht lange Zeit zum Ueber- lcgen: sah er doch schon im Geiste seine Brust mit franzö- fischen und russischen Lrden bedeckt. Er läutete eine Glocke, drückte auf elektrische Knöpfe und schrie seine Be fehle aus. wie der Kapitän eines Flußdampfers im Nebel. Tie Personalbeschreibung der Frau wurde an alle Stadt tore geschickt, sämtliche Droschkenkutscher und Gepäckträger sollten die Bahnzüge durchsuchen, welche Marseille verließen: alle Passagiere auf absabrenden Dampfern mußten sich aus- weisen. und die Besitzer von Hotels und Pensionen erhielten Befehl, innerhalb einer Stunde die vollständige Liste ihrer Gäste bei der Polizei einzuschicken. Während ich dort stand, erteilte der Chef mindestens hundert verschiedene Befehle und schickte genug Kommissäre, Schutzleute, Gendarmen, Po lizisten auf Fahrrädern und in Zivilkleidung aus, um eine ganze fremde Armee gefangen zu nehmen. Als alle fort waren, versicherte er mir. die Frau sei schon so gut wie ver haftet. weil siir sie keine Möglichkeit vorhanden sei, aus Marseille zu entkommen. Ich solle nur in vollster Seelen ruhe in mein Hotel znrückkehren, er würde mir sicherlich schon vor Ablauf einer Stunde die Nachricht von ihrer Festnehmung Mitteilen lassen. Ich dankte ihm für seine energische Hilfe und empfahl mich: doch teilte ich seine Zuversicht nicht. Wußte ich doch, daß jenes Weib schlau genug war, um es mit uns allen aufzunehmen. Kein Wunder, daß dem Polizeichef die Sache in rosigem Lichte erschien: er hatte die Diamanten nicht verloren, und wenn er sie fand, erwartete ihn hoher Lohn, während ich nur war, wo ich vorher gewesen, wenn das Halsband zum Vorschein kam, und geschah das nicht, so war ich zugrunde gerichtet. Etwas Schlimmeres hätte mir kaum zustoßen können als dieser Schlag ins Gesicht. Ich war so stolz gewesen auf meine makellose Vergangen heit: in elf Jahren hatte ich keinen Zug versäumt, keinen Briefumschlag verlegt, und nun dies Mißgeschick bei dem wichtigsten Auftrag, der mir je noch erteilt worden war! Tie Sache konnte auch nicht einmal vertuscht werden, dazu war sie viel zu bedeutend und Aufsehen erregend. Sie würde sicherlich weit und breit bekannt werden. Vor ganz Europa würde ich lächerlich erscheinen, würde aus dem Dienste entlassen werden, wenn nicht gar verdächtigt, das Halsband selbst gestohlen zu haben. (Fortsetzung folgt.) Rätsel. L-ke. Vexierbild. Ich möchte Honig kaufen. Do steck! denn nur der Bienenzüchter? Bilderrätsel. Auflösung des Bilderrätsels in Nr. 8: Feige Hunde bellen am meisten. Auflösung des Worträtsels in Nr. 8: Stiefeltern. Auflösung des Buchstabenrätsels in Nr. 8: Wale. Wall. Dali. Wald. Auflösung des Merkrätsels in Nr. 8: Freude verschönt. lFreskomalerei, Scudrntenball. Unverstand, Menschlichkeit, RSutgenstrahlen.» Richtige Auflösungen sandten ein. Einil Müller, Franz HomiliuS, Gertrud Zimniermann, Dresden A; Wilhelm Neubert. Dresden N. Truck: Saxonia-Buchdruckerei, Verlag des karh. Pretzverems, TreLden, Plllmtzer Strotzest).- Vttt.iau>. Rctutnul: Phinzp Noucr, Lactle»