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— 1o8 — nicht erzählt, daß er noch mit mir getanzt hat. um nachzu- holen, was wir vorher durch Franzis Ungeschicklichkeit der- säumt hatten?" ..Getanzt hat er noch, ohne daß ich, seine Braut, dabei war, und hat mir doch schon hundertmal versichert, daß ihm das Tanzen gar keine Freude mache! Getanzt mit dir. Nannette — o Gott, wie soll ich das verstehen?" Fassungslos brach das gefolterte Mädchen auf einem Stuhl zusammen und verbarg das Gesicht in beiden Händen. „Ach, teure Veronika, ich wußte ja nicht, daß Toni nicht schon selbst dir davon erzählt habe, sonst hätte ich geschwie- gen, um dich nicht zu betrüben. Verzeihe mir!" „Dir habe ich nichts zu vergeben, Nanneite. Was kannst du dafür, daß er dich hübsch findet. Aber er — er — und mir das zu verschweigen und hinter meinem Rücken mich zu betrügen!" „Halt ein, Veronika, du bist ungerecht. Was hat Toni denn getan? Nichts, ich versichere dich, was er nicht niit meinem Gewissen vereinbaren könnte." „Ja, weil du selbst wahrhaftig und treu gegen mich bist, an kein Unrecht denkst und infolgedessen nichts zu ver bergen hast, glaubst du auch bei den anderen an nichts Schlimmes. Aber sag mir doch, wenn er sich rein von aller Schuld fühlt, warum hat er mir nichts von dein gestrigen Abend erzählt?" Als ob die Frage sie überrasche und in peinliche Ver wirrung gesetzt hätte, schlug die heuchlcriscl)c Nannette die Augen nieder und stotterte einige unverständliche Worte. „Siehst du, bei all deiner Freundschaft zu mir ver magst du jetzt nicht, mir eine stichhaltig Erklärung zn geben," rief Veronika aufspringend in höchster Aufregung. Ta streifte ihr Blick das vorhin geliebkoste Blumenbukett, und dieser Anblick rief ihr die Erinnerung wach an die mir Toni verbrachte Morgenstunde. Sie hörte seine sanfte Stimme und liebevollen Worte, sic sah den zärtlichen Blick seiner treuen, keiner Lüge fähigen Augen, sie fühlte wieder das unaussprechliche Glück des Geborgcnseins in warmer Liebe, das sie stets in seiner Nähe empfand, und aufschluch- zcnd rief sie: „O Gott, nein! Es ist ja nicht möglich! Er kann kein Betrüger, kein Treuloser sein! Und dennoch, dennoch . . . wenn ich mir's überlege . . . ach. wer mir Gewißheit schaf fen könnte in meiner Pein, wer mich befreien könnte von meiner Zweifclsgual!" — „Es gibt einen Weg, aber er ist gefahrvoll und gewagt, und wer ihn geht, muß damit rechnen, daß er ihn lebend nicht mehr zurücklegt: Wahrheit erhält man beim Edel weißkönig!" Ein bebender Schreck durchlief bei diesen mit düsterer, unheimlicher Stimme gesprochenen Worte Nanncttes Ve ronikas Glieder, und mit angstvoller Hast fragte sie: „Wie? Im Palast des Edelwcißkönigs, dort oben in der schrecklichen Klamm, könnte ich die Wahrlieit er fahren?" „Eben da — doch mußt du ganz allein hingehen und niemandem ein Wort davon sagen. An der Schlucht an- gekominen, steigst du hinab bis zu jener Stelle, wo die Edelweißblüten in seltener Pracht und Schönheit wachsen, pflückst einige Blumen und lx'schwörst dreimal mit lauter Stimme den Berggeist. Und wo er auch immer weilen mag, er muß. wenn du mit dem Edelweiß, in seinem eige nen Reiche gepflückt, ihn herbeirusst, dir erscl-eincn und zn Willen sein." In fieberhafter Stimmung lauschte Veronika den Worten Nannettes. „Und weißt du auch gewiß, daß er die Wahrheit offenbart?" „Ganz gewiß!" war die eilige Antwort. „Wer Grund hat, an der Treue eines geliebten Menschen zn zweifeln, und sich Gewißheit verschaffen möchte über die Aufrichtia- keit seiner Zuneigung, der kann, wenn er den Mut dazu be sitzt, beim Bcrggeiste sich Klarheit verschaffen. Denn er schätzt treue Liebe ebenso sehr, wie er Untreue bestraft. Ich habe eine Muhme, die das Wagestück vollführt und in den Bergen erfahren hat, daß ihr Liebster treulos ist. Sie hat sich deshalb von ihm getrennt und ist unglücklich geworden. Darum würde ich dir abratcn, einen solchen Schritt zu tun, denn ganz abgesehen von der damit verbundenen Gefahr ist die Ungewißheit in einer solchen Sache doch bei weitem vorzuziehcn: eS bleibt einen: dabei wenigstens die Hoff nung. die gütige Trösterin." Ihre wohlberechncten Worte hatten in Veronika rasch einen Entschluß zur Reife gekrackt, und Nannettes schart beobachtendem Blick entging dieser innere Vorgang nicht. Ihr verbrecherischer Ratschlag hatte gezündet, und sic konnte jetzt die verhaßte Nebenbuhlerin getrost sich selbst über lassen: sie wußte, die Unselige würde dem sicheren Tode ent- gcgeneilen. Einige Minuten vergingen in tiefem Schwei gen: jedes der beiden Mädchen war in seine Gedanken ver tieft, bis Nannette sich endlich ermannte: „Ich muß hcimgehcn, Veronika. Vergiß lieber, was ich dir vom Edelweißkönig gesagt, denn cs ist, wie du weißt, ein gefahrvolles Unternehmen." — „Ich danke dir, Nannette," antwortete Veronika hastig und zerstreut. „Tu bist eine treue Freundin und meinst eS gut mit mir." (Forts, folgt.) Rätsel. Lcke. Bilderrätsrl. Logogriph. Da? gab in alten Zeiten Ein Ringen und ein Streiten Um Ehr' und Minnesold. Auch jegl noch inachcn's viele Beim erporl, besang und Sviele Um Ruhm und schnödes Gold. Heul kam mein großer Junge Mit keck gewalt'gem Sprnnge Ins Hans hereingetollt. Sprach, daß er möchi' ein Zeichen Dem Räiselworte sirc-chen Und dann es werden woll.'! Gruppenrätsrl. -Ii von, <li», »bs, vil, xut, gni, ilrv. Vorstehende Buchstabengruppcn sind so zu ordnen, daß sie in sinngemäßem Zusammenhänge gelesen ein Sprichwort ergeben. Auflösung des Vexierbildes in Nr. 4l: Der Müllerbursche steckt im Gezweig über der Müllerin. Man betrachte das Bild schräg von der linken oberen Seite. Auflösung des Bilderrätsels in Nr. 41: Großmut verzeiht, Leichtsinn vergißt. Auflösung des Eleichklangs in Nr 41: Verschossen. Richtige Auflösungen sandten ein: Friedrich Neugcbaucr und Richard Gries, Tresden-A. Druck: Saionta-Buchdruckeret,Berla> de-kath.PreßoereinS.Lrtsdtn. Pillnitz« Straße48.— Bcrar.tw.Rltaiti.ur: PhlllppRauer.DreSden.