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bogen oben auf der Galerie möchten endlich schweigen, da klang plötzlich eine vom Wein heisere Stimme an sein Ohr- ! „Warum beleidigst du die schöne Nannette durch ein verdrießliches Gesicht, Toni? Tu weißt wahrhaftig die Ehre, mit der herrlichsten Jungfrau walzen zu dürfen, wenig zu schätzen!" „Was kümmert's dich, Franzl?" erwiderte Toni, „es sorge jeder für seine eigenen Angelegenheiten, und wenn meine Gesellschaft der Jungfer Nannette nicht genehm ist, so muß sie sich selbst die Schuld an diesem Mißgeschick zu schreiben: denn nicht ich war es, der sie aufsuchte." Nannette erbleichte bei diesen unhöflichen Worten und aus ihren Augen schossen Zornesblitze auf den Sprecher, der, fühlend, daß er sich von seinem Unmut zu weit hatte hin- rcißen lassen, schon eine Entschuldigung auf den Lippen hatte, als er von einem derben Faustschlag Franzis, der ihn mitten auf die Stirne traf, zurücktaumelte und halb bewußtlos auf einen Stuhl niedersank. Aber die gerechte Empörung über die rohe Handlungsweise des Burschen brachte ihn rasch wieder zur Besinnung und er schaute um sich, um seinen Angreifer zur Rede zu stellen. Dieser jedoch war spurlos verschwunden und der kleine Vorfall in einem Hinteren Winkel des Tanzlokals augenscheinlich völlig unbe achtet geblieben. Die erschrockene Nannette aber bat flehentlich, da Tonis blasses Aussehen sie ängstigte, mit ihr den Saal zu verlassen, und auf wenige Minuten nur in den Garten zu kommen, um sich zu erholen. Ohne seine Antwort abzuwarten, faßte sie ihn an der Hand und halb willenlos ließ Toni es ge schehen, daß Nannette ihn in eine abgelegene Laube führte und ihn nötigte, auf einer Bank Platz zu nehmen. Sie selbst verschwand darauf eilig, um nach wenigen Minuten mit einer Schüssel kalten Wassers und frischen Tüchern wieder vor ihm zu erscheinen und wollte nun die stark- geschwollene Stirne Tonis mit Konrpressen kühlen. Toni versuchte abzuwehren: als sie ihm aber bedeu- dete, daß die Beule durch sofortige Umschläge zurückgehe, und Veronika, die zärtliche, sanfte Veronika dadurch vor einem Schrecken bewahrt bleiben würde, fügte er sich ihren Anordnungen, besonders als ein neuer Schwindelanfall ihn unfähig zum Weitergehen machte. Mit bleichem Angesicht und geschlossenen Augen ließ er Nannette gewähren. Dabei schwand ihni allmählich das Bewußtsein seiner Lage, eine süße Mattigkeit umfing seine Glieder, der Kopf sank ihm Miide zur Seite, und als jetzt das Mädchen ihren Arm ihm sanft als Stütze unterschob, fiel er schlummertrunken darauf nieder. Wie lange er so gelegen, wußte er nicht: da weckte ihn ein leiser Schrei aus seinem Bctäubungsschlnmmer auf, und wie er langsam die Augen öffnete, sah er seine Braut, wie in Entsetzen erstarrt, regungslos vor sich stehen: sich selbst aber fand er zu seinem unaussprechlichen, peinlichsten Er staunen in Nannettcns Arm. Mit einer zornigen Gebärde stieß er das Mädchen von sich und sprang auf die Füße: Nannette aber heuchelte eine schamhafte Verwirrung Vero nika gegenüber, um den Eindruck dieser Situation, die ihr so hoch willkommen war. noch zu verstärken, und bat mit verlegenen, stockenden Worten. Veronika möge sich nicht aus- regen. Tonis Verletzung hätte gar nichts zu sagen. Toni aber schnitt ihr kurz das Wort ab. indem er mit frostigem Tank sich rasch von ikr verabschiedete: dann wandte er sich mit herzlichem Tone an seine blasse, zitternde Braut: „Komm' mit mir, mein Lieb! Ich werde dir alles er klären." Nannette aber blickte den beiden mit höhnischem Lachen ! triumphierend nach: „Deine Worte werden dir wenig nützen. ! Toni! Nach dem, was sie eben ge'eben, wirst du vergebens >, suchen, Veronika von deiner Unschuld zu überzeugen. Das ! Mißtrauen sitzt ihr tief im Herzen und wird euer Glück zer stören. Das Schicksal selbst bat sie mir vollends in die Hand > gegeben und, bei allen Heiligen, es soll mich nicht lässig s finden, den günstigen Augenblick auch gehörig zu nutzen!" > Mit einigen kurzen Worten - denn die Gegenwart der vielen fremden Menschen hinderte eine längere, vertrauliche Aussprache — hatte Toni seine Braut von dem Vorge- fallencn in Kenntnis gesetzt und bat dann innig: „Laß uns jetzt endlich den beabsichtigten Spaziergang machen: mir wird erst wieder wohl, wenn ich allein und ungestört mit dir ein Beisammensein genießen kann." Aber abwehrend schüttelte Veronika das Köpfchen und versicherte kalt, daß es ihr unmöglich sei, seinem Wunsche zu willfahren, da ein unerträglicher Kopfschmerz sie quäle, wahrscheinlich vom Tanz und der Hitze im Saale. Besorgt schaute Toni ihr ins Angesicht, das allerdings blaß genug war, um ihre Worte glaubhaft zu machen: aber dennoch empfand er es schmerzlich, daß sie ihn so kurzer Hand abwics. „Glaubst du nicht, daß ein Spaziergang gut für dich sei, Liebling?" Aus seiner Stimme klang die ganze warme Zärtlichkeit seines Herzens, aber Veronika, in der die Leidenschaft tobte und raste, war taub und stumm für die schüchterne Anfrage der Liebe. „Nein, im Gegenteil, Toni! Bitto, führe mich zu meinen Eltern, daß ich mit ihnen mich nach Hanse begeben kann." Einsilbig und wortkarg legte Veronika am Arm ihres Verlobten den Heimweg zurück: vor ihrem inneren Auge stand fortwährend das Bild in der Laube: Toni, ihr Toni in heimlicher Zurückgezogenheit mit dem schönen Mädchen, traulich in ihrem Arme ruhend! Nein, das war zu viel selbst für die nachsichtigste Braut und ließ auf ein zärtliches Einverständnis zwischen den beiden schließen! Ungeklärt Erhallte an ihrem Ohr, was Toni aus der Tiefe seiner Liebe zu ihr sprach. Als er endlich, schmerzlich berührt von ihrem unfreundlichen Benehmens ihr sanfte Vorwürfe machte, brach sie in ein schrilles Lachen aus und sagte: „Ja, gib dir weiter keine Mühe niit mir heute, Toni! Mein schmerzender Kopf ist doch nicht imstande, einen ein zigen Gedanken klar zu erfassen." 23. Voll trüber Gedanken legte Toni den Heimweg zurück und wollte eben in sein Haustor cintreten, als er sich plötz lich Nannetie gegenüber sah. die wie ans dem Boden ge wachsen vor ihm stand. Er wollte sie unmutig anlasscn: da hob sie bittend die Hände zu ihm empor und sprach mit demütiger Milde in Ton und Blick: „Zürnst du mir, Toni, daß durch die Roheit jenes eifer süchtigen Burschen ein Mißton für dich in das schöne Fest gekommen ist? Obwohl ich völlig unschuldig daran bin, habe ich mir dennoch Vorwürfe gemacht und alles getan, um dich .wieder zufrieden zu stellen. Komm dec-balb mit mir. daß ich dir Genugtuung verschaffen kann. Der Buricl>e muß vor der ganzen Gesellschaft dich um Verzeihung bitten. Ich habe ilm dazu gebracht, denn du kannst doch diesen Schimpf nicht auf dir sitzen lassen." „Du hast recht. Nannetie." erwiderte Toni nach kurzem Besinnen. „Es ist mir um Veronikas willen lieb, wenn diese unangenehme Sache ans friedliche Art ausgeglichen wird. Ich danke dir deshalb für deine Bemühung, und gehe noch für einen Augenblick mit dir hinüber." AIS er bald daraui mit Nannette den Tanzsaal be trat, kam sein Beleidiger auf ilm zu und bat ihn herzlich wegen seines Jähzorns um Verzeihung, daß Toni lächelnd in die dargebotene Hand schlug und nicht umhin konnte, den dringenden Bitten Franzis zu willfahren und, wenn auch ungern, zu einem Bersöhnnngstranke sich mit ihm niederzusetzen. Ganz gegen leinen Willen wurde Toni noch eine Weile festgehalten. - Als Nannette schließlich.freundlich bat, den vorhin io jäh unterbrochenen Tanz als ein Zeichen, daß er auch ihr nicht mehr zürne, mit ihr noch einmal auf- zunebmen, mußte er wohl oder übel ihrem Wnnscl>e nach kommen. Er tat es indes voll Unbehagen und ließ sich