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W». LOS Gelt» S. ItWchtUiI«»«. Mittwoch, de« 4. September. 17S8. Vicomte de Chateaubriand, franz. Schriftsteller und Staatsmann, geb., St. «Malo. 1796. Herwarth v. Bittenfeld, preußischer General, geb., - Grotzwercher. 1803. Emil Devrient, Schauspieler, gckb., Berlin. 1819. Adolf Pichler, Schriftsteller, geb., Erl (Tirol). 1824. Anton Bruckner, Komponist, geb., Ausfelden. 1848. Heinr. Bruns, Astronom, geb., Berlin. 1853. Hexmann von Wißmann, Afrikaforscher, geboren, Frankfurt a. O. 1870. Proklamation der Republik Frankreich. 1900. Math. Pschorr, ehemal. Bierbrauer, gest., München. 1901. Audienz des chinesischen Prinzen Tschun bei Kaiser Wilhelm in Charlottenburg. Erledigung der Sühne mission wegen Ermordung des deutschen Gesandten von Ketteler in Peking (am 18. 6. 1900). 1903. Hermann Jumpe, Komponist und Dirigent, gest., München. Dient,lischt Uiiißer. Aus der persischen Hauptstadt Teheran wird soeben die Ermordung des Groß-Vesirs gemeldet. Die Tai er folgte fast zu gleicher Zeit mit der Bekanntgabe des russisch englischen Uebereinkommens wegen Abgrenzung der beider seitigen Interessensphären. In diesen Vertrag ist auch Persien mit einbegriffen, und es ist damit eine Garantie gegeben, daß keiner von beiden Staaten diesen Anlaß be nützen wird, sich auf Kosten des anderen ein erhöhtes Maß von Einfluß zu sichern. .Denn der Verstorbene ist an Stelle des heutigen schwachen Schah der eigentliche Herrscher des althistorischen Reiches gewesen, das in der letzten Zeit so ge waltige Umwätzungen hat durchmachen müssen. Wie bekannt, gibt es seit etwa Jahresfrist eine per sische Verfassung und eine gesetzgebende Versammlung, also einen persischen Reichstag. Auch den langmütigen Völkern des Orients ist eine Ahnung von der modernen Zeit auf gegangen, sie haben keine Lust mehr, sich von ihren Herr schern und deren Ministern nach bisherigen orientalischer Art aussaugen zu lassen. In Europa ist die Eigenart der Orientalen lange unterschätzt; sie sind ausgezeichnete Kauf leute und auch recht gute Soldaten, wenn sie dazu erzogen werden. Der Europäer hat in Asien schon viel Verblüffen des erlebt, siehe Japan und China, er dürfte noch mehr er- loben. Die riesige Bevölkerung ist aus ihrem 'Jahrhunderte langen Schlafe aufgewacht, sie wahrt ihre Interessen in einer Weise, die Vieles als möglich erkennen lassen. Heute besteht noch das Übereinkommen, wodurch England Ja- tzan verpflichtete, auch in Indien ihm beizustehen. Ob die ser Vertrag in aller Zukunft von Japan erneuert werden wird, das muß billig bezweifelt werden. Diese Abmachun gen mit asiatischen Völkerschaften sind vielleicht eine augen blickliche Nützlichkeit gewesen, aber in Zukunft dürften da rüber ganz andere Anschauungen sich Bahn brechen. Die Asiaten benützen europäischen Beistand, aber aufrichtige Freundschafts-Gefühle für eine europäische Nation werden sie nie hegen. Das liegt nicht in ihrem Charakter, wider strebt ihren ganzen Anschauungen. Die Politik der orientalischen Staaten wird heute nicht mehr von ihren Beherrschern gemacht, sondern von ihren Ministern. Selbst in Japan ist der vielgerühmte Kaiser Mutsuhito doch nur derjenige, welcher in jeder Be- ziehung die ihm von seinen Staatsmännern erteilten Wei sungen befolgt. So war auch der ermordete persische Groß- Vesir der Herr seines Herrn, und er war, das erklärt seinen jähen Tod, kein Freund der modernen Bestrebungen in sei nem Vaterlande und der neuen Verfassung. Darum ist an zunehmen, daß nun erst recht diese moderne Agitation sich WllckMßve Dorfzettuna und EDaauvre^- auSbreitet, und ob der wenig kraftvolle Schah unter solchen Umständen seine Position wird behaupten können, ist Vie Frage. Er kann versuchen, dem Ermordeten einen gleich gesinnten Nachfolger zu geben, aber die Dinge 'sind viel zu weit gediehen, als daß dieser respektiert werden würde in dem Maße, um das alte Regiment unverändert sortsetzen zu können. Auch dort ist Neues geworden, und diese ganze BeweLung wird sich in das Innere von Asien hinein fort setzen. Europa muß damit rechnen, daß ganz Asien einmal Herr seiner selbst sein wird, denn seine Bewohner lernen zu viel von Europa, und sie wissen, daß sie doch manches vor den Europäern voraus haben, . was ihnen genehmer er scheint, wie alle Wunder unserer Kultur. So war es be reits zur Zeit der Kreuzzüge und darin wird auch keine Aenderunq eintreten. Deutschland hat in Persien wichtige Handels-Inter- essen, aber keine politischen Machtfragen zu verteidigen. Wir drängen unS daher selbstverständlich nicht in die rus sisch-englische Abmachung hinein, zumal dieselbe der Reichs regierung vorher bekannt gegeben ist. Wohl aber müssen wir bei unseren Handelsbezioyungen auf „unserem Schein" halten und dürfen auch annehmen, daß dieser respektiert werden wird. Zwischenfälle nach Art desjenigen von Ma rokko vor zwei Jahren werden nicht wieder Vorkommen bei der nun allseitig konstatierten europäischen Harmonie, und auch dieser hätte ausbleiben können, wenn damals nicht Frankreich und England über unseren Kopf weg Bestim mungen getroffen hätten, ja, ohne uns überhaupt den In halt der marokkanischen Zukunfts-Mmachung mitzuteilen. Nur darum hat es sich damals bekanntlich gehandelt, um nichts anderes. Deutschland hat den Franzosen nie etwas mißgönnt, zumal vorauszusehen war, was sich indischen bestätigt hat, daß die Einzelheiten des englisch-französischen Marokko-Vertrages praktisch aar nicht zu verwirklichen wa ren. Die französische Republik hat einen guten Magen und kann viel verschlucken, aber der Bissen Marokko ist doch etwas zu stachelig dazu. Politische Putsch«. Deutsche- Reich. -s-AusderKaiserredeandieWestfalen ist besonders interessant der Passus: „Wie ich keinen Unter schied mache zwischen alten und neuen Landesteilen, so mache ich auch keinenUnter schied zwischenUn- tertanen katholischer und protestanti sch e r K o n f e s s i o n." Ferner sagte er von den westfäli schen Bauern und der Landwirtschaft: „Der Bauer bebaut seine rote westfälische Erde mit Fleiß, fest am Ueberliefer- ten, Althergebrachten haltend ; eine kernige Natur mit eiser nem Fleiß und ehrenhafter Gesinnung, von treuem Wesen, eine feste Grundlage für unser Staatswesen. Darum wird Mir der Schutz der Landwirtschaft stets besonders am Her zen liegen." Auch die Aeußerungen über die Städte und ihre gemeinnützigen Werke, die Arbeiter, die praktische Re ligionsauffassung in versöhnendem Sinn, und der Sym pathie, die er für Westfalen hegt, sind sehr bemerkenswert. Reichstags Vorlagen. Zu den Hauptvor lagen für den zum 19. November wieder zusammentreten den Reichstag gehören die Gesetzesvorlagen über den Unier- stützungswohnsitz, über den Vogelschutz, der Entwurf über den sogenannten kleinen Befähigungsnachweis, über die Heimarbeiter in der Zigarrenindustrie, über die Sicherung der Bauforderungen und die Regelung des Hilfskassen wesens. Ferner wird die Viehseuchcnnovelle und der Bör- sengesetzentwurf wahrscheinlich dem Hause gleichfalls zu gehen, da der Bundesrat, der Ende September zusammen treten soll, sich sofort mit den letztgenannten Entwürfen zu beschäftigen hat. Die Gewerbeordnungsnovelle, die sich auf Abänderungen der Gewerbeordnung bezüglich der Heim Mittwoch, de« 4 September 1*)7 «beiter bezieht, soll auch noch dem Bundesrat vorgelegt werden, und zwar vor Weihnachten, so daß ihre Einbring ung beim Parlament nach dem Feste bevorsteht. Fraglich ist es, wenn der Reichsetat zur Beratung gegangen kann. An seine Vorlegung gleich beim Zusammentritt des Hauses ist nicht zliHenken, man wird aber, wenn möglich, chn im Dezember einbringen. Außer diesen genannten Gesetzent würfen ist noch der über den Versicherungsvertrag, der -en Kommifsionsbeschlüssen des Reichstages gemäß gestellt wurde, zu erledigen. In Aussicht gestellt, aber fraglich sind ferner noch der Wechselprotestentwurf und der Ent wurf über das amtsgerichtliche Verfahren. -i-FürdenParteitagderfreisinnigen Volkspartei sind eine Reihe von Anträgen gestellt worden, von denen diejenigen zur Blockpolitik und zur preußischen Wahlrechtsreform Interesse verdienen. Zum ersteren Gegenstand beantragt Dr. Wiemer: „Die freisin nige Volkspartei erstrebt, getreu dem Eisenacher Programm von 1894, die Befestigung der nationalenEinigung Deutsch lands, den Ausbau der politischen Freiheit und die Hebung der Wohlfahrt des gesamten Volkes. Die Partei ist bereit, wie bisher, gesetzgeberische Maßnahmen zu unterstützen, die in der Richtung ihrer Forderungen liegen, und mit ande ren politischen Parteien zur Bekämpfung gemeinsamer Gegner zusammen zu wirken. In dem Wahlrechtsreform antrag der Wgg. Müller-Sagan, Müller-Iserlohn und Ge nossen handelt es sich um die Einführung des im Pro gramm der freisinnigen Volkspartei geforderten gleichen, allgemeinen, geheimen und direkten Wahlrechts in Preu ßen wider das Dreiklassenwahlshstem. Die Anträge sind mit diplomatischem Geschick und verständiger Zurückhaltung abgefaßt. Bo« rmfere» Skolonie«. Der Auf st and Morengas. Nach einem Telegramm des Gouverneurs von Schuckmann aus Wind huk vom 31. August haben 70 bei Morenga befindliche Bän dels um Aufnahme in das mit den Bondels im Dezember 1906 geschlossene Unterwerfungs-Abkommen gebeten. Um Morenga Kräfte zu entziehen, sind Verhandlungen einge leitet worden. Morenga selbst befindet sich bisher abwar tend auf englischem Gebiete. Die Besorgnisse, die bereits durch die freundliche Haltung Englands sich verminderten, werden durch diesen Abfall der Leute Morengas noch mehr zerstreut; hoffentlich werden die Befürchtungen betreffs dieses neuen Aufstandes des gefährlichen Hererobastards beKo. Hottentottenführers bald vollständig gehoben sein! Der Kolonial-Staatssekretär Dernburg, der wohlbehalten in Tabora, unserer größten deutschen ostafri kanischen Handels-Zentrale, angekommen ist, wird dort einige, Zeit zu umfangreichen Informationen verweilen. Dann erfolgt über Muansa nacihMombassa durch den Nor den des Schutzgebiets die Heimkehr zur Küste. Bo» Au-larrb. ^DerZar in Petersburg. Ein besonderer Anlaß hat den Zaren auf Stunden wenigstens in das lange gemiedene Petersburg zurückgeführt. . Der Draht berichtet darüber: In Gegenwart des Kaisers, der Kaiserin, der Königin von Griechenland, aller hier anwesenden Großfür sten und Großfürstinnen, der Minister und des diplomati schen Korps fand am Sonntag die feierliche Einweihung der zum Gedächtnis an Kaiser Alexander II., an der Stelle, wo er seinen Tod fand, errichteten Kirche zur Auferstehung Christi Natt. Der Metropolit Antonius vollzog den Weihe akt. Sämtliche Truppenteile der Garnisonen von Peters burg und Umgebung hatten Abordnungen entsandt. Der Kaiser und die Kaiserin waren von Peterhof zu Schiff ein getroffen. -s- Marokko. Nach einer Meldung aus Casablanca vom 31. August hält der Feind in Stärke von 8000 Mann Die zweite Butze. Origtaal-Rom« von Dietrich Theben. 26) (Nachdruck verboten.) „Angeklagter, was sagen Sie dazu?" Kruse fuhr aus dumpfem Starren auf. „Ick bün dat ni west," stieß er blöde aus. „Herr Zeuge, hat der Angeklagte sein Geständnis so gleich widerrufen?" „Nach der Ankunft auf dem Gute." „Er hat das Leugnen konsequent fortgesetzt. Sind Sie troOem überzeugt, daß er schüldiy ist?" „Ich zweifle nicht einen Augenblick." „Die zu den Akten gegebenen Ausschnitte und Mes sungen der Fußspuren stammen von Ihnen?" „Ich hübe beide am nächsten Morgen vorgenommen? Die Stiefel Kruses wurden nachgemessen und die Ausschnitte auf die Sohlen gelegt. Die Maße stimmten und auch die durch Punkte auf den Ausschnitten angedeu teten Nägelabdrücke.' „Angeklagter, wollen Sie nicht endlich Ihr Gewissen erleichtern und sich durch ein offenes Geständnis eine mil dere Bestrafung sichern?" Monoton kam die Wiederholung: „Ick bün dat ni west." Der Präsident zeigte sich etwas ungehalten, und der Staatsanwalt meinte spöttisch : „DaS ist die stereotype Entgegnung, allen Beweisen zum Trotz." „Der Aufenthalt in der Nähe der Brandstelle wird von dem Angeklagten ja nicht geleugnet," fiel der Verteidi ger ein. „Die Beschäftigung mit den Fußspüren hat deS- halb Wohl wenig Wert, da aus ihnen doch nicht gefolgert werden kann, daß etwas anderes als die Neugierde ihre Entstehung veranlaßt hat." „Aus der Entfernung zwischen den Spuren und den Einrissen in dem Schnee folgere ich eine Flucht des Ange klagten," replizierte der Staatsanwalt. „Zur Flucht aber veranlaßte ihn das Bewußtsein dessen, was er getan hatte." „Ich setze in die Angaben des Zeugen von Herbrinck einigen Zweifel," meinte der Verteidiger. „Er ist auch nicht kriminalistisch geschult, und die aus seinen Beobach tungen gezogenen Schlüsse entbehren der sicheren Grund lage." Der Vorsitzende schnitt die Auseinandersetzung ab. „Die Erörterung darüber ist den Plaidoyers Vorbe halten," belehrte er sachlich. „Herr Zeuge, konnte das Feuer ohne die erfolgreiche Bekämpfung auf das benach barte Stallgebäude übergreifen?" „Die Gefahr war sehr ernst. „Enthielt das Gebäude auch Räumlichkeiten, die zum Aufenthalt von Menschen dienten?" „Ja, zwei Stallknechte haben dort ihre Kammern." „Waren die Knechte zur Zeit des Brandes an- wesend?" „Sie wurden erst durch die Löschmannschaft ge weckt." „Danke." Die Vernehmung des Zeugen war beendet, und der Präsident gab Auftrag, den Forster Löhr zu rufen. Der Verteidiger wandte sich an den Vorsitzenden. „Ich muß mich noch einmal mit dem eben gehörten Zeugen beschäftigen," erklärte er. „Ich habe vorhin er wähnt, daß für mich die Zuverlässigkeit dieses Hauptzeu gen nicht ganz feftsteht." Herbrinck drehte sich aufhorchend um. „Im Interesse des Angeklagten," fuhr der Verteidi ger kühl fort, „muß ich anführen und unter Beweis stellen, daß der Herr Zeuge zum Jähzorne neigt und in diesem wahrscheinlich dem Angeklagten in der nächtlichen Stunde am See eine heftige Züchtigung erteilt hat, die dann daS Geständnis erzwang. Mir ist von einem Verwandten des Angeklagten ein Brief zugegangen, der sich mit der — Verganaenheit des Zeugen beschäftigt und den Beleg für seine bedingte Glaubwürdigkeit zu erbringen sucht. Der Brief ist ungeschickt und unorthographisch abgefaßt und ent hält einen offenbaren Schreibfehler, indem der Absender von einem 81. Lebensjahre des Zeugen von Herbrinck spricht, während die 1 logisch vor der 8 zu stehen hat —" Herbrinck sah in tiefer Unruhe auf den Rechtsanwalt und schloß die Hände wie im Krampfe. „Der Brief veranlaßt mich," setzte der Verteidiger mit erhobener Stimme wieder ein, „die Frage zu stellen: Sind Sie, Herr Zeuge, identisch mit Friedrich Hans von Herbrinck, Sohn des ehemaligen Gutsbesitzers Wilhelm Hans von Herbrinck und seiner Gemahlin Friederike, ge borene von Uchthausen, auf Groß-Delzig in der Neumark?* Der.Befragte rang nach Atem. „Ja? bestätigte er heiser. „Haben Sie in Ihrem achtzehnten Lebensjahre aus dem Gute Ihres Vaters einen Hausierer Lüggedeg ge kannt?" Wieder von Herbrincks zuckenden Lippen ein rauhe», gurgelndes „Ja". „Haben Sie diesen Mann — der allerdings ein zwei felhaftes Subjekt war — nach einer Jagdpartie mit Ihrem Hirschfänger zum Krüppel geschlagen?" Herbrinck vermochte nur mechanisch zu nicken. Alle