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WWW UWWWM 6S. Jahr-. Freitag, den 31. Mai 1SV7. Nr. 124 Ij u? _--Kemsp«cherr---- Upri Dresden Nr. 809. Am 1Ldl 2 t 1 lük äie Kgl. UmttdanpnaannrcdsNea vrerae» Uliruat u. -krsrtsöt. öL5 Kgl. umrgertcdt vrer-ea. Kgi. Zuperinlenäenlur vresäen II, <iie Xgl. losstkenllimler vreräen, Monirdurg «» ,»k «n Sr»«!»««», r»Nm»Nr. VsdMr. lvxdvi«, M«i«p»,mr, k»»i«v>». eiMNa. L«0M« v«»»r»« »«> k»i»<»»»Ir. un<> c»Il»I-N«»<-is Mr kkrrwilr, c«»«ttr. kachwilr. Wei»« kirr», kükl-u. cki« törrnilrgemeimltn. oreröen Zttiern, unä Nrognm». 1 Beilagen: „Illstzeievtr» Uvterhaltvnßsdlnte- -» .Nnch Aei«r«»e*d" » »red G«kte»*»i^sch«fe- * ^Are»de»»Lift^-. II Telrgrarm, - Druck und Verlag: Elbgau-Vuckidruckerei und Berlagsanpalt Her»ann Beyer To., Blaieroitz; veranlw : Wilh » Buttlar, !> Lldgauyrest« Blasewiy. Ned«ktiO»sschU»H r » Uhr «W«G». Sprrchftmtde der Neborno» r S 6 Uhr Nachmtu««». Ncietc ErriMe. Prinz Ludwig von Bayern hielt in Freising eine Rede über die Landwirtschaft. Die englischen Journalisten trafen gestern nachmit tag in Berlin ein, wo sie feierlich empfangen wurden. In Berlin ist ein Bäckerstreik nusgebrochen. Wahrend der Spazierfahrt, die das norwegische Kö nigspaar im Park von Versailles unternahm, stolperte eines der Pferde des Wagens, in dem sich die Königin mit Madame Fallieres befand und stürzte in ein Wasserbecken, seinen Reiter mit sich reißend. Das Pferd brach sich bei seinem Sturze ein Bein. Ter Reiter wurde unbeschädigt aufgcbeben. Die Königin und Madame Fallieres wurden durch den Unfall sehr in Aufregung versetzt. Politik »»ö Prrße Die Rede des Reichskanzlers Fürsten von Bülow über die Abrüstungsfrage wirkt fort. Sie hat einen defi nitiven Erfolg davongetragen. Die Lage war schwierig, denn sie enthielt die Gefahr einer moralischen Isolierung des Deutschen Reiches, welche leicht die politische nach sich zieht. Alle Welt unter der Fahne des Pacifismus und der Humanität vereinigt und nur Deutschland eigensinnig, starr in seiner drohenden Rüstung als Hindernis des Frie dens — so war der Kommentar, den Friedensapostel und alle Gegner des Reiches bereit hielten für den Fall, daß wir uns weigern sollten, auf den Gedanken einer allgemei ¬ nen Abrüstung einzugehen. Ein Trugbild lag zu Grunde, eine Ueberschätzung des utopischen Idealismus der einen und der Wirksamkeit der Heuchelei der andern. Fürst Bü low sprach geradeaus, stellte einfach die Dinge dar, wie sie sind, und überzeugte so alle ehrlichen Leute auch in dem Lande, von dessen Regierung der Vorschlag, die Abrüst ungsidee auf der Haager Friedenskonferenz zu beraten, ausgegangen war. Allerdings — die Organe der öffentlichen Meinung, Parlament und Presse, haben dieses Mal endlich mitgehol fen und den Erfolg vervollständigt, indem sie dem Signale folgten, das der leitende Staatsmann gegeben hatte. In den „Grenzboten" werden über diesen Beweis von Staatsgesinnung gute Betrachtungen angestellt. „Deutsch land ist einig!" hieß es. Diese Haltung der Parteien war der Resonanzboden, der die Wucht und dje Tragweite der Kanzlerrede erhöhte.- Der Presse fiel bei diesem politischen Akt eine sehr wesentliche Aufgabe zu. Die großen Blätter haben sich dieser Aufgabe mit Geschick und Verständnis für die Situation entledigt und gezeigt, wie sehr sich der poli tische Takt unserer Presse in der letzten Zeit gehoben hat. Und doch konnte man auch hier bei gewissen, wenn auch nicht bei vielen Prcßorgancn die Beobachtung machen, daß sie diese Reichstagsdebatte auffaßten, wie der Theaterkri tiker einer kleineren Deutschen Stadt eine Vorstellung, und mehr Gewicht darauf legten, zu erzählen, ob der Kanzler wohl aussah, müde worüber etwa gähnte, als den Eindruck einer wichtigen Kundgebung als Mitwirkendc vor dem Auslande zu verstärken und zu verdichten. In demselben Maße, wie die Neigung unserer Presse, nur den Kritiker und Zuschauer zu spielen, und nicht auch der seiner Pflicht bewußte Mitspielende zu sein, abnimmt, wird die Staatsgesinnung zunehmen und die Rücksicht auf eine geschlossene Wirkung auf das Ausland, wie sie die englische Presse schon lange instinktmäßig übt, der auswär tigen Politik des Reiches zu Gute kommen. So hoffen wir, daß das Solidaritätsgefühl, das bei uns nach der Abrüst ungsrede des Fürsten Bülow zu tage trat, keine vorüber gehende Erscheinung bleiben wird. Zu seiner Betätigung wird die Haager Konferenz nun Gelegenheit bieten. Die deutsche Presse kann da weiter zeigen, was sie als Schau spieler, nicht bloß aus der Wohlfeilen Loge des Kritikers heraus, auf dem politischen Theater zu leisten vermag. SichsUe Nichrlchte». De« SO Mai 1907 Di- Unter den sportlichen Uebungen unserer Tage befm- det sich eine, die in mancherlei Beziehungen sich von alle dem unterscheidet, was man in unserer modernen Zeit als Sport bezeichnet, sie ist nicht kostspielig noch halsbrecherisch, sie erfordert weder Sportskostüme noch Training und mu tet aus den ersten Anblick etwas altmodisch an. Und sic ist tatsächlich auch älter als aller anderer Sport. Wir mei nen die Angelei. Sie wurde schon in prähistorischen Zei ten ausgeübt, lange bevor der Normade den Tieren des Waldes folgte; denn die Flußläufe waren die natürlichen Straßen für die Wanderungen der ersten Menschenge schlechter. Nicht als Sport, sondern als die ebenso prosa ische wie notwendige Tätigkeit, den Hunger zu stillen, wurde die Angelfischerei betrieben. Haken aus Stein, Fisch gräten oder dornigen Zweigen dienten als Fangmittel. Auch heute noch ist die Angelei, ähnlich wie die Jagd, nicht ausschließlich Sport, sondern ist und bleibt mit dem prak tischen Zwecke des Fischfanges verbunden. Passionierte Angler aber sind gleichwohl Sportsmänner. Anglerinnen gibt es, wenigstens auf dem Gebiete des Fischfangs, sonder barer Weise nicht. Es erklärt sich das vielleicht aus dem Naturgesetz, daß kein weibliches Wesen sitzen bleiben mag; Die Vernicht»», »irtlchiftllcher Werte. Palkvranwalt P. Wangemanv-Berlin Iss. 8. Der Wert eines Gegenstandes hängt im allgemeinen von zwei Faktoren ab, von dem Angebote und von der Nachfrage. Dieser allgemeine, volkswirtschaftliche Satz gilt jedoch nur für marktgängige Waren. Darüber hinaus gibt es aber noch eine Unzahl von Gegenständen, und noch weit mehr immaterielle Werte, deren Abschätzung nicht von den beiden oben genannten Faktoren, des Angebotes und der Nachfrage, bestimmt wird. Zp diesen Wreten gehören zum Beispeil die Kunst- und Liebhabergegenstände, desgleichen diejenigen Gegenstände, deren Wert durch eine liebgewor- öene Erinnerung bestimmt wird. Aber nicht nur derartige ideelle Güter verlangen ihre besondere Wertbestimmung, sondern auf dem sehr realen Boden des täglichen Lebens gibt es eine Umsumme von immateriellen Werten und Rechtsgütern, die für den Be sitzer von ungeheurer Bedeutung sein können. Zu diesen Lorten ist z. B. das persönliche Ansehen, der Ruf, der Kre dit, die Glaubwürdigkeit der einzelnen Personen zu rech nen. Sie sind das Resultat langer Jahre und können mit dem positiven Wissen eines Gelehrten verglichen werden. Hier wie dort geht bei dem Tode der betreffenden Per son eine Umsumme von Werten verloren. Weder die Wis senschaft noch das moderne Verkehrsleben sind in der Lage, diese immateriellen Werte nach dem Tode ihrer Besitzer zu retten. Zwar kann der Gelehrte sein Wissen in Büchern niederlegen, zwar kann der Kaufmann einen ganz geringen Teil seines persönlichen Ansehens als Firma, als Geschäfts tradition hinterlassen. Hier wie dort bildet aber die Hinter lassenschaft stets eine hohle Form, solange nicht eine nach folgende Persönlichkeit dieser hohlen Form wieder Leben verleiht. Das wissenschaftliche Werk eines Gelehrten bleibt eben nur bedrucktes Papier und zum Aufleben des in dem wissenschaftlichen Werk niedergelegten geistigen Inhalts ist das Studium der nachfolgenden Generation erforderlich. Dieser wird zwar der wissenschaftliche Fortschritt erleichtert, aber doch nicht jede Arbeit erspart. Trotz der großen, ein gangs dargelegten Aehnlichkeit zwischen den vernichteten Werten auf wissenschaftlichem und wirtschaftlichem Gebiete bestehen zu Gunsten des letzteren doch nicht unbedeutende Abweichungen. Die wirtschaftlichen Werte sind nicht auf die an der Person haftenden Besitzgüter beschränkt. Ich habe schon oben bemerkt, daß die Firmenbezeichnung mit der damit verknüpften Tradition weiter fortbestehen kann. Beson ders wertvoll ist in dieser Beziehung die Erfahrung, die ein industrieller oder kaufmännischer Betrieb gesammelt hat. Der Kundenstamm, der durch jahrelange Gewohnheit fest mit dem Geschäftsbetriebe verknüpft ist, kann einen wirtschaftlichen Wert von außerordentlicher Bedeutung be sitzen. Aber abgesehen von diesen immateriellen Gütern gibt es auch ganz konkrete Werte, Warenlager, Maschinenan lagen, Bcrriebseinrichtungen usw., die in den Händen des ursprünglichen Besitzers außerordentlich wertvoll sein kön nen, aber losgelöst von ihrer ursprünglichen Zweckbestim mung für jede andere Person vollkommen wertlos sind. Ich denke hierbei an die Verluste, welche z. B. bei Konkursen eintreten. Wertvolle Spezialmaschinen, die für den Betrieb der in Konkurs geratenen Fabrik gebaut worden sind, haben nachher nur noch den Wert des alten Eisens. Wie groß die Verluste sind, welche auf diese Art und Weise eingebüßt wer den, läßt sich schwer bestimmen. Ich habe den Wertverlust durch Konkurse in Zeiten der normalen Wirtschaftslage in einer kürzlich veröffentlichten Zeitschrift auf ungefähr 60 Mill. Mk. pro Jahr in Deutschland berechnet. Dies würde ungefähr pro Kopf der Bevölkerung einen Verlust von 1,20 Mark bedeuten. 'In Amreika betrugen 1902 diese Verluste 4,80 Dollars. Gegen derartige Wertverluste wird es schwerlich ein Abhilfemittel geben, wohl glaube ich aber, daß durch eine geeignete Organisation Werte erhalten bleiben können, die zur Zeit noch dem Untergang geweiht sind. Ich denke hier- bei hauptsächlich an die Wertverluste, welche bei der Auf gabe von Geschäftsbetrieben beim Tode ihres Inhabers er folgen. Ich bin der Ansicht, daß durch geeignete, kapitalkräf tige, gemeinschaftliche Verwaltungsorganisatton eine große Anzahl von Betrieben nach dem Tode ihrer Inhaber in der bisherigen Weise weitergeführt werden können, dergestalt, daß unter der Aufficht der organisatorischen Verwaltung ein oder mehrere provisorische Geschäftsführer die Weiter führung des Betriebes übernehmen. Die Erden des ver storbenen Inhabers werden bei der Weiterführung des Ge schäfts-Betriebes durch die Verwaltungsorganisation in fast allen Fällen einen höheren Wert erzielen, als wenn sie Hals über Kopf den Geschäftsbetrieb abstoßen müssen. Die gemeinschaftliche Verwaltungsorganisation würde dadurch auf ihre Rechnung kommen, daß sie einen Teil des Mehrwertes, den sie durch ihre provisorische oder definitive Verwaltung erzielt, als Gewinn einstreicht, während ander seits der endgiltige Nachfolger im Geschäftsbetrieb dadurch gewinnen würde, daß er eine Unsumme von Arbeit und Kosten sparen würde, wenn er, statt den alten Geschäfts betrieb zu übernehmen, einen neuen übernehmen würde. Durch die vorbeschriebene provisorische Verwaltungs organisation würde einem großen Teil derjenigen Per sonen, die heute mehr oder minder in abhängiger Stellung verbleiben, Gelegenheit geboten werden, in freier unabhän giger Stellung ihre Arbeitskraft einzusetzen. Den Haupt vorteil lege ich aber nun auf den Umstand, daß die Ay-klts- kraft des einzelnen wesentlich erhöht wird, wenn ihm, in freier unabhängiger Stellung, die Früchte seines Fleißes, der durch ihn herbeigeführte Erfolg — zum größeren Teil wenigstens — zufließen würde. Ich glaube auch, daß die gemeinschaftliche Berwat- tungsorganisation sich einen besonderen Einfluß dadurch sichern könnte, daß die von ihr verwalteten Geschäftsbetriebe sich gegenseitig als Produzenten bezw. Konsumenten ergän zen würden. Dadurch würde es sehr Wohl möglich sein, einem Geschäftsbetrieb eine erhöhte Rentabilität zuzu sichern, indem man die übrigen, von der gemeinschaftlichen Verwaltungsorganisation unterstützten Geschäftsbetriebe veranlassen würde, ihre Waren von dem erstgedachten Be trieb zu beziehen. Auf diese Art und Weise könnte ein gro- ßer Teil der immateriellen Werte unserem Wirtschaftsleben erhalten bleiben. Die kurz skizzierte Andeutung mag vielleicht zu neu sein, als daß sie nicht Widerspruch erregen würde, aber viel leicht ist e» gerade der Widerspruch, welcher mehr als jede Beistimmung zur Klärung dieser Frage beitragen würde. Ich würde mich aus diesem Grunde freuen, wenn ich von meinem geschätzten Leserkreise eine Anzahl gegenteiliger Aeußernngen erhalten würde.