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Sächsische Dorfzeitung und Elbgaupresse : 25.04.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480533490-191704255
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480533490-19170425
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480533490-19170425
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Dorfzeitung und Elbgaupresse
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-04
- Tag 1917-04-25
-
Monat
1917-04
-
Jahr
1917
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Nr. 93. Srttt«. GDchsifHß «nt» Elbzsvprrffe. M« Ko«greß vo« Vertreter» der Armee« der Weftfrvnt i« Mtn-k. Petersburg, 21. April. ' tPeterSburger Telegr.- Agentur- In MtnSk wurde in Gegenwart -eS> Duma präsidenten Rodztanko und -es KrtegSmtntsters Gutschkow -er Kongreß von Vertretern der Armeen der Westfront er öffnet. Anwesend waren mehr als 1200 Vertreter der Sol daten, Offiziere und Munitionsarbeiter. Der Kongreß wurde durch den Vorsitzenden deS Rates der Arbeiter- und Sol daten - Abgeordneten von Minsk Posener eröffnet, der in seiner Ansprache sagte, der Kongreß sei ein Sinnbild der engen Bereinigung der militärischen und bürgerlichen Ele mente des neuen Rußlands, sowie der vollen Nebereinstim- mung der Front und der Heimat. Posener wurde zum Vor sitzenden des Kongreffes gewählt, der Soldat Svrokoletow zum stellvertretenden Vorsitzenden. Dieser bestieg die Tri büne in Feldausrüstung mit Gewehr, was einen Sturm von Beifallskundgebungen hervorrtef. In der ersten Sitzung des Kongresses der Abgeordneten -er Armeen der Westfront hielt der Dumapräsident Rod- zianto eine Rede, in der er sagte: Glücklicherweise kann ich erklären, daß eine Rückkehr zur Vergangenheit unmöglich ist. Das verbürgt der Wille des russischen Volkes. Weiterhin ^ggte Rodztanko: Vergeßt nicht, daß die große Freiheit euch große Pflichten auserlegt gegen das Vaterland. Vergeßt nicht, daß das Vaterland in Gefahr ist. Ich weiß jetzt, daß die Westfront eine unzerstörbare Kampfkraft besitzt, und mit Freuden werde ich eö im Hinterlande verkünden. Der Ab geordnete Roditschew lud dann alle Anwesenden ein, sich zu einer starken Macht zusammenzuschließen, um nicht nur den Feind Rußlands, sondern auch den der Volksfreiheit zu be siegen. Roditschew rief: Laßt unS den Gegner vernichten! Die ganze Versammlung antwortete: Wir schwören es! Dar auf bestieg der französische Oberst Rampvn, der ehemalige Kommandant eineö Regiments vor Verdun, die Tribüne und sagte u. a.: Vergeßt nicht, Soldaten, daß ihr die Armeen des Kaisers vor euch habt. Wollt ihr daher die Freiheit befestigen, so seid tapfer, gehorsame Krieger. Treibt weniger Politik. Erfüllt aber eure soldatischen Pflichten. Erinnert euch dar an, daß in der französischen Revolution die große Armee keine Politik getrieben hat. Darauf nahm ein englischer Major das Wort und forderte die Soldaten aus, die Freiheit zu lieben und alles für sie zu tun. General Gurko, der Kom mandant der Westfront, sagte: Wenn die Soldaten nicht große Anstrengungen machen, um die junge Freiheit zu retten, wird sie untergehcn. Der deutsche Militarismus stellt eine ewige Bedrohung des Weltfriedens dar und muß vernichtet werden. Die Lebensmittelknappheit in England. Bern. Angesichts der jetzigen Lebensmittellage ergehen tu England täglich neue Bestimmungen zur Verhütung des Aufbrauchens der vorhandenen Bestände. Eine Verordnung oon weittragender Bedeutung ermächtigt den Lebensmittel kontrolleur Lord Tevonport, alle Anstalten, wo Lebensmittel der von ihm zu bezeichnenden Klaffen hergcstellt werden, unter Kontrolle zu nehmen. Eine andere Bestimmung vom 22. März verbietet die Herstellung von Blätterteig und anderen leichten Gebäckarten und beschränkt die Anfertigung von Kuchen aus solche, die höchstens 15 Proz. Zucker und 30 Proz. Weizenmehl enthalten, sowie das Gebäck in den Teehäusern und den Klubs in den Rachmittagsstunden auf zwei llnzen für die Person. Für den Zucker besteht ein freiwilliges Rattonierungssystem bei einer Wochenration von einem halben Pfund auf den Kopf. Angesichts der Ueberschreitung erwägt aber die Regierung die obligatorische Rationierung. Der 17. April war der erste obli gatorische fleischlose Tag für die Hotels, Schankwirtschaften und Klubs. In den kleinen Speisehäusern, wo die Höchst preise für eine Mahlzeit l!4 Schilling betragen und die nicht von dem Fleischverbot betroffen werden, herrscht sehr starker Andrang. Trotzdem bemerken „Times" und „Daily Tele graph", daß das Publikum auf den Fleischgenuß ohne Murren verzichtet, aber die Brotdeschränkung höchst unwillig erträgt. Die Regierung leitete daher erzieherische Maßnahmen ein ver mittels 1200 Ausschüßen, um das Volk zur Einschränkung des Brotgenusses zu veraulafsen. Stockholm. Im „Nna Tagltgth Allehanda" schildert ein soeben aus England kommender Schwede die dortigen Zu stände. Er kam im November in das Einschließungslager in Stratford, wo außer ihm noch 170 Deutsche und Oesterreicher waren. Rach seiner Aussage begauu sich seit dem 1. März die Ledensmittelknappheit infolge des U-Boots-Krieges vielfach bemerkbar zu machen. Fleisch und Zucker waren in der Mar ketenderei nicht mehr zu kaufen. Kartoffeln verschwanden ganz. Infolge der Ledensmittelnot versuchte man, möglichst viele Gefangene los zu werden. So erhielt auch der Schwede am 1. April die Erlaubnis zur Heimreise. «Nrier Wochenbericht bor PreiSberichtSftele be- Deutsche« LonbwirtschaftSrats vom 17. b«S 23. April 1017, Das weltgeschichtliche Drama von der Aushungerung des stolzen Albions durch die deutschen U-Boote reift lang sam aber sicher dem Schlußakt entgegen. Das Ziel kann nur durch die gleiche eiserne Energie, mit der England uns seit Kriegsbeginn von der Zufuhr aller Lebensmittel und Roh stosse abzuschncideu und zu erdrosseln sucht, erreicht werden. Wäre eö möglich gewesen, den verschärften U-Boot-Krieg schon unmittelbar nach der vorjährigen Ernte, etwa vom August 1916 ab zu beginnen, würde nach menschlicher Berechnung voraussichtlich für England die Katastrophe bereits einge- treteu sein, und i-ären die Hekatomben an der Westfront dem deutschen Volke erspart geblieben. Vorläufig zehrt England von der bis Anfang Februar des Jahres ungehinderten Ge treideeinfuhr, doch sind die Bestände schon so zusammen geschmolzen und die neuen Zufuhren seit dem Februar so gering, daß das englische Volk, wie drüben in den Zeitungen versichert wird, eigentlich nur noch 3 englische Pfund oder 1300 Gramm Brot igegeu 1600 Gramm bei unss wöchentlich pro Kops verzehren dürfte, um bis Ende des Erntejahres, d. h. bis Anfang August dnrchzuhalten. Aber selbst wenn den Engländern bis zu diesem Termin eine Hungersnot erspart bleiben sollte, wird die Katastrophe dennoch unvermeidlich sein, da seine eigene Ernte höchstens für zwei Monate ans- reicht, während die unsrige selbst bei mäßigen Ertrügen für das ganze Jahr genügt. Hierin liegt der fundamentale Unterschied zwischen England und uns. Die Ungunst der Lage für die Ententemächte ist in den letzten Wochen noch dadurch verstärkt worden, daß in den Vereinigten Staaten die Aussichten für die diesjährige Ernte immer schlechter lauten und daß an den amerikanischen Märkten hierdurch bereits eine grenzenlose Preissteigerung und wüste Speku lation Platz gegriffen hat. — Die Bekanntmachung über Kar toffeln vom 21. März d. I. hat auf die Versorgung mit Saat kartoffeln eine derartig erschwerende Wirkung auögeübt, daß die Deckung des Saatkartvffelbedarfs völlig ausgeschlossen erscheint. Die Bestimmung der Verordnung, daß zwei Zent ner vom Morgen fortgenvmmeu werden sollen, ganz gleich, ob darunter auch Saatkartoffeln sich befinden, zwingt viele Besitzer, sich anderweitig wieder mit Saatkartoffeln zu ver sorgen. Jedenfalls kann die obige Verordnung die größte .Gefahr hinsichtlich der nächstjährigen Kartvfselversorgnng nach sich ziehen. Es wäre deshalb dringend zu fordern, daß den Landwirten keinesfalls Saattartosseln genommen werden dürfen, die für die Bepflanzung der vorjährigen Kartoffel fläche erforderlich sind. — Im Kreise Teltow ist der Verkehr mit Eiern in der Weise geregelt, daß von jedem Legehuhn jährlich mindestens 30 Eier abgegeben werden sollen, in der Annahle, daß ein Huhn selten weniger als 70 Eier im Jahre legt. Der Erzeugerpreis betrügt in Gemeinden unter 10 000 Einwohnern und in GutSbczirken 25 Pf. An jedem Orte unr eine Sammelstelle eingerichtet, an die ausschließlich die Eier abznliefern sind. — Das preußische Landesgetreideamt hat dem Bund der Landwirte auf eine Anfrage mitgeteilt, daß es einen Abzug am Höchstpreis für Lagergeld seitens der Kommissionäre nicht für begründet hält. Die unvermeidliche kurzfristige Einlagerung kleiner Mengen gehört zu den Auf gaben, die durch die Zuschläge lKommissionsgebührenj abge golten werden. — Nach 8 7 -er Verordnung über Oelfrüchte vom 26. Juni 1916 sind Landwirten, die selbstgewvnnene Oel- srüchte abliefern, auf Antrag für -en eigenen Bedarf auf je 100 Kilogramm abgelieferte Oelfrüchte bis zu 35 Kilogramm Oelkuchen von der Bezugsvereinigung der deutschen Land wirte zu liefern. Ilm den Anbau von Oelsrüchten noch mehr zu fördern, hat der Bundesrat nunmehr beschlossen, die Menge der abzuliefernden Oelkuchen bei Mohn und Dotter aus der Ernte des Jahres 1917 von 35 auf 50 Kilogramm zu erhöben. Warum nicht auch für Raps? Aus aller Welt. Eing r eisen d e r M i l i 1 ü r b e h ö r d e in di e Berliner Streikbewegung. In Berlin hat — wie schon vorher in Elbing — die Militärbehörde in einem be sonders wichtigen Rüstungsbetriebe, wo der Streik noch fort gesetzt wurde, eingegrifsen. Die Waffen- und Mnnitivns- fabriten in Martinikeuselde und Wittenau wurden bis auf weiteres in militärische Leitung genommen. Durch Anschlag in den Fabriken ist den Arbeitern mitgeteilt worden, daß sie die Arbeit sofort wieder anfzunehnien hätten. Durch Ver ordnung des Oberkommandos ans Grund -es Gesetzes über den Belagerungszustand ist die Arbeitsniederlegung verboten und mit Strafe bedroht. Alle wehrpflichtigen Arbeiter, -je seit dem 14. d. M. die Arbeit niedergelegt haben, gelten, so weit sie die Arbeit nicht ausgenommen haben, aber arbeits- ' Mittwoch, dM 25 April 1917. > - - — 4 fähig sind, als zum Heeresdienst eingezogen. Sie erhalten Soldatenlöhnung und unterstehen den KrtegSgesetzen. Diesed energische Eingreifen hat eine starke Wirkung auögeübt. Die Arbeit wurde allgemein wieder ausgenommen, nur einige wenige Frauen streikten noch, sind jedoch inzwischen wohl auch zum Einsehen gekommen. ' Angestellte als Beirat im deutschen K riegsa m t ? Für die Beibehaltung des 7 - Uhr - Laden schlnsses tritt in einer Eingabe an den Bundesrat die Ar beitsgemeinschaft der kaufmännischen Verbände ein. Tie wen det sich entschieden dagegen, daß dem unselbständigen und dem Detailkansmannsßand durch einstttndige Verlängerung der Geschäftszeit die Annehmlichkeiten der Sommerzeit gcnom men werden sollen. Mit der Kürzung der Brotration könne unmöglich eine Verlängerung der Arbeitszeit Hand in Hand gehen. Ferner trat die Gemeinschaft an das Kriegsamt mit der Bitte heran, zur Mitwirkung in den Verteilungssiellen neben den Arbeitern, deren grundsätzliche Hinzuziehung von dem Kriegöamt geplant ist, auch Vertreter der Ange stelltenschaft zu berufen. * Deutscher G e l e h r t e n p r o t e st gegen Wil son. Der Bund Deutscher Gelehrter und Künstler plant die Veranstaltung einer Reihe von Vorträgen über Deutsch land und Amerika als Protestkundgebung gegen die Ver unglimpfnng des deutschen Wesens und deutschen Ver- fassungstebeus durch den Präsidenten Wilson. Die Vorträge sollen Anfang Mai im Abgeordnetenhaus stattsinden. Al- Redner sind dir Professoren Geheimrat Harnack, Meinecke und Troeltsch in Aussicht genommen. Einschränkung des kaiserlichen Mar- stalls. Die Einschränkung des Pferdebestandes im küntg lichen Mnrstall in Berlin wird jetzt durchgeslihrt. Aus den im Hosdienß verwendeten Reit- und Wagenpferden werden 25 Stück im Marßallgebäude in Berlin zur Versteigerung gelangen. Guter Saaten st and in O e st e r r e i ch. Der „Neuen Freien Presse" zufolge kann aus den bisher vor liegenden Nachrichten sestgestrllt werden, daß die lleber- winterung -er Saaten sehr gut vvnstatten gegangen ist und nirgends weder in Oesterreich noch in Ungarn nennenswerte Schäden vvrgekvmmen sind. Auch der deutsche Saatenstand ist trotz der Ungunst des Wetters erfreulich. Der Mai bat es in der Hand, die Verzögerungen in der Entwicklung unserer Pflanzenwelt wieder auszugleichen, die der kalte März und April verursachten. Italienische W a h l r e ch t s r e s o r m. Die be kannte Osterbvkschaft des Deutschen Kaisers hat in der ganzen Welt gewirkt. In Italien forderte der sozialistische Abge ordnete Labrivla in einer Interpellation eine Aenderung des Wahlrechts. Italien hat das allgemeine und direkte, aber nicht das gleiche Wahlrecht. Jeder dreißigjährige Mann ist Wähler, auch jeder zwanzigjährige, wenn er entweder lesen und schreiben kann oder eine gewisse Steuer leistet. Labrivla verlangt das gleiche Wahlrecht und fordert, daß mindestens jeder Mann, der Kriegsdienst geleistet, wahlberechtigt werde General Gurkos Tagesbefehl. Der Ober befehlshaber der russischen Westfront, General Gurkow, warnt in einem Tagesbefehl seine Truppen vor den immer größer werdenden Ausschreitungen und Eigenmächtigkeiten, die sich namentlich darin äußern, daß Soldaten trotz strengsten Verbotes noch immer ihre vorgesetzten Offiziere kurzerhand absetzen und eigene ernennen. Dies sei jedenfalls während des Krieges unstatthaft lind müsse den Fricdenszeiteu vor behalten bleiben. Ein tüchtiger General, der Herr Gurko! — Aus dem Gerichtssaal. Der Kutscher Alfred Wilhelm Krügel aus Nieder pvuiitz sollte im Dezember v. I. in Rvchwitz einen Posten Kohlen ansahren, kaufte für ti,50 Mk. weniger und steckte den Betrag in seine Tasche. Den Lieferschein änderte er selbst ab: dadurch machte er sich der Urkundenfälschung schuldig. Demselben Kaufmann ün Rvchwitz, entwendete er einige Säcke, eine Schlitte Stroh und ein Bund Heu. Die Sachen verkaufte er für 6,75 Mt. Von der Eifenbahnhaltestelle Cun nersdorf bei Helseuberg stahl er eine Kiste Margarine. Fer ner versprach er, anderen Margarine zu liefern, und kassierte als Anzahlung 130 Mk. .Krügel fälschte weiter eine Quit tung über 22,50 Ml., um den Glauben zu erwecken, daß er diesen 'Betrag für eine Margarinelicfernng bezahlt habe. Vom Landgericht wurde er zu 10 Monaten Gefängnis ver urteilt, wovon <i Wochen als durch die Untersuchungshaft ver büßt gelten. Verantwortliche Schriftleitung: Bernhard Handke in Dresden-A., Behrtschft:. U. Es war ihr Gatte, der durch die Seitentür etngctreten ivar und nun dastand mit ernstem und doch so gütigem Aus druck auf dem blassen Gesicht, ihr beide Hände entgegen streckend. Da sah sie, daß er alles wußte, und verzweifelt jam merte sic ans: „Du -- du —" und stürzte zu seinen Füßen nieder. Er beugte sich mild zu ihr nieder. Doch sie umschlang seine Knie und flehte: „Verachte mich nicht — verachte mich nicht . . ." Er hob sie mit sanfter Gewalt empor und fassungslos weinend lag sie in seinen Armen. „Armes Kind," sprach er mit bewegter Stimme. „Fasse dich — ich will dir Helsen . . ." Er führte sie zu dem Divan, sie brach zusammen. Eine Ohnmacht umhüllte ihre Sinne. Mit Hilfe des Stubenmädchens brachte Born die Ohn mächte in ihr Schlafzimmer und legte sie dort auf ihr Bett. Nach einiger Zeit schlug sie die Auge« wieder auf. Als sie ihren Gatten neben ihrem Lager erblickte, streckte sie ihm die Hände entgegen, und als er sich ltebvoll über sie neigte, schlang sie die Arme um seinen Nacken und flüsterte: „Ich will bet dir bleiben . . ." Er lüste ihre Arme, drückte sie sanft in die Kiffen zurück und suchte sie mit leisen, gütigen Worten zu trösten und zu beruhigen. Sie lächelte ihm dankbar zu und endlich ent schlummerte sie, wie ein Kind, das sich müde geweint hat. Der Justizrat befahl dem Stubenmädchen, bet ihr zu wachen. Dann zog er sich in sein Zimmer zurück. Aber er selbst fand keinen Schlaf und keine Ruhe. Er schickte den alten Friedrich sork, als dieser schüchtern fragte, ob der Herr Geheimrat sich nicht niedcrlegen wolle, und wanderte ruhelos auf und ab: wenn auch äußerlich ruhig, so wühlte und tobte in seiner Seele, in seinem Herzen doch ein heftiger Kampf, der die Züge seines Gesichtes vertiefte und verschärfte und seinen großen dunklen Augen den Ausdruck gab, wie ihn das Auge eines zu Tode getroffenen edlen Wildes zeigen mag, wenn es sich in die Einsamkeit flüchtete, um dort zu sterben. 8. Kapitel. Der Morgen graute schon, als Born sein Lager aufsuchte. Er hatte einen guten Kampf gekämpft, aus dem sein gütiges, edles Menschentum al» Sieger heroorgegangen war gegen- über der egoistischen Leidenschaft seines Herzens und seiner Sinne. Der Weg, den-er zu gehen hatte, lag klar vor ihm, und eine tiefe Ruhe zog in seine Seele ein, wie die Natur in lautloser Stille daliegt, nachdem der Gewitterslurm vor- ttbergebraust ist. Ein traumloser Schlummer senkte sich auf seine Augen und seine Seele, ihm neue Kraft und Frische bringend.' Stundenlang lag er da in tiefem sanftem Schlaf, in der sich seine erschöpfte Natnr erholte. Aber der alte Friedrich bekam eö mit Angst z» tun, als sein Herr sich nicht zur gewohnten Stunde erhob und sich kein Laut ans dem Schlafzimmer kundgab, an dessen Tür der alte Diener atem los lauschte. Auch Melanie lieh sich nicht sehen, das Stubenmädchen sagte, daß auch sie noch schlafe, und so wußte sich der treue Alte in seiner heimlichen Angst, und da er erraten, was in der Nacht geschehen war, keinen anderen Rat, als nach der einige Häuser weiter wohnenden Schwester seines Herrn zu laufen und ihr seine Not zu klagen. Mit hartem, starrem Gesicht hörte ihn das alte Fräulein an. Dann sagte sie kurz: „Gehen Sie und erwarten Sie mich. In einer Stunde bin ich bei Ihnen." „Was wollen Sie tun, gnädiges Fräulein?" fragte Friedrich angstvoll. „Dieser fortwährenden Pein, diesen fortwährenden Zweifeln ein Ende machen - mein Bruder muß sich von sei ner Frau trennen . . ." „Das ist sein Tod!" Tie zuckte die Schultern. „Er stirbt nicht so leicht an getäuschter Liebe - doch gehen Sie jetzt — ich will mich ankleiden." Der Alte entfernte sich. Fräulein Born erhob sich und sprach laut und fest: „Es muß ein Ende gemacht werden! Der Tag des Gerichts ist da — meine Warnung kam zu spät — sic hat die Treue gebrochen, wie ihr Vater — sie muß fort. . ." und in steifer, starrer Haltung begab sie sich in ihr Schlafzimmer, um sich umzukleiden. Nach kaum einer Stunde erschien sie in dem Hause ihres Bruders, der noch immer in seinem Schlafzimmer weilte. Friedrich empfing sie. „Ist meine Schwägerin jetzt zu sprechen?" fragte sie. „Die gnädige Frau ist in ihrem Boudoir." „So melden Sie mich." «Seien Sie nicht zu streng, gnädiges Fräulein . . ." „Das ist meine Sache — gehen Sie" In aufrechter, starrer Haltung blieb sie in der Mitte des Salons stehen, auf dem hageren Altjnngsern-Gesicht einen kalten, grausamen Ausdruck. Sv stand sie noch, als Melanie, erstaunt über diesen Be such, eintrat. Melanie sah blaß und erschöpft aus, aber auf ihrem schönen Gesicht lag eine stille Ruhe, in ihren Augen ein sanftes Leuchten, auch sie war in den Stunden der Einsam keit zu einem Entschluß gekommen, auch sic hatte einen Sieg über ihr Herz davvngetragen, die Treue und Dankbarkeit gegen den Mann, der sic aus tiefster Not gerettet, machten sie stark, auf ihre Liebe zu verzichten. Sie trug ein einfaches, weißes Morgengewand, ihr blon des, üppiges Haar hing in einem leichtgeschürzten Knoten fast bis ans die Schultern nieder, so bot sie mit ihrem blafscn schönen Gesicht und den fenchtschimmernden, tiefblauen Augen ein rührendes Bild der Reinheit, der llnschnld gegenüber der starren, finsteren Erscheinung Clementines, die in tieses Schwarz gekleidet war. Melanie empfand die Feindseligkeit des Blickes, mit dem Fräulein Born sie maß. Aber vor ihr wollte sie jich nicht beugen, sie erkannte sie nicht als Richterin an, und stolz richtete sie sich empor. „Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?" fragte sie kühl. „Seit Jahr und Tag habe ich Sie nicht gesehen, und nun müssen Sie gerade heute kommen!" „Ich wollte, ich wäre niemals gegangen," entgegnete Clementine mit harter Stimme, „es stände wohl manches besser hier im Hause." „Was berechtigt Sie zu dieser Sprache?" fuhr Melanie ans. „Wollen Sie wieder Unfrieden säen?" Fräulein Born lachte spöttisch aus. „Unfrieden — ich? — daS klingt sehr seltsam in Ihrem Munde . . . Wer hat den Unfrieden in dieses Haus ge bracht? — Wer? -- Sie oder ich? — Wagen Sie cs, mir zu antworten?" „Sic suchen Ihren Bruder gegen mich auszurcizen .. ." „Nicht aufreizen, sondern warnen wollte ich ihn! Bor Ihnen, meine schöne Frau Melanie!" fuhr Elementine höh nisch fort. „Und habe ich nicht recht behalten? — Ich weiß alles — ich weiß, daß Sie Herrn von Wtngenheim lieben ..." fFootfotznng folgt.)
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