Volltext Seite (XML)
69. Jahr« Nr. 290.1 recht wenig geeignet, die Kenntnisse der Reichstagsmitglie der über die auswärtige Reichspolitik -u vertiefen, ist ein so — sonderbares „Weißbuch". — Dr. B. «ebuktwusschUch r » Uhr Gyrech-Wude der Redaktion: S S Uhr Nochmitt»,«. Zuichrtftev in redaktionellen Avaelegevbeiten find nicht an den Redakteur persönlich, sondern au-schließlich au die Redaktion -u adressieren größeren Vertrauens und entgegenkommender Offenheit seitens des Reichskanzlers und der Regierung gegenüber dem Reichstage mit freudigem Bravo. Einige Redner fühlten sich in der Freude ihres Herzens verpflichtet, dem Fürsten Bülow noch außerdem ihren Dank und ihre An erkennung auszudrücken. Wenn es auch nicht die wichtigen Fragen, z. B. unsere Beziehungen zu Frankreich hinsicht lich der Marokkofrage, waren, so erschien doch diese tat sächliche Zusage, welche etwas Bestimmtes in sichere Aus sicht stellte, besser als ein vages Versprechen für ferne Zu kunft. Wenn erst einmal dieser Weg beschritten war, so konnte man wohl nicht mit Unrecht annehmen, daß bald Wichtigeres folgen würde, was wirklich die Reichstagsabge ordneten in die Lage versetzen würde, sich mit allen Phasen unserer Politik in einem bestimmten Fall, oder gegenüber einer bestimmten auswärtigen Macht eingehend vertraut zu machen. Dadurch allein aber können sie ein Urteil darüber gewinnen, ob das Vorgehen der deutschen Regie rung richtig war, oder welche Fehler sich dieselbe etwa in dem angenommenen Fall hatte zuschulden kommen lassen, um dieselben später vermeiden zu können. — In gewisser Beziehung hoffte man sich durch das in Aussicht gestellte Weißbuch auch schon über das Verfahren der Regierungs vertreter und die Weisungen aus der Wilheltzlsstraße wäh rend der verschiedenen Fragen und Differenzen bei der Haager Konferenz Aufklärung verschaffen zu können. Auch ließen dieselben, wenn auch nicht gerade von einschneiden der augenblicklicher Bedeutung, doch durch ihre Beziehun gen zu den verschiedensten Staaten aller Weltteile, immer hin interessante Rückschlüsse auf die Führung der deutschen Weltpolitik zu. In diesem Sinne waren Beifall und Bravo seitens der deutschen Volksvertreter sehr wohl be greiflich. — Wenn man sich allerdings den Wortlaut des Bülow- schcn Versprechens etwas näher angeschaut hätte, so hätte man sich eine etwas unliebsame Ueberraschung ebenso spa ren können, wie den starhen Beifall. Fürst Bülow hatte zwar von urkundlichem Material gesprochen. Er hatte Lobt«,. Dresden, 11. Dezember 1907. Die Zweite Kammer sollte in ihrer heutigen 36. öffentlichen Sitzung, der am RegierungStische StaatSmini- ster Dr. v. Otto beiwohnte, die Wahl der außerordentlichen Deputation für die Weiterberatung des Wahlrechtsgesetzes vornehmen, faßte aber Beschluß dahin, die Wahl zu ver tagen. Die Schwierigkeiten entstanden dadurch, daß der sozialdemokratische Abg. Goldstein in den Wahlvorschlägen nicht enthalten war und weder die Konservativen mit ihren 12 Borzuschlagenden, noch die Rationalliberalen mit ihren 8 Vorzuschlagenden und einem Freisinnigen zurück treten wollten. Vizepräsident Opitz- Treuen (kons.) erklärte, daß seine Fraktion die Anwesenheit des Abg. Goldstein in der Deputation wünsche, und schlug vor, die Zahl der Depu- tattonsmitglieder zur Erreichung dieses Zweckes auf 23 zu erhöhen. Abg. Schieck - Frankenberg (natlib.) wünscht da gegen nur eine Erhöhung auf 22 Mitglieder. Weiter standen auf der Tagesordnung mehrere Etat- Kapitel, Ausgaben für verschiedene, bauliche Zwecke, all gemeine Ausgaben im Geschäftsbereiche des Finanzmini steriums und die rechtliche Verteidigung der staatlichen Gerechtsame betr. Auf Antrag der Finanz-Deputation A, für die Abg. Steiger- Leutewitz (kons.) den Bericht er stattet, werden diese Etat-Kapitel einstimmig und ohne De- ' batte nach der Vorlage genehmigt. Hierauf verschritt das Haus zur allgemeinen Vor beratung des Gesetz-Entwurfes betreffend die Besoldung der Richter. Nrlltftk Ereignisse. Der Kaiser ist gestern in Holland eingetroffen. Dem General Grafen Zeppelin wurde das Großkreuz vom Roten Adlerorden verliehen. Die Wahlprüfungskommission des Reichstages bean- srandete die Wahl des nationalliberalen Abg. Oertel (4. Marienwerder). Der kaiserliche Disziplinarhof für die Schutzgebiete verhandelt heute als Berufungsinstanz gegen den früheren Gouverneur von Togo, Horn. Im Harden-Prozeß ist von der Staatsanwaltschaft ivürst Eulenburg geladen worden. Oberreichsanwalt Dr. Olshausen ist zum Senatsprä- iidenten beim Reichsgericht ernannt worden. Sein Nach folger wird Reichsanwalt Dr. Zweigert. Das Eisenbahnunglück in Miala ist nach amtlicher Darstellung auf die überschnelle Fachrr des Schnellzugs öurch die Weichen des Bahnhofs Miala zurückzuführen. ' Bei der Verteilung der Nobelpreise erhielten den Preis für Physik Michelson-Chicago, für Chemie Buchner- Berlin, für Medizin Lcweran-Paris, für Literatur Kip ling-London. Der Friedenspreis wurde zwischen dem Ita liener Moneta und deut Franzosen Renault geteilt. Der Zar hat den Genera! Stössel, gegen den gestern der Prozeß vor dem Kriegsgericht in Petersburg begann, ols einen Betrüger bezeichnet. General Lyautey wird übermorgen mit einer Trup penabteilung von etwa 800 Mann seine Operation gegen die Beni Snassen beginnen. Die fremden Gesandtschaften in Peking verstärken angesichts der ernsten Unruhen in China ihre Wachen. Hrschetw ffd« »sch«—« «OchwjtwO- »vhr.VrReul»!«-^« »1«. I ck* 1 1 WH»S«»e»«N«S0»1 dieo*Enll»»I«sw» I II IHI^DMH II G««atU >d«r»»»u»^ ÄmishmepeRe»: letzte Helte. s WV Hw» ff Gff Hwl v " ochkitllilg M GllMMch ..." — Freitag, den 13. Dezember 1907. Imt < dl 211 M die «gl. Rmlrdauplmannrcballen Vrercke» UNsladt u. -Deertadt, das «gl. UMrgertcdt vrerSe», M die sigl. Zupennlenäenlur Dresden II, die sigl. ForsttenUimUs Dresden, Moritrdurg »6 l «tt r»n»vlrr, vodtt», wicdvNr, k»tt<rvltr. unö Lsr»*»«-«. mck wr VI»r««ilr, kochE. llleirr« Mir». Sül>l»u. äi< cr,5nivg<imiiu>«n. Vreickro-SInrrrn «nä Nriignnu. I Bell «gen: „JlUOrterttS * „Nnch Uele»«Rei>b* * «tb Gmrtnanwtschsft*' * . II Letegra»« - Dnche Dresden Rr. 809. , Druck und Verlag: Elbßan-Vuchdrvckeret und Verlag-avftalt H«r«ann Hetzer H <o>, verant». Redavarr: vr. K. Btefendnhl, Blnsetmtz ,1 Lldgauprefievlale»^^ Ei« so«derdares „Weißbuch". Wie man sich erinnert, hat der Reichskanzler in seiner am 29. November im Reichstag gehaltenen Rede sich gegen über den Wünschen verschiedener Reichstagsmitglieder nach Erlangung größerer Klarheit auf dem Gebiete der äußern deutschen Politik zuvorkommend ausgedrückt. Wenn er auch einer regelmäßigen Verpflichtung zu periodischer Ver- öffentlia-ung diplomatischen Materials über die fortlau fende deutsche Politik nicht nachkommen könne, da hier durch leicht Mißverständnisse, wenn nicht Verwicklungen hervorgerufcn werden könnten, so halte er doch das Ver langen des Reichstages in dieser Hinsicht für durchaus ge rechtfertigt. Er will also dem Bedürfnis nach Möglichkeit enlgegenkommen und sich künftig nicht allein auf münd liche Mitteilungen im Reichstag beschränken. Er fuhr dann fort: „Ich habe im Einverständnis mit dem neuen Staatssekretär des Aeußern auch angeregt, daß demReichs- tage urkundliches Material über den Gang der auswärti gen Politik so weit vorgelegt werden soll, wie dies mit den Interessen unserer Politik irgendwie vereinbar ist. Es wird Ihnen schon in den nächsten Tagen ein Weißbuch zu gehen über die Haager Konferenz, das den Wortlaut der Verträge in deutscher Uebersetzung, sowie eine erläuternde Denkschrift enthält." Bei aller Bedeutung, die die Frie- densfrage vielleicht in der Zukunft gewinnen kann und wird, war ein „Weißbuch" gerade über die Haager Konfe renz nicht eben dasjenige, was die Wißbegierde der deut- ichen Reichsboten in hervorragendem Maße in Anspruch ichmen konnte. Vielmehr war ein Weißbuch über diese Lr die Gegenwart denn doch mehr oder minder akademi- ichen Fragen völkerrechtlicher Theorie, deren Uebersetzung in die europäische Praxis internationalen Völkerverkehrs noch gute Wege hat, so ziemlich von allen diplomatischen Vorkommnissen unserer äußeren Politik das harmloseste und belangloseste Ding, was der geschicktePolitiker heraus greifen konnte. Immerhin begrüßte man diesen Anfang aber dann als Inhalt des Weißbuchs lediglich „den Worr- ! lau: der Verrräge in deutscher Uebersetzung, sowie eine er- s läuternde Denkschrift" bezeichnet. — Da aber der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein Pflegt, so hatten sich die Reichstagsabgeordneten natürlich unter diesem Weißbuch auch solche vorgestellt, wie sie bei andern Nationen üblich sind, nämlich mit dem urkundlichen Depeschen- und Brief wechsel des politischen Leiters mit den betr. Botschaftern und die Korrespondenz der beiden Regierungen über den betreffenden diplomatischen Streitfall. Es ist ja selbstver ständlich, daß einem Parlament gegenüber nicht alles her ausgegeben wird, und daß z. B. die schärfsten Noten und alles, was nach Erledigung des Falles noch nachträglich durch Veröffentlichung zu Unstimmigkeiten oder Verwick lungen führen könnte, zurückbehalten wird. Aber im All gemeinen liegt doch, wenn auch vielleicht nicht ganz voll- ständig, oder etwas zweckentsprechend gruppiert, immerhin in diesen Weiß- oder farbigen Büchern das wirkliche ur kundliche Material vor, welches den Parlamentsmitglie dern sehr wohl ermöglicht, sich ein Bild von der Tätigkeit ihrer Regierung zu machen, um so mehr, als sie sich denken können, daß noch einige bedenkliche Akten fehlen. In dem nun vorliegenden Weißbuch fehlen nicht nur die bedenklichen Akten, sondern einfach alle. Es ist über haupt kein urkundliches Material mit abgodruckt, sondern es ist lediglich eine Sammlung der seitens der Konferenz gefaßten Beschlüsse und Vereinbarungen. Alles dies stand so ziemlich schon im „Courrier de la Conference" zu lesen und ist hier zu Gunsten der Herren Reichsboten, die etwa nicht französisch verstehen, in ein ziemlich gutes Deutsch übersetzt. Dazu prangen die Namen sämtlicher Delegier ten daselbst und die vom Reichskanzler besonders erwähn- ten Erläuterungen sind auch nur ziemlich kurz geraten. Es ist ja wahr, Fürst Bülow hat nichts weiter versprochen. Er hat genau das gegeben, was er versprochen hat, aber I ein Weißbuch? — Unter einem diplomatischen „Weißbuch" versteht man denn doch etwas anderes. Wenn der Reichskanzler auch künftig nichts weiter bieten will als , solche Weißbücher, kann er die Druckkosten sparen. Denn Staatsminister Dr. v. Otto hob in einer einleiten den Begründung hervor, daß das Gesetz die Einführung des einfachen DienstalterSstufen-Systems für die Richter bezweckt. Gegenwärtig rücken die Richter nur in ft eiwer dende Stellen auf. Man hoffe also durch das Gesetz eine Festigkeit und Stetigkeit des AufrückenS zu erreichen. Die Unabhängigkeit von der Justizverwaltung wird durch das Gesetz in keiner Weise berührt. Abg. Dr. Spieß- Pirna (kons.) teilt mit, daß die konservative Fraktion eine abgeschlossene Stellung zu der Vorlage noch nicht genommen habe und sich eingehende Er wägungen darüber vorbehält, ob das Gesetz eine Besser stellung der Richter mit sich bringe, oder ob die Vorteile des neuen Gesetzes etwa durch Nachteile unterdrückt wür den. Weiter brachte der Redner einzelne Sonderwünsche zum Ausdruck. Abg. Hettner - Dresden (natl.) erklärte namens seiner Fraktion, daß sich selbe mit der Grundtenoenz der Vorlage einverstanden erkläre und äußerte gleichfalls einige Sonderwünsche. Abg. Günther - Plauen (freis. Bp.) war glei^ falls für das Gesetz, mit gewissen Einschränkungen und Erweiterungen. In der weiteren Debatte, an der sich die Abgg. Dr. Zöphel-Leipzig (natlib.), Poppitz-Plauen (natlib.), Dr. Spieß-Pirna (kons.), Hettner-Dresden (natlib.), Hähnel- Kuppritz (kons.) und Justizminister von Otto beteiligten, wurden nur eine ganze Reihe Einzelwünsche auf Ein schränkungen bezw. Erweiterungen des Gesetzes ausgespro chen. Das Haus war fast während der ganzen Vorberatung der Vorlage außerordentlich mäßig besetzt. Schließlich ging das Gesetz zur Weiterberatung an die Gesetzgebungs-Deputation und die Finanz-Deputation A. Nächste Sitzung: Donnerstag, 12. Dezember, vor mittags 10 Uhr. Tagesordnung: Interpellation über die Bäckereiverordnung.