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2. Beilage M SchMhurger Tageblatt. U 81. Sonntag, se« 7. April 1901. Jas Mmklrmmdkr der JoppHn«. Der jüngst verstorbene Director der berühmten Lick- Sternwarte in Kalifornien, Professor Edward Holden, hat einen glänzend geschriebenen Aufsah über Toppel- sterne hinterlassen, der jetzt im „Scientific American" ver öffentlicht wird. Mit durchsichtiger Klarheit wird darin das Himmelswunder der aneinander geketteten Stern körper geschildert. Der große William Herschel war der erste, der gegen das Ende des 18. Jahrhunderts die Beobachtung machte, daß viele Sterne, die sich dem bloßen Auge als ein einziger Körper darstellten, im Fernrohr doppelt erschienen. Seine Messungen leiteten ihn zn der wichtigen Entdeckung, daß in vielen Fällen einer der beiden Sterne um den anderen oder, genauer genommen, beide Körper um einen gemeinsamen Schwer punkt sich herumbewegten. Es dauerte noch etwa 30 Jahre, bis es gelang, für einige dieser Doppelsterne die Bahn ihrer Bewegung zu berechnen und auf diese Weise festzustellen, daß ihre Umdrehungen dem bekannten Ge setz der Schwere gehorchten, dessen Entdeckung das un sterbliche Verdienst von Newton ist. So war es er wiesen, daß dieses Gesetz sich auch auf die Fixsterne ausdehnt, und man mußte daraus schließen, daß es in der That soweit herrscht, wie der Weltraum reicht. Zum ersten Male zeigte sich das ganze Weltall einem Grundgesetz unterworfen. Diese Erkenntniß bedeutete einen ungeheuren Fortschritt, da zu Newton's Zeit die Giltigkeit des Schwerpunktsgesetzes nur für die Grenzen des Sonnensystems bewiesen war. Damals war der Saturn der äußerste der bekannten Planeten, der von der Sonne nur 9^ Mal weiter entfernt ist als die Erde. 1781 entdeckte Herschel dann den Planeten Uranus, dessen Abstand von der Sonne das 19fache des Erdabstandes beträgt, und 1846 wurde der Planet Neptun gefunden in 30facher Entfernung von der Sonne im Vergleich zur Erde. Diese beiden neuen Planeten gehorchten in ihren Bewegungen um die Sonne ebenfalls dem Gefetz der Massenanziehung, und gerade diese That- sache machte es möglich, daß das Vorhandensein des äußersten bekannten Planeten, des Neptun, berechnet wer den konnte, ehe ein menschliches Auge ihn gesehen hatte. Dennoch durfte man daraus noch nicht dieFolgerung ziehen, daß auch die sogenannten Fixsterne demselben Gesetz unter worfen wären, da deren Entfernung von der Sonne im Vergleich zu der der Erde fast als unendlich bezeichnet werden muß, ist doch der nächste dieser Sterne von der Sonne rund 30 Milliarden Kilometer entfernt. Taher war es von außerordentlicher Bedeutung, daß durch die Beobachtung der Doppelsterne der Nachweis geliefert werden konnte, daß sich auch in den Fixsternen das Grundgesetz der Massenanziehung bewährt. Während des 19. Jahrhunderts sind Zehntausende neuer Doppel sterne entdeckt worden nach Maßgabe der Verbesserung unserer Fernrohre und der Vervollkommnung der Himmelsbeobachter. Von diesen Tausenden sind viele Hunderte als echte Doppclsterue zu bezeichnen, d. h. sie bilden ein wirkliches System von zwei in ihren Be wegungen aneinander gebundenen Sternen, diesen steht eine noch größere Zahl von scheinbaren Doppelsternen gegenüber, die nur zufällig für unser Auge in nahezu gleicher Richtung am Himmelsgewölbe erscheinen. Die letzteren, die sogenannten pcrspectivischen Doppelsterne, haben kein besonderer Interesse für die Wissenschaft, ein um so größeres bieten dagegen die echten Doppel sterne. Sie stellen zwei Sonnen dar, die für immer durch die Massenanziehung an einander gekettet sind und für immer um einen kleinen Punkt sich bewegen. Falls sie wie unsere Sonne von Planeten begleitet sind — und wer wollte sagen, daß das nicht der Fall ist, da unser Auge auch mit der schärfsten Bewaffnung nie in diese Geheimnisse dringen wird — müssen die Lebens bedingungen auf solchen Planeten gänzlich von unseren eigenen verschieden sein. Der Wechsel von Tag und Nacht und von Jahren und Jahreszeiten muß in einem solchen System einer Doppelsonne von ganz eigenthüm- lichen Bedingungen beherrscht werden. Wenn die Astronomen nur von solchen Toppelsternen Kenntniß erhalten könnten, deren Zweiheit sie im Fernrohr direct unterscheiden können, so würde die Zahl der bekannten Toppclstcrne verhältnißmäßig gering sein, aber es giebt noch ein weiteres wichtigeres Mittel zu ihrer Entdeckung, nämlich das Spectroskop. Oftmals stehen die beiden Sonnen so nahe bei einander oder sie sind so weit von uns entfernt, daß sie selbst mit dem schärfsten Fernrohr als ein einziger Lichtpunkt erscheinen, wenn sie auch in Wirklichkeit noch Tansende und Abertausende von Kilometern von einander entfernt sein sollten. Wird nun ein einzelner Stern im Spectrum betrachtet, so löst sich sein Licht in ein schmales glänzendes Band von den Farben des Regenbogens auf, das von einer Zahl dunkler oder zuweilen auch Heller Linien durch quert wird. Ist der beobachtete Stern ein Doppel- stcrn, fo müßten zwei farbige Bänder erscheinen, die aber übereinander gelagert sind, sodaß sie nicht zu unterscheiden wären, wenn nicht jene dunklen bezw. Hellen Linien darin wären, die allbekannten Frauen- hofer'schen Linien. Diese Linien erscheinen aber im Spectrum eines Doppelsterns doppelt, und daran kann die Eigenart eines Himmelskörpers als Toppelstern auch dann noch erkannt werden, wenn das Fernrohr dem Auge nur einen einzigen Körper zeigt. Aber eine fast noch wichtigere Aufklärung leistet das Spectrum bezüglich der Doppelsterne. Die Linienpaare im Spectrum bleiben nämlich nicht stehen, sondern die Linien jedes Paares verändern ihren Abstand von einander. Dies ist eine Folge davon, daß eben auch die beiden Sonnen dieses Toppelsterns dauernd um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisen, und nach der Verschiebung der Doppellinien im Spectrum läßt sich auch die Ge schwindigkeit berechnen, mit der sich diese Sonnen in ihrer Bahn bewegen. Es giebt nun aber noch eine besondere Classe von Doppelsternen, die nur durch eine genaue Messung der Lichtstärke als solche erkannt werden können. Sie bestehen nämlich nicht aus zwei leuchten den Sonnen, sondern aus einem Hellen und einem dunkelen Körper, die aber ebenfalls durch das Gesetz der Massenanziehung aneinander gebunden sind. Für sie gilt als Muster der Stern Algol im Sternbild des Perseus, dessen Helligkeit ganz regelmäßig in folgender Weise wechselt: Gewöhnlich ist der Algol ein Stern zweiter Größe. Nachdem er diesen Helligkeitsgrad etwa 21/2 Tage beibehaltcn hat, nimmt sein Licht in der kurzen Zeit von etwa 4^ Stunden bis zur vierten Helligkeitsklasse d. h. um etwa 70 v. H. ab. Schon nach etwa 20 Minuten beginnt es wieder zu wachsen und hat in etwa 3^ Stunden seinen höchsten Grad wieder erreicht, den es nun wieder für 21/z Tage behält, um dann in gleicher Weise wieder zu wechseln. Dieses eigenthümliche Verhalten des Algol ist schon seit dem Jahre 1667 be kannt. Es wird durch die Annahme erklärt, daß ein großer dunkler Trabant sich um den leuchtenden Hauptstern herum bewegt und ihn in bestimmten Zeitabständen theil weise verdunkelt. Ter Helle Stern hat etwa 1^/z Millionen Kilometer im Durchmesser, der dunkle etwa 1^ Millionen; ihr gegenseitiger Abstand ist auf etwa 5 Millionen Kilometer berechnet worden. Jeder dieser Sternkörper hat also ungefähr die Größe unserer Sonne, aber die Masse zusammengenommen ist nur der Sonnenmasse. Diese Körper haben also eine weit ge ringere Dichte als Wasser, sie sind gleichsam zwei un geheure Wolken in Kugelform, die eine hell, die andere dunkel. Im Laufe der späteren Forschung sind viele solcher eigenthümlicher Doppelsterne entdeckt worden. Auch die anderen aus zwei Hellen Sonnen bestehenden Doppelsterne weisen zum Theil eine derartige periodische Lichtschwankung auf, aber der Lichtwechsel geht meist weniger rasch vor sich als bei den Toppelsternen vom Typus des Algol. Bei dem Stern Gamma im Stern bild der Jungfrau wechselt die Helligkeit regelmäßig in Zwischenräumen von 194 Jahren und überhaupt war, bis auf die allerjüngste Zeit kein Doppelstern dieser Art bekannt, dessen Lichtwechsel iu kürzerer Zeit als 11 Jahren vor sich geht. Erst ganz kürzlich hat Pro fessor Hussey an der Licksternwarte einen Toppelstern im Bilde des Pferdchens gefunden, dessen beide Körper sich in einer Zeit von 5^ Jahren miteinander be wegen. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß auch zwischen den Doppelsternen des Algollypus, deren Hellig keitsschwankungen in einem Jahr oder weniger erfolgen und den im Fernrohr als solchen sichtbaren Doppel sternen mit einem Lichtwechsel eines Dutzend bis zu mehreren Hundert Jahren ein Uebergang besteht. Ver- muthlich giebt es Doppelsterne aller Art, deren Sonnen theils in einem Tage, theils in einer langen Zeit bis zu mehreren Jahrhunderten umeinander kreisen. Erst kürzlich kam die Nachricht, daß eine internationale Ver- Vereinigung von Astronomen zur Erforschung der Doppelsterne geplant wird, und angesichts der hohen Bedeutung dieser eigenthümlichen Gebilde ist eine der artige Förderung ihrer Erforschung lebhaft zu wünschen. Vermischtes. Eine Erinnerung an Kaiser Wilhelm I. Es war vor über 30 Jahren in Paris. Unter den zur Be- setzung der Befestigungen und zur Uebergabe des Kriegs guts commandirten deutschen Soldaten befand sich ein Sergeant, ein tüchtiger Soldat und braver Mensch. Wie das so geht im Felde, er that des Guten bisweilen zuviel, vertrug wenig und war seiner nicht Herr; dazu kam, daß die Soldaten wegen des Abschlusses des« Waffenstillstandes in fröhlichster Stimmung waren. Jener Sergeant begann mit den französischen Soldaten zu schwatzen und sie zu hänseln. Sein Leutnant mahnte ihn erst leise, dann lauter; als der Sergeant darauf nicht achtete, wiederholte der Offizier das Verbot mit scharfen Worten. Ta verließ den Zurechtgewiesenen die Besinnung. Er erhebt sein Gewehr und pfeifend fliegt die Kugel dicht am Kopfe des Leutnants vorbei. Eine Zeit lang standen alle wie gelähmt, dann stürzten sich die Soldaten auf den Sergeanten und banden ihn. Tas Urtheil des Kriegsgerichts lautete auf Tod. Der Commandeur hätte die Strafe sofort vollziehen lassen können, doch erstattete er dem Kaiser Bericht und dieser befahl, den Strafvollzug auszusetzen. Wochen vergingen. Der greise Herrscher gewann es nicht über sich, das Urtheil zu bestätigen. Der erste Gnadenact, den er als Kaiser vollzog, war die Umwandlung der Todesstrafe in lebenslängliche Haft. Jahr auf Jahr folgte. Da heim in der Thüringischen Stadt E. saß die Braut deS Gefangenen, eine Lehrertochter. Sie blieb dem Ver lobten treu; alle Jahr zu Weihnachten nur durfte sie ihn sehen und trösten. Als 8 Jahre um waren, wagte sie es, um Gnade zu flehen. Tas Gesuch wurde abge lehnt . . . Wieder war es Weihnachten. Ein Jahrzehnt war dahingegangen. Da fand der Kaiser ein neues Gnadengesuch auf seinem Tische; was Liebe nur ersinnen kann, die alles glaubt, hofft und duldet, stand in dem Briefe. Da verfügte der greise Herrscher die Begna digung mit dem Schlußsatz: „Noch rechtzeitig zu Weih nachten zu entlassen, damit er Heiligabend bei seiner Braut sein kann." So geschah es. Beide sind ein glückliches Paar geworden; er ist ein tüchtiger Bahn- bcamter geworden. Sein einstiger Leutnant, der kürz lich als verabschiedeter Major starb, hatte ihm längst verzeihend die Hand gereicht. (Köln. Ztg.) Der neue Stern im Perseus zeigt seit einigen Tagen ganz überraschende, noch niemals an einem der früher erschienenen neuen Sterne beobachtete Verände rungen. Die „Vossische Zeitung" berichtet darüber: Zunächst ist festgestellt, daß der neue Stern am Abend des 19. Februar auch für die stärksten Fernrohre noch unsichtbar war; denn eine photographische Aufnahme auf der Harvard-Sternwarte in Cambridge (Amerika) von jener Gegend zeigt noch nicht die Spur eines Sternchens am Orte der Nova an jenem Abend. Zwei Tage später glänzte an der Stelle des Himmels plötz lich ein Stern dritter Größe, der aber seine Leuchtkraft in der kurzen Zeit um acht Größenklassen gesteigert hatte. Rasch nahm das Licht des neuen Sterns bis zum 23. Februar weiter zu, er erstrahlte als Stern erster Größe, dem Perseus-Sternbild ein ganz ver ändertes Aussehen gebend. Dann nahm die Lichtstärke der Nova wieder ab; am 27. Februar war sie nur noch zweiter Größe, Mitte März war sie auf die vierte Größe gesunken und schien so stetig zu den schwächeren Sternen herabzusteigen. Am 19. März erfolgte eine schnelle Abnahme der Lichtstärke des neuen Sterns, am folgenden Abend glänzte er wieder Heller und auch am 21. März, bis er am 22. wieder sehr matt erschien; er erreichte auch am 25. März nur ö^te Größe, wäh rend er dazwischen nahe um eine Größenklasse stärker geleuchtet hatte. Auffallend ist auch der überraschend starke Farbenwechsel des neuen Sterns. Am 23. Februar erschien die Nova noch in glänzend weißem Lichte; am 27. Februar war sie schon weißgelb; die Färbung trat dann immer mehr hervor, bis die Nova seit Mitte März in tiefrothem Lichte erglänzte. Gegenwärtig ist es noch möglich, den neuen Stern mit freiem Auge zu sehen, obschon der Mondschein und auch der tiefe Stand des Sterns bald nahe dem nördlichen Horizont die Auffälligkeit der seltenen Erscheinung stark beeinträchtigen. Vom Bismarck-Denkmal vor dem Reichstagshause in Berlin schreibt man: Die Hauptfigur zeigt Bismarck in Generalsuniform, das leicht erhobene Haupt, das den Helm trägt, nach rechts gewendet, während die ausgestreckte linke Hand den Säbel von der Hüfte ab stemmt. An der Vorder- und der Rückseite des Sockels sieht man je eine Symbolgestalt, vorn den Atlas mit der Weltkugel, hinten Jung-Siegfried. Für die Seiten figuren hat Prof. N. Begas weibliche Gestalten gewählt, links eine auf der Sphynx sitzende Sibylle mit ihrem Buch, in dem, wie in Bismarcks Kopf, die Geschichte vorher geschrieben war, ehe die Thatsachen sie machten; zur Rechten steht eine stolze Frau, mit dem Scepter be wehrt, aufrecht und ruhig da und tritt mit dem Fuß auf den bezwungenen Tiger. Oberhalb der Symbol figuren trägt der viereckige Sockel vorn und rückwärts Inschriften und zu beiden Seiten Relieftafeln. Nach unten gliedert sich der Sockel zur achteckigen Unterstufe, die nach vorn und rückwärts je drei Flächen freiläßt,