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strafe gewährleistet werden müsse. Wir müssen gestehen, daß wir uns nicht hätten darüber aufregen können, wenn man anarchistischen Mordbuben wie Caserio, Luccheni, Bresci und wie fetzt wieder Czolgosz einige Bekanntschaft mit der Knute hätte angedeihen lassen, ehe man sie einem schnellen und leichten Tode über» antwortete. Anarchisten der That gegenüber ist uns je des Abschreckungsmittel recht. Das Betriebsergebniß der preußischen Staats bahnen im Monat August d. I. ist folgendes: Aus dem Personenverkehr, der im August v. I. eine Einnahme von 39,776,000 M. gebracht, sind im August d. I. 150,000 M. weniger eingenommen. Diese Minder einnahme findet ihre Erklärung einerseits in dem Wegfall der Mehreinnahmen, welche die Pariser Weltausstellung im Vorjahre brachte, andererseits in einschneidenden Tarifmaßregeln (allgemeine Herabsetzung des Militärtarifs, verlängerte Giltigkeitsdauer der Rückfahrkarten). Wenn man erwägt, daß trotz dieser Maßregeln der Personen verkehr in den bisherigen fünf Monaten des Etatsjahres gegenüber dem Vorjahr eine Mehreinnahme von 1,133,000 M. gebracht hat, so ist der Schluß nicht unberechtigt, daß der Reiseverkehr von der augenblick lichen wirthschaftlichen Stockung bisher nicht berührt wird. Dagegen hat der Güterverkehr in den letzten fünf Monaten eine Mindereinnahme von 9,1 Mill, gebracht. Oesterreich-Ungarn. Für die österreichisch-ungarische Armee tritt nach Wiener Blättern im October eine neue Exerzirord- nung in Kraft. Ihr Hauptzweck ist, die Mannschaften zu guten Schützen auszubilden. „Kein Massendrill, sondern individuelle Erziehung" soll die Grundidee des neuen Reglements sein. Frankreich. Eine Milliarde Fr. beträgt die Anleihe, welche Rußland in Frankreich aufzunehmen beabsichtigt; diese Anleihe wird dem „Berl. N. N." zufolge jedoch kaum vor Jahresschluß auf den Markt gebracht werden. Es hält eben auch schon in Frankreich schwer, russische An leihen unterzubringen. Ein Wunder ist das nicht, wenn man deren Häufigkeit und hohen Beträge bedenkt. Auf die 700 Millionen- die Milliarde-Anleihe; es geht doch nichts über die Freundschaft und ein gutes Bündniß. Gegenüber Rußlands überlegener Diplomatie sind die Franzosen doch die naiven Kinder! Die von heftigem Nordsturm begleitete Meerfahrt der russischen Kaiseryacht „Standart" hatte bei dem Zaren paar doch eine der Seekrankheit verzweifelt ähnliche Erscheinung hervorgerufen, von der auch Präsident Loubet, der den kaiserlichen Herrschaften auf einem Torpedojäger entgcgengefahren war, nicht frei geblieben ist. In dem geschützten Hafen fuhr die „Standart" daher so langsam, daß die Landung mit L^stündiger Verspätung erfolgte; Kaiser und Kaiserin hatten sich soweit erholt, daß sie nach einer Rast von kaum einer Stunde zu dem Galafrühstück erscheinen konnten, das ihnen in dem Gebäude der Handelskammer zu Dün kirchen gegeben ward. Präsident Loubet hatte die An wandlungen der Seekrankheit mit fast übermenschlicher Energie zu überwinden vermocht und spielte seine Rolle als Repräsentant Frankreichs vor dem Zarenpaar mit solcher Würde und Grazie, daß vor der Freude über dieses kaum erwartete Resultat alle Gemüthsanfechtungen, zu denen das schlechte Wetter und die theilweise ganz unsinnig rigorosen Absperrungsmaßnahmen reichlich Ver anlassung gegeben hatten, schnell verschwanden. Bei dem Frühstück in Dünkirchen begrüßte Präsident Loubet das Zarenpaar in einer Ansprache, die selbstbewußt und Würdig war und namentlich betonte, daß der Zaren besuch der französischen Marine und dem französischen Heere gelte, welche beide den Gegenstand der unauf hörlichen Sorge Frankreichs bildeten. In seiner Ent gegnung gab der Zar sofort den stärksten Trumpf aus, den er in der Hand hielt, indem er feine Freude dar über äußerte, nach Frankreich zu der befreundeten und „Verbündeten" Nation gekommen zu sein. Wenn man bedenkt, wie viel Kunst und Kühnheit es zu einer früheren Zeit bedurfte, um das Wort Vonden „verbündeten Nationen" in die russisch-französischen Trinksprüche hineinzubringen, dann kann man sich nicht verhehlen, daß das Verhält- niß Frankreichs zu Rußland im Laufe der Jahre doch ein andres geworden ist. Von der Stadt Dünkirchen, die sich zu Ehren des hohen Besuches ein glänzendes Festkleid angelegt hatte, hat der Zar garnichts gesehen. Er bestieg mit der Kaiserin, dem Präsidenten Loubet und dem beiderseitigen Gefolge unmittelbar vor dem Portal der Handelskammer den Separatzug, der ihn gegen 8^/, Uhr, also auch wieder mit einer mehrstündigen Verspätung, nach Compihgne brachte, das einem Heer lager glich. Nichts wie Soldaten und Polizisten. Die Bevölkerung und die zugeströmten Fremden sahen von dem Einzug des Kaiserpaares gar nichts. Ter Bürger meister von Compiegne begrüßte am Stadtthor ehr furchtsvoll das Kaiserpaar und überreichte der Kaiserin einen Strauß Heidekraut in schwerer silberner Vase, in dem er erwähnte, daß das Heidekraut die Lieblings blume der hohen Frau sei. Der Bürgermeister, ein er klärter Burenfreund, hätte gern in seiner Ansprache eine Anspielung auf den Transvaalkrieg und des Haager Schiedsgericht gemacht. Das war ihm aber regierungs seitig verboten worden, worüber weite Kreise Frankreichs mit Recht ungehalten sind. Im Compiegner Schlosse empfingen die Damen des Präsidenten Loubet und der Minister Waldeck-Rousseau und Delcasse das Zaren paar. Nach einem überaus glänzenden Diner zog sich das Kaiserpaar zurück und der Zar suchte in dem historischen Bette Napoleons III. Stärkung von den überstandenen und bevorstehenden Strapazen. Am nächsten Tage in aller Frühe ging es zu den Manövern nach Reims. Das Wetter war etwas freundlicher ge worden, fo daß die Fahrt nach Reims und in da- Manövergelände sich recht prächtig gestaltete und namentlich dem Präsidenten Loubet Gelegenheit bot, seine Repräsentationskünste vor einem größeren Publikum glänzen zu lassen. Man hätte es dem Herrn Loubet, der sich bei seiner Mutter auf dem schlichten Bauernhöfe am allerwohlsten fühlt, wirklich nicht zugetraut, wie ge wandt und sicher er die Pflichten seines Berufes als Vertreter Frankreichs ausübt. Nach Inständiger Eisen bahnfahrt gelangten die hohen Herrschaften zu dem unweit Reims eigens zu diesem Behufe errichteten Bahnhof Fresnois. Als der Zug hielt, geleitete Präsi dent Loubet die Kaiserin nach dem Ehrenpavillon, in dem eine Ehrendame die hohe Frau erwartete, um mit ihr die Fahrt in das Manövergelände anzutrcten. Dann geleitete Präsident Loubet den Zaren zu einem Gala wagen, in dem die beiden Staatsoberhäupter der Kaiserin folgten. Die Fahrt ging nach dem Fort Vitry-les-Reims zur Besichtigung der Schlußübungen der großen Manöver. Da die Truppen des Ost departements, die dem Zaren vorgeführt wurden, die der Westlichen Departements bei Weitem übertreffen, so erhielt der Zar einen recht günstigen Eindruck von den Manövern, die vielleicht noch glänzender ausgefallen wären, wenn nicht der unaufhörliche Regen, gerade wie bei uns, das Gelände vollständig aufgeweicht hätte. Nach Abwickelung des militärischen Schauspieles begaben sich die Herrschaften nach Reims, woselbst zunächst der alte ehrwürdige Dom in Augenschein genommen ward, in dem die französischen Könige gekrönt wurden. Schon mehrere Tage vorher waren alle Glöckner, welche die Kirchenglocken zu läuten hatten, photographirt worden, so daß es keinem Fremden möglich war, in die Glockenstuben zu dringen. Das Innere des Domes ist während der ganzen Woche Tag und Nacht von Schutzleuten und Geheimpolizisten bewacht worden, so daß das Gotteshaus Tage lang einer Festung ähnlicher sah als einer Kirche. An den Besuch der Kirche chloß sich daS Paradediner, der Glanzpunkt der Zaren- cste, die im Gegensätze zu denen vor 5 Jahren schon -adurch stehen, daß die Begeisterung keine allgemeine, der Zar für das Volk unsichtbar ist und die Milliarden anleihe ihre düsteren Schatten vorauswirft. Asten. Ter Gouverneur von Schantung hat Londoner Drahtungen zufolge die Zurückziehung aller außerhalb der Grenzen der Colonie Kiautschau befindlichen deutschen, Truppen gefordert. Da es sich bei dieser Angabe nur um die deutschen Truppen in Schanghai handelt, die den Chinesen keineswegs, wohl aber den Engländern beschwerlich sind, so hat es mit der vor- tehenden Londoner Meldung wohl wenig auf sich. Deutschland thut in China, was seine Interessen heischen und nicht mehr, aber auch nicht weniger, ungeachtet der Stimmung, die seine Maßnahmen bei England erwecken. Afrika. Der erste ernstlichere Zusammenstoß zwischen Buren und Engländern nach der Proclamation des Lord Kitchener hat mit einem Erfolge der Buren geendet, die eine Anzahl englischer Soldaten, welche eine Farm zu zerstören versuchten, niederschossen oder gefangen nahmen. Das ist eine recht erfreuliche Antwort auf die Kitchenersche Proclamation und hoffentlich sind die olgenden nicht schlechter. General Botha hat den geplanten Einfall in die englische Colonie Natal bereits begonnen und da mit ungeheuren Schrecken über die ganze Einwohner- chaft gebracht. Der Gouverneur der Colonie hat die ofortige Einstellung von Freiwilligen und die Mobili- irung der Colonialarmee angeordnet, da Lord Kitchener außer Stande ist, von seinen Truppen ausreichende Streitkräfte in die bedrohte Colonie zu entsenden. All gemein verbreitet ist der Glaube, daß die Buren in Natal dieselben Erfolge erzielen werden, deren sie sich in der Kapcolonie rühmen können. Lord Kitchener berichtet aus Pretoria unter dem 19. September: Drei Compagnien berittene Infanterie mit 3 Geschützen unter Major Gough, welche südlich von Utrecht recognoscirten, gewahrten von Jagersdrift aus etwa 300 Buren, welche absattelten. Sie eilten ofort nach einem Höhenzuge, der die feindliche Stellung iberragte. Die Burenbewegung erwies sich als eine Falle. Major Gough wurde plötzlich in der Front und in der rechten Flanke von einer beträchtlichen Burenabtheilung in Gefechtsstellung angegriffen. Die britischen Truppen wurden nach heftigem Gefecht überwältigt, sie verloren die Geschütze. 2 Offiziere und 14 Mann waren todt, 5 Offiziere und 25 Mann verwundet. Major Gough und ein anderer Offizier entkamen unter dem Schutze der Nacht nach Jagersdrift. Es heißt, die Buren unter Botha seien 1000 Mann stark. Ich bin im Begriff, General Littleton Ver stärkungen zu schicken. Amerika. Ueber die Todesursache des Präsidenten Mae Kinley sind neuerdings ganz geheimnißvoll klingende Gerüchte im Umlauf. Ursprünglich sollte den Bewohnern Cantons die Leiche noch gezeigt werden, man hatte da von jedoch Abstand genommen, da sie bereits stark ver fallen war. Bezüglich des Gerüchts, ein Unbekannter hätte sich an die staatlichen Chemiker und Bacteriologen gewendet, um die Wundbrandgewebe der Leiche Mac Kinleys und die Pulverreste in Czolgolz Revolver zu analysiren, wird dem „B. T." jetzt aus Buffalo gemel det, daß die Obduction der Leiche unvollständig ge blieben und nach einer gewissen Entdeckung, die man geheim halte, abgebrochen worden sei. Sollte eine Un achtsamkeit der Aerzte vorliegen, vielleicht ein Schwamm oder sonst dergleichen in der Wunde zurückgeblieben sein und den Tod herbeigeführt haben? Jedenfalls wird die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten nicht eher befriedigt werden, ehe nicht ein ganz authen tischer Bericht über die Todesursache veröffentlicht wor den ist. Mittels Kinematograph waren von dem letzten Be suche Mac Kinleys in der Ausstellung Aufnahmen ge macht worden, die das Bild des Mörders Czolgocz sehr deutlich erkennen lassen und seine Annäherung an den Präsidenten anschaulich darstellen. Man sieht, wie der Mörder die vor ihm stehenden Personen bei Seite schiebt und sich hcrvordrängt, die finstere Ent schlossenheit seiner Züge ist deutlich wahrnehmbar. Man hofft, durch das Bild etwaige Complicen des Mörders ausfindig mache» zu können. Aus dem Mnldenthale. ^Waldenburg, 20. September. Tie 130. Ziehungs liste der Königlichen Landrentenbank (September 1901) ist erschienen und in unserer Expedition einzusehen. *— Tie „Dresdn. Nachr." schreiben: Unsere Mit- theilung über die Steuerreform wird in verschiedenen Blättern seltsamer Weise gedeutet, daß der Grundbesitz von der Vermögenssteuer künftig befreit sein soll. Um allen Mißverständnissen vorzubeugen, sei nach unseren In formationen hierzu erklärt, daß immobiler und mobiler Besitz unter eventuellem Wegfall der Grundsteuer von der Vermögenssteuer gleichmäßig betroffen werden sollen. *— Die sächsische Staatseisenbahnverwaltung hat im Iahe 1900 auf Grund des Haftpflichtgesetzeö zu Schaden gekommenen Personen insgesammt 84,219 Mk. als ein malige Abfindung (gegen 101,223 Mk. im Vorjahre) und 136,585 Mk. (gegen 126,879 Mk. im Vorjahre) als fortlaufende Entschädigungen geleistet. — Wieder hat der Tod einen der geachtetsten Mit bürger in Glauchau aus der Reihe der Lebenden ge rissen. Im Alter von 58 Jahren entschlief am Diens tag der frühere Mitinhaber der angesehenen Exportfirma G. Wilhelm, Herr Leopold Germann. — Eine große Roheit beging am vorigen Sonn abend Abend ein 17 Jahre alter Handarbeiter aus Oberschlema in der Otto'schen Schankwirthschaft da- elbst. In derselben erschienen vier junge Burschen, ießen sich ein Glas Bier geben und tranken es in der Hausflur aus. Darnach warfen sie das leere Glas hin und kollerten es in der Hausflur umher. Der Wirth, welcher die Burschen deshalb zur Rede setzte, wurde jierbei von dem einen gepackt, emporgehoben und mit olcher Gewalt zu Boden geworfen, daß er einen Bruch -es linken Unterschenkels erlitt. Der rohe Bursche wurde am nächsten Tage verhaftet. Aus dem Sachseulaude. — Tie vorläufig festgestellten Einnahmen der Sächsi- chen Staatseinnahmen im Monat August 1901 be tragen 12,025,011 Mk. (— 946,925 Mk.), wovon 4,226,700 Mk. (- 101,047 Mk.) auf den Personen- verkehr, 6,506,920 Mk. (— 730,770 Mk.) auf den Güterverkehr entfallen; aus sonstigen Quellen stammen 1,291,391 Mk. (— 115,108 Mk.). Die Gesammt- einnahmen vom 1. Januar bis 31. August d. I. be tragen 87,250,602 Mk. (— 3,650,677 Mk.) Hierzu trugen der Personenverkehr 27,557,962 Mk. (— 203,700 Mk.), der Güterverkehr 49,040,516 Mk. (—2,781,109 Mk.), sonstige Quellen 10,652,124 M.k (— 665,868 Mark) bei. — Den Verlust, den der Sächsische Staatsfiscus aus dem Darlehn der Lotterie-Darlehnskasse von 10 Millionen Mark gegen Pfandwechsel an die im Concurse befind liche Leipziger Bank erleidet, wird auf über 5 Millionen Mark geschätzt. — Die Einfuhr böhmischer Braunkohle nach Sachsen hat sich in den letzten Tagen wesentlich erhöht. So gehen über Bodenbach uud Tetschen jetzt täglich gegen 50 Eisenbahnwagen mehr mit Kohlen beladen in Sachsen ein als bisher. — Die Steinsetzer in Leipzig nahmen gegen einen ihrer Collegen Stellung, der wegen seines hohen Alters unter dem Tarife arbeitet; er soll von seinem Arbeit-