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dessen Fremdenfreundlichkeit bekannt ist, war auch Frie densbevollmächtigter neben Lihungtschang. Zur Feier der Unterzeichnung des Schlußprotokolls gab der deutsche Gesandte Frhr. Mumm v. Schwarzenstein seinen diplo matischen Collegen ein Mahl, das zugleich als Abschieds fest für die China verlassenden Gesandten Amerikas, Italiens und Rußlands bestimmt war. Die Festungs werke des Gesandlschaftsviertels 'sind vollendet. Im Norden und Osten sind Gräben gezogen und im Norden und Westen Minen gelegt worden, während die Stadt- mauer den Süden vertheidigt. Die Deutschen bauen ein Wachthaus oben auf der Mauer. In der Gegend von Paotingfu machen sich noch immer Boxer bemerkbar. Die Regierung sucht sie dadurch zur Ruhe zu bringen, daß sie 40 Mark für jedes ausgelieferte Gewehr an bietet und seinem Besitzer Straflosigkeit zusichert. Afrika. Lord Kitchener läßt endlich einmal wieder etwas von sich hören. Er meldet, daß die Truppen des! Generals Benzon in der Nähe der Delagoabai auO Widerstand Seitens der Buren stießen. Die andern englischen Befehlshaber, welche nach dem Norden ziehen, fanden keine Gelegenheit, sich mit den Buren zu schlagen. Tie Burencommandos unter Delarey und Kemp, die' westlich von Rustcnburg stehen, zerstreuten sich bei dem! Herannahen der Engländer, ohne einen Kampf anzu-! nehmen. Die Colonne Methuen und andere Abthei- lungen zogen nach Norden weiter. Unterdessen bleibt! die Lage in der Kapcolonie, wo sich die holländischen! Kapcolonisten immer zahlreicher den Buren anschließen, ! bedenklich. Wenn Lord Kitchener selbst ein derartiges Eingeständniß nicht unterdrücken kann, dann kann man sich einen Begriff von der Lage im Kaplande machen. Es fehlt nun bloß, daß die Buren auch in Natal die selbe Rolle übernehmen, die sie im Kaplande ausüben, dann mag Lord Kitchener zusehen, wie er die Ver pflegung seiner hunderttausend Soldaten ermöglicht. Transvaal und der Oranjefreistaat sind ausgesogen, die blühenden Farmen verheert. Die Buren aber finden in den englischen Colonien, die von der Kriegsfurie noch fast unberührt geblieben sind, reichlich Lebensmittel. Es kann daher kaum noch zweifelhaft sein, daß der südafrikanische Krieg für die Engländer einmal ein schreckliches Ende nimmt. Lord Methuen will eine Abtheilung des Burengenerals Delarey überrumpelt und 45 Buren gefangen genommen haben. 6 Buren seien gefallen. Amerika. So glatt, wie es die ärztlichen Krankenberichte bisher behaupteten, vollzieht sich der Genesungsprozeß beim Präsidenten Mac Kinley doch nicht. Es hat sich viel mehr ein kleiner Entzündungsherd gebildet, der die Auf trennung einer der Nähte erforderlich machte, die an der Wunde vorgenommen worden waren. In dem ärztlichen Bericht heißt es über diesen Zwischenfall: Als am Freitag nach dem Anschlag die Operation aus geführt wurde, bemerkte man, daß die Kugel ein Stückchen von dem Rock des Präsidenten mit sich gerissen hatte, welches gleich unter der Haut in der Schußöffnung saß. Es wurde zwar sofort entfernt, trotzdem wurde durch diesen Fremdkörper eine leichte Entzündung der Gewebe verursacht, wie sich erst Dienstag Abend zeigte. Es wurde infolge dieser unbedeutenden Störung nothwendig, einige Stiche der Wundnaht zu entfernen und die Haut über der Wunde theilweise zu öffnen. Durch diese Trennung der 'oberen Wundränder, die keinerlei weitere Complicationen nach sich ziehen kann, wird der Heilungs prozeß etwas verzögert. Man ersieht aus der Vorsicht, mit der die Wahl jedes einzelnen Wortes dieses Berichts getroffen worden ist, wie sehr die Aerzte bemüht sind, die Lage ihres Patienten möglichst günstig darzustellen. Man merkt diese Absicht aber zu sehr, so daß die Be richte vielfach das Gegentheil von dem erreichen, was sie bezwecken. Es heißt auch, der Präsident sei jetzt stark genug, um mit der Aufnahme von Nahrung durch den Mund beginnen zu können; er erhält reinen Fleisch saft. Dieses Bulletin wurde nach Inständiger Be- rathung der Aerzte herausgegeben. Die lange Dauer der Brrathung hatte in Buffalo lebhafte Besorgnisse erweckt, die durch den Inhalt des Bulletins noch ge steigert wurden. Da aber der Vizepräsident Roosevelt Buffalo verließ und auch der erste Arzt des Präsidenten nur in Buffalo zurückgeblieben war, weil er den Zug Versäumt hatte (!), so griff bald wieder eine allgemeine Beruhigung Platz. Ter Gouverneur von New-Uersey wurde angeblich von drei europäischen Monarchen ersucht, anarchistische Verschwörungen, die in seinem Staate gegen euro päische Monarchen geschmiedet würden, zum Gegenstände einer Untersuchung zu machen, da angeblich bestimmte Anhaltspunkte für den Bestand solcher Verschwörung vorhanden sein. Daß es sich auch bei dem Anschlag gegen Mac Kinley um ein Complott gehandelt hat, beweist oer Umstand, daß ein Anarchist Namens Stone der Beihilfe an dem Attentat Aberführt und verhaftet wurde. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 12. September. Der Gutsbesitzer Herr Gottfried Erdmann Schumann in Oberwiera ist als Gerichtsschöppe für diesen Ort am 7. d. in Pflicht genommen worden. *— Die jüngsten Aeußerungen des „Vaterland" über die in Sachsen beabsichtigte Steuerreform sind, wie uns mitgetheilt wird, nicht dahin zu deuten, daß von einer Vermögenssteuer vollständig abgesehen werden soll, son dern die Vorschläge, über welche eine Einigung erzielt worden ist, gehen dahin, unter Freilassung der kleineren Vermögen von den höheren Vermögensklassen eine gleich mäßige Steuer von sechs Zehntel Procent zu erheben, die weiter erforderlichen Mittel aber durch eine Steigerung der Progression in den höheren und höchsten Einkommen steuerklassen zu beschaffen. Gegenwärtig beträgt die Einkommensteuer bei allen Einkommen über 10,000 Mk. bis zu 100,000 Mk. 3 Procent mit Progression bis zu 3,95 Procent, bei den Einkommen über 100,000 Mk. 4 Procent ohne weitere Steigerung. Altstadtwaldenburg, 12. September. Auf den vom hiesigen König!. Sächs. Militärverein aus Anlaß seines 25jährigen Fahnenjubiläums am vorigen Sonntag an Quelle gemeldet wird, sich dahin ausgesprochen haben, daß der Kanal im kommenden Winter ganz entschieden bewilligt werden müsse. Im Zusammenhang mit der Bemerkung über den Kanal soll der Monarch geäußert haben: Der Minimaltarif ist Unsinn, Bülow ist übrigens derselben Meinung. Wir betonen, daß die „Franks. Ztg." diese Aussprüche als thatsächlich ge fallen bezeichnet; es ist daher wohl eine amtliche Gegen äußerung zu erwarten. Ehe diese erfolgt ist, läßt sich über die Angaben des Frankfurter Blattes nichts Be stimmtes sagen; sie können wahr sein, können aber auch eben so gut erfunden sein. Der Allgemeine deutsche Jnnungstag in Gotha nahm nach einem Referat des Obermeisters der Ham burger Bäckerinnung Blinkmann über die Frage des Maximalarbeitstages im Bäckereigewerbe eine Resolution an, die sich entschieden gegen die bezügliche Verordnung des BundesratHS wendet, durch welche das gute Ver- hältniß zwischen Meister und Gesellen gestört und der Kleinbetrieb vernichtet werde. Desgleichen beschloß der Jnnungstag die Einrichtung von Arbeitgeber-Schutz- Verbänden. In Dar-es-Salaam in Deutsch-Ostafrika sank in folge eines Fehlers an der Pumpmaschine das ganze neue Schwimmdock auf den Grund des Hafens. Zu retten war nach einer Mittheilung an die „Köln. Volksztg." nichts mehr. Das Dock soll bis jetzt */z Mill. Mk. gekostet haben. Es sollte in einigen Tagen erst von dem Gouvernement übernommen werden, so daß den ganzen Schaden die Erbauer (Howalds-Wcrke in Kiel) zu tragen haben. Frankreich. Der Zar kommt bestimmt nach Paris, heißt es gegenwärtig in den Organen der Seine-Stadt. Er kommt am 20. d. mittags und bleibt bis gegen 5 Uhr nachmittags. Als Geschenk sind ihm vier prachtvolle Gobelins bestimmt, die die vier Jahreszeiten darstellen. Holland. „Kauft keine englischen Waaren!" Unter diesem Schlachtruf beginnt sich in den Niederlanden ein Krieg im Frieden gegen England zu entwickeln. Auch in Frankreich greift diese Bewegung Platz. Tort werden in Handelskreisen gedruckte Formulare verbreitet, die unter Hinweis auf das „elende Benehmen der Eng länder gegen die Buren" und unter der Begründung, „daß es Pflicht ebenso wie wohlverstandenes Interesse für alle anständigen Menschen ist, sich gegenseitig zu unterstützen," die Lieferanten ersuchen, keine einzige Waare englischen Ursprungs zu liefern. Asten. In Peking ist die Wiederherstellung der alten Zustände nunmehr vollendet. Der Ausnahmezustand, der im Verkehr der Gesandten mit dem amtlichen China seit dem AuSbruch der Wirren bestand, hat nun seinen Abschluß gefunden. Wie der „Voss. Ztg." gemeldet wird, haben die chinesischen Bevollmächtigten ihre Thätig- keit eingestellt, und die Gesandten werden von nun ab mit dem neuen Ministerium oes Auswärtigen verkehren, das an die Stelle des Tsungli-Iamen getreten ist, und dem Prinz Tsching als Leiter angehört. Prinz Tsching, Unterhaltungstheil. Im Berghause. Novelle von Bertha v. Suttner. 5) (Fortsetzung.) Und eigentlich, gar angenehm war es ihm nicht, statt einer gewöhnlichen Dienerin, der er ungenirt Befehle ertheilen könnte, jetzt eine Dame in seinem Hause zu haben, der er mit allerlei Rücksichten werde begegnen müssen. Um Gesellschaft und Umgang mit Damen war es ihm nicht zu thun; im Gegentheil, solchem Umgang auszuweichen, hatte er sich in die Einsamkeit zurückge zogen. Nicht, daß ihm das Gesellschaftsleben verhaßt gewesen wäre — nur langweilig und inhaltslos war es ihm. Seit dem Verlust jener Frau, die er geliebt, hatte sein Herz nicht mehr gesprochen, und für das sogenannte Hofmachen hatte er niemals Sinn. Nun, zum Glück war Frau Müller wenigstens durch ihr weißes Haar vor der etwaigen Erwartung gefeit, in ihm einen Cour macher zu finden. Das Gespräch mit Frau Müller war in- Stocken gerathen, da Bolton seinen Gedanken nachhing. End lich zwang er sich, die unterbrochene Unterhaltung in Gang zu bringen. „Wenn Ihnen die Zeit laug werden sollte," begann er wieder, „so stehen Ihnen meine Zeitungen, meine Bücher zur Verfügung — ich selber bin nur ein schlechter Gesellschafter . . . ." „Besten Dank, Herr von Bolton — ich fürchte die Langeweile nicht. ... Es wird mir an Beschäftigung nicht fehlen. Wenn Ihr Haushalt auch kein großer ist — um ihn in Ordnung zu halten, giebt es genug zu thun." Sie stand wieder auf: „Und wenn Sie jetzt keine weiteren Befehle — oder vielleicht ziehen Sie vor, wenn ich sage: Wünsche — haben, so will ich an meine, Geschäfte gehen. ... Ich sehe, daß Sie Ihre Morgen-! post noch nicht ausgelesen haben, und da wäre es Ihnen wohl ungelegen, jetzt die Jnventariums-Uebergabe . . ." „Ja so, das hätte ich beinahe vergessen .... Das muß allerdings erledigt werden — ich muß Ihnen mein ganzes Haus zeigen und mein bewegliches Hab und Gut Ihrer Obhut anvertrauen. Also kommen Sie." Eine Stunde verging mit dem Auf- und Niedersteizen im ganzen Hause, mit dem Uebergeben der Schränke und ihres Inhaltes. Besonder» Nachdruck legte Bolton darauf, daß die Gastzimmer — er hatte deren drei — stets bereit gehalten seien, falls unerwarteter Besuch käme, und daß den Gästen dann alle möglichen Be quemlichkeiten . . . „Seien Sie beruhigt," unterbrach Frau Müller; „so bald Sie einen Freund beherbergen, soll er in seinem Zimmer alles in schönster Ordnung finden: Blumen in den Vasen, Schreibrequisiten auf dem Arbeitstisch, lavendelduftende Bettwäsche, tub und warmes Wasser zum Toilettenmachen, Nachmittag seinen Thee. . ." „Wie Sie Vas alles verstehen — es ist ein Ver gnügen! — Hoffentlich ist in Ihrem Zimmer alles nach Ihren Bedürfnissen?" Frau Müller lächelte: „Je nun, ich weiß meine Bedürfnisse auch einzu schränken. Eines wollte ich mir allerdings erbitten wenn es sich thun läßt: die Benützung des an mein Zimmer anstoßenden Gelasses, welches jetzt als Wäsche kammer dient, und welches ich gern zu meinem Toilette kabinett machen wollte." „O gewiß, gewiß . .. versteht sich." Balton hätte es bei näherer Betrachtung dieser Frau ganz begreiflich gefunden, daß sie eines Ankleidezimmers mit Marmor tischen und Stehspiegel, mit Parzellanwanne und Silber- tiolette sich gern bedient hätte: alles an ihrer Person, von den schmalen, ausgeschnittenen Schuhen bis zu dem Spitzengesteck auf ihrem Kopfe, war von so tadelloser Nettigkeit, und ein eigener, wenn auch nur ganz leiser Duft von Jrispulver — wie er die Spur eleganter Frauen zu begleiten pflegt — entströmte ihren Gewändern. Nachdem der Rundgang beendet war, kehrte Bolton in sein Zimmer zurück, und an diesem Tage sah er die neue Haushälterin nicht wieder. Den Tisch seines ein samen Hauptmahles, das er um ^7 Uhr einahm, fand er in auserlesener Weise gedeckt und geschmückt. Die Speisen, von seiner Köchin zubereitet, waren wie ge wöhnlich, aber anders war die Art ihrer Anrichtung: dabei hatte offenbar eine fremde Anordnung gewaltet, und auf einer kleinen, goldumrandeten Karte stand in zierlicher Schrift: „LIsnu 6u 26. nmi" — darunter in correctem Französisch die Namen der aufgetragenen Gerichte. Bolton mußte lächeln. „Die versteht's!" sagte er sich. „Die macht aus meinem Hause noch ein kleines Windsor." , * . * ' ! In derselben Nacht verfolgten Frau Müllers schwarze Augen Herrn von Bolton im Tranme. Und weil in diesem Traume das Bild einer andern Frau aufgetaucht war, welche ebensolche Augen besaß, so wußte der Er wachende nunmehr, woran er am vorigen Tage ver gebens sich zu erinnern gesucht hatte: mit wem Frau Müller Aehnlichkeit besaß. Vor zwei oder drei Jahren war's, daß er in Wien auf einem Balle einer fremdländischen Dame vorgestellt wurde — ihres Namens konnte er sich nicht entsinnen — deren schwarze Augen und — schwarze Perlen ihm zugleich ausgefallen waren. DaS Augenpaar deutete auf feurigen Sinn, die fünf Reihen großer, schwarzer Perlen deuteten auf Reichthum. Die Bekanntschaft war eine flüchtige geblieben. Kaum daß Bolton sich erinnern konnte, ob er die Dame noch einmal nach dem Balle gesehen. . . Was war sie doch nur? . . Eine rumä nische oder serbische Edelfrau oder so etwas — wahr lich, es war ihm entfallen. Hatte er ihr nicht doch auch ein paar Besuche abgestattet? UKortsetzung folgt.)