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Volkes in die Hände des barmherzigen und gerechten Gottes und wir bitten unsere Gemeinden, die nothleiden den Familien des Burenvolkes auch ferner thatkräftig zu unterstützen. (Bravo!) Beim Staatssekretär des Auswärtigen Amtes in Berlin, Frhrn. v. Richthofen, fand am Montag ein Herrenabend statt, an welchem Prinz Tschung, die Geschäftsträger von Bayern, Sachsen, Württemberg u. A. theilnahmen. Am Dienstag nahm der Prinz das Berliner Rathhaus in Augenschein. Das Berliner Anarchisten-Organ „Neues Leben", das von dem Attentat in Buffalo noch schweigt, schreibt unter der Aufschrift: „Achtung! Genossen!: Wir legen allen Genossen, besonders den jüngeren und un erfahrenen ans Herz, empfangene Briefe sofort nach be endeter Lectüre zu vernichten, solche Schriftstücke aber, deren Erledigung nicht sogleich vorgenommen werden kann, recht sorgfältig zu verwahren, und alle com- promittirenden Personen- und Ortsnamen u. s. w. sogleich aus demselben zu entfernen." Diese Anweisung genügt, um auch den Blinden zu überzeugen, daß die Anarchisten Berlins Pläne schmieden und Thaten vorbereiten, die staatsgcfährlicy sind und daher aufs strengste geheim gehalten werden müssen. Dieser unheilvollen Gesellschaft das Handwerk gründlich zu legen, muß daher die unausgesetzte Sorge der Polizei sein. Der deutschen Schantung-Eisenbahngesellschaft ist die Nachricht zugegangen, daß die Eröffnung der 26 Klm. langen Theilstrecke Kiautschau-Kaumi am 8. September erfolgt ist. Es sind damit 100 Km. der ersten deutschen Eisenbahn in China vollendet. Die Arbeiten auf der weiteren Strecke schreiten so rüstig vorwärts, daß die Tirection hofft, zu Anfang 1902 die Bahn bis an die großen Flüsse Weiho und Mnho und im Mai n. I. bis nach Weihsien eröffnen zu können. In dieser Stadt laufen die großen, den nördlichen Theil der Provinz Schantung durchziehenden Straßen zusammen; 10 Km. südlich von Weigsien wird das erste bedeutende ! Kohlenfeld durchfahren, von wo aus also Mitte des! nächsten Jahres die erste Schantungkohle in Tsingtau! (Kiautschau) eintreffen kann. Frankreich. Auf den Besuch des Zaren in Paris haben die! Franzosen verzichtet; sie sahen selbst ein, daß nach dem Schreckensereigniß in Buffalo darauf nicht mehr zu rechnen ist. Das ist unangenehm; aber wahr. Ebenso unangenehm ist es den Franzosen, die über alle Einzel heiten des Zarenbesuches gern unterrichtet wären, um sich der ihnen bevorstehenden Ehren vor aller Welt rühmen zu können, daß der Kaiser Nikolaus ihren Wünschen nach dieser Richtung hin schlechterdings gar- nicht entgegenkommt. Der Zar sprach vielmehr persön lich die dringende Bitte aus, ihm keine weiteren Ein ladungen zu unterbreiten, da eine eventuelle Erweite rung des gegenwärtigen Programms schon keineswegs jetzt, sondern besten Falles erst nach seiner Ankunft in Dünkirchen erfolgen könnte. Türkei. Nach Meldungen aus Konstantinopel hat sich der ! Vizeadmiral Taik-Pascha nach Malta geflüchtet. Wie versichert wird, hatte er dem Sultan einen Bericht über den schlechten Zustand der türkischen Flotte über reicht. (Ja, lieber Freund, das ist gefährlich!) Afrika. Vom Kriegschauplatze liegen neuere Nachrichten von Belang nicht vor; Lord Kitchener begnügt sich damit, alte Siegesnachrichten aufzufrischen. Wenn die Eng länder schweigen, siegen die Buren, lautet eine Erfahrungsthatsache aus diesem Kriege. Hoffentlich er fahren wir recht bald von entscheidenden Burenerfolgen. Amerika. Präsident Mac Kinley hat bereits nach Zeitungen verlangt; seine geistige Regsamkeit ist bereits eine so starke, daß er sich mit politischen Plänen für die Zu kunft beschäftigt und nur schwer daran zu hindern ist, mit seiner Umgebung über die ihn beschäftigenden Ge danken Gespräche anzufangen. Ter Präsident muß sich aber noch mehrere Tage ganz ruhig Verhalten, wenn seine schweren Wunden heilen und Complicationen ver hütet werden sollen. Denn wenn nun allmählich auch die Hoffnung eine festere wird, daß es der Kunst der! Aerzte gelingen werde, den Kranken am Leben zu er- - halten, so darf man doch nicht vergessen, daß die Ge- fahr einer ernsten Verschlimmerung seines Zustandes nach immer eine große bleibt. Die polizeilichen Ermittelungen nach Mitschuldigen des Attentäters Czolgosz haben bisher ein belang reiches Resultat nicht gehabt. Unter den 100,000 Anarchisten, die sich in den Vereinigten Staaten auf halten, die Mitschuldigen herauszufinden, ist allerdings auch eine Sisyphus-Arbeit. In Santa Rita wurde ein Anarchist Namens Antonio Moggo verhaftet, der vor dem Attentat erklärt hatte, Mac Kinley würde noch vor dem 1. October ermordet werden. Hoffentlich führt diese Verhaftung zur Aufdeckung des Lomplotts, daS gegen den Präsidenten geschmiedet war. Tenn daß! es sich um ein solches handelt, und nicht um die spon-! tane That eines einzelnen Verbrechers, das kann doch trotz des fortgesetzten Leugnens des Mörders keinen Augenblick bezweifelt werden. Von privater Seite wird denn auch mitgetheilt, daß die Polizei die Spuren eines Complotts in Cincinnati entdeckt habe. Es war da-- nach beabsichtigt, den Präsidenten Mac Kinley im Lager von Cleveland zu ermorden. Ter jetzige Attentäter war! mit der Ausführung des Mordes beauftragt worden, hatte sich jedoch geweigert, den Auftrag auszuführen,! weil er in der Nähe des Lagers wohnte. Es wurden in Cincinnati drei angeblich an der Verschwörung be- theiligte Anarchisten verhaftet, ebenso viele in Cleve land. Bewiesen ist den Verhafteten jedoch noch nichts. Es steht auch nicht fest, ob die Vermuthung deS Chefs der Geheimpolizei zutrifft, daß die Verschwörung zur Ermordung des Präsidenten schon vor einem Jahre in Europa entstanden sei, als König Humbert ermordet! wurde. Es verlautet zwar, daß Czolgocz seit dieser! Zeit mit Geld versehen worden sei, um sich für sein! Verbrechen vorzubereiten, es ist darüber Authentisches jedoch nicht festgestellt. Aus dem Mnldenthale. *Waldeub«rg, 11. September. Zu unseren gestrigen Notiz über Zugsveränderungen auf der Muldenthalbahn wird uns heute ergänzend mitgetheilt, daß an Stelle des am Nachmittage wegfallenden Zuges von Rochlitz nach Glauchau, welcher 2 Uhr 35 Minuten die hiesige Station passirt, ein von Penig abgehender Zug eingelegt werden wird, welcher um dieselbe Zeit Waldenburg berührt. Es tritt demnach nur insofern eine Veränderung ein, als der ^11 Uhr-Zug um mehr als eine Stunde früher nach Glauchau verkehrt und dort verschiedene Anschlüsse schafft, die seit Jahren schon angestrebt worden sind. Die Veränderung kann demnach nur mit großem Tanke begrüßt werden. *— Am vorigen Montag Abend wurde im Nieder waldenburger Forstrevier (Flur Eichlaide) ein Hirsch durch einen wohlgeziclten Schuß zur Strecke gebracht, der aufgebrochen 150 Pfund wog. Höchstwahrscheinlich war dieses Rothwild aus der „Leina" eingewechselt. *— Ein höchst bedauerlicher Unglücksfall ereignete sich am vergangenen Sonnabend in Oberwiera, indem Herr Trichinenschauer Riedel daselbst beim Obstpflücken von der Leiter herab auf die Straße stürzte und sich hierbei anscheinend innere Verletzungen zuzog, so daß er zur Zeit schwer krank darnieder liegt. *— Im neuesten Hefte der socialdemokratischen wissen schaftlichen Revue „Neue Zeit" wird ein Ketzergericht über die Opportunisten in der socialdemokralischen Partei, darunter auch über den Abgeordneten unseres Reichs tagswahlkreises, Auer, abgehalten. Sein Kritiker, ein russischer Jude, der unter dem Namen „Parvus" schreibt, ärgert sich namentlich darüber, daß man Auer für schlau halte. „Man hält Auer für besonders schlau; er ist es aber gar nicht; er thut nur so, als ob er es wäre und das Schönste ist: man glaubt es ihm. Als er öffent lich mit der ungeheuer schlauen Aeußerung paradirte: „Lieber Ede, so was sagt man nicht, so was thut man," setzte er sich selbst zu diesem macchiavelistischen Grund satz in Widerspruch. Er ist zu sehr Vollblutgermane, um so überwältigend schlau zu sein." Tie „Kreuz.-Ztg." bemerkt dazu: Tie „überwältigende Schlauheit" ist den Söhnen Sems Vorbehalten; darum beherrschen sie auch die deutsche Socialdemokratie so schrankenlos. *— Tas mittelst Bekanntmachung vom 26. März d. I. erlassene Verbot der Abhaltung von Geflügel- ausstcllungen ist wieder aufgehoben worden. Künftig sind Geflügelausstellungln nach Maßgabe der unter dem 7. d. M. ergangenen Verordnung der Beaufsichtigung durch die BezirkSthierärzte unterstellt. Ausgenommen sind hiervon nur diejenigen Ausstellungen, auf welchen lediglich Stubenvögel ausgestellt werden. — Herr Stadtrath Rob. Winckler in Glauchau, der 30 Jahre den dortigen Deutschen Kriegervercin geleitet, hat den Vorsitz auf ein jüngeres Mitglied abgetreten. — Ler Bezirk Glauchau des Eächs. Radfahrer bundes hielt am Sonntag im Alten Schießbaus in Hohenstein-Ernstthal eine Bezirksversammlung ab. Trotz des schönen Wetters waren aber nur die Bundesvereine „Wanderlust"-Hohenstein-E. und „Rhenania"-Glauchau, Unterhaltungstheil. Im Berghause. Novelle von Bertha v. Suttner. 4) (Fortsetzung.) „Tas ,Jch' ist hafsenSwerth!" hat Pascal gesagt. In diesem Sinne ist mein heutiger Brief nichts weniger alS liebenswürdig: die ganze Zeit erzähle ich Ihnen von mir. „Sehen Sie'" werden Sie mir nun wieder sagen, „daS ist auch eine der bösen Folgen der Einsam keit — man verlernt die gute Lebensart." — Verzeihen Eie — ich will's nicht mehr thun! Ein nächstes Mal schreibe ich Ihnen über alle- in der Welt und kein Wort über Ihren Bolton. * * * „Die Frau Müller wünscht zu sprechen!" meldete am nächsten Morgen der HauSbursche. Herr v. Bolton saß in der Veranda, und auf dem Tische neben ihm, wo noch die Reste des Frühstücks umherstanden, lagen die vor einer halben Stunde einge laufenen Postsachen ausgebreitet. „Gut, gut — eben wollte ich sie rufen lassen." Die Frau war dem Meldenden auf dem Fuße ge folgt und trat nun mit einer Verbeugung heran. Sie trug ein weißes Leinwandkleid und darauf eine Latz schürze von schwarzer Seide; um ihr weiße- Haupt war eine schwarze Spitzenbarbe geschlungen. Trotz der Uebersülle ihrer großen Gestalt lag in der ganzen Er- scheinung eine solche Vornehmheit, daß Bolton sich zurück halten mußte, um nicht aufzuspringen und dem Gaste einen Sitz zu bieten; rechtzeitig erinnerte er sich, daß dies nicht zu der Sachlage paßte: eS stand ja nur seine Dienerin vor ihm. Aber wo hatte er nur ein ähn liches Gesicht gesehen?" . . . „Sie wünschen, Frau Müller? Wahrscheinlich das Inventar aufnehmen?" „So ist es, gnädiger Herr!" „Lassen Sie mich vorerst hören, ob Sie zufrieden waren mit dem, waS Sie hier vorgefunden. Ihr Zimmer, die Vorrathskammern, die Dienstboten?" „Ich bin mit allem sehr zufrieden, gnädiger Herr. Die Frage ist eher die: war das Frühstück nach Ge schmack?" „Vortrefflich, vortrefflich — besonders die toast», will sagen: die gerösteten vuttersemmeln." »Ganz richtig, die toasts. Ich habe die Dinger in England bereiten gelernt." „So, Sie waren in England?" „Ja, vor langer Zeit." „Sie find wohl viel in der Welt herumgekommen?" „So ziemlich." „Haben vielleicht, wenigsten» schließe ich da» auS Ihrer ganzen Art und Weise, haben vielleicht, wie man zu sagen pflegt, bessere Tage gesehen?" „O nein!" „Sie sind Wittwe?" „Ja." „Haben Sie Kinder?" „Nein." Aus der Kürze dieser Antworten ersah Bolton, daß eS der Frau nicht erwünscht war, ausgeforscht zu werden, und da diese Fragen nur al» leutselige Freundlichkeit gemeint und nicht von wirklicher Wißbegierde dictirt waren, so fuhr er nicht fort damit. Frau Müller räumte nun die Frühstückssachen auf das Brett und schickte sich an, es fortzutragen. „Um wieviel Uhr soll ich wegen der Uebernahmr... ?" fragte sie. „Bleiben Eie doch noch, Frau Müller, ich muß Ihnen einiges über die Hausordnung ..." „Wie Sie befehlen, gnädiger Herr!" und sie stellte daS Brett wieder hin. „Setzen Sie sich doch, ich bittv." Bolton brachte e» ! nicht länger über sich, diese so damenhaft aussehende ! alte Frau in so demüthiger Art vor sich stehen zu ! sehen. j Sie sträubte sich nicht gegen diese Aufforderung ihres Herrn, sondern ließ sich mit vollendeter Unbefangenheit in einem Strohfauteuil nieder, der neben dem Tische, Bolton gegenüber, stand. Sie lehnte den Arm auf die Tischplatte, wobei Bolton bemerkte, daß ihre Hand von außerordentlicher Schönheit war: weiß, zart, mit rosa Fingernägeln. Er blickte sein Gegenüber eine Zeit lang schweigend an, und auch sie hielt die Augen, große, leuchtende, schwarze Augen, auf ihn geheftet. Das mußten gefährliche Augen gewesen sein, ehe sie von den sicht- baren „Krähenfüßen" umrandet waren. . . . Aus ihren Blicken funkelte zärlicheS Feuer, und auch Bewunderung lag darin. Sofern Augen sprechen können, so sagten diese von der alten Haushälterin auf ihren jüngeren Herrn gerichteten Augen deutlich: „Wa» für ein herr licher Mensch Du bist!" Aber nicht länger als drei Sekunden währte dieser Ausdruck. Frau Müller senkte die Lider, und Bolton glaubte, sich getäuscht zu haben. „Sie wollten mir also sagen, gnädiger Herr . . . ." „Könnten Eie diese Ansprache nicht fallen lassen, Frau Müller? In dem .gnädig' liegt etwas, das allen meinen Anschauungen widerspricht. Sie werden doch nicht annehmen, daß ich Ihnen gegenüber jemal» ,gnädig' sein könne? Wir haben gegenseitig Rechte und Pflichten." „DaS ist wahr, Herr von Bolton. Ich glaube eben nur, eine Pflicht zu erfüllen, indem ich den Titel ge brauchte, auf den Eie, kraft deS dienstgeberischen Ver hältnisse», in dem Sie zu mir stehen, «in Recht haben." Bolton hob erstaunt den Kopf. Diese Art sich aus zudrücken, schien ihm für eine Haushälterin, die keine „besseren Tage" gesehen haben wollte, befremdlich. (Fortsetzung folgt.)