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zuging. Die Untersuchung soll bisher, was die be- theiligten Beamten anlangt, kein Ergebniß gezeitigt haben. Mit dem Beschluß des Ausschusses des Landwirth- schaftsraths, den Minimalzoll für Getreide auf 6 Mk. und nur in dem autonomen Tarif auf 7.50 Mk. festzusetzen, ist die „Deutsche Tagesztg." ganz und gar nicht einverstanden. Sie erklärt, daß der Bund der deutschen Landwirthe einen derartigen Beschluß weder begreifen könne noch ihn billige. Gleichzeitig veröffent licht das Bundesorgan eine Erklärung des Majors Cadell, Mitgliedes des deutschen Landwirthschaftsraths, in der hervorgehoben wird, daß keineswegs der ge- sammte Ausschuß dieser Körperschaft einem Minimalzoll von 6 Mark seine Zustimmung ertheilt habe. Die „Volksztg." hält die Meldung ihres römischen Corre- spondenten vollinhaltlich aufrecht, daß der italienische Botschafter in Berlin dem König Victor Emanuel die Versicherung gegeben habe, daß die deutsche Regierung die absolut Niemand bindenden Entwürfe ihres Zoll tarifs als Maximalsätze betrachte und gegenüber Italien an der alten Vertragspolitik Caprivis festzuhalten ge denke (?). Der italienische Botschafter conferirte in Mailand mit Vertretern des italienischen Exporthandels und reiste dann sofort zum König nach Racconigi. Bulgarien. Aus Sofia wird ein vom makedonischen Comitee ge planter neuerlicher revolutionärer Vorstoß gemeldet, weshalb der rumänische Minister die Präfecten der Hauptstadt Bukarest und der Donaudistrikte mit sorg fältiger Ueberwachung des bulgarischen Volkselements beauftragte. Nach dem Freispruch der makedonischen Mörderbande in Sofia waren neue Uebergriffe der Makedonier vorauszusehen. Asten. Nachdem Rußland das Friedensprotokoll im Ein vernehmen mit allen übrigen in China interessirten Mächten hat unterzeichnen lassen, widmet es jetzt seine Sorge wieder vornehmlich der Mandschureifrage, die unter allen Umständen zum schleunigen und end gültigen Abschluß gebracht werden soll. Es werden nun zwar zwischen dem russischen Botschafter von Giers und dem verschmitzten Lihungtschang förmliche Redeturniere veranstaltet, die ängstlichen Gemiither mit der Sorge von einem ernsthaften russisch-chinesischen Conflict er füllen könnten; wer die beiden ehrlichen Freunde kennt, wird aber ohne Weiteres sagen, daß all das Reden und Debattiren nur Sand in die Augen derjenigen ist, die mit verhältnitßmäßig leeren Händen China verlassen. Da Deutschland an dem Schicksal der Mandschurei kein Interesse und England in China nichts zu sagen hat, so wird Rußland sich den saftigen Braten der Mand schurei in allernächster Zeit schmunzelnd zu Gemüthe ziehen und dann Umschau halten, wie es seinen Appetit, der mit dem Esten wächst, bei nächster Gelegenheit be friedigen kann. China ist im Grunde genommen ja nur ein Vasall Rußlands, und da wird es ja wohl nicht lange dauern, bis dieses wieder die Befriedigung eines Wunsches verlangt, zu dem China wiederum ohnes Weiteres bereit sein wird. Afrika. Der Umstand, daß die Thronrede zum Schluß der parlamentarischen Session keinerlei Auskunft über die Lage in der Kapcolonie giebt, beunruhigt die Lon doner Presse außerordentlich. Wir wissen nicht und sollen wahrscheinlich nicht wissen, sagt ein Blatt, welchen Umfang der Aufstand angenommen hat. Doch sei es keine Uebertreibung zu sagen, daß in diesem Augenblick das Schicksal Südafrikas weit mehr von der Haltung der Kapholländer als von Botha, Dewet und Steijn abhänge. Dewet und einige Generale mit ihm beab sichtigen demnächst die Kapcolonie zum Schauplatz ihrer Thätigkeit zu machen. Die angeblichen Erfolge des Generals French im Kaplande erweisen sich, wie wir von vornherein ver- muthet hatten, bei genauerem Zusehen als ganz b e- deutungslos. Es mag dem General vielleicht ge lungen sein, vereinzelte Burencommandos in der Kap colonie zu zerstreuen oder nach Norden zu drängen, die allgemeine Bewegung hat er keineswegs zu ersticken ver mocht. Die Buren werden immer mehr offensiv, sie drängen unaufhaltsam nach Süden vor und die Australier, also diejenigen Colonialtruppen, welche in Ermangelung kriegstüchtiger englischer Soldaten in den letzten Mona ten vorzugsweise zu den Kämpfen herangezogen wurden, lehnen ein weiteres Mitthun ab. Von noch höherer Bedeutung als die Vergänge im Kaplande sind gegen wärtig jedoch die Dinge, die sich in Natal zutragen. Dort und zwar unmittelbar an der Zulugrenze hat be kanntlich General Botha ein Heer von 4000 Mann ge sammelt. Das ist, wie der „Kreuz-Ztg." geschrieben wird, geschehen, um dem englischen Kronprinzen in Pietermaritzburg ein Paroli zn bieten. Dieser hat dort ein sehr gefährliches Spiel in die Wege geleitet, indem er den Treuschwur von 70 Ober- und 350 Unter- Häuptlingen der Zuluneger entgegennahm! Damit scheint eine Ausdehnung des neuesten Krieges auch auf die wilden Völkerstämme in Scene gesetzt zu sein. Um diesem Aufgebot eine gleiche Waffe entgegenstrecken zu können, ging Botha möglichst schnell zur Grenze des Zululandes, um theils weiterem Umsichgreifen dieser ab scheulichen Wendung des Krieges Einhalt zu gebieten, oder, falls dies nicht gelingt, sich ebenfalls der Mit wirkung der Zulus zu versichern. Wer sich der Zu stände an den nordamerikanischen Seeen von 1750—65 erinnert, an denen die sich bekämpfenden Franzosen und Engländer ebenfalls die wilden Indianer zu den Waffen riefen, kann sich die Folgen der Maßnahmen am Kap ausmalen. Die Indianer benutzten damals die Gelegen heit, um blutige Rache an den weißen Eindringlingen beider Rassen zu nehmen! England spielt eben „va !" Aus dem Muldenthale. ^Waldenburg, 20. August. Gestern Abend kurz vor 10 Uhr, um welche Zeit ein Theil unserer Bewohner schaft noch auf dem Schießanger weilte, entstand hier plötzlich Feuerlärm. In einem Hause der Topfgasse, einem höchst feuergefährlichen Viertel, war infolge der wahrscheinlichen Explosion einer Petroleumlampe, welche eingedreht gewesen war, ein Brand entstanden, der aber von den Nachbarn, die durch den entstandenen Qualm aufmerksam geworden waren, noch rechtzeitig gelöscht werden konnte, sodaß die alarmirte Feuerwehr nicht in Thätigkeit zu treten brauchte. *— Bei dem gestern Nachmittag erfolgten Königs schuß ging die Königswürde auf Herrn Tischlermeister Kertzscher hierselbst über. *— Nach K 95 Absatz 1 des neuen Gewerbcunfall- Versicherungsgesetzes können solche Unfall-Verletzte, die für ihren Schaden eine Rente von 15 Procent oder weniger beziehen, von der Berufsgenossenschaft durch eine entsprechende Kapitalzahlung abgefunden werden. Die betreffenden Verletzten haben hierbei nur nöthig, die Abfindung ihres Anspruches bei der Berufsgenossenschaft schriftlich zu beantragen, worauf sie dann das Weitere über die Höhe des Kapitals rc. erfahren werden. Die Festsetzung der Abfindung geschieht mittelst berufungs mäßigen Bescheides, und der Antrag kann bis zur Ver kündung der Schiedsgerichtsentscheidung zurückgezogen werden. Viele Rentenempfänger werden den Empfang einer größeren Summe zu beliebiger Verwendung der allmonatlichen bezw. vierteljährlichen Abhebung der kleinen Rentenbeträge vorziehen. *— Herr Ernst Paul Friedrich, Fleisch- und Trichinen schauer in Wolkenburg, ist am 17. d. als Trichinen schauer für Herrnsdorf und Uhlsdorf in Pflicht genommen worden. Ziegelheim, 19. Angust. In hiesiger Parochie haben die Herren Gemeindevorsteher eine Petition an die sächsische Staatseisenbahnverwaltung behufs Sammlung von Unterschriften herumgehen lassen, in welcher um Einlegung eines Frühzugs von Langenleuba nach Alten burg und eines Abendzugcs in umgekehrter Richtung gebeten wird. Der Frühzug soll 6 Uhr in Altenburg eintreffen und der Abendzug um 11 Uhr daselbst ab gehen. Ter erstere liege im Interesse der in Altenburg beschäftigten Personen, wie der Marktbesucher, der letztere im Interesse der Concert- und Theaterbesucher, wie der von weiterher zurückreisenden Personen. — Im Weißenborner Wald bei Zwickau erhängte sich wegen dienstlichen Vergehens ein Soldat des Zwickauer Regiments. — Am Sonntag Nachmittag fand in Zwickau eine socialdemokratische Parteiversammlung für den 18. Reichs tagswahlkreis statt. Es wurden Partciangelegenheiten Verhandelt und Redacteur Goldstein in Zwickau als Delegirter des 18. sächs. Reichstagswahlkreises zum Partei tag in Lübeck gewählt. — In Nemsdorf bei Zwickau brannte am Sonn abend Scheune und Schuppen eines Gutsbesitzers ab. Große Erntevorräthe wurden vernichtet. — Der Stadtrath in Aue hat hauptsächlich zur Deckung der Kosten des geplanten Baues des Schlacht. Viehhofes und der Erweiterung der städtischen Wasser leitung die Aufnahme einer Z^proc. Anleihe von 1 Million Mark beim Londwirthschaftlichen Crcditverein im Königreich Sachsen beschlossen. Die Stadtverord neten wünschen zunächst vom Rathe eine Uebersicht über Unterhaltungstheil. Das Geheimnitz der „Maria". Novelle von Anton v. Perfall. 26) (Fortsetzung). Die in Norcroß Zurückgebliebenen kamen nun dem Zuge entgegen, von neuem kreuzten sich Frage und Antwort, erschallten Verwünschungen, Drohungen, und nur dem Ansehen und der festen Haltung Martellos' war es zu danken, daß Bill nicht jetzt schon ein Opfer der Volksjustiz wurde. Niemand dachte mehr an einen möglichen Jrrthum, niemand wollte daran denken, alle Nerven prickelten ja schon nach den aufregenden Schau spielen, die der Tag bringen sollte. Zuerst die Gerichts verhandlung, in der natürlich Richter „Lynch" den Vor sitz führen sollte, dann die Exekution. Gehängt wurde er ja ohne Zweifel. Das blutlechzende Thier regte sich in seiner Brust, der Diebstahl selbst, der anfangs alle Gemüther empörte, trat in diesem Augenblick mehr in den Hintergrund. Das Volk wollte jetzt sein Schauspiel haben, und wehe dem, der es vereitelte! Fimey glänzte vor Freude. Eben noch fürchtete er für den Ausgang, aber jetzt war er ganz beruhigt, in all diesen gierigen, grausamen Augen las er seinen ab soluten Sieg. John Stewart wurde geholt, das Gericht sollte sich sofort constituiren an demselben Platz, wo man vor einem Jahr einen Mörder abgeurtheilt, unter einem mächtigen Eichbaume, dessen knorrige Aeste gleich zur Ausführung des Urtheils dienen konnten, das in diesen Fällen gewöhnlich sehr kurz und bündig war. John Stewart übernahm das ihm aufgezwungene Amt des Richters, um wenigstens die ärgsten Ausschreitungen zu verhüten. Er betrachtete selbst den schönen bleichen Mann, der auf ihn sonst einen guten Eindruck machte, mit Mitleid. Alles drängte um den Baum, durch dessen Laub jetzt die Sonne goldene Strahlen schoß, lautlose Stille herrschte, daß man das leise Geflüster des Laubes zn Häupten vernahm. John Stewart stellte sich mit einer gewissen Feier lichkeit an den Stamm und begann: „Fimey, tretet vor! Wes klagt Ihr diesen Mann hier an?" Bill stand jetzt aufrecht, ohne Hilfe Martellos'. Er hatte sich das Blut aus dem Gesicht gewischt und starrte Fimey mit dem Ausdruck wildesten Hasses an, daß dieser seine Rede etwas stotternd vom Stapel ließ. „Ich klage diesen Mann, George Ahldorf, an, die Schleusen beraubt und uns allen großen Schaden zu gefügt zu haben." „Und wie begründet Ihr diese Anklage, Fimey?" „Ich hielt gestern Wache — hinter einem Schutt- Haufen verborgen. Gegen drei Uhr morgens erschien dieser Mann, ging, vorsichtig spähend, sich möglichst im Schatten haltend, die Schleuse entlang untersuchte sie vor sichtig und steckte verschiedenes zu sich, das konnte ich genau unterscheiden. Ich schlich mich heran, da schien er etwas gehört, das Geräusch aber falsch gedeutet zu haben, er lief gerade auf mich zu, ich duckte mich hinter ein Felsstück. Als er an mir vorbei huschte, versetzte ich ihm eins mit dem Kolben meines Revolvers, nicht zu viel, daß er dem Galgen nicht entrinne, nicht zu wenig, daß er mir nicht entwische oder sich auf mich stürze — kurz, gerade recht! Erst als ich ihm ins Gesicht sah, erkannte ich George Ahldorf. Ich hatte übrigens beim ersten Gerücht des Diebstahls Verdacht auf ihn, und wenn die Gentlemen sich erinnern können an jene Nacht im „Salon", wo wir das Comitee bil deten, an die Verlegenheit, die ihn befiel, als ich ihn fragte, ob er von den Schleusen komme, dann wird alles klar sein. Ich wußte damals schon alles." Einzelne Ausrufe wurden laut, sonst war alles still, aller Augen ruhten auf Bill. „Was habt Ihr zu Eurer Vertheidigung vorzubringen, George Ahldorf?" fragte der Richter. Bills Blick bohrte sich in Fimeys Antlitz, eine furchtbare Drohung lag darin. Fimey zuckte zusammen, in diesem unbeschreib lichen Blick las er alles — Bill hatte ihn erkannt! Um so mehr galt es seine Vernichtung; doch zu seinem Erstaunen löste sich dieser unheilvolle Ausdruck plötzlich und machte dem bittern Schmerzes Platz. „Ich habe," sprach Bill fest, „auf die Anklage nur zu sagen, daß alles Lüge, teuflische Lüge ist, was dieser Mensch spricht. Ich habe mich den Schleusen nicht auf hundert Schritte genähert, der Weg von Sacramento führt ja in der Nähe vorbei, da traf mich von rück wärts ein Schlag — ein Schlag, wie er mich schon einmal in meinem Leben getroffen; das Bewußtsein schwand mir. Fimey führte den Schlag — aus Haß, aus —" er stockte; „kurz, ich bin unschuldig, hütet Euch vor einem Mord, er bleibt nie ungerächt!" Unzufriedenes Gemurmel ging durch die Versammlung, die offenbar nicht erwartete, daß der Mensch im Ange sicht der Thatsachen noch leugnen wollte. Das Opfer versuchte zu entwischen, das Schauspiel sollte am Ende zu Wasser werden. „Unsinn! — Das kann jeder sagen! — Macht doch kein Federlesens mit dem Burschen!" scholl es durch einander. „Beantwortet mir kurz diese beiden Fragen," wandte sich der Richter an den Angeklagten. „Zu welchem Zwecke kamt Ihr gestern zu einer Zeit, wo man sonst zu ruhen pflegt, in die Nähe der Schleuse? Ferner, warum glaubt Ihr, daß Fimey Euch haßt?" „Ich kam von Sacramento," entgegnete Bill. „Wir waren auch dort! Wir auch!" brüllte es aus der Menge. Wir haben Euch aber nicht gesehen; bei Orelly, wo Ihr sonst verkehrt, wart Ihr nicht. Wo wart Ihr denn in Sacramento?" „Ich beschwöre," wiederholte Bill mit erhobener Stimme, „daß ich in Sacramento war!" (Fortsetzung folgt.)