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mokratische „Vorwärts" doch so darzustrllen, als ob alle die officiellen Richtigstellungen nur leere Seifen blasen seien, und er mit seinen Behauptungen vollständig Recht habe. Im Uebrigen schreibt das socialdemokratische Centralorgan gegenüber den Ausführungen der mini steriellen „B. C." über eine Lügenfabrik von Hunnen briefen u. a.: Der Chinakrieg wird vor Gericht erscheinen, wo endlich Gelegenheit gegeben ist, durch den Zeugeneid die Wahrheit festzustellen. Die Staatsanwälte scheinen nicht der Meinung des Kriegsministers zu sein, der die Anklage nachsuchte. Die Anklageschriften bezweifeln nämlich weder die Echtheit der Hunnenbriefe noch die Richtigkeit der darin behaupteten Thatsachen, sie werfen dem „Vorwärts" nur formelle Beleidigungen vor. Ge richtsverhandlungen soll man nicht vorgreifen, aber man Wird ja zu hören bekommen, ob die Schimpfereien des socialdemokratischen Blattes so berechtigt waren, daß sie ungestraft bleiben müssen. Das glaubt aber der „Vorwärts" wohl selber nicht. Prinz Tschun, der Führer der chinesischen Sühne mission, wird noch vor dem großen Paradetage vom Kaiser empfangen werden, da der Prinz diesem militäri schen Schauspiel als Gast des Monarchen beiwohnen soll. Es heißt auch, der Prinz werde sich bemühen, Kenntniß von den Vorzügen der europäischen Kultur zu nehmen, um diese Kenntniß später in seinem Heimat- lande praktisch zu verwerthen. Frankreich. Aus Paris liegen Meldungen über eine bevorstehende partielle Ministerkrise vor. Der Socialist Millerand solle das Portefeuille des Handels- mit dem des Justiz. Ministeriums vertauschen, der bisherige Justizminister solle zurücktreten, und Handelsminister der radikale Ab geordnete Guieysse werden. Ob sich die Meldungen bestätigen werden, bleibt indessen noch abzuwarten. Die Abnahme der Bevölkerung Frankreichs macht bekanntlich jedem guten Franzosen schwere Sorgen. Zur Beseitigung dieses Uebelstandes wird jetzt ein eigen- thümliches Mittel empfohlen. Irgend ein kluger Kopf glaubt festgestellt zu haben, daß Völker mit großer Auswanderung auch eine starke Vermehrung besitzen. Er schlägt deshalb jede denkbare Unterstützung der Aus wanderung vor und findet mit seinem Vorschläge die Zustimmung weiter und einflußreicher Kreise. Nun, wer's mag, der mag's, und wer's nicht mag, der mag's ja wohl nicht mögen. Italien. Das italienische Königspaar beabsichtigt auch in diesem Jahre noch keine Besuche an den fremden Höfen zu machen. Insonderheit wird das Gerücht dementirt, daß beim russischen Kaiserpaare in diesem Herbste ein Besuch abgestattet werden solle. Das Trauer jahr um den verstorbenen König Humbert endet am 29. d. M. Spanien. Ueber die Straßenkämpfe in Saragossa werden die folgenden Einzelheiten mitgetheilt: Gegen die beab sichtigte Jubiläums-Prozession hatten Republikaner und Freidenker einen Aufruf erlassen. Andererseits waren die Katholiken, besonders die Carlisten, entschlossen, Ge- Unterhaltungstheil. Das Geheimnitz der „Maria". Novelle von Anton v. Perfall. 8) (Fortsetzung). „Stellen Sie sich nicht zu viel unter ihm vor, er war ein einfacher Hafenarbeiter in New-Vork, mein Vater. Dieser Pat Fimey verfolgte ihn schon damals immer mit seiner Freundschaft, er war mir immer in der Seele zuwider. Wenn ich Ihnen rachen darf, lasten Sie sich nicht zu viel mit ihm ein. Was auch mein Vater über ihn sagen mag, im Grunde genommen mag er ihn selber nicht." „Fimey spricht anders," bemerkte George, „er prahlt mit der Freundschaft des reichen Orelly, und wenn ich nicht irre, machte er vor kurzem erst eine Anspielung, daß er begründete Hoffnung habe, sein Nachfolger zu werden; als Sie eben eintraten, Miß Alice, offen ge sagt, stieg mir selbst ein Zweifel darüber auf." „Das hat er Ihnen gesagt, dieser Schurke," erwiderte aufs höchste erregt Alice, „und sie haben es ihm ge glaubt?" „Aber, Miß Orelly," entgegnete George, „ich kannte Sie ja noch nicht, und es giebt allerhand Mädchen — jetzt freilich könnte er darauf schwören, ich glaubte es nicht mehr. Uebrigens — verzeihen Sie mir diese Be merkung — es muß für ein Mädchen, wie Sie sind, doch recht hart sein, ganz allein mit diesem Volk zu leben. Ta gehört Muth dazu." „Ja, wenn sich'- nur um den Muth handeln würde," meinte Alice, „aber der Ekel, den man oft empfindet, was man alles sehen und hören muß von diesen Gent- lemen, wie sie sich nennen — das ist's!" „Und Ihr Vater, kann der das ruhig mit anschauen?" fragte George. „Mein Vater! Ich hab' Ihnen ja schon gesagt, er ist als einfacher Arbeiter aufgewachsen. Er liebt mich, Walt mit Gewalt zurückzuschlagcn. Sir versahen > daher mit Knütteln und Revolvern. Kaum war die Prozession von der Kathedrale abgegangen, als ein furchtbares Pfeifen und die Rufe: „Nieder mit den Jesuiten! Tod den Pfaffen!" erschollen. Die Prozession wurde durch dazwischen geschobene Karren entzwei ge schnitten. Ein furchtbarer Kampf entwickelte sich. Die Damen flüchteten. An der Spitze des Zuges marschirende Carlisten und Geistliche schossen fortwährend, zückten Mester und schwangen Knüttel und Fahnen. Ein Mann wurde getödtet und viele durch Messerstiche und Schüsse verwundet. Tie Prozession flüchtete in eine Kirche. Hier begossen die Antiklerikalen die Thüren mit Petroleum und versuchten sie anzuzünden. Die Belagerten schossen unablässig. Endlich gelang es der Gendarmerie, die Ordnung herzustellen. Rußland. Rußland verhandelt weiter über die Aufnahme von Anleihen. Es wird im Herbste d. I. eine neue An leihe im Betrage von 450 Millionen Francs mit Hilfe Frankreichs realisiren. Außerdem soll im Frühjahr 1902 noch eine weitere russische Anleihe auf den Markt geworfen werden. Diese außerordentlichen Geldbedürf nisse Rußlands sollen einerseits in der wirthschaftlichen Lage des Reiches, andrerseits in der Befürchtung des Petersburger Cabinets ihre Ursache haben, daß neue Wirren in China entstehen könnten. Rußland stellt die Freundschaft Frankreichs auf eine starke Probe, aber die Franzosen werden's doch wohl machen, da russische An leihen in den andern Ländern nur wenig Beifall finden, und mit Recht. Afrika. Frau Botha ist dieser Tage von der Königin Wil helmina von Holland in längerer Audienz empfangen worden, in der sie der einzigen regierenden Königin in Europa die traurige Lage der Burenfrauen und Kinder in den englischen Lagern geschildert hat. Vom General Botha ist bei dem Präsidenten Krüger ein neuer und eindringlicher Appell eingetroffen, man möge doch den im Felde stehenden Buren noch einige Aerzte, Krankenpfleger und vor Allem Verbandzeug und Arzneien senden. Das holländische Rothe Kreuz wird die An gelegenheit dem Centralcomite des Rothen Kreuzes in Bern unterbreiten. Die „Kreuz-Ztg." faßt ihr Urtheil über die Lage in Südafrika folgendermaßen zusammen: Wir haben schon vor Wochen darauf hingedeutet, daß der Krieg in Südafrika für die Engländer erfolglos werden dürfte, wenn es den Buren möglich würde, den Kriegszustand noch einige Monate durch zu halten. Nach den Tele grammen des Lord Kitchener, daß er die Infanterie entbehren könne, wenn er dafür — bekanntlich nicht zu beschaffende — berittene Truppen erhalten würde, sieht einem Rückzüge um so ähnlicher, als Kitchener sich dann auf die Besetzung der Strecke Turban-Johannes burg beschränken, d. h. fast den ganzen Besitz von Trans vaal und dem Oranjestaat aufgeben will. Daran ver- mögen alle officiellen und osticiösen Erklärungen, daß keine Aenderung in der Kriegführung beabsichtigt sei, nichts zu ändern. Hätten die Engländer, ähnlich den aber das fühlt er doch nicht so, und dann kann er's auch nicht ändern; ich sage Ihnen, es ist nicht immer ein Glück, wen« die Kinder in besseren Verhältnissen aufwachsen als die Eltern, für beide Theile nicht. Doch was kümmert das am Ende Sie, der Vater ist jedenfalls besser wie mancher andere hier im Raume, jedenfalls zu gut für diesen Fimey — nun, Sie werden ihn ja kennen lernen." Sie sprach das alles so zerrissen, so stoßweise, es waren gleichsam nur bunte Fetzen aus lange angesam meltem, düsterem Gram, der sich in ihrem Gemüthe auf gehäuft, die sie dem Manne mit den treuen blauen Augen hinwarf. Man sah ihr an, wie gerne sie sich des Ganzen entledigt hätte, aber sie hatte ja schon zu viel gesagt und obendrein einem gauz fremden Menschen gegenüber. Fremd war er allerdings, aber der gerade, offene Strahl seines Auges, sein ganzes von den anderen so verschiebens Wesen hatte für sie so etwas Bekanntes, Befreundetes. Woher aber bekannt?" Sie konnte es sich nicht enträthseln. Es ist das ein seelischer Vorgang, der nicht so selten ist. Eine plötzlich ganz neue Erscheinung im Leben trägt auffallend bekannte Züge, die uns seit lange lieb und werth sind; vergeben- sucht unser Gedächtniß eine Verbindung mit der Vergangenheit, wo sie uns schon begegnet sein soll. Doch jede Verbindung fehlt. Sie ist einfach das Kind unserer Gedanken, mit dem wir un zählige Male schon gespielt in stiller Einsamkeit, nun tritt sie verkörpert vor uns hin, ihr Wesen dünkt uns bekannt, befreundet, aber die Form ist uns fremd — bald aber wird auch diese uns lieb. In dieser Lage befand sich jetzt Alice. Sie frug ihn über seine Pläne, gab ihm als Fremden gute Rathschläge. Er erzählte ihr dafür von seiner Heimat — über seinen Aufenthalt in Amerika ging er, wie es schien, absichtlich hinweg, es schienen sich bittere Erinnerungen daran zu knüpfen. Gingen drS Grafen Waldcrser in Tschili, sich vsn Anfang an auf die völlige Besetzung und Sicherung eines enger begrenzten Landstriches beschränkt, so wäre dies klüger gewesen, als die beiden Republiken mit Truppen zu überschwemmen, sie dann feierlich zu annec- tiren, und nach allen diesen Voreiligkeiten und nicht durchführbaren politischen Schaustücken diese Gebiete wieder aus der Hand gleiten zu lassen. Amerika. Mit der Manneszucht in der amerikanischen Flotte ist es sehr schlecht bestellt. Wie aus Newyork ge schrieben wird, sind in den letzten Wochen die im Schiffsbauhof einquartirten Matrosen und Marinesoldatcn in Hellen Haufen ausgerissen. An einem einzigen Tage sollen 21 Mann fahnenflüchtig geworden sein! Allzu strenge Zucht, schlechte Verpflegung und Beschränkung der Freistunden werden als Ursache für das Massen weglaufen angegeben. Auch die Abschaffung der Kantine hat dazu beigetragen, den Soldaten das Leben in den Baracken im Schiffsbauhofe zu verleiten. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 19. Juli. Se. Durchlaucht Fürst Otto Victor von Schönburg-Waldenburg ist auf Schloß Pomssen eingetroffen. *— Die hiesige Fürstliche Kunstmühle beschlagnahmte gestern bei einer Einzahlung ein falsches Zweimarkstück. *— In der gestern Abend von 6 Uhr an statt gehabten öffentlichen Sitzung des Stadtverordneten collegiums wurde von der am 1. Juli d. I. erfolgten Anstellung und Verpflichtung des Rathscopisten Peukert Kenntniß genommen. In den Richter'schen Ausschuß wurde an Stelle des fortgezogenen Herrn Oberamts richters Bamberg Herr Klempnermeister Vieweg gewählt. Mit der »om Stadtrath beschlossenen Errichtung einer Frei bank hierselbst erklärte sich das Collegium einverstanden; es soll zu diesem Zwecke das an den Schönburger Hof grenzende, früher zum Richter'schen Hause, jetzt der Stadt gehörige Schuppengebäude hergerichtet werden. Die hierzu erforderlichen 200 Mk. wurden bewilligt. Weiter erklärte sich das Collegium mit der vom Stadtrathe be schlossenen Abänderung des Tanzregulativs vom Jahre 1893, welche ein» Herabminderung der Erlaubnißge- bühren Vorsicht, einverstanden. *— Im benachbarten Niederwinkel hielt ver gangenen Sonntag der „Ländliche Sängerbund Walden burgs Umgegend" Einzug, um daselbst seinen 15. Sängertag festlich zu begeben. Der kleine Ort bot Alles auf, was man nur verlangen konnte: Fest lich geschmückte Straßen und Häuser, einen schön decorirten geräumigen Festplatz, freundliche Augen und Herzen, vorzügliche Labung für Körper und Gemüth. Tie gefürchteten Regenwolken, die sich so gern bei der artigen Festen einstellcn, waren wiederum pünktlich zur Stelle. Diesmal kühlten sie die kochende Temperatur ab und löschten den gewaltigen Staub und zogen dann weiter, und damit waren alle Festtheilnehmer einver standen. Auf dem Festplatze entwickelte sich gar bald ein frohes heiteres Sängerleben. Den Haupttheil des Festes bildete das Vokalconcert, dem eine Begrüßung Ueberhaupt sprach aus ihren gegenseitigen Reden ein tiefes Leid, das sie mächtig anzuziehen schien. Sie waren balö ganz in sich verloren und schienen ihre Umgebung ganz vergessen zu haben. Fimey hatte sich unterdes glücklich durch die Menge gedrängt und war unter dem Spieltisch durch an OrellyS Seite geschlüpft, der, eifrig mit dem Spiel beschäftigt, ihn nicht bemerkte. „Willst Du das Geschäft nicht einen Augenblick einem andern überlassen, ich habe Dir eine wichtige Mitthei- lung zu machen," lispelte er ihm zu, während er sich scheinbar mit dem Zählen einer Goldrolle zu thun machte. Orelly schob ihm, ohne eine Antwort zu geben, eine Handvoll Goldkörner zu, die Fimey, ohne eine Miene zu verziehen, einsteckte. Niemand bemerkte diesen Vor gang, aller Augen und Sinn war auf die Karten ge richtet, die Orelly mit gleichmäßiger Bewegung aufschlug. „Das war's diesmal nicht," flüsterte Fimey weiter. „Die Maria?" — Dieses Wort übte eine heftige Wirkung auf Orelly. Er warf die Karten in rascherem Tempo auf und ver wechselte Gewinn und Verlust der einzelnen Blätter, so daß bereits unwillige Stimmen sich erhoben. „Was hat der Pockennarbige bei Euch zu schaffen? Hinaus mit dem Hund; wenn er spielen will, soll er vorne hintreten, wie die übrigen." „Das gilt nicht — Betrug!" tönte es drohend durch einander, und die Köpfe mit den breiten Hüten schwankten unruhig hin und her, wie ein Aehrenfeld im Sturme. Bei dem Worte Betrug kam Orelly wieder zu sich, er erkannte die Anzeichen eine- nahenden Tumulte-, kam er zum Ausbruch, dann sahen alle in ihm nur noch den verhaßten Orelly, hen Goldabnehmer, kein Mensch fragte dann mehr nach Recht und Unrecht. Sein Auge schoß Blitze auf die Versammlung, mit einem schnellen Griff holte er einen Revolver unter dem Tische hervor und hielt die Mündung dem nächsten Schreier vor die Stirn. (Fortsetzung folgt.)