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humaneren Behandlung der Mannschaften ganz unbe rechtigt war, und daß wir heute mehr noch als früher sagen können: „Lieb' Vaterland, magst ruhig sein." Wieder ist die Beschwerde einer Innung zurück gewiesen worden. Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg hatte im Gegensatz zur Entscheidung der Gewerbedeputation des Berliner Magistrats die großen Confectionsgeschäfte als verpflichtet erachtet, der Zwangs innung der Schneider anzugehören. Diese Entscheidung wurde Gegenstand einer Interpellation im preußischen Abgeordnetenhause. Der Minister versprach Prüfung der Angelegenheit. Nunmehr ist eine Entscheidung in oieser Frage erfolgt und bekannt gegeben worden. Die Berliner Gewerbedeputation hatte eine Knabengarderoben fabrik nicht für verpflichtet erachtet, der Schneider- Zwangsinnung anzugehören; der Vorstand dieser legte Beschwerde beim Oberpräsidenten ein. Und nunmehr wies der Oberpräsident die Beschwerde endgültig zurück mit der Begründung, daß die von der Firma in ver schiedenen Häusern betriebenen Schneiderwerkstätten als ein einheitlicher Betrieb zu betrachten seien. Durch diese Entscheidung ist, soweit Großstädte in Betracht kommen, die Existenz von Schneiderinnungen überhaupt in Frage gestellt. Ueber die Neuerung im Fahrkartenwesen ist noch weiter zu berichten, daß nunmehr Bayern auch für seinen inneren Verkehr die 45tägigen Rückfahrtkarten eingeführt hat; das Gleiche ist aus Baden zu melden. Die Aeußerungen von Besorgnissen aus Gegenden, die bisher Sondervergünstigungen genossen und bei der Neuordnung zu kurz zu kommen befürchten, sind in zwischen jedoch nicht verstummt. So wird aus Breslau gemeldet, daß die Handelskammer für die Kreise Hirschberg und Schönau beschloß, beim Eisenbahnministerium gegen die geplante Aufhebung der Sonntagsfahrkarten und der fünftägigen Sonnlags-Sonderzug-Fahrkarten nach dem Riesengebirge im wirthschaftlichen Interesse der gesummten Gebirgsbevölkerung vorstellig zu werden. Vorläufig ist für die Sommer- und Sonntagskarten ja nichts zu be fürchten, so daß es sich bei der Petition zunächst um eine eurn posterior handelt. Frankreich. Die wirthschaftliche Krise in Deutschland wird von Pariser Blättern maßlos übertrieben. Der „Figaro" faselt, der Grund der Ueberspeculation und des Krachs sei der deutsche Kinderreichthum. Ein deut scher Industrieller, der fünf Töchter zu verheiraten hat, riskire leichter als ein Franzose sein Geld und besonders das Geld Anderer. Auf dem Lande sei das Elend so groß, daß der Staat einschreiten müße; im Winter werde Deutschland hungern u. s. w. Der Pariser „Figaro" veröffentlicht einen ihm augen scheinlich von amtlicher Stelle zugegangenen Artikel, in dem genaue Mittheilungen über die umfassenden Rüstungen gemacht werden, die Frankreich anläßlich der Faschoda-Angelegenheit ins Werk gesetzt hatte. Von den leitenden Männern wurde sofort und ohne vorherige Befragung des Parlaments zu Rüstungszwecken ein 80 Millionen-Credit flüssig gemacht, und Natio nalisten und Radikale jubelten einstimmig diesem kühnen Entschlusse zu. Der Artikel will England merken lassen, daß die Aranäs nation in Fragen der Ehre und des Patriotismus ein einig Volk von Brüdern ist. In Marseille traf der erste Transport französischer Chinakrieger ein, die von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt wurden. Unter den 1271 Heimkehrenden be fanden sich 120 Kranke. Belgien. König Leopold von Belgien sollte angeblich die Absicht haben, sich demnächst mit seinen beiden Töchtern, der Gräfin Lonyay, früheren Kronprinzessin von Oester reich, und der in einer Heilanstalt befindlichen Prinzessin Luise von Koburg, auszusöhnen. Nach der Berliner „Post" entbehrt diese Mittheilung jeglicher Begründung. England. Die Großsprecherei der englischen Regierungsver treter hat sich allgemach ins Mauseloch geflüchtet, und die Herren Lord Salisbury, Chamberlain, Balfour, Brodrick und wie die Herren alle heißen, sind recht kleinlaut geworden. Von dieser Thatsache bot die jüngste Verhandlung des Unterhauses ein recht charak teristisches Beispiel. Dort wurde Seitens des Campbell- Bannermann'schen Flügels der liberalen Partei, also derjenigen Section, die den Buren geben will, was sie durch ihre heldenhafte Tapferkeit verdient haben, heftig gegen die Regierung Sturm gelaufen und die Forderung erhoben, daß England dem grausamen Kriege nun schleunigst ein Ende bereite und den Buren diejenigen Rechte und Freiheiten lasse, auf welche diese mit Fug Anspruch erheben. Da erwiderte der Kriegsminister Brodrick de- und wehmüthig, die englische Regierung habe gethan, was in ihren Kräften stand, um die Buren zur Einstellung der Feindseligkeiten zu bewegen. Lord Kitchener habe dem General Botha die englische Kabel leitung zur Verfügung gestellt und ihm gestattet, sie sogar zum Austausch chiffrirter Telegramme mit dem Präsidenten Krüger zu benutzen. Aber alles sei ver geblich gewesen. Krüger, Dewet unv Botha erklärten vielmehr einstimmig, nur unter der Bedingung in die Einstellung der Feindseligkeiten willigen zu können, daß die beiden Burenrepubliken ihre vollständige Unabhängig keit behielten. DaS sei indessen eine Forderung, in welche die englische Regierung nie und nimmer willigen könnte; deshalb müßte der Krieg mit dem Aufgebot aller zur Verfügung stehenden Mittel fortgesetzt werden. Das Eingeständniß, welches der englische Kriegsminister mit diesen Worten bekundet, ist äußerst werthvoll, und die unsinnige Mähr, vie von den Londoner Blättern noch immer als baare Münze in Umlauf gesetzt wurde, daß die Buren um Frieden bettelten, ist nun ein für alle Mal als Schwindel festgelegt. Aber zugleich er hebt sich die Frage, werden denn die Engländer je, auch wenn sie den Krieg aä iuflniturn fortsetzen, zum Ziele gelangen? Man kann diese Frage getrost mit Nein beantworten. Sachkenner haben den Beweis geführt, daß diejenige Partei schließlich den Sieg davontragen müsse, die über das bessere Pferdematerial verfüge. Und in dieser Beziehung sind die Buren ihren Feinden zehnmal überlegen, trotzdem letztere das arme Kapland, was die Contributionen in Bezug auf Pferde anlangt, geradezu aussaugen. Tie Buren halten es länger aus als die Engländer und werden daher die Bedingungen, die ihnen heute das kurzsichtige Albion noch versagt, eines Tages doch bewilligt erhalten. Asten. Ueber üie Lage in China werden aus Missionars kreisen Nachrichten verbreitet, nach denen man sich fort gesetzt auf unangenehme lleberraschungen im Reiche der Mitte gefaßt zu halten hat. Dem jetzigen Frieden sei nicht zu trauen, die Kaiserin-Wittwe treffe große Kriegs vorbereitungen. Gestern wurde das gerade Gegen theil gemeldet, und hoffentlich trifft die ältere Meldung das Richtige. Afrika. Präsident Krüger hat sich dem Präsidenten der Burenliga, Freiherrn v. Reibnitz, der ihm das Mitglieds diplom überreichte, aufs kräftigste dahin ausgesprochen, daß die Buren ihre Freiheit nicht aufgeben, sondern den Kampf fortsetzen würden, so lange noch ein einziger Mann die Flinte zu tragen im Stande sei. Bei seiner Abreise nach Hilversum hielt der alte Krüger eine längere gegen die englische Politik in Süd afrika gerichtete Rede, in der er ausschließlich und, wie wir hinzufügen, mit vollem Recht England für das Blut vergießen verantwortlich machte. Krüger sprach aber gleichzeitig die Hoffnung aus, daß ein günstiger AuS- gang des Krieges erfolgen werde. Um zu beweisen, daß er auch noch da ist, sendet Lord Kitchener dem Londoner Kriegsamt ein Siegestelegramm, welches be sagt, daß der englische General Grenfelt am 1. Juli bei Hopewell 93 Buren gefangen nahm und eine Menge Vieh, Proviant und Munition erbeutete. Den zahlreichen Erfolgen der Buren in jüngster Zeit gegenüber ver schwindet dieser vereinzelte englische Waffenerfolg aller dings nahezu vollständig. Andries Dewet, der bekannte Neffe des Generals, wurde aus Paris ausgewiesen, weil er dort für die Burensache Propaganda zu machen suchte. Auch in Belgien ist dem jungen Dewet das öffentliche Eintreten für die Buren bekanntlich untersagt worden. Man er kennt keinen rechten Grund für diese Maßregel, da die Bevölkerung Frankreichs ebenso wie die Belgiens durch aus burenfreundlich ist. Amerika. In Argentinien ist wieder einmal eine Revolution im Gange. In der Hauptstadt dieser südamerikanischen Republik, in Buenos Ayres, fanden große Kungebungen gegen den jetzigen Präsidenten Roca und seinen Vor gänger Pellegrini statt. Letzterer wurde durch einen Steinwurf verwundet. Es wurde der Belagerungszustand verhängt. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 6. Juli. Wir hören, daß an zu ständiger Stelle eine Beschränkung des Verkehrs in dem zur Zeit dem Publikum ganz frei gegebenen Fürstlichen Parke in Grünfeld in Erwägung gezogen wird, da über den bedauerlichen Unfall, der sich kürzlich im Parke ereignete, von mehreren Blättern in unrichtiger und offenbar tendenziöser Weise berichtet worden sei. Zur Zeit der Heu- und Grummeternte fahre viel Pferdefuhr werk im Parke; es könne deshalb ein ähnlicher Unfall, daß ein ungenügend beaufsichtigter Kinderwagen durch Pferde umgestoßen werde, sich immerhin wiederholen. * — Heute Nachmittag i/z4 Uhr langte die „Club"- Gesellschaft aus Zwickau mit dem fahrplanmäßigen Zuge hier an, um zunächst einen längeren Spaziergang im Fürstlichen Park hierselbst zu machen. Die Herrschaften tranken alsdann im Garten des renommirten Winkler'schen Gasthauses zu Grünfeld Kaffee und wanderten gegen Abend weiter nach Remse, woselbst im Colosseum ein frugales Abendbrod eingenommen werden soll. Tas übliche Tänzchen wird nicht fehlen. Mit dem Zuge V^12 Uhr abends wird die Rückreise nach Zwickau an getreten werden. * — Mit welchen Feinden unsere Jagdpächter zu kämpfen haben, beweist der Umstand, daß uns ein Pächter mittheilt, er habe fast täglich junge Hasen, sogar ältere bis zu 6 Pfund schwer, von wildernden Hunden und Katzen angeschnitten (angefressen) gefunden. Selbst ein junges Reh, welchem die Augen ausgeschlagen waren, ist einer revierenden Katze zum Opfer gefallen. Es ist deshalb jedem Jagdberechtigten, der das Wohl des Wildstandes im Auge hat, dringend anzurathen, diesem Raubgesindel ganz energisch nachzustellen, zumal bei vielen Besitzern von Hunden und Katzen die größte Unachtsamkeit beobachtet wird. * — Bezüglich des Dachses herrschen noch vielfach Zweifel, ob derselbe ein Raubthier sei oder nicht. Zur Beseitigung dieser Zweifel hat das Ministerium deS Innern ausgesprochen, daß der Dachs kein Raubthier und daher vom 1. Februar bis 31. August zu schonen ist. * — Die Ziehung der 1. Klasse der 140. König!. Sächs. Landeslotterie findet Montag und Dienstag statt. Allgemein wird von den Lotteriecollekteuren ge klagt, daß die Loose schlechten Abgang finden. Es mag dies einestheils mit an der ungünstigen, wirthschaftlichen Lage liegen, anderntheils an der Gewinnvertheilung und Erhöhung des Loospreises. Aus dem SachsenlM-e. — DaS „Dr. Journ." giebt amtlich bekannt, daß Se. Majestät der König dem zeitherigen Generalstaats anwalt, Herrn Geh. Rath Or. Konrad Wilhelm Rüger, unter Ernennung zum Staatsminister die Leitung des Justizministeriums übertragen und ihm den Auftrag io DvaoAoliois ertheilt hat. — Herr Ministerialdirector vr. Wäntig in Dresden, früher Amtshauptmann in Glauchau, soll dem Ver nehmen nach als Nachfolger des neuen Herrn Justiz- Ministers Rüger in desseu Eigenschaft als stellv. Bundes- rathsbevollmächtigter in Aussicht genommen sein. — An dem morgen Sonntag in Dresden stattfinden den Preissingen sächsischer Männerchöre betheiligen sich 12 große Vereine mit weit über 1000 Sängern. Se. Majestät der König und die Mitglieder des König!. Hauses haben ihr Erscheinen in sichere Aussicht gestellt. — Wie in Dresden erzählt wird, beabsichtigt die Firma Alfred Krupp in Essen, die Kummer'schen Elek- tricitätswerke anzukaufen. — Ein in höchstem Ansehen stehender Dresdner Arzt, der insonderheit von der Aristokratie angehörenden Patienten konsultirt wnrde, verlor bei der Leipziger Bank fast sein ganzes Vermögen. Er war erst kürz lich in den Ruhestand getreten. — Carl Felix Schäffer, i. Fa. Berger und Voigt in Leipzig, Mitglied des Aufsichtsraths der Leiziger Bank, hat sich am Freitag früh erschossen. Wie die Firma Berger L Voigt mittheilt, werden deren geschäftliche Verhältnisse infolge des gestern von sehr solventer Seite erfolgten Kaufs derselben nicht berührt. Der Kauf ist bereits gerichtlich eingetragen. — Zusammenbrüche kleinerer Institute haben infolge der Leipziger nnd Casseler Vorgänge auch gestern in größerer Zahl stattgefunden. Infolge der durch den Leipziger Krach eingetretenen starken Inanspruchnahme der Reichsbank geht diese mit dem Gedanken einer Tisconterhöhung um, nachdem soeben erst eine Er mäßigung stattgefunden hat. — Der Kasienbote der Leipziger Bank, der, wie bereits gemeldet, todt im Brunnen seines Gartens, auf gefunden wurde, ist, wie Erörterungen ergeben haben, verunglückt. Er ist mit Ausschöpfen von Schlamm aus dem fraglichen Brunnen beschäftigt gewesen und dürfte hierbei das Körpergewicht verloren haben und hinein gestürzt sein. — Die bekannte Graßmann'sche Broschüre, die Moralthcologie des heiligen Liguori, wurde in sämmt- lichen Leipziger Buchhandlungen auf „Veranlassung einer auswärtigen Behörde" beschlagnahmt. — Ter Tirector der Leipziger Bank, Exner, der sich in Haft befindet und dessen Vermögen mit Beschlag belegt worden ist, scheint ein sehr vorsichtiger Mann ge wesen zu sein. Der Brave soll nämlich, wie überein stimmend von verschiedenen Seiten gemeldet wird, sein mehrere Millionen betragendes Privatvermögen recht zeitig in Schottland in Sicherheit gebracht haben. Kann man dem Guten diesen Trick nachweisen, so wird sich ja auch das Geld herbeischaffen lassen, das natürlich in erster Reihe für die Deckungsfrage in Betracht kommt. Ter zweite Director des Instituts Gentzsch hat sein Vermögen zur Schadloshaltung der Gläubiger der Bank aus freien Stücken zur Verfügung gestellt. Hätte er es nicht gethan, so wäre es natürlich gleichfalls von Amts wegen mit Beschlag belegt worden. Ein besonderer Ruhmestitel erwächst dem Herrn Gentzsch durch seine That also nicht. Hoffentlich kommt es aber dahin, daß sämmtliche Aufsichtsrathsmitglieder mit ihrem Vermögen zur Schadloshaltung der Gläubiger der verkrachten Bank herangezogen werden. Wenn freilich auch dann noch nicht die gewaltigen Löcher, welche die Mißwirth« schäft der bisherigen Bankleitung auf ihrem Conto hat, vollständig verstopft fein werden, so wird doch immerhin etwas gewonnen sein. — Viele Leute haben rechtzeitig davon läuten hören, daß es um die Leipziger Bank faul stand. Z. B. er klärt der frühere Director der Leipziger Hypothekenbank