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Schrift verkehrt er über den Kopf der Botschafter hin weg mit ihren Unterorganen, über den Kopf hiesiger (Berliner) Vorgesetzten mit Subalternbeamten. Er ist Herr und Meister der Preßabtheilung und lanzirt in die Blätter, was ihm beliebt. Der Sturz von Excellenz V. Werder (einstiger Botschafter in Petersburg) war sein Werk, und wenn von „Engländerei" in unserer Politik die Rede ist, so ist auch diese Strömung auf ihn zurück- zuführen. Das deutsch-russisch-französische Einvernehmen, welches sich -vorbereitet, ist ihm sichtlich unangenehm, und daher ist er eifriger als sonst an der Arbeit, sein zersetzendes Handwerk zu betreiben. Zwar hat Herr v. Richthofen die Stelle als Staatssekretär (des Aeußern) erhalten, die Jener wohl gern für sich selbst in An spruch genommen hätte; aber trotz- und alledem versteht er es nach wie vor, über den Kopf seiner Vorgesetzten hinweg eine eigene Politik zu treiben. So ist es denn gekommen, daß ein Mann wie Fürst Philipp Eulenburg sich vor den Jntriguen, die im Auswärtigen Amt ge sponnen werden, nicht anders retten kann, als durch eine Veröffentlichung in der „N. Fr. Presse", welche bezwecken soll, seine einflußreiche Stellung als deutscher Botschafter in Wien vor der Oeffentlichkeit zu wahren. Tas sind wahrlich Verhältnisse, welche ein schnelles Ende nehmen müssen, wenn nicht unser politischer Ein fluß im Ausland und das Ansehen der Krone in Deutsch land schweren Schaden leiden soll. In der „Nordd. Allg. Ztg." wird hierzu festgestellt, daß der deutsche Botschafter in Wien, Fürst Philipp Eulenburg, den Artikel der Wiener Neuen Freien Presse, der sich gegen Jntriguanten im Auswärtigen Amt zu Berlin richtet, weder selbst geschrieben, noch veranlaßt hat. Fürst Eulenburg telegraphirte an den deutschen Staatssekretär des Aeußern, Frhrn. v. Richthofen: „Höchst unangenehm berührt durck Artikel der „Neuen Freien Presse". Bitte, wenn Verfasser zu erforschen, mein schärfstes Bedauern aussprechen. Habe auf alle Angriffe stets sehr absicht lich geschwiegen und werde weiter schweigen. Wünsche durchaus nicht, daß sogenannte Freunde scheinbar für mich eintreten und gar in so perfider Art! Bitte Reichs kanzler mittheilen." Der „Reichsanzeiger" schreibt: Mit vr. v. Miquel ist ein Leben zur Rüste gegangen, das, wie wenige, der Größe des Vaterlandes gewidmet war. Vom Beginn seines politischen Lebens an, in hannöverscher Zeit, als einer der führenden Männer des Nationalvereins hat Johannes Miquel für des deutschen Vaterlandes Einigung unter preußischer Führung geworben und gekämpft. Und als das Reich wiedererstanden war, hat er an seinem inneren Ausbau, an der grundlegenden Gesetz gebung des Reiches thätigsten Antheil genommen. Kaum einer der wichtigen gesetzgeberischen Acte jener Zeit, die nicht seine auf das Große gerichtete, von lebendigstem nationalen Gefühl getragene Mitwirkung aufwiese. So hat er sich dauernd einen Platz gesichert unter Denen, die auf des deutschen Volkes Dank Anspruch haben. Nach einer Würdigung der Miquelschen Verdienste im Einzelnen schließt der Nachruf mit den Worten: Bis wenige Monate vor seinem Hinscheiden seines Amtes waltend, mit nie nachlassender Hingebung und nie er müdender Arbeitskraft ruht er nun aus nach einem reichen gesegneten Leben. An seiner Bahre trauern, die mit ihm wirken durften und ihm Liebe und Verehrung treu im Herzen bewahren werden für alle Zeiten. Einem Berichterstatter gegenüber hat sich Herr v. Miquel noch ganz kürzlich über die Aussichten der Handelsvertragspolitik der deutschen Reichsregierung ausgesprochen, mit dem ausdrücklichen Wunsche, davon zunächst nichts zu veröffentlichen. Nach dem Tode des Ministers veröffentlicht der betreffende Berichterstatter nunmehr die Auslassungen deS großen Staatsmanns. Herr v. Miquel erklärte einen Abschluß neuer Handels verträge auf Grundlage der von der Regierung in Aus sicht genommenen Zollsätze für ganz sicher. Deutschland importire jährlich für eine Milliarde mehr als es ex- portire. Da könne es dem Auslande auch seine Be dingungen stellen, die von diesem sicherlich angenommen werden würden. Ist der Augenblick zum Reden und zum Handeln gekommen, dann soll es auch an mir nicht fehlen, schloß der Minister seine Eröffnungen. Oesterreich-Ungarn. Der ungarische Reichstag ist am Montag vom König Franz Joseph in Pest mit einer Thronrede ge schlossen worden. Diese betont „das intime gute Ein vernehmen mit unseren Verbündeten und die guten freundschaftlichen Beziehungen, in welchen wir mit fämmtlichen auswärtigen Mächten stehen." Frankreich. Die Schreckensthat in Buffalo hat, wie nicht anders zu erwarten war, ihre Schatten auch auf die Fest tage in Frankreich geworfen. Der Zar kommt zwar, aber ihm, sowie allen denen, die für sein Leben und seine Sicherheit verantwortlich sind, wird ein schwerer Stein vom Herzen fallen, wenn die Frankreich-Reise ohne Zwischenfall beendigt sein wird. Das große Publikum wird den Zaren infolge soeben ergangener polizeilicher Sicherheitsmaßregeln fast garnicht zu sehen bekommen. Der Polizeichef von Paris erließ ein Verbot, dem zufolge weder an den Straßen noch an den Plätzen, durch welche das russische Kaiserpaar kommt, Zuschauertribünen errichtet werden dürfen. Der Bürgermeister von Compiegne hat beim Ministerpräsi denten Waldeck-Rosseau um die Erlaubniß nachgesucht, wenigstens für die Senatoren, Deputirten und Bürger meister des Departements eine Tribüne errichten zu dürfen, erhielt jedoch den Bescheid, daß der Minister nickt in der Lage sei, Ausnahmen des von dem Polizei- chef erlassenen Verbotes zu machen. Auf die Kunde aus Buffalo stellte die italienische Regierung den fran zösischen Behörden hundert Polizisten zur Verfügung behufs Ueberwachung der in Frankreich sich aufhaltenden italienischen Anarchisten. Afrika. Siegestelegramme hat Lord Kitchener seit mehreren Tagen garnicht mehr von Stapel gelassen. Dieser Um stand beweist zur Genüge, wie mißlich die Lage der Engländer in Südafrika ist. Bezeichnend ist in dieser Beziehung auch die Thatsache, daß hervorragende Bürger der Stadt Pretoria bestimmt worden sind, die von ge nanntem Orte nach Pietersburg verkehrenden Zuge zu begleiten; da es allzuhäufig vorkam, daß auf dieser Linie, trotz der unmittelbaren Nähe Lord Kitchener? und seines Stabes, Eisenbahnzüge von den Buren in die Luft gesprengt worden. Wenn man auf diese Züge Buren stellt, glaubt man vor Nachstellungen sicker zu sein. Der englische Commissar von Mafeking meldete, daß ein Burencommando das Haus eines englischen Feldcornets mit sammt seinem gesammten Inhalt verbrannte und der Frau und den Kindern des Ge schädigten nur die Kleider gelassen habe, die sie an hatten. Tie Buren hätten die That lediglich aus Bos heit verübt. Bei Streydenburg hätten sie zwei unbe waffnete Eingeborene erschossen. Sollten sich diese An gaben bestätigen, so darf man dadurch nicht irre an den Buren werden. Wenn ihnen nach den endlosen Martern durch die Engländer endlich auch einmal die Galle ins Blut läuft und sie ernste Abrechnung mit den Eng ländern halten, so ist das vielmehr ganz selbstverständlich. Amerika. lieber die Vorgänge in Centralamerika wird aus Washington gemeldet, daß die columbische Regierung Nachrichten erhielt, denen zufolge Seitens Venezuelas, Ecuadors und Nicaraguas neue Einfälle stattgefunden hatten. Tie Krankheit Mac Kinleys und ihre Folgen für die Politik der Vereinigten Staaten von Nordamerika sind natürlich nur allzu geeignet, die Kriegsflamme in Centralamerika zu schüren. Jedenfalls ist die Kriegsgefahr dort durch den bedauerlichen Vorfall in Buffalo um vieles ernster geworden. Zu Mac Kinleys Befinden liegen ferner eine Anzahl ärztlicher Gutachten vor, die Beachtung ver dienen, und zwar um so mehr, als die eigenen Aerzte des schwer verwundeten Präsidenten mit einem fast un begreiflichen Optimismus die aussichtsvollsten Prognosen stellen. Es wird dem gegenüber von hiesigen Aerzten festgestellt, daß die Höhe der Pulszahl und der Tem peratur doch auf Fieber Hinweisen und daß die Gefahr einer Bauchfellentzündung noch keineswegs als ausge schlossen zu erachten sei. Sodann wisse man auch noch absolut nichts über den Verbleib der Kugel, die den Magen durchbohrte. Es sei keineswegs undenkbar, daß diese die Wirbelsäule verletzt oder sonstwie Zerstörungen angerichtct habe, deren Folgen sich noch bemerkbar machen könnten. Mit der Zeit wird auch eine Ab nahme der Kräfte des Präsidenten, der abgesehen von einigen Theelöffeln Wasser und etwas Digitalis, zur Regelung der Herzthätigkeit, seit dem Attentatstage nichts genossen habe. Endlich werden die Kräfte des Kranken durch heftige Schmerzen stark mitgenommen. Mehrmals mußten Morphiuminjectionen vorgenommen werden. Wachend kämpft der Präsident jedes Schmerzgefühl mit erstaunlicher Energie nieder; im Halbschlummer aber stöhnt er so fürchterlich, daß seine Umgebung oft zu der Annahme gelangt, der Kranke befinde sich in der Agonie. Alles das darf nicht übersehen werden. Da auch am Montag der Puls noch 120 betrug, so darf man die Nachricht, daß die Krise überstanden sei, nicht so wörtlich auffassen. Die Aerzte haben zwar die Hoffnung ausgesprochen, daß Mac Kinley schon wieder in etwa Monatsfrist die Staatsgeschäfte übernehmen könnte. So schnell wird es nun aber auch in dem allergünstigsten Falle nicht gehen. Herr Roosevelt wird die Regierung vielmehr eine ganze Zeit lang führen müssen. Und da dieser keine andre hervor ragende Eigenschaft als die unmäßiger Eitelkeit besitzt, so kann die Politik der Vereinigten Staaten unter Um ständen in allerkürzester Zeit erst recht nett verfahren werden. Wird Mac Kinley noch einmal hergestellt, so hat er sein Leben einem herkulischen Neger Namens Parker zu danken, der den frechen Mörder mit gewaltiger Faust niederschlug, als dieser im Begriff stand, noch einen dritten Schuß auf den Präsidenten abzugeben. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 10. September. Auf der Mulden- thalbahn treten mit dem 1. October einige nicht uner hebliche Fahrplanänderungen ein. So fallen die beiden von hier 10 Uhr 27 Minuten vormittags und 2 Uhr 35 Minuten nachmittags nach Glauchau verkehrenden Züge weg. Dagegen wird ein neuer Zug von Groß bothen nach Glauchau eingelegt, welcher gegen 9 Uhr vormittags die hiesige Station berührt und directen Anschluß in Glauchau an den Schnellzug 9 Uhr 32 Minuten ab Glauchau nach Bayern bringt. Ferner wird der jetzt in Großbothen 11 Uhr 8 Minuten vor mittags abgehende Zug, welcher nur bis Rochlitz ver kehrt, vom 1. October ab um 11 Uhr 44 Minuten von Rochlitz nach Glauchau weitergeführt. Der letztere Zug tritt hiernach an die Stelle des 12 Uhr 28 Min. mittags von Penig nach Glauchau verkehrenden Zuges. Mit dem Wegfall des Zuges 2 Uhr 35 Minuten nach mittags nach Glauchau dürfte die hiesige Bevölkerung freilich sehr wenig befriedigt sein. *— Tie sächsische Staatsbahnverwaltung hat ihre Stationen angewiesen, daß vom 1. October ab die Fuß böden der Personenwagen I., II. und III. Klasse wieder mit Fußdeckcn belegt werden. *— Nach den amtlichen Berichten über das Impf wesen im Königreich Sachsen während des Jahres 1900 betrug die Zahl der Geimpften 215,461. Davon wurden zum ersten Male geimpft 121,093, wieder geimpft wurden 94,368. Erfolg hatte die Impfung bei 116,272 Erstgeimpften und bei 88,715 Wieder geimpften. Sämmtliche Impfungen wurden, wie schon seit Jahren, mit Glycerin-Kälberlymphe vollzogen. Die Frage, ob nach der Impfung Fälle von Erkrankungen bez. Todesfälle vorgekommen sind, die der Impfung zur Last zu legen sind, wird folgendermaßen beant wortet: Leichte Entzündungen der Schnittstellen sind häufig vorgekommen, ebenso Schwellungen der Lymph- driisen. Auch werden einzelne Eiterungen des Unter hautzellgewerbes, Rothlauf, Verschwärung der Impf pusteln und Hautausschläge, sämmtlich unbedeutender Art, erwähnt. Dagegen sind Blutvergiftungen mit tödt- lichem Ausgange und Syphilis als Folge der Impfung nicht vorgekommen. *— Wer kennt und liebt nicht dir majestätischen Blüthenstände der weißen Lilie oder die der prächtigen Feuerlilie? Ueberall sieht man Lilien gern, sei es als Topfpflanze, als ganzes Blumenbeet, oder als Vor pflanzung vor Gehölzen. Die Behandlung ist so über aus einfach und die Dankbarkeit für geringe Pflege so groß, daß man sich wundern muß, die Lilien nicht noch viel häufiger anzutreffen. Eine sandiglehmige Erde mit Humus reichlich versetzt und ein freier, sonniger Stand ort ist für die meisten Lilienarten das Beste. Manche, es sind das aber weniger viele Arten, lieben Halb- oder Vollschatten. Tie neueste Nummer des praktischen Rath gebers im Obst- und Gartenbau, die vom Geschäftsamt zu Frankfurt a. Oder bezogen werden kann, veröffent licht einen längeren Artikel über Lilien, in dem die be kanntesten Sorten eingehend besprochen und für jede die Bedingungen zu bestem Gedeihen angeführt werden. Es wird auch durch Bilder veranschaulicht, wie man durch Einstecken der einzelnen Zwiebelschuppen in eine Samen schale sich selbst die Lilien heranziehen kann. *— Die Kohlentransporte auf den sächsischen Staats bahnen zeigen im Monat August d. I. gegenüber denjeni gen im gleichen Monate des Vorjahres einen nicht un wesentlichen Rückgang, denn während im August 1900 der Kohlentransport 1,063,608 Tonnen umfaßte, be trug er im August dieses Jahres nur 929,682 Tonnen. Der Rückgang trifft sämmtliche Abbaubezirke mit alleiniger Ausnahme der Altenburger Braunkohlen, die einen Auf schwung zu verzeichnen haben. Sächsische Steinkohlen aus den bekannten drei Revieren wurden insgesammt 279,862 To. (329,094 To. im August 1900), schlesische Steinkohlen 52,438 To. (47,639 To.), rheinisch-west- fälische Steinkohlen 22,611 To. (31,549 To.), Stein kohlen anderen Ursprunges 4355 To. (3135 To.), böhmische Braunkohlen 348,891 To. (438,355 To.), altenburgische Brankohlen 140,028 To. (125,799 To.), und Braunkohlen anderen Ursprunges 81,507 To. (88,037 To.) befördert. An einem Tage kamen durch schnittlich 29,990 To. (34,310) To. Kohlen zur Be- förderung. *— Ein gefährlicher Mitbewerber der deutschen Gold stücke ist jetzt in Verkehr gegeben worden. ES handelt sich um die neuen österreichischen 10- und 20-Kronen- stücke. Da diese aber nur einen Werth von 8,55 be ziehungsweise 17,10 M. haben, muß bei der Annahme von Goldstücken noch mehr als bisher Vorsicht geübt werden. — In Glauchau fand eine Zusammenkunft von Vertretern der Weber-Jnnungen von Hohenstein, Lichten stein, Callnberg, Meerane, Glauchau und deren Umgebung statt. Zwecks der Zusammenkunft war die Berathung eines Antrages an die Handelskammer Chemnitz, eine Einschränkung der weiblichen Arbeitskräfte in der Textil industrie anzustreben und mehr als bisher die gelernten Weber zu berücksichtigen. — In Marienthal begann am Sonntag die bienen- wirthschaftliche Ausstellung des bienenwirthschaftlichen Bezirksvereins „Erzgebirge". Zahlreiche Bienenvölker, Honig und Honigproducte, bienenwirthschaftliche Geräthe und Literatur rc. sind ausgestellt und für die Prämiirung