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reise nach Deutschland mit der Bahn über Wien er folgen, wo Kaiser Franz Joseph das Bataillon besichtigen würde. Zu einer Meinungsäußerung über die Gründung einer Colonialarmee ist Bayern von der Reichsregierung aufgefordert worden. Wir haben trotz aller noch so bestimmt auftretenden Dementis an der Meinung fest gehalten, daß die Absicht, eine Colonialarmee zu bilden, bei der Reichsregierung bestehe. Die Münchener Mel dung bestätigt die Richtigkeit dieser Auffassung. Zum Gumbinner Mordprozeß ist weiter zu melden, daß die Nachricht, der Dragoner Marten sei nach Danzig transportirt worden, um dort internirt zu werden, irrig ist. Es steht vielmehr fest, daß Marten bis zur Ent scheidung des Reichsmilitärgerichtshofs in Berlin in Gumbinnen verbleiben wird. Die Ueberführung des Verurtheilten nach Königsberg, dessen Militärgefängniß ebenfalls zum 1. Armeecorps gehört, soll der größeren Sicherheit halber in Betracht gezogen worden sein. Den Eltern des Marten ist bisher einmal gestattet worden, ihren Sohn im Gefängniß zu besuchen und unter strenger Aufsicht zu sprechen. Allen Militärpersonen ist in der Angelegenheit v. Krosigk bei Vermeidung von Arrest strafe strengstes Stillschweigen über Einzelheiten aus der Untersuchung auferlegt worden. Eine Neuverhaftung Hickels steht bevor. Prinz Tschung kommt möglicherweise überhaupt nicht nach Deutschland, so daß der Sühneact im Berliner Schlosse bis auf Weiteres verschoben werden muß. Die Langzöpfe in den „Drei Königen" zu Basel erklärten nämlich kategorisch, daß sie unter den jetzigen Umständen, d. h. also nach Forderung des Kotau, nie und nimmer nach Berlin reisen und lieber ihr Leben hingeben als sich den Bedingungen des ihnen vorge schriebenen Ceremoniells unterwerfen würden. Die Voll führung des Kotau, dreimaliges Berühren des Bodens mit dem Kopfe und neunmaliges Verneigen, vor dem deutschen Kaiser sei keine Förmlichkeit mehr. Eine nur dem chinesischen Kaiser gebührende Ehrenbezeugung, einem fremden Souverän bewiesen, würde nach chine sischen Anschauungen die Annahme erwecken, daß der Kaiser von China gleichsam Vasall jenes Monarchen geworden sei, dem man solche nur einem Himmelssohn zukommende Ehrung gezollt habe. Kein Chinese aber und am wenigsten des Kaisers eigener Bruder und hohe Staatsbeamte könnten die Hand dazu bieten, derartige Auffassungen zu erwecken. Prinz Tschung und seine Leute glauben ihre Weigerung aufrecht erhalten zu können, da sie annehmen, andere Staaten werden gleich falls gegen die Forderungen des deutschen Kaisers und seiner Regierung Einspruch erheben. Tie Speculation auf die Uneinigkeit der Mächte wird also auch von der Hand voll Chinesen in Basel fortgesetzt, gerade so wie sie im Reiche der Mitte selbst das Leitmotiv bildete. Die Leistung des Sühneganges ist im Artikel 1 des Schloßprotokolls von allen Mächten festgesetzt worden, über Einzelheiten ist nichts ausbedungen worden. In dieser Beziehung hat Deutschland den Chinesen gegen über also volle Actionsfreiheit. Für den Reichskanzler Grafen Bülow ist der Vorgang gewiß peinlich. In irgend einer Weise muß aber Rath geschafft werden. Von seinen Forderungen kann und wird Deutschland Unterhaltungscheil. Das Geheimniß der „Maria". Novelle von Anton v. Perfall. 34) (Fortsetzung). „Signalement: Alter: 24 Jahre; Haare: roth blond; Statur: groß und stark, hat auf dem linken Arm L und 8 und das Schifferzeichen eingebrannt." „Und dieser Bill Steven," ergänzte Fimey, der mit Heller Freude den tiefen Eindruck beobachtete, welchen die Verlesung dieses Schriftstückes hervorgerufen, „ist dieser George Ahldorf, streift nur den Aermel zurück, und Ihr werdet die Buchstaben mit dem Anker einge brannt sehen!" Alice drängte die Menge zurück, die sich dem am Boden liegenden Bill näherte, und sprang in den freien Kreis vor den Richter. „So hört alle!" rief sie laut. „Dieser Mann hier ist Bill Steven, wie Fimey behauptet! Aber der Mörder des Kapitäns der Maria' ist er nicht, sondern — dieser Elende da, Pat Fimey selbst." Fimey spielte va Zu verlieren hatte er nichts mehr, der Anblick Bills und Alicens, die allen seinen Nachstellungen trotzten, stachelte ihn zum Aeußer- sten auf. Entweder mußte sie den Vater verrathen und sich felbst schänden, oder Bill Steven im Stiche lasten. WaS sie auch wählen mochte, gerächt war er doch an ihr, an Bill und dem alten heimtückischen Orelly. „Und woher weiß die Miß das?" sagte er ohne seine Fassung zu verlieren. Sie zögerte einen Augenblick, warf einen Blick auf Bill, der noch nicht zum Bewußtsein gekommen, und sagte dann laut und vernehmlich: „Von meinem Vater weiß ich's!" „Meinem Helfer und Mitmörder, nicht wahr? Wenn natürlich kein Welchen nachlasten, andrerseits kann Deutschland gegen den Prinzen nicht gut mit Gewalt maßregeln vorgehen. Selbst der Abbruch der diplo matischen Beziehungen zu China würde wenig helfen. So lange Prinz Tschung die Sühne nicht leistet, kann selbstverständlich auch Seitens der übrigen Mächte der Frieden nicht abgeschlossen werden. Richtiger hätten die Mächte jedenfalls gehandelt, wenn sie auch nicht einen einzigen ihrer Soldaten aus Peking resp. Tschili zurück gezogen hätten, bis China, abgesehen vielleicht von der Zahlung der Kriegskosten, alle seine Verpflichtungen er füllt hätte. So kann es leicht zu recht unangenehmen Weiterungen kommen. Unser Geschwader ist ja noch in ansehnlicher Stärke in den chinesischen Gewässern zur Stelle, um, wenn es sein muß, schnell einzugreifen: Es wäre aber natürlich sehr viel besser, wenn es nicht mehr sein müßte. Auf den Werken von Gerhard Terlinden, des großen Schwindlers, dessen Verhaftung in Amerika un längst erfolgt ist, fanden am ultimo August Massen entlassungen von Arbeitern statt. Die Metallwerke und die Maschinenfabrik werden still gelegt. Ebenso wird die Stuhlfabrikation eingestellt. Die Herdfabrik wird ihren Betrieb sehr stark einschränken. Wie namen loses Unglück hat dieser Erzspitzbube über viele fleißige und glückliche Arbeiterfamilien gebracht! Giebt es über haupt eine Strafe, die hart genug wäre, um solche Schandbarkeit zu sühnen? Wohin sollen sich die in Oberhausen entlassenen Arbeiter wenden, jetzt wo der Winter vor der Thür steht und allenthalben Betriebs einschränkungen vorgenommen worden sind und noch weiter erfolgen werden? Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Joseph empfing am Sonntag in Wien die Abordnung seines Kaiser Franz Garde-Grenadier- regiments aus Berlin, welche ihm die neue Bekleidung und Ausrüstung der deutsch-ostasiatischen Besatzungs brigade vorführte. Die Offiziere nahmen an der kaiser lichen Tafel theil. Frankreich. Neueren Meldungen zufolge wird sich die Ankunft das Zarenpaares in Dünkirchen um einen Tag verzögern, das hohe Paar wird dort erst am 18. d. M. eintreffen; auch die Tanziger Zusammenkunft soll einen Tag später als ursprünglich beabsichtigt, und zwar erst am 11. d. M. erfolgen. Ob der Zar nach Paris kommen wird, weiß man dort noch immer nicht und doch bedarf man der Gewißheit so dringend, da flir den Fall des Besuches die ganze Stadt festlich geschmückt werden soll und tausenderlei Vorbereitungen getroffen werden müssen. Aus sehr nahe liegenden Gründen liebt es der Zar jedoch nicht, seine Reisedispositionen vor zeitig mitzutheilen, und da müssen sich die Franzosen schon auf einige Plötzlichkeiten gefaßt machen. Der Minister des Auswärtigen Delcasse hat seinen Specialkurier nach Kopenhagen entsandt, welcher beauf tragt ist, dem Zaren das amtliche Programm der anläßlich seines Besuches in Frankreich geplanten Fest lichkeiten zu unterbreiten. Nach Genehmigung des Programms durch den Zaren soll dasselbe veröffentlicht werden. Wie es heißt, beabsichtigt der Zar, von Reims aus über Deutschland nach Kopenhagen zurückzukehren. Sie das eine wissen, müssen Sie das andere auch wissen, nicht so?" Alice fühlte ihre Kräfte schwinden. „Ja, ich kann's nicht leugnen, die Wahrheit muß jetzt ans Licht — dem Mitmörder!" Der Tochter mußte man glauben, die gegen ihren eigenen Vater zeugte. „Orelly, der verfluchte Bankhalter! Holt ihn!" klang's drohend da und dort. Die meisten waren noch ganz verblüfft von der Anklage aus diesem Munde. John Stewart gab ein Zeichen, ohne daß Fimey es bemerkte, zwei Männer traten hinter ihn — ein Ruck — ein Aufschrei aus hundert Kehlen — und Fimey verschwand fast hoch oben im Laube der Eiche. Er war gerichtet! Bill erwachte von dem Getöse um ihn her, er konnte sich kaum entsinnen, was geschehen war. „Zu Orelly, dem Mörder! Wir wollen ihn richten, es gehe ihm wie Fimey! Auf nach Minershome!" so tönte es wirr um ihn her. Alice fühlte ihr Blut erstarren bei diesen Worten. „Sie wollen den Vater morden — ich selbst mußte alles verrathen!" flüsterte sie Bill rasch ins Ohr. Mühsam erhob dieser sich vom Boden. „Männer," schrie er den Davoneilenden nach, „habt Erbarmen um meinetwillen, des erlittenen Unrechts willen; habt Erbarmen mit Orelly — er verdient den Tod nicht — hört mich, Männer!" Das von dem eben vollzogenen Schauspiel aufs äußerste erregte Volk hörte aber nicht auf ihn und stürmte weiter; nur Martellos blieb. „Martellos", bat Bill, eile ihnen nach — mit Alice — beschwöre sie, bitte sie, vielleicht könut Ihr ihn retten, es wäre entsetzlich, wenn er jetzt sterben müßte. Haltet Euch nicht mit mir auf, ich kann mir allein hel fen — ich komme nach, wenn es möglich ist." Italien. Die Hinterlassenschaft des verstorbenen italienischen Staatsmannes Crispi hat infolge der bedeutenden Schuldenlast bei seinen Erben keinen Anklang gefunden, denn Frau Crispi sowohl wie die Tochter des Ver schiedenen, Fürstin Linguaglossa, haben erklärt, daß sie die Erbschaft nur unter Vorbehalt antreten, das heißt, falls sich herausstellen sollte, daß die Passiva die Activa überschreiten, kommen die Erben nicht für die unge deckten Schulden auf. Tie Villa in Neapel befindet sich vor der Hand noch unter gerichtlichem Siegel, weil einer der Testamentsvollstrecker erkrankt ist. Serbien. Eine seltsame Meldung kommt aus Serbien. Der zweite Bruder der Königin Draga, Leutnant Lunyeviza, soll zum Thronfolger ausersehen sein. Bestätigt sich diese Meldung, dann dürfte es nicht ohne Wirren ab- gehcn, denn die Familie der Königin Draga ist nichts weniger als angesehen. Es würde sich dann auck be wahrheiten, worauf bereits früher hingewiesen wurde, nämlich, daß Königin Draga niemals Mutter werden würde. Großes Aufsehen erregt in Belgrad auch ein Vorkommniß in der dortigen Militärakademie. Der Tirector der Akademie, General Boschkovits, wurde seines Postens enthoben, weil er einen Neffen der Königin, der Kadett ist, zurechtgewiesen hatte. Diese Maßregel verursacht in Offizierskreisen große Entrüstung. Der König ernannte den General Lazarevits zum Director der Akademie, doch weigert sich dieser, nach dem Bor gefallenen den Posten einzunehmen. Türkei. Sultan Abdul Hamid empfing am 25. Jahrestage seiner Thronbesteigung den deutschen Geschäftsträger Frhrn. v. Wangenheim, der wahrscheinlich die Glück wünsche Kaiser Wilhelms überbrachte. Die türkische Regierung hat die französische um Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen ersucht und eine befriedigende Lösung der schwebenden Frage zugesichert. Konnte das nicht gleich geschehen? Tie Auftheilung der Türkei hatte ein Abkommen zum Ziele, das im Jahre 1898 in Sofia von acht arnantischen Führern und acht macedonisch-bulgarischen Häuptlingen unterzeichnet worden war. Es sollten, wie erst jetzt durch die „Köln. Ztg." bekannt wird, zwei große autonome Provinzen Albanien und Macedonien gebildet werden. Alsbald nach Aufdeckung des Planes, die erst in diesen Tagen erfolgte, entsandte der Sultan Beamte zur Aufklärung des Sachverhalts nach Albanien. König Karol von Rumänien stattet Anfang dieses Monats dem Kaiser Franz Joseph in Wien einen Besuch ab. Man bringt diese bisher streng geheim gehaltene Reise mit den Vorgängen auf dem Balkan in Zusammenhang. Es wird dort also wieder einmal recht lebhaft. Kaum ist die Forderung des deutschen Ingenieurs Schünemann, die beinahe zur Pfändung zweier türkischen Kriegsschiffe im Kieler Hafen geführt hätte, aus der Welt geschafft, so tritt ein weiterer deutscher Gläubiger der Türkei mit Ansprüchen hervor. Ein Ingenieur Frank hatte vor mehreren Jahren in Mersin Terrains erworben und das Erforderliche für Bergbau und Kohlen schürfung eingerichtet, nachdem er sich durch kostspielige Vorarbeiten von der Rentabilität des Abbaues überzeugt Beide eilten den Voranstürmenden nach. Als sie Minershome erblickten, hing es wie ein Bienenschwarm vor dem Hause; doch schien der Alte Wind bekommen und die Anstürmcnden zur rechten Zeit bemerkt zu haben, denn weithin schallten die Schläge und die Stöße der erbitterten Schaar gegen Thüren und Fensterläden, die alle fest geschlossen waren. Endlich stand Martellos vor dem drängenden Haufen; doch seine gewaltige Stimme verhallte im Tumulte, und so weit er sich auch vordrängte in dem Menschengewühl, die wilden Wogen warfen ihn immer wieder zurück; zu letzt mußte er nur bedacht fein, Alice aus diesem Ge wühl zu retten. Ganz Sacramento schien vor dem Hause versammelt. Orelly war ja ohnehin verhaßt als Spielhaushalter. Das war ein willkommener Anlaß, sein Müthchen zu kühlen, und viele, die sich an dem Tumult betheiligten, wußten kaum, um was es sich handelte. Orelly, der alle seine Angelegenheiten geordnet hatte und eben im Begriff gewesen war, seinen letzten Gang nach Norcroß anzutreten, ahnte sofort, daS es sich um ihn handle; wahrscheinlich hatte Fimey, vielleicht Mar tellos ihn verrathen. Hätte man ihn verhaftet unter der Anklage deS Mordes, er hätte sich ruhig in sein Schicksal er geben, er hatte ja nichts mehr zu verlieren. Aber dieses haßerfüllte, selbst gesetzlose Anstürmen des ihm feindlichen Volkes, das wohl mehr die Lust am Skan dal und wohl auch die Aussicht auf des Spielhausbe- sihers Gold dazu antrieb als der Rechtlichkeissinn, reizte ihn zum Widerstande. Seine tollkühne Abenteuernatur, die schon unzähligen Gefahren getrotzt, machte sich wieder geltend; er war fest entschlossen, sein Leben theuer zu verkaufen und im äußersten Falle eine Kugel dem Stricke vorzuziehen. (Fortsetzung folgt.)