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Reichsbank betheiligt. Um für diese Kundschaft an Stelle der verkrachten Bank besser einspringen zu können, hat die Deutsche Bank alsbald eine Filiale in Leipzig er richtet, und die Reichsbank und die anderen Großbanken discontiren die Wechsel dieser Kundschaft bis zu der mit den Anforderungen der Sicherheit vereinbarten Grenze! Die Reichsbank kann dies um so leichter, als sie über einen ausnahmsweise hohen Metallbestand — beinahe 1 Milliarde Mark — verfügt. Wenn auch zu opti mistischer Auffassung des Leipziger Vorganges kein An laß vorliegt, so ist umgekehrt auch keine Ursache zur Schwarzseherei vorhanden, wenn man nur nicht blos in der Bankwelt, sondern auch im Publikum sich das nöthige Maß von Ruhe und Besonnenheit bewahrt!'' (Ja, die Banken sichern sich, die haben gut reden, aber daS Publikum — die Reihe der Actionäre — ist sein Geld los. Die Großbanken, als Gläubiger, sollten zu Gunsten der Actionäre auf einen Theil ihrer Forderungen verzichten, aber da werden sie sich gerade so hüten, wie bei den Krachs in Portugal, Griechenland rc., wo das Publikum den Schaden hatte, die Emmissionsbanken aber den Profit. Ermahnen ist nichts, helfen ist Alles!) Oesterreich-Ungarn. Auf dem slavisch-tschechischen Turnfest in Prag geht es hoch her. Neben allerlei mehr oder minder versteckten Ausfällen gegen Deutschland läuft auch eine französisch-tschechische Verbrüderung einher, die nicht minder deutlich beweist, daß nicht alle Franzosen so denken, wie die Automobilfahrer. Schätzen wir die Prager Vorkommnisse nicht besonders hoch ein, aber die Automobilfahrt ebensowenig. Es geht alles vorbei! Italien. Tie italienische Volksvertretung hat das heiße Rom verlassen und sich den Sommer über vertagt. In der letzten Sitzung kam es noch zu einem großen Skandal, da die Socialisten die Regierung heftig angriffen wegen des blutigen Ausganges der Arbeiter-Krawalle unweit Ferrara. Die Regierung, wie die Abgeordneten fühlten sich übrigens in ihren Schlußreden gewaltig, sie warfen sich in die Brust, als ob sie Gott weiß was geleistet hätten, und von wirklich praktischer Arbeit zur Herbei- fiihrung des Volkswohlstandes und socialen Friedens in Italien ist garnichts geleistet. Wir werden diesen Sommer noch Manches erleben. Türkei. An den Grenzen zwischen der Türkei und Serbien und Montenegro will absolut keine Ruhe eintreten, das Todtschlagen und Nasen- und Ohren-Ab- sch neiden geht mit einer Regelmäßigkeit seinen Weg, daS doch außerordentlich zu denken giebt. Merkwürdig ist es, daß an der türkischen Grenze der von Oesterreich- Ungarn verwalteten einstigen türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina gar nichts dergleichen mehr passirt, oder doch nur in großen Zwischenräumen. Und gerade die- Grenzgebiet war früher absonderlich berüchtigt. Wenn nur Serben und Montenegriner nicht etwas „nachhelfen- bei diesen Blutthaten. Asten. Nachdem soeben erst die übertriebenen, zum Theil auch direct unwahren Meldungen über neue Aus schreitungen, Christenmorde und Aufstandsver ¬ suche in Central-China richtig gestellt sind, heißt es nun, in der Mandschurei, die von den russischen Truppen besetzt ist, gehe es vrunter und drüber, und es würde wieder geplündert, gebrannt und gemordet, und die russischen Truppen seien für Wiederherstellung der Ord nung ganz unzureichend. Auch davon stimmt wieder einmal ein großer Theil nicht: Im Norden des russischen Hauptquartiers in Mulden hatten sich allerdings Räuber- banden und Boxerschaaren gezeigt, aber eine russische Colonne unter dem General Zerpitzki hat sie auch be reits wieder zersprengt. Diejenigen, welche sich heute bemühen, die chinesischen Zustände gar zu grau darzu- stellen, haben kein Glück, so schlimm ist's doch nicht mehr. Allerdings ist der Vertrag wegen der Kriegs kostenzahlung, der jeden Tag endgiltig fertig sein sollte, auch noch nicht bindend. Afrika. Die Engländer wollen ein paar kleine Burentrupps aufgehoben haben, die Buren setzen die Requirirungcn in allen Städten der Kapcolonie fort, in welche sie ein- dringen können. Und das sind nicht wenig. Die Kap- Holländer werden möglichst geschont, die englischen Geschäftsleute müssen aber dran glauben. Man kann den Buren nachrühmen, daß sie nur nehmen, was sie gebrauchen können, während die Briten in den Buren- Farmen seiner Zeit AlleS verwüstet haben, was sich irgendwie demoliren ließ. Die Kapbriten erheben be- reits lautes Wehgeschrei, und da sie von den Buren, die zur Stunde nicht haftpflichtig gemacht werden können, nichts zu erwarten haben, verlangen sie Schadloshaltung von der englischen Regierung, die sie nicht beschützt. (Wenn John Bull das auch noch Alles bezahlen sollte! O weh I) Die Anklagen gegen die Engländer wegen der in Süd-Afrika verübten Gräuclthaten und ganz besonders wegen der schändlichen Behandlung der Buren- Frauen und Kinder häufen sich in unanfechtbaren Beweisen dermaßen, daß den „Herren mit dem dicken Fell" in London doch etwas schwül zu werden beginnt. Ist es doch so weit gekommen, daß „englisch" und „brutal" dasselbe bedeutet! Hunderttausende von Stim men der Entrüstung klingen nach der Themse hinüber, treiben allen ehrenhaft denkenden Leuten die Schamrötbe in die Wangen und lasten sie den Unterschied zwischen britischem Bibelvertheilen und britischen Kulturthaten be- denken. Mit dem Muthe der Verzweiflung wollen Colonialminister Chamberlain und Genosten das Spiel nicht verloren geben; nachdem alle Winke mit dem Zaun pfahl an die Buren, sie möchten sich doch ergeben, nicht das geringste Resultat gehabt haben, hofft man in Lon don auf irgend einen glücklichen Zufall. Aber wo soll der wohl Herkommen? Die Buren hüten sich, in eine Sackgaste hinein zu laufen, wie das der Starrkopf Cronje vor bald anderthalb Jahren gethan. Zum Herbstbeginn wird der Krieg, in welchem es dem reichen England schon heute total an kräftigen und tauglichen Soldaten fehlt, die kein Geld der Welt herbeischaffen kann, wenn sie der Opfermuth der Bürger nicht hergiebt, zwei Jahre dauern. Die an das Schlimmste nun gewöhnten Buren halten auch noch ein drittes Jahr aus; John Bull aber nicht. Amerika. Aus den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika wird darauf aufmerksam gemacht, daß die großen Eisenbahn verwaltungen durch den Bau von immer neuen Neben linien mehr und mehr Land für den Getreidebau im Großen erschließen und das Korn dann direct den Farmern abnehmen. Entsprechende Getreidewagen oder Säcke liefern die Bahngesellschaften, die Farmer brauchen ihr Korn nur an die Bahn zu bringen und erhalten dann das Geld. Freilich nicht zu viel, aber die Ackerbauer sparen auch Scheunen, Arbeitskräfte und jedes Risico! An ein Nachlassen des amerikanischen Getrcide-Exports in absehbarer Zeit ist gar nicht zu denken, eher ist eine Zunahme zu erwarten. Ein Landsyndikat in Nicaragua (Central-Amerika) sucht in großen Mengen Ansiedler, namentlich deutsche, dorthin zu ziehen. Es wird den Auswanderern An siedlung und alles Mögliche versprochen, doch sollen sie an dem erforderlichen Bahnbau mit thätig sein. ES ist zu bedenken, daß nicht Alles, was versprochen ist, ge halten wird, und vor Allem daran, daß das Klima außerordentlich ungesund ist. Beim Bahnbau von Panama haben ungezählte Tausende ihren Tod am Sumpffieber gefunden. Großer Mangel an Arbeitern herrscht im nord amerikanischen Staate Kansas. Zwanzig Farmer be waffneten sich mit Pistolen und großen Knüppeln und gingen nach der Station Petersen, wo sie einen Aus wandererzug aufhieltcn, zwei Wagen abkoppelten und die Arbeiter, die nach dem Westen gehen wollten, wo sie in der Erntezeit einen Tagelohn von 2^ Dollar (lO Mk.) verdienen, zum Verbleiben zwangen. Die Weizenernte in Dakotas und Minnesota beträgt 185 Millionen Bushels, ein Ergebniß, das bisher noch nicht erreicht worden ist. Ans dem Muldenthale. *Waldenburg, 1. Juli. Die gestrige Wanderver sammlung des Bezirksobstbauvereins Glauchau nach unserem Orte war vom schönsten Wetter begünstigt und verlief auf das Glänzendste. Nachdem nachmittags 3 Uhr die Freunde des Obst- und Gartenbaues der Fürst lichen Hofgärtnerei einen Besuch abgcstattet, und auch die dazu gehörige Obstplantage besichtigt hatten, fand die Versammlung im Rathhaussaale statt, die von Herren und Damen aus Nah und Fern auf das zahlreichste besucht war. Herr Obstbauwanderlehrer Michael aus Auerbach sprach hier in einem 1 ^stündigen Vortrage über die Nothwendigkeit der Conserviruug verschiedener Früchte, Gemüse und Pilze und die verschiedenen Methoden deS Conservirens und empfahl für den häuslichen Be darf als die beste aller Conservirungsmethoden da» Sterilisirungsverfahren mit Benutzung der Dosen und Verschlußvorrichtung vou I. Wock in Oefflingen (Baden). Anweisung für Beschaffung und Gebrauch der nöthigen Apparate können Interessenten unentgeltlich erhalten bei Herrn Hofgärtner Wildner hier, dem Vorsitzenden des hiesigen Obstbauvereines. *— Im Kaiserhofe in Werdau fand gestern Sonntag Nachmittag von '/,4 Uhr ab eine Telegirtensitzung de» Gauverbandes erzgebirgischer Gewerbevereine, wobei Unterhaltungstheil. Die Manöverstütze. Novelle von Anna Gnevkow. 27) (Fortsetzung.) Todtenstill war es in dem Krankenzimmer, nicht der Laut eines Athemzuges hörbar, beklemmend legte es sich auf Leonorens Herz und trieb sie empor von den Knien, auf denen sie vorher gelegen und für das Leben deS Verwundeten gebetet, um, wie vorher Elisabeth, sich dicht, immer dichter zu dem weißen, blutlosen Antlitz des Kranken hernieder zu beugen. „Nur leben, nur leben!" von dem Herzen quoll es ihr warm empor zu den Augen, und eine heiße, brennende Thriine fiel, ehe sie ihr zu wehren vermochte, hernieder auf die Stirn des Liegenden. Ob sie der Kranke em pfunden, ob gerade in dieser Minute die Lethargie, die ihn gefangen genommen, wich? Langsam hoben sich die Lider von den Augensternen, und diese selbst sahen, wenn auch noch etwas trübe, doch mit einem vollen Strahle des Erkennens in das geneigte Mädchenantlitz. „Leonore!" War es eine menschliche Stimme, war es nur ein Traum, eine Einbildung, daß ihr Name, leicht, wie ein Hauch, durch das Zimmer geglitten? Gab es einen so plötzlichen Uebergang von der tiefsten Hoffnungslosigkeit zum Glauben an ein Besserwerden, an eine Wendung des traurigen Geschicks? Und Leonore blieb athemlos in der einmal eingenommenen Stellung, Auge in Auge mit dem Manne, der ihren Namen genannt. Und Hugo Erbach fuhr fort zu sprechen, leise, ver schleiert, mit einem Ausdruck weicher Glückseligkeit, der Lori ins Herz griff. „Bist Du auch'gestorben und mir vorangegangen, mein Mädchen, und es giebt nun keine Schranke mehr, die uns trennt? Wer wollte auch in dem Reiche des Lichtes danach fragen, was Stellung und Geld ausmachen, nur auf die Liebe kommt es an, und ich habe Dich immer geliebt, Leonore." Am Bette hingesunken lag wieder das Mädchen, das dunkle Haupt dicht neben der einen verwundeten Hand des Mannes, die Augen mit einem herzzerreißenden Ausdruck zu dem Gesicht des Kranken erhoben. Er fieberte, sicher fieberte er, Elisabeth nur meinte er, konnte er meinen, wann hätte er ihr je Liebe bezeigt, wann wäre er ihr je etwas anderes gewesen, als der treue Freund, wann hätte er ihr je Anlaß gegeben, über ihn zu triumphiren, wie sie sich dies früher so sehr, so heiß ersehnt? Aber es war süß, seinen Liebesworten zu lauschen, eine kurze Minute hindurch zu wähnen, daß man selbst damit gemeint sei, und ihre Augen ließen nicht ab von dem Gesichte deS Mannes, sie lauschte angestrengt auf das leise Gemurmel des Kranken: „Ich habe Dich so geliebt, Leonore, daß ich Dich für dies schönere, bessere Leben erkauft, wenn ich Dich auch auf Erden einem andern überlassen mußte. Aber Kurt wird es einsehen, daß so viel Liebe, Treue und Leid auch ihren Lohn haben müssen, denn ich habe um Dich gelitten, gelitten im Park, als Du nur Augen für ihn zu haben schienst, auf dem Biwak, als Du Dich ihm wohl angelobt, und nun bist Du gern zu mir gekommen, nicht, Leonore, Du kamst gern?" Ein Heller Glanz, der Glanz wie von etwas Ueber- irdischem legte sich über das bleiche Männerantlitz, es sah aus, als wolle der Tod in diesem Augenblick Besitz davon ergreifen, aber dicht neben ihn, Wange an Wange schmiegte sich jetzt das leicht erglühte Gesicht Loris, aus ihren Augen strahlte kein Triumph, strahlte nur die Wonne über das Geständniß des Mannes, an dem es, seinen letzten Worten nach, ja nichts mehr zu zweifeln und zu deuteln gab, das ihr sagte, er liebe sie, sie nur allein, und mit bebenden Lippen flüsterte sie ihm zu: „Gern bin ich gekommen, o, so gern, weil es allein mein Glück ausmacht!" „Leonore!" — Tie Lider des Mannes schlossen sich wieder, eine zuckende Bewegung deS Armes schien an zudeuten, daß der Kranke gern nach der Hand der Ge liebten gegriffen, und das Mädchen legte deshalb die feinenFinger leise, leise um die verhüllte Hand des Mannes. Gleich darauf hörte man die festen ruhigen Athemzüge eines Schlafenden durch die stille Stube, spiegelte sich der Sonnenstrahl in einem Paar leuchtender, glückseliger Mädchenaugen. Eine halbe Stunde später kam Elisabeth, um ihren Platz am Krankenbett wieder einzunehmen, und sie sah mit so ängstlich forschenden Augen nach Leonore hinüber, daß dies» sich fast unhörbar von ihrem Platze erhob und ihre Hand von der des Geliebten zurückzog. „Er schläft, Lieselchen, er schläft," sagte sie dabei in fast jauchzenden Tönen zu der kleinen Amtmannstochter, „geben Sie acht, nun geht's der Genesung entgegen, auch sein Augenlicht hat nicht gelitten, und wenn er dann gesund wird, werde ich triumphiren und dem Doktor sagen, daß meine Nähe ihm die wahre Heilung gebracht." „Und er hat nichts gesprochen, nicht phantasirt, Sie nicht durch wirre Reden und Ausbrüche erschreckt und geängstigt?" fragte Elisabeth dringend und sah Lori in das seltsam veränderte, leuchtende Antlitz. „Er hat gesprochen, hat mich angesehen, mich erkannt und, wenn er auch noch in halbwachem Zustand wähnte, daß wir beide gestorben, so hat er mir doch gestanden —" „O, dann phantasirte er auch noch," schnitt Elisabeth in jammerndem Tone die Worte Loris ab, „denn, wenn er sich in seinen Jrrreden mit Ihnen beschäftigte, kam alles, was er sprach, so wirr und kraus, so unver ständlich heraus, daß man's empfand, nur das Fieber gebe ihm die wunderbaren Bilder ein, und im wachen Zustande würden sie alle wieder verfchwinden." (Fortsetzung folgt.)