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Mlagc M ZchönlmM Tageblalt. 1M. Donnerstag, den 2V. Jnai 1901. Aus dem SachsenlanÄe. — Für die seit Montag in Berlin unter dem Vorsitz des Preußischen Ministers der geistlichen re. Angelegen heiten Or. Studt tagende Konferenz für die Einheitlich keit der deutschen Rechtschreibung sind von selten der sächsischen Staatsregierung als Kommissare abgeordnet die Herren: Kockel, Geheimer Rath im Königl. sächsischen Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, und Prof. vr. Lyon, Stadtschulrath in Dresden. — Die feierliche Bestattung des Justizministers Or. Schurig fand am Dienstag Mittag 12 Uhr auf dem Neustädter (St. Pauli-) Friedhöfe in Dresden in Gegen wart des Prinzen Friedrich August statt. Oberhof prediger vr. Ackermann hielt die Gedächtnißrede. — Ter 22. Verbandstag selbständiger deutscher Kon ditoren bestimmte, daß 1902 der 23. Verbandstag und das 25jährige Jubiläum des Verbandes in Leipzig stattfinde. — Aus seinem Stipendienfonds von etwa 237,500 Mark hat der Allgemeine deutsche Frauenverein in Leipzig eine Anzahl von Stipendien vertheilt; drei an Medicinerinnen, vier an Philosophinnen, eines an eine Studentin der Naturwissenschaften und mehrere an Gym nasiastinnen. Außerdem spendete der erwähnte Verein 9000 Mark zur Erhaltung von Gymnasien. — Die von der Stadt Leipzig mit einem Kosten aufwande von über 4 Millionen Mark erbaute umfang reiche Heil- und Versorgungsanstalt Dösen wird kommen den 1. October dem Betriebe übergeben. — Bei Beginn der Vorbereitungen für die im nächsten Jahre in Zittau geplante Oberlausitzer Gewerbe- und Industrie-Ausstellung, für die ein Garantiefonds von 150,000 Mk. vorgesehen war, hatten sich die städtischen Kollegien daselbst zur Zeichnung von 30,000 Mk. zu diesem Garantiefonds bereit erklärt, sofern die übrigen 120,000 Mk. von privater Seite voll gezeichnet würden. Diese Summe ist weit überschritten worden, denn der gesammte bisher gezeichnete Fonds (einschließlich obiger 30,000 Mk.) beziffert sich zur Zeit auf über 204,000 Mk. Der Stadtrath hat daher, vorbehältlich des Bei tritts der Stadtverordneten, beschlossen, die zugesicherten 30,000 Mk. nunmehr definitiv zu zeichnen und des Weiteren zu genehmigen, daß die Ausstellung in der Weinau stattfindet. — In tiefe Trauer versetzt wurde am Montag in Lichtenstein eine im Erker des Restaurants zur Teich, mühle wohnende Familie eines Geschirrführers. Ein ca. V/z Jahr altes Kind derselben war in einem un bewachten Augenblick dem Fenster zu nahe gekommen und durch zu weites Hinausbeugen auf die Straße ge stürzt. Lie Verletzungen des Kindes waren derart, daß abends 8 Uhr der Tod eintrat. — Von den Erben des Heimgegangenen treuverdienten Kirchenvorstehers Herrn Stadtrath Oswald Schön in Werdau ist zu kirchlichen Zwecken die Summe von 2000 Mk. ausgesetzt worden. Davon sollen 500 Mk. dem Werdauer Gustav-Adolf-Zweigverein zugefallen und 1500 Mk. zur Stiftung eines Fensters in der künftigen neuen Kirche bestimmt sein. — Die altenburgische Regierung hat dem Landtage für seinen Wiederzusammentritt einen Gesetzentwurf gegen den Contractbruch ländlicher Arbeiter zugehen lassen. — Unter dem Verdachte, den Mord an dem bei Halle aufgefundenen 60jährigen Arbeiter Staab aus Ponitz verübt zu haben, ist bekanntlich der Fuhrwerksbesitzer (nicht Feuermann) Thielicke in Schönhain verhaftet und an das Amtsgericht zu Schmölln abgeliefert worden, wo Thielicke am Dienstag Vormittag die Verübung des Raubmordes eingestanden hat. Thielicke scheint in Geld verlegenheiten gewesen zu sein und hat den Staab, der im Besitze einer größeren Geldsumme war (man sagt 400 bis 500 Mk.), zu der gemeinschaftlichen Fahrt nach Halle in Thielicke's Geschirr veranlaßt. Ter Mord ist in der Nacht vom 7. zum 8. Juni verübt worden. Nach einigen Tagen kam Thielicke wieder in Ponitz an. In zwischen war der bei Halle stattgefundene Mord durch die Zeitungen bekannt geworden. Ein bei dem Todten aufgefundener Zettel wies nach Meerane hin und so wurde der Ermordete nach kurzer Zeit als der Arbeiter Staab recognoscirt. Damit war die Spur gefunden, die schließlich zur Verhaftung des Thielicke führte. — Tie getreuen Unterthaninnen des jungen Groß- Herzogs Wilhelm Ernst von Weimar wollen partout eine Landesmutter, und deshalb haben sie ihm wieder- holt zu verstehen gegeben, sie möchten ihn baldigst auf Freiersfüßen sehen. Ganz schlau hat es nun eine Eise nacherin angefangen. Für den Geburtstag des Groß herzogs verfertigte sie einen sehr appetitlichen Kuchen, formte ihn in Gestalt einer Evatochter, süß und duftig zum Anbeißen, und sandte ihn unter Beifügung folgen der selbstgedichteter Verse per Post in das Schloß nach Weimar: „Was Dir heut' ward von mir bescheert, — Tas hast Du nimmermehr begehrt. — Tritt flink heran, greif' zu und schau: — 's ist doch was Süßes . . . eine Frau!" Ter Großherzog soll über solch' deutliches, halb scherzhaft, halb ernsthaft gemeintes Winken mit dem Zaunpfahl weidlich gelacht haben. Ob's aber ge holfen hat? Ortskalender von Waldenburg. Alterthumömuseum im Schönburger Hofe 2 Treppen. Geöffnet Senn- und Feiertags von nachm. 1—3 Uhr. ^athsexpeoitio«: Geöffnet von 8—t2 und 2—6 Uh. (Städtische Kaffen nur bis 5 Uhr.) Sonn- und Feiertage geschloffen. Städtische Sparkasse j« Walve«b«rg r Geöffnet täg lich von 8 bis 12 Uhr vormittags und von 2 bis ü U r nachmittags. Schul» «nd Bolksbibliothet geöffnet Mittwochs von 11 bi« 2'/« Uhr. Gewerbevereins-Bibliothek. Geöffnet Montags abend« von '/-8 bis 8 Uhr. FSrstl. Sparkasse» Geöffnet Dienstags, Donnerstag« Sonnabends s. Borm. 8—11 und Nachm. von 2—ö Uh» Sprechstunde« des Rechtsanwalts vr. Rüde regelmäßig Dienstags von 11 Uhr Vorm, bis 6 Uhr nachm. dost- »nd Telegraphen-Amt r Geöffnet Wochentags von 7, im Winter von 8 Uhr Borm, bis 12 Uhr, Nachm. von 2—7 Uhr. An Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 7 bez. 8 bis 9 Uhr Vorm, und '/,12—'/-1 Uhr mittag-, Nachmittags 5—6 Uhr nur Te'egraphendienst. «Snigl. »üterexpeditio« ans Bahnhof Waldenbnrg Expeditionszeit an den Wochentagen im Sommerhalb jahr von 7 Uhr, im Winterhalbjahr von 8 Uhr morgens bis 7 Uhr abends, mit Ausschluß der Stunde von 12 bis 1 Uhr mittags. Zoll- und steuerfreie Eilgüter können auch an Sonn- und Feiertagen, jedoch mit Aut- schluß der Zeiten des Gottesdienstes, bis mittags 12 Uhr aufgl geben und abgenommen werden. «««ich» Verkaufsstelle« für Postwerthzeiche« bestehen: 1 ., bei dem Kaufmann Albin Lehmann, Johannesstraße, 2 ., - - - Harald Meyer, Schloßgaffe, 3 ., - - - Oscar Rößler, Obergasse, 4 ., - - - Bernhard Bauch i.Fa. Eugen Wil- Helm, Obergaffe, b., bei dem Kaufmann Ludwig Hellweg, Mittelstadt, 6 ., - - - W. Orgs in Lltwaldenburg, 7 ., - - - Bernhard Schuppe, vorm. Max Liebezeit in Altstadtwaldenburg, 8 ., - Herrn Karl Scherf in Altstadtwaldenburg am Bahnhofe. T-«igl. Etemramtr Obergaffe 47, 1 Tr. Sxpeditionsstnn- den von Vorm. 8 bis 12 und Nachm. von 2 bi« 6 Uhr. Mnderdrwahrarrstalt (Dorisstift) geöffnet von 8 Uhr früh bis 6 Uhr abends. Äemeiubekravkeupstese. Wohnung der Schwester alte« Rentamt 2 Treppen. ZSrpl.Vi«s»«m hinter dem Marstall (eine großartige Samm lung von Sängethieren, Bögeln, Schmetterlinge», Minera lien rc^ Gemeindewatseurath (Bezirkseintheilung aus dem Rath- hause und beim Obmann einzusehen). 1. Bezirk: Herr Oberpfarrer Harleß, 11. Bezirk: Herr Schornsteinfegermstr. Clauß, III. Bezirk: Herr Sekretär Ahnert, Obmann de« Gemeindewaijenrathes. Aaffcnverwaltuug de» Kürstl. SchSnbllrgische« G««i» «ars r Hauptgebäude Parterre rechts. Expeditionszeit für den öffentlichen Verkehr am 1. Werkstage eines jeden Mo- nats vormittags von 10—12 Uhr und Freitags von 11 bis 12 Uhr. Unterhaltungstheil. Die Manöverstütze. Novelle von Anna Gnevkow. 20) (Fortsetzung.) Hier schälten die bärtigen Männer unter fröhlichem Lachen und Plaudern die Kartoffeln zur Abendmahlzeit, dort wurden die Büchsen mit den Fleischconservcn ge öffnet, und andere wieder schürten das Feuer und stellten die Töpfe mit dem leckeren Mahle zum Garkochen dicht daran. Auch auf dem Lsfizierskochherde brodelte es schon längst ziemlich verdächtig, die Herren Offiziere selbst aber waren eifrig mit dem Reinignngswcrk beschäftigt, und während auch die Mannschaften in großen Trupps zu einem nahe gelegenen Tümpel zogen, um sich prustend und plätschernd von dem Staube des Tages zu befreien, thaten die Herren dies in den schnell her- gerichteten Zelten, und Kurt Watdau ist der schnellsten einer, während Leutnant von Böhmer nicht fertig werden kann, sich in einen Handspiegel sehend den Scheitel ge rade zu ziehen und das Schnurrbärlchcn mit Brillantine zu versehen. Tie Ellcrstädts versprachen nämlich, das Biwak zu besuchen und sich bei den Bekannten dort einzufinden, und aus diesem Grunde hatte Kurt Waldau nicht allein seinen Freund Erbach gebeten, gleichfalls von seiner Biwakstätte aus zu ihnen zu floßen, er hatte seinem Burschen auch den Auftrag criheilt, für einen Trank duftigen Mokkas zu sorgen, den man den Tomen ser vilen könne, wenn sie sich gegen Abend einslellteu. Während nun der ehrliche polnische Junge, der Kurt zuertheilt worden, aus dem Manöverranzcn alles nur Lenkbare herauspvckte und einen aus verschiedenen Klötzen vor dem Zelte hergestclllcn Tisch mit einem schneeweißen Tuche überdeckte, standen sein Herr und der Hauptmann Erbach ziemlich schweigsam im Freien und warteten. Tie Tunkelheit war früh hereingebrochen, der Abend da, aber das Mondlicht hatte sich eingestellt, es flimmerte und glänzte auf den kleinen, krausen Wellen des nahen Weihers, mischte sich seltsam mit dem grellen Feuerschein und war wie zugehörig zu den leisen Tönen und Accorden der Regimentsmusik, die von einem andern Biwakseide aus, wo der Stab liegen mußte, gedämpft herübcrschollcn. Beide Herren, Kurt sowohl wie sein Freund, folgten ihren eigenen Gedanken und doch mochten sich diese auf dem Punkte „Ellerstädt" begegnen, galt es doch mit dem heutigen Abend Abschied von dessen Bewohnern zu nehmen, Abschied sür immer, wie sich dies Haupt mann Erbach mit festem Entschlusse zugcstand. Und nun waren sie alle da, der alle Baron und Leonore zu Pferde, Erna und Linda mit der Mutter im offenen Wagen, und nur Elisabeth fehlte, die kleine Manöver stütze, die doch so gut noch als vierte in der Equipage Platz gefunden hätte, und deren Fehlen Kurt einen leichten Ruf des Bedauerns entlockte, während er schnell herzusprang, Lori vom Pferde zu heben, und Haupt mann Erbach an den Schlag des Wagens herantrat. „Fräulein Hallig ist nicht mit?" hörte der junge Gutsherr den Freund, der sein Interesse sür Elisabeth gar nicht verbarg, dann noch fragen, und er lauschte so angestrengt auf das, was die Tomen erwidern würden, daß ihm eine Frage Lconorens, die an seiner Seite dahinschritt, völlig entging. „Fräulein Hallig war von den vorhergehenden Tagen so ermüdet," erklärte die Baronin mit ihrer kalten, klaren Stimme, „daß ich ihr selbst den Rath ertheilte, daheim zu bleiben und sich auszuruhen," und dann griff sic noch d,m Arme dcs Hauptmanns und lenkte so schnell auf ein anderes Gesprächsthema hinüber, daß man ihr die Unlust anmcrkte, ncch weiter über eine so untergeordnete Cache zu sprechen. Zwischen den Reihen der essenden Mannschaften hin durch geleiteten die Herren hierauf ihre Tomen und fühlten sich doch befriedigt, wenn zuweilen ein lautes: „Ah" der Bewunderung beim Anblick der lieblichen Mädchen auf die Lippen der bärtigen Krieger trat. Ten Baron belustigte es aber auf das höchste, den emsig essenden Leuten zuzusehen, und mehr als einmal bethcuerte er lachend, es sei ein famoser Einfall, dies Biwak besucht zu haben, und er würde bei sich daheim auch einmal eine solche Lagersuppe bereiten lassen, um zu sehen, wie solch eine Kost seinen Damen munde. Als er dann aber bemerkte, wie der Marketender einigen der Soldaten sür drei Pfennig Schmalz zu ihrem Kommißbrot verkaufte, rief er mit seiner dröhnenden, gemüthlichcn Stimme: „Was, Leute, das habt Ihr nicht alle, eine solche Delikatesse sollte einer entbehren?" und cowmandirte sür jeden ein Seidel und Fett aufs Brot aus den Wagen der Händler, die deren Inhalt lockend ausgestellt. Tas war etwa- für die Leute, in denen das Schluß biwak schon alle Geister des Ucbermuths und der Aus gelassenheit geweckt. Mit den Gläsern klirrten sie an einander, an den improvisirten Koffeetisch, auf dem der braune Labetrunk dampfte, den die Herren den Eller- städl'schen Tomen eigenhändig servirt, traten sie in großen Trupps heran, und einer ihrer Kameraden, ur wüchsig zwar und ungeschlacht, aber doch von unwider stehlicher Komik, brachte ein Hoch auf den freigebigen alten Herrn aus, der sich ihrer so freundlich angenommen und verhieß zugleich, zum Ergötzen der Herrschaften, die üblichen Rescrvistenvergnügungen noch am heutigen Abend vom Stapel laufen zu lassen. Erna und Linda omüsirtcn sich köstlich; sie nippten von dem duftenden Mokka, gestanden ein, solch einen Biwakabcnd fast eincm Bollabende gleichzustellen, nahmen die Huldigungen der jungen Leutnants, die flüsternd betheuertcn, die Tage in Schloß Ellerstädt auf Ehre nie zu vergessen, gnädig hin und lachten zuweilen so herzlich, daß cs bis hinaus klang zu den Soldaten, die an den Lagerfeuern hockten und emsige Berathungen miteinander hielten. (Fortsetzung folgt.)