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seine Bitten beim Auswärtigen Amt in Berlin haben nicht das Mindeste geholfen. Ter Mann ist total ruinirt. Er klagt, daß es ihm als Deutschen nicht möglich sei, Schutz gegen die Briten zu finden. Die zollpolitische Conferenz hat auch am gestrigen Mittwoch Berathungen abgehalten. Ob der bisherige Verlauf der Debatten die Erwartungen des Reichs kanzlers auf eine allseitige Verständigung bestärkt hat, weiß man nicht, da über den Inhalt der Berathungen absolutes Stillschweigen beobachtet wird. Die „Franks. Ztg." meint, diese Vorsicht der Verschwiegenheit werde geübt, um der öffentlichen Discussion bis zur endgültigen Fertigstellung und Publication des Entwurfes vorzu beugen. Es geschehe wohl auch deshalb, weil die Conferenz keine Beschüsse fassen werde, da sie nur ein Meinungsaustausch sei. Allerdings sei anzunehmen, daß das, worüber man sich in dieser Conferenz einige, von vornherein auf die Zustimmung des Bundesraths zu rechnen habe. Die Doppeltarif-Bestrebungen beim neuen Zoll tarif sind, wie die „Berl. N. N." hören, seit dem Rück tritt des Ministers v. Miquel in den maßgebenden Kreisen in den Hintergrund getreten. Man ver spricht sich davon nicht mehr die Vortheile, die man früher durch den Doppeltarif zu erreichen glaubte. Es steht auch zu erwarten, daß die Regierungen der größeren deutschen Bundesstaaten dieselbe Stellung einnehmen werden. Eine solche Stellungnahme schließt natürlich nicht aus, daß die Reichsregierung in irgend einer Form eine Erklärung abgiebt, beim Abschluß von Handels verträgen nicht unter einen bestimmten Procentfatz der Lebensmittelzölle zu gehen, falls ein Nachlaß der Lebensmittelzölle beim Abschluß von Handelsverträgen in Zukunft überhaupt noch irgendwelche Bedeutung haben sollte. Württemberg nimmt dem „Rhein. Cour." zufolge die Reichspostmarken an und verzichtet auf An bringung jedwedes Sonderzeichens oder Sonderaufdrucks zur Dokumentirung des Fortbestehens seiner Posthoheit. Bayern wird sich wahrscheinlich dem Württembergischen Vorgänge bald anschließen. Zwischen den Regierungen Deutschlands, Oesterreich- Ungarns und Italiens ist über die künftige Zollbe handlung des Weins eine Verständigung bereits er zielt worden. Unter Aufhebung der Weinklausel wird der gegenwärtige Tarif um 25°/g erhöht, bei weiterer Steigerung nach dem Alkoholgehalt. Dagegen werden Italien gegen den Wettbewerb anderer Länder besondere Vergünstigungen für bessere Flaschen- und Schaumweine gewährt. Auf der 2. Hauptversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege in Wies baden erklärte ein Mitglied, daß ihm von autoritativer Stelle die Mittheilung geworden sei, daß sehr bald, wahrscheinlich schon binnen Jahresfrist, die Einführung einer einheitlichen Rechtschreibung für das deutsche Reich zu erwarten sei. Außerdem ständen die Schweiz und Oesterreich den deutschen Absichten freundlich gegen über, so daß auf den Anschluß auch dieser beiden Länder gerechnet werden dürfe. (Zeit wird's!) Montenegro. Fürst Nikolaus von Montenegro hat mit einem Zeitungsmann über den Stand der Dinge auf der Balkanhalbinsel eine Unterredung gehabt, worin er vor Allem Rußland als natürlichen Beschützer aller christlichen Staaten im Orient proclamirte. Er gab zu, daß heute Manches zu wünschen übrig bleibe, hoffte aber, auch die Balkanstaaten würden sich emporarbeiten. Dazu gehört vor Allem, daß eine andere Wirthschaft Platz greift, wie z. B. zur Zeit in Montenegro herrscht. (Im planlosen Geldausgeben ist auch Fürst Nikolaus nie klein gewesen, und seine Unterthanen könnten hungern, wenn der Zar nicht ab und zu Geld schickte.) Portugal. Die bestehende Ministerkrise hat mit der soeben erfolgten Auflösung der Kammern und der Ansetzung der Neuwahlen für October ihren einstweiligen Abschluß gefunden, besteht jedoch latent weiter. Asten. Graf Waldersee hat am 4. Juni von Taku aus auf der „Hertha" die Heimreise angetreten. Daß der Generalfeldmarschall China nun endgültig den Rücken gekehrt hat, erfüllt jeden Deutschen mit hoher Genug- thuung. Wir wissen nicht, was noch werden mag. Ueberraschungen und Zwischenfälle aller Art sind keines falls ausgeschloffen. Aber die Last der Verantwortung ruht nun doch nicht mehr vornehmlich auf den Schultern eines deutschen Offiziers, sondern die Befehlshaber aller Verbündeten Truppencontingente theilen sich darin. Die Chinesen scheinen es darauf abzusehen, den Ver bündeten Mächten nach der Abreise des Grafen Walder see aus Peking ganz besonders große Schwierigkeiten zu machen. In der verbotenen Stadt ist eine große Feuersbrunst ausgebrochen. Japanische und ameri kanische Truppen haben den brennenden Stadttheil streng abgesperrt, so daß genauere Nachrichten über die Ursache des Brandes noch nicht zu erhalten gewesen sind. Jedoch kann es wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß die Chinesen der Brandstiftung schuldig sind, die sie in ihren Kreisen selbstverständlich den fremden Truppen zufchreiben werden, um so gegen diese einen fanatischen Haß zu schüren; die fanatischen Hallunken rechnen natürlich darauf, daß sich der allgemeine Haß gegen die Fremden nach Rückzug des Gros der ver bündeten Truppen in Thaten umsetzen wird. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, erscheint der Brand der verbotenen Stadt in Peking als ein äußerst folgen schweres Ereigniß. Afrika. Am 5. Juni 1900, also gerade vor einem Jahr, ist Lord Roberts als stolzer Sieger in Prätoria ein gezogen, und um die Sache der Buren war es da mals so schlecht bestellt, daß man in England jeden Tag auf die Beendigung des Krieges wartete, und alle Burenfreunde die bange Sorge hegten, daß es nun um die Freiheit der beiden südafrikanischen Republiken ge schehen sei. Wie anders sieht der 5. Juni dieses Jahres aus: Schlappen über Schlappen der Engländer kenn zeichnen die Entwickelung des Krieges während der letzten Monate. Und Alles, was wir über London er fahren, bleibt offenbar hinter der Wirklichkeit zurück. Während Lord Kitchener alle zahlenmäßigen Angaben über den Verlust der Engländer bei der Eroberung von Jamestown peinlich vermied, erfahren wir durch Privat meldungen bereits, daß 300 englische Soldaten bei Jamestown in die Hände der Buren gefallen sind und daß diese außer sehr großen Kriegsvorräthen auch vier Geschütze eroberten. Ueber die Schlacht von Vlakfontein, die dem englischen General Dixon die bekannte schwere Nieder lage brachte, liegt jetzt ein etwas umfassenderer Privat bericht vor, der die Sachlage freilich auch noch nicht völlig aufklärt. Ihm zufolge marschirte Dixons Colonne durch das Land, um Posten zu etabliren. Zwölfhundert Buren unter Kenry kamen unter dem Schutz von Groß feuer plötzlich an die Flanke. 50 Engländer fielen auf ihre erste Salve. Die englischen Freiwilligen schaarten sich um die Geschütze, wurden aber decimirt. Als die Artilleristen sahen, daß sie die Geschütze nicht halten konnten, erschossen sie die Pferde der Geschütze, damit die Buren sie nicht fortschaffen konnten; dies allein rettete die Kanonen. Die Buren eroberten die Kanonen, zogen sich aber vor dem heftigen Geschützfeuer der Eng länder zurück. Die Verluste der Engländer waren furcht bar groß. Nach verschiedenen in London verbreiteten Gerüchten befindet sich Lord Kitchener garnicht in Prätoria, son dern in Standerton, wo er mit dem Burengeneral Botha über den Frieden verhandelt. Die „Daily Mail" will aus der Umgebung Krügers die Versicherung erhalten haben, daß nichts Wahres an diesen Ge rüchten ist. Amerika. Dem großen nordamerikanischen Stahlringe gegen über, der mit einem Kapital von bald fünf Milliarden Mark arbeitet, machen die anderen amerikanischen Eisen werke gewaltige Anstrengungen, ihre Werke zu erwei tern. Es fragt sich blos, wohin all' der Stahl und das Eisen verkauft werden soll. Bei einer solchen Massen-Erzeugung müßte ja eine unerhörte Ueberpro- duction und Schleuderei herauskommen. Das Geld der Yankees ist auch kein Blei, sie besinnen sich wohl noch Einiges. MS dem Muldenthale. "Waldenburg, 6. Juni. Beim Herannahen des neuen Kalender-Vierteljahres machen wir unsere Leser darauf aufmerksam, daß die Einziehung der Zeitungs gelder neuerdings sowohl im Orts- wie im Landbestell, bezirke, und zwar in der zweiten Hälfte des letzten Monats eines jeden Vierteljahres durch die Orts- und Landbriefträger stattfindet, welche auch berechtigt sind, über die erhobenen Zeitungsgelder vollgültige Quittung zu leisten. Zeitungen, auf die der Bezieher nicht mehr abonniren will, können von ihm oder dem Briefträger im Bestellzettel, welchen der Briefträger vorlegt, gestrichen werden. Wird die Bestellung einer bisher noch nicht bezogenen Zeitung erwünscht, so wird dieselbe von dem Bezieher oder von dem bestellenden Boteu in den Be stellzettel nachgctragen. Die Annahme der Bestellung erfolgt unter dem Vorbehalte der nachträglichen Prüfung seitens der Postanstalt. Dem Publikum ist fortan auch Unterhaltungstheil. Die Manöverstütze. Novelle von Anna Gnevkow. 13) (Fortsetzung.) Bei dieser Quadrille nun habe ich, das stolze Fräulein Von Ellerstüdt, dem es doch wahrhaftig nicht auf die Meinung des kleinen Artillerie-Leutnants ankommt, mir etwas zu Schulden kommen lasten, was mich hinterher heiß verdrießt. Leutnant Erbachs Augen waren einige- male so kühl, so gleichgültig über mich hingeglitten, sein Mund hatte so oberflächliche nichtssagende Redens arten für mich gehabt, als ich bei einigen Touren seine Partnerin wurde, daß — mein Fächer in einem Augen blick zu Boden sank, wo, ich sah es zu genau, sein Fuß darauf treten, ihn zertreten mußte. Es kam, wie ich es gedacht, es beabsichtigt, er hob das zerbrochene Ding blitzschnell aus, steckte es ein, erbat sich mit einer leichten Entschuldigung die Erlaubniß, mir den Fächer im Hause meines Onkels wieder Herstellen zu dürfen — und ich hatte erreicht, was ich wollte. Das Spiel ist nicht mit diesem Ball zu Ende und aus, mein Herr Leutnant Erbach, Sie werden wiederkommen, öfter kommen, siegen soll die Schönheit über alle Vorurtheile, um sich von dem Spötter und Verächter dann kalt fort zuwenden." Und Leonore liest weiter in ihrem Tagebuch: „Der Fächer liegt mit den ganzen Stäben in seinem zierlichen Etui, und der Besuch deS Herrn Premier-Leutnants Erbach ist zu allgemeiner Zufriedenheit ausgefallen. Onkel lobt den jungen Mann als einen ebenso eifrigen Soldaten wie wissenschaftlich gebildeten Menschen, dem die Aufnahme in den Generalstab dereinst gesichert sei, TantenS Zuneigung gewann er sich durch einige prak tische Winke über die Behandlung von Hyazinthenzwie- deln, die in den Zimmern „ihrer Excellenz" viel zu sehr in die Blätter schossen und darüber vergaßen, Blüthen zu treiben, und Cousine Irmgard, die mit be sonderem Scharfblick sofort herausfindet, ob jemand sich gut anzieht und ihn sehr schnell danach zu taxiren pflegt, erklärte ihn, trotz seiner sonstigen Verrücktheiten, für durchaus schneidig. Ich? — Nun ich bin eben bei dem Besuche wenig oder gar nicht zur Geltung gekom men, zum Glück auch nicht nach meiner Meinung über den Gast gefragt worden, denn ich ärgere mich, und da mag man wohl kein ganz unparteiiches Urtheil haben." „Heute war Gesellschaft bei uns," heißt es weiter, „und natürlich der Held des Artillerieballes auch da. Er tanzte auch mit mir, denn es wurde nach dem Souper etwas gehüpft, und dem Anstande mußte er doch gerecht werden, aber die Kavallerie macht es besser, mit ihr saust man nur so durch den Saal und Lieute nant Erbach tanzt, wie er spricht, mit Ueberlegung, fest und sicher. Das klingt ja beinah wie ein Lob, und was noch schlimmer ist, ich muß es ruhig stehen lassen und darf es nicht als einen Jrrthum durchstreichen oder verbessern. Wie gern hätte ich den Mann ein einziges Mal nur durch einen glänzenden Witzes- und Geistes funken, wie sie mir ja doch sonst zu Gebote stehen, ge blendet und verwirrt, aber es ging nicht, ging nicht in den Minuten, in denen er noch nach den Tänzen plau dernd neben mir stehen blieb, auch nicht, wenn ich ihn in meiner Nähe wußte und meine Unterhaltung mit anderen so einzurichten suchte, daß er sie unbedingt hören mußte. Sprach er mit mir, kam ich bald in die Ver legenheit, ihn um Aufklärung über dies und das bitttn zu müssen, was mir noch nicht ganz klar aus seinen Erzählungen geworden, und wollte ich ihn aufmerksam auf mich machen, fühlte ich eine Ungeschicklichkeit über mich kommen, eine Furcht, ihm gerade im Gegentheil unklug zu erscheinen, die mich völlig verstummen ließ. Ich glaube, ich bin zuletzt ganz so gewesen, wie ich gewöhnlich bin und habe ihm gar nicht imponirt, waS ich einfach unausstehlich finde." „Oh, die köstlichen Wintertage," klingt es etwas später wie Heller Jubel aus dem Tagebuch heraus, „Irma und ich laufen um die Wette Schlittschuh, und die glänzendsten Kavaliere begleiten uns, so daß unser Zug auf dem Eise immer ein ordentliches Aufsehen er regt. Leutnant Erbach läuft auch, ja er thut es ganz besonders elegant, wie Irmgard meint, aber er bleibt mehr für sich, etwas, was er am Ende gar nicht nöthig hätte, da er bei unseren Herren, den Kavalleristen, sehr beliebt ist und sein bester Freund, Rittmeister von Be» wernfeld, fast immer mit uns zu laufen pflegt." Und weiterhin: „Der Rittmeister hat seinen Käme- raden von der Artillerie nun auch zu unS herüber ge- lockt, und gestern liefen Leutnant Erbach und ich eine weite Strecke auf der spiegelglatten Fläche des Sees allein dahin. Es war wundervoll; die Sonn« schien so strahlend von dem wolkenlosen, blauen Himmel, Bäume und Sträucher standen wie verzaubert mit ihren krystallenefl Zweigen, ntan sah nichts als lachende Augen, frische, geröthete Wangen fröhlicher Menschen; ich glaube, einen so schönen Tag giebt's selten. Und als ich mit meinem Gefährten lief, immer weiter und wei ter lief, kam's über mich wie ein heißes Verlangen, dem Manne an meiner Seite ein einziges Mal nur zu beweisen, daß seine Worte im Ballsaal auf mich nicht ihre Anwendung fanden, ihn zu beschämen durch die Gewißheit, daß er mit seinen unfehlbar scheinenden Worten geirrt; aber seine Hand hielt ruhig die meine, sein Blick lag so still auf mir, eS kam mir vor, alS wagte ich mich an eine zu große Aufgabe heran, als thiirmte sie sich unüberwindlich, riesengroß vor mir auf, und als würde es mir nie gelingen, diesen einen, auf den Mir jetzt alles ankam, zü meinen Füßen zu sehen." (Fortsetzung folgt.)