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ÄikM M Lchönbmger Tageblatt. Dmmersta,, »en SS. ««i 1M. Aus dem Mnl-enthale. *Waldenburg, 22. Mai. Tie neue Bahnlinie Altenburg-Langenleuba soll, dem Vernehmen nach, am 16. Juni in Betrieb genommen werden. — Ter officielle Schluß der Jubiläums-Ausstellun des Vereins für naturgemäße Lebens- und Heilweise in Glauchau fand am Montag statt. Ter erste Vor steher, Herr Ketzler, wies noch einmal auf den erfreu lichen Erfolg der Ausstellung hin. Tie Ausstellung ist von 6000 Personen besucht worden. Ferner dankte Herr Ketzler allen dortigen nnd auswärtigen Ausstellern für ihre Unterstützung und betonte, der Verein werde sich ihrer geleisteten Dienste jederzeit erinnern. Soweit er sich informirt habe, sei ein großer Theil der Aus steller mit dem erzielten Resultat sehr zufrieden, einige hätten total ausverkauft, auch seien vielfach sehr aner- kennenswerthe Abschlüsse gemacht worden. Ein Aus steller übergab Herrn Ketzler 20 Mk. für den Verein. Hierauf dankte namens der Aussteller Herr Stadtverordne ter Brox dem Ausstellungscomitä, insbesondere seinem Vorsitzenden, Herrn Ketzler, für die arbeitsreiche Mühe waltung und betonte ferner, daß, wenn so wie im Glauchauer Naturheilverein, Vertrauen, Uneigennützigkeit und Eifer vereint, schöne Erfolge nicht ausbleiben. Der Naturhcilvcrcin habe sich durch seine Jubiläumsfeier ein bleibendes Andenken gesichert. Herr Brox schloß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den Verein. — In ZlvicklM wurden am Sonnabend drei „Geld- männel" festgenommen. Sie hatten einen Herrn für 600 Mk. echtes Geld 6000 bis 10,000 täuschend nach gemachtes Papiergeld angeboten. — Tas Zwickauer Bahnhofs-Verwaltungsgebäude wird umgcbaut. Ter Bau ist auf etwa 200,000 Mk. veranschlagt. Vorläufig werden auf dem Bahnhofs vorplatz große interimistische Fahrkartenschalter errichtet. — Wegen bedeutender Unterschlagungen kam in Zwickau ein 19 Jahre alter Geschäftsreisender aus Zwötzen zur Anzeige, welcher vis Ende v. I. in einem dortigen Geschäft thätig war und mehrere einkassirte Beträge in Höhe von einigen Hundert Mark im eigenen Interesse verausgabte. — Eine verheerende Fischseuche grassirt im Zwickauer Schwanenteich. Von dem ansehnlichen Karpsenbestand Von ca. 6000 Stück sind bereits ca. 1000 junge Karpfen Verendet. Tie Stadtverwaltung hat mehrere der ver dorbenen Fische zur Untersuchung an die Universität München gesandt. Auch soll das Wasser bakteriologisch untersucht werden. — Tie Maximilianshütte bei Zwickau gedenkt wegen mißlichen Geschäftsganges einen Hohofen bei ihrem Filialwerk zu Lichtentanne ansblasen zu lassen. Aus dem Sachseulande. — Ter Verkehr auf den Sächsischen Staatseisen bahnen hat im Jahre 1900 wieder eine erfreuliche Zu nahme zu verzeichnen. Ueber die Einzelergebnisse, denen die entsprechenden Zahlen vom Jahre 1899 in Klammern beigesetzt sind, ist Folgendes mitzutheilen: Bei den Staatseisenbahnen sind 67,222,491 (65,065,762) Personen, 37,550,570 (34,987,630) Kilogramm Reise gepäck und 25,299,264 (23,949,003 Tonnen Güter befördert worden. Tie Einnahmen betrugen aus dem Personen- und Gepäckverkehr40,550,080 Mk. (39,386,785 Mk.), aus dem Güterverkehr 79,000,473Mk. (16,890,556 Mk.). Tie Gesammteinnahme bezifferte sich darnach auf 120,450,553 Mk. (116,277,341 Mk.) und ergab eine Zunahme des Bruttoerträgnisses um 4,173,212 Mk. Berücksichtigt man aber, daß die Ausgaben im Jahre 1899 drei Viertheile der Einnahmen beanspruchten, so wird bei Annahme eines gleichen Verhältnisses ein Mehrüberschuß von nur etwas über 1 Mill. Mk. zu erwarten stehen. Nicht uninteressant ist der Vergleich mit den Ergebnissen aus dem Jahre 1890. Damals betrug die Gesammteinnahme 82,693,174 Mk.; sie ist demnach in dem zehnjährigen Zeitraum um rund 37»/^ Mill. Mk. oder 45,6 Procent gestiegen. Tas Bahnnetz hat sich von 2594,65 Kilometer auf 3043,89 Kilometer, d. i. um 449,24 Kilometer oder 17,3 Procent erweitert. — Dem Leipziger Hauptverein der Gustav Adolph- Stiftung wurde zur Förderung seiner Zwecke von einem Freunde, der ungenannt bleiben will, ein Kapital von 6000 Mk. überwiesen. — In der Nacht zum Montag sind in Rempes- grün drei Wohngebäude, der Gemeinde, dem Guts besitzer Heß und dem Bäcker Hahn gehörig, sowie zwei Scheunen niedergebrannt. Nur das Vieh konnte ge rettet werden. In knapp zwei Stunden lagen sämmt- liche fünf Gebäude in Schutt und Asche. — In Schilbach brannten kürzlich innerhalb weniger Tage die beiden Gasthöfe nieder. Ta nach dem Brande des Wickcl'schen Gasthofes ein 17jähriger Knecht Namens Strobel aus dem Torfe verschwand, so lenkte sich auf St. der Verdacht der Brandstiftung, und es gelang am Sonnabend, den Flüchtling in Göttcrndorf (Reuß) fest zunehmen. — Am Tunnel an der Diethendorser Mühle (neue Chemnitz-Thalbahn) haben sich größere Massen Erdreich und Gestein losgelöst und das Gewölbe durchschlage», sodaß der dadurch entstandene Schaden von sachkundiger Seite auf 10,000 Mk. geschätzt wird. — Die in Radebeul wohnhafte Frau verw. Pollci verunglückte dadurch tödtlich, daß sie abends beim Ein tritt in das Haus einer ihr befreundeten Familie in dem nicht erleuchteten Hausflur die steinerne Kellertreppe hinabstürzte. Tie Frau trug so schwere Verletzungen davon, daß sie bald starb. — Eine gräßliche That erregt die Gemüther der Bewohner des Dörfchens Oberlemnitz bei Lobenstein. Dort hat am Himmelfahrtstage abends gegen ^/,11 Uhr der 21 Jahre alte Sohn Gustav des Gutsbesitzers Thomä seine 11 Jahre alte, ruhig schlafende Schwester Anna mit einem Beile erschlagen. Der Thäter, ein starker Mensch, leidet seit seiner Kindheit an Epilepsie und religiösem Wahnsinn. Er ist sich seiner entsetz lichen That nicht bewußt. Bevor er diese ausführte, hatte er schon seinen Vater bedroht. Tas arme Opfer, ! dem durch den Beilhieb der Schädel gespalten war, > lebte noch einige Stunden. Der unglückselige Thäter mußte schließlich an Händen und Füßen gefesselt werden, f — Tie Ehefrau des Grundstücksbesitzers August Hensel in Steinigtwolmsdorf wurde durch die Geburt > von Drillingen überrascht. Mutter und Kinder befinden i sich wohl. ! — Zum 50. Male Großmutter geworden ist 'am ! 12. d. M. die Frau verw. Todtengräber Wunderlich in Bernstadt. Tie Greisin hat während ihrer 43jährigen , Ehe 13 Kindern das Leben geschenkt, von denen 10 noch i am Leben sind. Von den 50 Enkeln sind 39 noch l am Leben. — Als am Sonntag Nachmittag der Personenzug, .welcher von Stollberg 6 Uhr 11 Min. in Scheiben berg eintrifft, sich der Haltestelle Hermanvsdorf näherte, - bemerkte man, daß von Bubenhänden ein größerer Stein auf die Schienen gewälzt worden war. Glücklicherweise ! wurde derselbe durch den Schienenräumer der Loco- motive bei Seite geschleudert und dadurch größeres Unheil verhütet. Toch nicht genug der schändlichen That! Ter Zug, welcher abends 8 Uhr 45 Minuten i von Scheibenberg nach Zwönitz abgeht, fand denselben ! Stein genau an derselben Stelle wieder auf den Schiene»; er wurde rechtzeitig gesehen, der Zug hielt diesmal an und nahm den Stein mit sich zur nächsten Station. — Ter kürzlich verstorbene Handelsmann Karl Alt- mann in Nieder-Cunners-orf bei Löbau hat der dortigen Schule ein Kapital von 3000 Mk. letztwillig vermacht, dessen Zinsen zur Veranstaltung von Schul festen Verwendung finden sollen. — Ter kürzlich in Dresden verstorbene frühere Director der Maschinenbauanstalt Gölzern, Herr Jean ! Nötzli, hat der Stadt Nerchau 3000 Mk. vermacht, deren Zinsen alljährlich solchen dortigen Bürgerssöhnen i zufließen sollen, die sich dem Maschinenbaufache widmen ! werden. i Unterhaltungscheil. Lie Manöverstütze. Novelle von Anna Gnevkow. 3) tFortsitzung.) Vorüber war die Ruhepause, die Nachtquartiere muß ten erreicht und bezogen werden, die lässige Haltung der Soldaten war einer strammen Position gewichen, die einzelnen Züge hatten sich formirt, Knrt von Wal dau, der von seinem Erstaunen über die junge Fremde noch immer etwas Befangenheit zurückbehalten, halte sein Pferd bestiegen, und vorwärts ging cS, die breite, platte Chaussee entlang, an der die Pappeln wie hohe ernst hafte Wächter aufgepflanzt erschienen. Mit einem Seuf zer, den der junge Offizier der natürlichen Ermüdung zuschob, die ihn wie die Mannschaften gleichmäßig Peinigen mußte, nachdem sie am Tage wohl zehn Stun den auf den Beinen gewesen, blickte er nach dem hoch gelegenen Ellerstädtschen Schlosse hinüber, an dem er, seinen Marschbestimmungen zufolge, vorüberzuzichen hatte, um in dem eine Stunde weiter liegenden nur aus Banerngehösten bestehenden Torfe Herzthal Quar tier zu nehmen und einen Ruhetag dort zu verleben. Kurt von Waldau kannte die Ellerstäots nicht nur von einer Saison in der Hauptstadt her, die er, der be güterte Landcdelmanu, der jetzt als Reserveoffizier das Manöver milmachte, dort mit ihnen gemeinschaftlich ver lebt, er war ihnen auch in einem der besuchtesten Ost seebäder begegnet und hatte sich ihnen umsomehr ange schlossen, als seine Eltern mit der Familie schon eng befreundet gewesen und der junge Sohn oft aus ihrem Munde gehört, wie sehr dieser Frcundschaftsbund sie beglückte. Taß dabei zuweilen der Wunsch laut ge worden, Knrt solle diesen Bund noch zu einem festeren, einem verwandtschaftlicheren gestalten, das hatte damals den jungen Mann, der noch weit von Heiratsgedanken entfernt gewesen, gar nicht gestört; harmlos und unbe fangen hatte er mit den hübschen Töchtern des Barons, von denen ihm Leonore, die älteste, bei weitem am besten gefiel, gescherzt und gelacht, und erst jetzt, wo der Tod der Eltern ihn selbständig gemacht, wo er sich auf seinen Gütern, in seinem Hause einsam gefühlt und die Ehe ihm daher wie eine Erlösung verheißungsvoll und verlockend erschienen, war ihm der Gedanke an eine Heirat näher getreten. Er nahm es wie einen Finger zeig des Himmels, daß ihn das Manöver in die Nähe von Ellerstädt führte, und er hatte es sich fest vorge nommen, am andern Morgen (erst mußte man sich doch durch eine lange Nachtruhe von allen Strapazen erholen) auf das Gut des Barons zu reiten und den Herrschaf ten, die sei» Kommen möglicherweise schon durch diesen oder jenen Kameraden in Erfahrung gebracht haben konnten, seine Aufwartung zu machen. Daß es ihn jetzt wie eine prickelnde Unruhe ergriff, der kommende Mor gen möge erst da sein, legte er für ein günstiges Zeichen in betreff seiner Gefühle für Leonore aus, und seinem Pferde ein wenig die Sporen gebend, daß cs nur müh- fam in den Zügeln zu halten war, summte er leise die Melodie des Marsches mit, den die Militärmusik auf ihren Blechinstrumenten anstimmte, als die erste Scheuer des Torfes Herzthal in Sicht kam. Tie Bauern, ihren Schulzen an der Spitze, hatten es sich nicht nehmen lassen, die militärischen Gäste aus das beste willkommen zu heißen und ihnen zu beweisen, daß solch ein Baucrnsäckcl auch einmal offen sein könne, wenn es galt, die Ehre oes Ortes und das eigene An sehen zn wahren. Wie leicht konnte es doch auch sein, daß der geliebte junge Landesherr die Marken Herz- thals mit seinem Besuche beehrte und mit seinen Hellen Augen alles sah, was ordnungswidrig und häßlich ge wesen. In Folge dessen hatten des Landmanns Stolz und Freude, die hohen Tüngerhaufen, ihren Platz nicht mehr vor den Thürcn, aus denen man nur mit einiger Vorsicht hatte schreiten können, sondern hinter den Häusern erhalten; an den Fenstern mit den spiegel blanken, kleinen Scheiben prangten in bunten irdenen Töpfen rothblühende Fuchsien, Balsaminen und Gerani um, bei dem Krämer waren im Schaufenster die Oel- druckbilder des Kaisers und der Kaiserin ausgestellt worden, und die jungen Dirnen mit den bauschigen, ge stärkten Röcken hatten die Sonntagsschürzen vorgebun den und trugen die Haare in vielsträhmigen, von Fett > glänzenden, festen Flechten. Kurt von Waldau hatte eins der Staatsquartiere bei einem der reichsten Bauern erhalten, und er stieß, als er die gute Stube seines Wirths betrat, einen lauten ! Ruf der Freude beim Erblicken einer Gestalt aus, die sich von dem geradlehnigen, mit schwarzem Leder be zogenen Sofa erhob, um ihm mit ausgestreckten Händen entgegen zu kommen. „Kurt!" „Hugo!" „Wo kommst Du her? Liegt Dein Regiment hier in der Nähe? Wie hast Du mich gesunden? Habt Ihr auch einen Ruhetag?" All diese Fragen über stürzten sich aus dem Munde Kurt von Waldaus und ließen den Kameraden gar nicht zur Antwort kommen, der schon verschiedene Male einen Ansatz zum Sprechen gemacht und der nun, in ein heiteres Lachen ausbrechend, seine Hand auf den Arm des Gefährten legte. „Von wo ich komme, Freund Waldau?" rief er endlich in die Pause hinein, die entstand, als der junge Reserve offizier einmal Athem schöpfte. „Aus meiner Garnison natürlich! Was ich hier will? Manöveriren, wie auch Tu wahrscheinlich. Wo ich einquartirt bin? In Eller städt. Ob ich einen Ruhetag vor mir habe? Mehr als einen, denn auch das Schlußbiwak ist hier in der Nähe. Und was ich in Herzthal will? Tich mitnehmen, Dich begrüßen und abholen, alter Junge, wenn Tu Tich erst wieder etwas zum Menschen gemacht und Tein ursprüngliches Gesicht unter dem Chausseestaub zum Vorschein gekommen ist." (Fortsetzung folgt.)