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Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Ltchtenftem-Callnberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, -Iberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdori, Herm'prrchrr Nr. 8. Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. 114. Sonnabend, dm 18. Mai 1901. Witterungsbericht, ausgenommen am 17. Mai, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 762 MM. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerftand 15° 0. (Morgens 8 Uhr ch 13° 6.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 53",n. Thaupunkt 6° 0. Windrichtung: Nordost. Niederschlagsmenge in den letzten 48 Stunden bis 12 Uhr mittags: 6,, WM. Taher Witternngsaussichten für den 18. Mai: Wechselnde Bewölkung bis halbheitcr, Gewitterneigung. *Walde»burg, 17. Mai 1901. Die letzte Reichstagssitzung vor der Vertagung Ivar die bewegteste während des ganzen Scssionsabschnitts. Als am Montag der Abgeordnete Singer gegen den Vorschlag des Präsidenten Grafen Ballestrem, die dritte Lesung des Branntweinsteuergesetzcs bereits am Diens tag vorzunehmen, Einspruch erhob, da sagten wir: das ist der Beginn der Obstruction. Er war es in der That. Die Berathung am Mittwoch mußte die Besorg nis; nahe legen, daß die Vertreter der Stcuererhöhung an diesem Tage allein nicht mehr in beschlußfähiger Stärke versammelt sein würde». Tie Süddeutschen, welche eine weite Reise zurückzulegen haben, am Don nerstag, dem Himmelfahrtstage, aber selbstverständlich in der Heimat sein wollten, waren, wie von vornherein anzunehmen war, am Mittwoch Mittag zum großen Theil bereits aus Berlin abgereist. Wie schleunigst vorgenommcne Auszählungen von privater Seite er gaben, waren die Freunde der Vorlage in der Fassung zweiter Lesung, also mit der 50procentigen Steuer erhöhung, nicht mehr in beschlußfähiger Anzahl vor handen. Tic Obstruction hatte also gewonnenes Spiel. Der Abgeordnete Richter nahm gar keinen Anstand, der Rechten zuzurufen, daß ihr eine stattliche Anzahl von Mitgliedern fehlten, und die lange Geschäftsordnungs debatte, die sich über das Verlangen nach namentlicher Abstimmung über die vom Abgeordneten Fischbeck ein- gcbrachtcn Anträge entspann, zeigte deutlich, daß die Rechte ihre Niederlage für besiegelt hielt. Und je länger die Debatte über die geschäftsordnungsmäßige Zulassung der Anträge über namentliche Abstimmung andauerte, desto stärker lichteten sich die Reihen auf der Rechten. Jeder Zug, der Berlin nach 11 Uhr verließ, führte eine Anzahl Abgeordnete in die Heimat. Die Oppo sition war nur 25 Mann stark erschienen, sie hatte es aber garnicht einmal nöthig, bei den Abstimmungen voll zählig den Saal zu verlassen. Die erste namentliche Abstimmung über den Antrag Fischbeck wies noch mit 205 Abgeordneten ein beschlußfähiges Haus auf. Bei der zweiten kurz vor 1 Uhr vorgenommenen nament lichen Abstimmung waren jedoch nur noch 179 Anhänger der Vorlage «nwesend; von den 25 Mitgliedern der Opposition brauchten sich nur 6 zu entfernen, und das Haus war mit 198 Stimmen beschlußunfähig, es fehlte ihm eine Stimme zur Beschlußfähigkeit. Die Sitzung wurde geschlossen, das Haus vertagt und das Brenn steuergesetz, das am 1- October abläuft, fand keine Ver längerung und keinen Ersatz. Was nun werden soll, ist zunächst eine oura posterior. Daß die Obstruction der Linken Erfolg hatte, lag an der Lauheit und Gleich, gültigkcit der Mitglieder der Rechten, die unter allen Umständen für ein beschlußfähiges Haus hätten sorgen müssen. Selbstverständlich liegt bei der am Mittwoch geübten Obstruction eine krasse Vergewaltigung einer großen Mehrheit durch eine ganz schwache Minderheit. Im Gegensatz zu der bei der lox Heinze kann aber der diesmaligen Obstruction eine gewisse Berechtigung aus rein formalen Gründen nicht abgesprochen werden. Tie Mehrheit hatte sich über den Beschluß des Senioren- convcnts, Abänderungen an den noch vor der Vertagung zu erledigenden Gesetzentwürfen nicht mehr vorzunehmen, kurzer Hand hinweggesetzt und zum Branntweinsteuer gesetz die schwerwiegendsten Abänderungen beschlossen. Die Opposition beantwortete diese Maßnahme mit der Ankündigung der Obstruction mit allen erlaubten Mitteln der Geschäftsordnung. Die Rechte wußte also, was ihr bevorstand; war sie gleichwohl nicht im Stande, mit einem beschlußfähigen Hause aufzuwarten, so trifft sie allein die Schuld an dem Vorkommniß. Schön ist es ja unter keinen Umständen, daß die Obstruction jetzt auch in einem deutschen Parlamente Platz greift. Ta sie aber geschäftsordnungsmäßig zulässig ist, so läßt sich leider nichts dagegen thun; es sei denn, daß die Ge schäftsordnung einer Abänderung unterzogen wird. Tie „Kreuz-Ztg." schreibt zur letzten Reichstagssitzung: Die Beschlußunfähigkeit des Reichstags ist der Obstruc tion der Linken und der Nachlässigkeit verschiedener Herren, die offenbar für das Branntweinsteuergesetz ge stimmt haben würden, zu danken. Mag man auch wenig angenehm berührt werden, wenn verschiedene Abgeord nete, die ihren Platz im Hause fast das ganze Jahr in schonender Milde in Ruhe lassen, es so überaus eilig haben, daß sie nicht einmal einen Tag länger ihrer Pflicht als Reichstagsabgeordneter zu opfern bereit sind, so berührt es aber noch um Vieles peinlicher, wenn Herren, die im Hause sind, die wissen, daß eine für sie wichtige namentliche Abstimmung bevorsteht, sich nicht einmal die Mühe geben, dem Namensaufruf rechtzeitig beizuwohnen. Nach unsrer Beobachtung hätte auch die zweite Abstimmung ein beschlußfähiges Haus ergeben, wenn nicht drei Abgeordnete ihren Namensaustuf ver säumt hätten. Indessen was geschehen ist, ist geschehen; hoffentlich wird aber die Lehre, die gerade dieser Vor gang gezeitigt hat, beherzigt werden. Leider ist dadurch die Erledigung der Branntweinsteuernovclle auf geraume Zeit hinaus verschoben worden, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das sei den Gegnern der Novelle zugerufen. Sie mögen sich ihres knapp errungenen Sieges freuen; aller Wahrscheinlichkeit nach wird das nicht allzulange «ähren. Tie freiconservative „Post" enthält sich einer Kritik der Obstruction und des Sieges derselben. Sie begnügt sich vielmehr in einer Darstellung der Vorgänge während der letzten Reichstagssitzung, das Verhalten der Oppo sition im Einzelnen zu kritisiren und hebt namentlich auch hervor, daß der Präsident Graf Ballestrem in fast ärgerlichem Tone die Beschlußunfähigkeit des Reichstags constatirt habe. Andere freiconservative Organe ver- urtheilen die Obstruction noch schärfer und verlangen eine Abänderung der Geschäftsordnung, die eine Vergewaltigung der Mehrheit durch die Minderheit unmöglich machen. Die nationalliberale „Nat.-Ztg.", die dem linken Flügel der Partei angehört, schreibt: Zur Antwort auf den Versuch, ein improvisirtes, in keiner Weise vorberathenes Gesetz durchzupeitschen, haben die Freisinnigen und die Socialdemokraten bei der dritten Berathung der Novelle zum Branntweinsteuergesetz schließlich ihre Mitwirkung zur Herstellung der Beschlußfähigkeit verweigert, so daß die Novelle unerledigt blieb. Durch den Versuch, ver mittelst einer Ueberrumpelung neue Vortheile für eine Anzahl Branntweinbrenner zu erlangen, haben die agrarischen Führer eine ernste Verlegenheit für einen Theil der deutschen Landwirthschaft geschaffen. Ob ein Mittel gefunden wird, die Schädigung zu verhüten, von welcher sie infolge der Taktik der Agrarier nun bedroht ist, bleibt abzuwarten. Weiter stellt die „Nat.-Ztg." fest, daß die Beschlußunfähigkcit nur durch die Ausdehnung der Sitzung bis nach 1 Uhr verursacht wurde. Nament lich waren es die süddeutschen Kapläne, die dadurch ver hindert wurden, an der Abstimmung theilzunehmen, da sie die Mittagszüge benutzen mußten, um rechtzeitig zum Himmelfahrtstage an ihrer Berufsstätte einzutreffen. Obstruction hatte also nach sehr fein ausgeklügelter Taktik gearbeitet. Tie liberale „Voss. Ztg." begrüßt den Sieg der Ob struction. Tas „Berl. Tageblatt" stellt mit großer Genugthuung fest, daß der hochconservative Vizepräsident des Reichstags, Abg. v. Frege, der Obstruction dadurch wider Willen eine ausgezeichnete Förderung angedeihen ließ, daß er irrthiimliche Fragestellungen an das Haus richtete und dadurch eine allgemeine Confusion herbei führte, die wiederum mit Zeitverlust bezahlt werden mußte. Dasselbe Blatt eignet sich auch die bereits vor einigen Tagen gemachte Mittheilung an, daß der Reichs tag nun doch wohl schon im September zu einer ganz kurzen Sitzung einberufen werden würde, um das am 30. September ablaufende Branntweinsteuergesetz zu ver längern. Das ist möglich. Es kann aber auch ge schehen, daß die Regierung einfach die Steuer in dem bisherigen Umfange einzieht und nachträglich die Ver längerung des Gesetzes durch den Reichstag genehmigen läßt. Tie agrarische „Deutsche Tagesztg." schreibt: Von den Nationalliberalen fehlten diejenigen Abgeordneten, die für das Gesetz waren, zum größten Theil, so daß diese Fehlenden in erster Linie für den Sieg der Ob struction verantwortlich zu machen sind. Ist es nicht ein Unfug und ein Unsinn, so fährt das Blatt fort, daß namentliche Abstimmung beantragt werden darf von Leuten, die garnicht anwesend sind? Jeder Abgeord nete, der so seine Unterschrift in Blanco zur Verfügung stellt, ist eine parlamentarische Null und erniedrigt das Gesammtniveau des Reichstags. Hier muß eine Aen- derung der Geschäftsordnung einsetzen, sonst muß der Reichstag zum Gespött werden, sonst kann jede seiner Arbeiten lahm gelegt werden. Die Erfahrungen bei der lex Heinze haben nichts genützt; hoffentlich nützt diese Erfahrung mehr. Wenn die Linke immer weiter an dieser Herabwürdigung des Reichstags arbeitet, so schneidet sie sich damit selbst ins Fleisch. Im Uebrigen wird sie nichts erreichen. Wir wissen, daß ein neues Brannt weinsteuergesetz trotzdem kommen wirb, und dann wird der Reichstag sicherlich die Möglichkeit und die Macht haben, es durchzusetzen. Aehnlich äußert sich die „Staatsb.- Ztg.", die aber noch mit dem Präsidenten Grafen Ballestrem arg abrechnet, indem sie behauptet, dieser unterwerfe sich dem Wunsche der linksliberalen Minder heit. Tas Ansehen des Reichstags sei unter der Leitung des Grafen Ballestrem unter den Nullpunkt herabgedrückt. Politische Runvschan. Deutsches Reich. Der Kaiser, der Tags vorher im Schloß Urville bei Metz Vorträge hörte, wohnte am Mittwoch einer großen Gefechtsübung um Metz bei. Se. Majestät com- mandirte die Wcstdivision, deren Angriff sich gegen die noch nicht ganz vollendete Veste Kronprinz richtete. Die Truppen auf der Veste waren fünf Bataillone stark und hatten einige Magazingeschütze, während der angreifende Befehlshaber über 13 Bataillone und zahlreiche Artillerie verfügte. Nach längerem Feuergefecht wurde unter Führung des Kaisers ein Sturm gegen die Front und die rechte Flanke der Veste gemacht und letztere genom men. Auf der Veste befand sich die Kaiserin, die, wäh rend der Kaiser Kritik abhielt, Festungsbauten besichtigte. Am Himmelfahrtstag besuchten beide Majestäten den Gottesdienst. Am Sonntag trifft der Kaiser zu kurzem Anfenhalt in Kadinen bei Elbing ein, von wo er nach Tie > Prökelwitz in Ostpreußen weiterreist.