Volltext Seite (XML)
Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- icheinende Nummer bis vormittags 11 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Einzelne Nrn. S Pf. Inserate pro Zeile 10 Ps., für auswärts 15 Pf- Tabellarischer Satz wird doppelt berechnet. und Wal-enburzer Anzeiger. Filialen: in Bltstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Otto Förster; in Kausungen bei Herrn Fr. Janaschck; in Langenchursdorf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Herrn Wilhelm Dahler, Cigarrenfabrikant an der Brücke; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelhe m bei Herrn Eduard Kirsten. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstcm-Callnberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, L berwiera, Lfberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Rr. a. Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. 109. Sonnabend, Sen 11. Mai 1901. Witterungsbericht, ausgenommen am 10. Mai, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 763 WM. -reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstand -4- 17,1° 0. (Morgens 8 Uhr -j- 12,s° 0.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 40"/n. ThanpUUkt -s- 4,;" 6. Windrichtung: Süd. Niederschlagsmenge in den letzten 24 Stunden bis 12 Uhr mittags: 0,« ww. Daher Witteruugsausfichten für den 11. Mai: Halbheiter, Gewitterneigung. Ter Reichstag bis 26. November vertagt. *Waldenburg, IO. Mai 19O1. Einem Bericht des Kapitäns Langreuter vom Dampfer „Köln" des Norddeutschen Lloyd entnehmen wir nach dem „Leuchtthurm" nachstehende interessante Einzelheiten über die sogenannten Hunnenbriefe. „Es ist mir bis zum Tage meiner Abreise von Taku (Ende October), also während der ganzen Zeit des eigentlichen Krieges, kein Fall von Mord seitens der deutschen Truppen vorgekommen. Ter Fall der Ueber- schreitung vor Peking, den der Kriegsminister andeutet, ist mir bekannt geworden, die Untersuchung wird er geben, daß die Handlungsweise des betreffenden Offiziers des Seebataillons keine Ueberschreitung war, sondern eine unabweisbare Nothwendigkeit. Es ist in dem ge nannten Zeitraum ein Fall von Vergewaltigung vorge kommen. Tie Verhandlungen fanden an Bord meines Schiffes und zwar sofort statt. Ter Mann sieht einer schweren Strafe entgegen. Es kam ferner ein Fall von fahrlässiger Tödtung vor. Die Verhandlungen wurden ebenfalls sofort eingeleitet. Der Schuldige hatte seinen besten Freund erschossen, den er für einen Boxer hielt oder halten mußte. Hoffentlich erfolgt Freisprechung. Was nun die Plünderungen anbetrifft, so verweise ich die Anhänger der Hunnenbriefe an das Zollamt in Wilhelmshaven. Alle Schätze der Leute, die mit der „Köln" zurückkamen, und die, da sie die ersten Truppen waren, die in China a» Land zur Verwendung gelangten, wirklich Gelegenheit gehabt hätten, zu plündern, konnten nur an Bord meines Schiffes fein und mußten un weigerlich das Zollamt in Wilhelmshaven passiren. Die Vertheidiger der Hunnenbriefe würden ernüchtert werden, wenn sie sich aus den Listen des Zollamts überzeugen wollten, wie minimal am Tage der Ankunft der Chinakämpfer in Wilhelmshaven die Einfuhr war. Unsere Leute haben, wenn die Noth sie zwang, in Pe king in kalten Nächten in Zobelpelzen geschlafen. Nach Hause gebracht haben sie aber nichts davon — nur das wenige, was sie später nach der Rückkehr an Bord meines Schiffes von chinesischen Händlern kauften. Auf der Rhede von Taku beherbergte ich vierzehn Tage lang das Sodensche Corps. Die Leute sahen elend aus, als sie an Bord kamen, führten aber große Kisten mit sich von etwas verdächtigem Aussehen. Ich ließ die Kisten in die tiefsten Räume des Schiffes verstauen, weil ich — wie ich gestehe — Schätze aus den Kaiserpalästen darin vermuthete und fürchtete, daß sich Tausch- und Kaufhandel an Bord entwickeln würde. Am Tage der Abkommandirung kamen die Kisten wieder an das Tages licht und wurden aus irgend einem Grunde geöffnet. An der Hand der altpreußischen Tradition hatten die Sodenschcu Leute ihr gesammtcs Backgeschirr und anderes werthloses Inventar von Peking wieder mitgeschleppt. Keiner besaß einen Fetzen fremden Eigenthums. Dem Grafen Soden, der später an Bord kam, drückte ich mein Erstaunen darüber aus. Er sagte mir, selbstver ständlich würde er Plünderungen nie geduldet haben, übrigens hätte sich bei seinen Leuten gar keine Neigung dazu gezeigt. Zunächst blieb dieses vornehme Auftreten der Deutschen ohne Wirkung auf die große Masse der chinesischen Be völkerung. Die Chinesen waren außer Stande, die einzelnen Nationen zu unterscheiden. Ein veutscher Marineoffizier erzählte mir Folgendes: Er wird aus Peking hinaus in die Umgegend geschickt, um Mannschaften für Erdarbeiten oder ähnliches in der deutschen Ge sandtschaft zu requiriren. Er hebt die ganze männ liche Bevölkerung eines Torfes auf. Er macht einen Contract mit den Leuten, der selbst in Friedenszeiten nicht günstiger sein konnte, und der die Existenz der ganzen Dorfbevölkerung für den Winter sichert. Die Leute gehen gutwillig mit. In Peking werden sie für die Nacht in einer größeren chinesischen Polizeistation untergebracht. Am nächsten Morgen sind alle bis auf den letzten Mann durch das Dach verschwunden. Die Dolmetscher erklärten, daß alles Zureden vergeblich ge wesen ist. Die Leute haben sich in diese Kriegsführung der Deutschen einfach nicht hineindenken können und sind erst recht mißtrauisch geworden. Später wurde das anders. Die Chinesen lernten unterscheiden, wie ich oft in Taku, Tongku und Tientsin beobachtete. Sie näherten sich vertraulich den Deutschen und gingen anderen Nationen weit aus dem Wege. Tie „Köln" hatte den größten Nutzen davon. Wir aßen Fasanen, Wachteln und die köstlichsten Früchte lange, ehe die Marktböte sich längsseits der Schiffe anderer Nationen wagten. Uebrigens sind diese Vergleiche zu Ungunsten der anderen Nationen nicht völlig correct. Die Bestand theile der Truppen der anderen Mächte waren ja grund verschieden Von den Bestandtheilen unserer Truppen. Die russischen, französischen und englischen Offiziere haben durchaus nicht immer die Ausschreitungen ihrer Leute gebilligt. Noch ein Umstand ist zu erwähnen, der anscheinend in der europäischen Presse wenig beachtet worden ist. Tie Kapitäne der kleineren deutschen Hilfs dampfer, die von der Marine gechartert wurden, um die Verbindung zwischen der Rhede von Taku und der Mündung des Peiho aufrecht zu erhalten, hatten in der ersten Zeit viel zu leiden durch die Unsicherheit der Verhältnisse an Land und die Unzuverlässigkeit ihrer chinesischen Mannschaft. Legte ein solches Schiff in Taku oder Tongku an, so begab sich die chinesische Mannschaft an Land und plünderte. Niemand konnte sie hindern. Dies war bezeichnend für die ganzen Zu stände. In Tientsin hatten sich an den Straßenejen förmliche Märkte gebildet. Tie Chinesen selbst spielten hier die Vermittler in dem Handel mit geraubten Waaren: das heißt sie spielten nur die Vermittler. Thatsächlich waren sie selbst die Plünderer. Es raubte in Tientsin Jeder von seinem Nachbarn, lange ehe die Stadt von den fremden Truppen genommen war." ! ! ! ! Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser trifft heute Freitag in Straßburg ein und wird im Kaiserpalast Wohnung nehmen. Ter Sonnabend Vormittag ist für militärische Zwecke Vor behalten. Nachmittags besucht der Kaiser die Hohkönigs burg bei Schlettstadt. Zwei große Diners werden statt finden, das eine im Kaiserpalast für die Spitzen der Militär- und Civilbehörden, das zweite beim Fürsten- Statthalter. Sonntag Nachmittag erfolgt die Abreise nach Urville. Die Uebersiedelung des kaiserlichen Hof lagers von Berlin nach dem Neuen Palais in Potsdam wird Ende dieses Monats stattfinden. Das Kaiserpaar wird die Pfingstfeiertage im Neuen Palais'' verbringen. Königin Wilhelmina und Prinz Heinrich der Niederlande sind Donnerstag Mittag in Schwerin ein getroffen. Auf dem festlich geschmückten Bahnhofe fand ein großer Empfang unter militärischen Ehrenbezeigungen statt. Anwesend waren der Großherzog, die Groß Herzogin-Mutter Marie, Herzog Johann Albrecht, die Großfürstin Wladimir und die übrigen Fürstlichkeiten. Nach herzlicher Begrüßung fuhren die Fürstlichkeiten nach dem Schloß, während Königin Wilhelmina und Prinz Heinrich ihren feierlichen Einzug durch die reich geschmückten Feststraßen hielten. Unter einer Ehrenlaube vor dem Rathhaus bewillkommnete Oberbürgermeister Tackert das Königliche Paar, worauf Prinz Heinrich dankte. Bei der Ankunft am Schlosse präscntirte die Ehrenwache. Darauf erfolgte eine feierliche Begrüßung durch ven Großherzog und die übrigen Fürstlichkeiten. Zu Ehren der ausscheidenden Staatsminister Or. v. Miquel, Freiherr v. Hammerstein und Brefeld fand gestern beim Reichskanzler Grafen Bülow ein größeres Diner statt, in dessen Verlauf der Reichskanzler in einem Trinkspruch dem Wirken der scheidenden Mitglieder der Reichsregierung warme Worte der Anerkennung widmete und besonders an die bleibenden Verdienste des Herrn v. Miquel um die Finanzen der Monarchie erinnerte. Gestern Donnerstag ist im Auswärtigen Amt durch den Staatssekretär Freiherrn v. Richthofen und den österreichisch-ungarischen Botschafter v. Szögyeny die Ratification zu ,dem am 13. Tecember 1899 zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich-Ungarn abgeschlos senen Uebereinkommen, betreffend den Schutz der Ur heberrechte für Werke der Litteratur, Kunst und Photo graphie, ausgewechselt worden. Ter gemeinschaftliche Landtag von Gotha nahm mit großer Mehrheit den Antrag auf Einführung des ge heimen directen Wahlrechts zum Landtag unter Benutzung amtlicher Couverts und des Jsolirraums an. Tem Reichstag ist am Donnerstag folgendes Schreiben zugegangen: „Mit Ermächtigung Sr. Majestät des Kai sers beehrt sich der Unterzeichnete, dem Reichstag den Antrag, zur Vertagung des Reichstags bis zum 26. November d. I. die Zustimmung zu ertheilen, zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorzulegen. Der Reichskanzler v. Bülow." Der Seniorenconvent trat am Nachmittag zu einer Sitzung zusammen, um über die kaiserliche Verordnung zu berathen, durch welche der Reichstag vom 14. Mai bis 26. November vertagt wird. Bis zur Vertagung des Reichstags am 14. Mai sollen noch erledigt werden: Das Handelsprovisorium mit England, der Nachtragsetat, 152,000 Mk. für das Aufsichtsamt über die privaten Versicherungen, die Ver ordnung, betreffend die Kampfzölle gegen Haiti, die Novelle zum Gewerbegerichtsgesetz, ein zu erlassendes Branntweinsteuergesetz mit der Kraft der Verlängerung des bestehenden Zustandes auf 1 Jahr. Alle übrigen Vorlagen, Anträge rc., bleiben bis nach Wiederaufnahme der Reichstagsverhandlungen am 26. November liegen. Es sind dies namentlich die Seemannsordnung nebst den drei Nebengesetzen, die Strandordnung, das Schaum- weinsteuergcsetz, das Süßstoffsteuergesetz, der Toleranz antrag und die südafrikanische Centralbahn. In der neunten Commission des Reichstags wurde am Donnerstag das vom Centrum beantragte Toleranz gesetz in zweiter Lesung angenommen. An dem Be schluß erster Lesung wurde materiell nichts geändert. Ter vom Abg. Or. Pichler fertiggestellte Bericht fall heute Freitag verlesen und das Gesetz jedenfalls noch in dieser Session im Plenum erledigt werden. In der Budgetcommission des Reichstags wurde am Donnerstag die Berathung des Antrags des Grafen Klinckowström, betreffend Frachtsätze für Getreide von