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durch die Reichsgesetzgebung zu schmälern, oder zu be seitigen, mit allem Nachdruck entgcgentreten und im ein- müthigen Zusammenwirken mit den Ständen des Landes die bestehende, gerechte und durch nunmehr 25 Jahre bewährte Ordnung des Verhältnisses von Staat und Confessionen in Sachsen nach ihrem vollen Umfange aufrecht erhalten werde. — Von Dresden aus wird versichert, daß der säch sischen Regierung bis heute der neue Zolltarif noch nicht zugegangen ist. Auch ist man in sächsischen Regierungs kreisen bis zu dieser Stunde noch nicht darüber unter richtet, wie hoch die in dem neuen Tarif-Entwürfe in Vorschlag gebrachten Zollsätze sein werden. — Das Reichsgericht in Leipzig verwarf die Revision des Verlegers und der Verfasserin Gräfin Wedel der in Zürich erschienenen Broschüre: „Meine Beziehungen zu Kaiser Wilhelm II." gegen die durch das Urtheil vom 7. December v. I. vom Landgericht Berlin ausge sprochene Einziehung der Broschüre. — Die früheren Meldungen über die Absichten der Militärbehörde, in der Umgegend von Chemnitz ge- rignetes Gelände zu einem größeren Exercirplatze für berittene Truppen zu erwerben, finden jetzt ihre Be stätigung durch eine aus Dresden zugehende Notiz, nach welcher das König!. Sächs. Kriegsministerium in oder um Chemnitz Bau- und Excreirgelände für Artillerie sucht. — Im Bornaer „Amtsblatt" ist für den 7. Mai eine Holzversteigerung im Gasthofe zu Lehma angezeigt. Aus der Anzeige ist ersichtlich, welcher Schaden im Walde durch den Wind angerichtet worden ist; denn es sollen von Windbruchhölzern versteigert werden: 1126 Nadelholzstämme mit 320 Festmetern, meist Kiefern, 2122 zweimetrige kieferne Schachthölzer, 12 bis 16 Centimeter stark, 53 Raummeter kieferne Aeste und 114 Raummeter kieferne Klöppel. — Der Bezirksverband Sachsen im Deutschen Fleischer verband hält am Dienstag, den 7. Mai d. I., in Burgstädt seinen Bezirkstag ab. Die Tagesordnung weist u. A. folgende Punkte ans: Berathung über das neue Handwerkergesetz (Handwerkskammern rc.), über die Neuorganisation der Berufsgenossenschaft, über die officielle Veröffentlichung der Vieh-Marktpreise, über die sächsische Schlachtsteuer (Herabsetzung der Rindcrschlacht- steuer, Abschaffung der Kälbersteuer), über die Auf hebung des für Sachsen erlassenen Schächtverbots, Aber die Abänderung des sächsischen Schlachtvieh-Ver sicherungsgesetzes (Nothschlachtungen), über das Con- sumvereinswesen usw. — Drei Selbstmorde an einem Tage verzeichnen zu müssen, dürfte wohl in Crimmitschau kaum noch da gewesen sein. Der erste betrifft einen 40jährigen Schuhmachermeister von dort, welcher seit einigen Tagen vermißt und gestern in Lauterbach im Abort der Pflaumen bude am Friedhöfe erschossen aufgefunden wurde. Der zweite Fall betrifft einen in der Leipziger Straße wohn haften 57jghrigen Baumwollabfallhändler, der sich im Sahnteich ertränkt hat, und der dritte Fall betrifft einen in der Pleißenstraße zu Leitelshain wohnhaften ca. 36 Jahre alten Fabrikweber, der sich in seiner Behausung in einer Bodenkammer erhängte. Alle drei waren ver heiratet. — Ter über 6 Monate währende Arbeiterstreik in den mechanischen Webereien in Cunewalde dauert auf Beschluß der Arbeiterversammlung fort, da die Fabrikanten die Forderungen der Streikenden ablehnten. Viele Ar- Leiter sind bereits ausgewandert. 17 und Industrie-Ausstellung in Lichtenstem findet in der Zeit vom 2. bis 14. August statt. Zu derselben sind alle im Ausstellungsbezirke er zeugten und im Handel befindlichen Gegenstände zu- lässtg. - Vor dem königl. Amtsgericht Oelsuitz i. B. kam am Sonnabend das Rittergut Tröda unter den Hammer. Das auf 154 000 Mk. geschätzte Gut wurde für 134,000 Mk. dem Bürgermeister Löscher in Borna zugeschlagen. — Ter Verein für „Zittauer Geschichte» in Mtau veranstaltet im Juni auf Grund einer Anregung des Königl. Ministeriums eine „Zittauer Alterthums-Aus- stellung". Herr Oberlehrer I)r. Koch, der sich auch um das städtische Museum in Zittau große Verdienste erworben hat, wird seine bewährte Kraft in den Dienst des Unternehmens stellen. — Das Jahresfest des Sächsischen Radfahrerbundes wird vom 27. bis 29. Juli d. I. in Altenburg ab- gehalten. Für das Fest ist ein Ehrenausschuß errichtet worden, an dessen Spitze stehen Geheimer Regierungs- rath Oberbürgermeister Oßwald, Regierungsrath Wankel, Bürgermeister Germann in Altenburg. - In einer Kiesgrube oberhalb des Klingeberges bei Grochlitz nahe dem Ostbahnhofe von Naumburg ist am Sonnabend eine vorgeschichtliche Begräbnißstätte aufgedeckt worden. Die dort gemachten Funde ent stammen der jüngeren Steinzeit, etwa dem 2000. Jahre vor Christi Geburt. Deutscher Reichstag. 84. Sitzung vom 30. April. 1^ Uhr. Die zweite Berathung des Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen wird fortgesetzt beim § 121, über den die Debatte gestern bereits begonnen hatte. Der hierzu vorliegende Antrag Richter will erstens gänzlichen Wegfall der Polizei- Controle über die Feuerversicherungsverträge, während die Commission nur die sogenannte Präventiv-Controle beseitigt hatte. Zweitens will er die auf Landesgesetzen beruhenden Abgaben von Feuerversicherungs-Gesellschaften an Feuerlöschanstalten, sowie überhaupt sämmtliche staat lichen und gemeindlichen Sondergewerbesteuern auf den Versicherungsbetrieb für aufgehoben erklären. Abg. Gamp lfrconf.) giebt dem Abg. Richter zu, daß die Palizei-Eontrole mit manchen Belästigungen verknüpft sei, aber namentlich für das platte Land sei sie unentbehrlich. Das Beste wäre vielleicht, wenn die Feuerversicherungsgesell schaften gezwungen würden, den Schaden genau gemäß dem Versicherungsverträge zu vergüten. Im Augenblick sei das aber nicht zu erreichen, und deshalb sei, wenigstens auf dem Lande, eine Polizei-Controls, und zwar einschließlich der Präventivcontrole, nothwendig. Staatssekretär Graf Posadowsky giebt ebenfalls zu, daß die Präventivcontrole oft belästigend wirke, und daß auch die Polizei sehr oft die zulässige Höhe der Versicherung nicht genau prüfen könne. Aber zum mindesten wirke die Präventivcontrole einschückternd auf die, welche etwa aus Speculation eine Ueberversicherung vornähmen. Werde gleichwohl der Commiksionsbeschluß angenommen, der die Präventivcontrole beseitige, so lasse sich zur Noth auch damit auskommen, denn das Recht der Landesregierung bleibe ja unberührt, in der Ausführungsverordnung zu bestimmen, daß der bereits abgeschloffene Vertrag durch die Polizei sofort einer Nachprüfung unterzogen werde. Abg. Spahn (Ctr.) erklärt hiernach, für den Commisfions- beschluß stimmen zu können. Abg. Richter (fr. Vv.) bestreitet durchaus, daß die Polizei eine Nachprüfung abgeschlossener Verträge vornehmen dürfe mit der Maßgabe, daß sie, wenn sie die Versicherungssumme für zu hoch halte, dann auf eine Herabsetzung derselben dringen dürfe. Die ganze Polizeicontrole biete gegen Ueber- versicherung gar keinen Schutz; denn selbst wenn bei Abschluß eines Vertrages der Versicherungsbetrag für ganz unbedenk lich angesehen werde, jo verlieren doch mit jedem Jahre die versicherten Gegenstände an Werth, die Ueberversicherung tritt also mit der Zeit ganz von selber ein. Redner tritt dann noch für seinen sich gegen die Abgabepflicht richtenden Antrag ein. Mit diesen Abgaben belaste man nur die Versicherten zu Gunsten der Nichtversicherten. Geh. Rath v. Jecklin empfiehlt die Regierungsvorlage. Abg. Büsing (nl.): Meine Freunde werden geschlossen für den Commissionsbeschluß stimmen. Die Präventiv-Con trole ist «ine ganz veraltete Einrichtung. Und ich begreife nicht, wie Herr Gamp und der Staatssekretär behaupten können, daß durch deren Aufhebung wichtige Interessen ge schädigt werden. Namens meiner Freunde habe ich den Staatssekretär zu bitten, zu veranlassen, daß uns möglichst bald eine Gesetzesvorlage gebracht wird, welche die Besteuerung der Versicherungsgesellschaften generell regelt. Die Anträge Richter werden sodann abgelehnt und der Paragraph in der Fassung der Commission ange nommen. Als neuen § I21a beantragt Abg. Richter eine Bestimmung behufs Beseitigung der Doppelbe steuerung der Policen. Der Policenstempel solle nur in dem Staate zahlbar sein, wo die versicherte Person wohne resp. die versicherte Sache sich zur Zeit des Ver tragsabschlusses befinde. Der Antrag wird ohne weitere Debatte abgelehnt, der Rest des Gesetzes ohne bemerkens- werthe Debatte angenommen. Ebenso wird debattelos die Von der Commission vorgefchlagene Resolution betr. thunlichst baldige gesetzliche Regelung der privatrechtlichen Seite des Versicherungswesens angenommen. Abg. Müller-Waldeck (Antisem.) befürwortet dann noch eine von ihm beantragte Resolution, welche zum Ziele hat, bei großen Lebensversicherungsgescllschaften auf Gegenseitigkeit «ine ungemefsene Vermögens- bezw. Reseiven-Ausspeicherung, die an sich nicht zu wünschen sei und den Mitlebenden gar- nichts nutze, dadurch zu verhindern, daß immer für je einen Versicherten-Kreis von etwa 300 Millionen Versicherungs bestand eine gesonderte Verwaltung geschaffen werde. Auf den Vermögensbestand der Sonderverwaltung sollcn immer nur die zu dem betreffenden Versichertenkreis Gehörigen An spruch haben. Der schon in der Commission mit allen gegen eine Stimme abgelehnte Antrag wird auch jetzt im Plenum, und zwar ohne Debatte abgelehnt. Dafür nur die Antisemiten und Conservativen. Es folgt die dritte Lesung des Urheber- und Verlagsrechts. Es liegen wieder zahlreiche Anträge vor, welche schon bei der zweiten Lesung gestellt, aber abgelehnt worden waren. Die Generaldebatte erstreckt sich gleich auch auf das Verlagsrecht. Abg. Müller-Meiningen (fr. Vg.) führt aus, daß die literarischen Urheber und die Presse mit den vorliegenden Gesetzen, wie sie sich in zweiter Lesung gestaltet hätten, durchaus zufrieden sein könnten. Um so weniger die musi kalischen Autoren, denen kein genügender Schutz gewährt sei. Sic seien schlechter gestellt, als nach dem bisherigen Gesetz. Man habe ihn einen Musikagrarier genannt. Dieser Vor wurf sei für ihn weniger belastend, als wenn man ihn einen Musik-Banausen oder Böotier nennen wollte. (Große Heiter keit; viele Abgg. drehen sich nach dem Abg. Richter um, der m seiner Zeitung von Musikagrariern gesprochen hatte.) Er habe damit nicht den verehrten Kollegen Richter gemeint (erneute Heiterkeit). Er hoffe, das Haus werde in den springenden Punkten die Beschlüsse 2. Lesung umstoßen. m ^rkel (Bd. der Landw.) acceptirt ebenfalls gern die Bezeichnung Musikagrarier. Denn Agrarier seien Leute, die eine gerechte Sache mit Entschiedenheit vertreten. Er gehe freilich nicht ganz so weit wie der Vorredner; man muffe hier einen Mittelweg suchen zwischen den Interessen der Urheber und denen der Gesa.: mtheit. Seine Freunde wurden ledenfalls, auch wenn ihre Wünsche nicht alle durch gingen, das Gesetz so annehmen, wie es jetzt sei; denn zwei fellos sei es besser, als der jetzige Rechtszustand. Abg. Vogel (Antisem.) wünscht verstärkten Urheberschutz. Ein Theil der Schriftsteller, die sogen. Decadenlen, die dem Geschmack gewisser Kreise, namentlich auch des Judenthums, entgegenkommen, haben zwar materiellen Erfolg. Aber man müsse um so mehr auch für die anderen, mehr nationale Gesinnung vertretenden literarischen Kreise Sorge tragen. Abg. Dietz (Socdem.) erklärt, seine Freunde würden für den Gesetzeniwurf in der Fassung zweiter Lesung, aber unter einigen Voraussetzungen stimmen. Damit schließt die Generaldebatte. Die M 1 — 10 werden debattelos genehmigt. Zu § 11 beantragt Abg. Rintelen (Ctr.), die Lieder ohne Orchesterbegleitung für die öffentliche Aufführung freizugeben, falls sie keinen Vorbehalt tragen. Es wird damit gleich die Berathung des Z 27 ver bunden, der die öffentlichen Aufführungen eines Werkes der Tonkunst unter gewissen Voraussetzungen freigiebt. Hierzu liegt ein Antrag Esche vor, dahingehend, daß das Aufführungsrecht für Vereine in Wegfall kommt. Geh. Rath Dungs spricht sich gegen den Antrag Rintelen aus. Das Gleiche thut der Staatssekretär Nieberding. Nach kurzen Darlegungen des Abg. Schrempf (cons.) und einer Entgegnung des Abg. Rintelen (Ctr.) wird die Debatte geschloffen. Ter §11 wird unter Ab lehnung des Antrags Rintelen in der Fassung 2. Lesung angenommen. Auch § 27 wird unverändert in der Fassung 2. Lesung angenommen. Der Antrag Esche wurde mit sehr großer Mehrheit abgelehnt; dafür stimm ten nur der Antragsteller, Abg. Tröger und die Conser vativen. Mittwoch 1 Uhr: Fortsetzung. Schluß r/,6 Uhr. Vermischtes. Allerlei. Ein Verbrechen, das den Stoff zu einem spannenden Kriminalroman bieten könnte, wurde in Roßbach in Steiermark entdeckt. Dort starb vor einigen Tagen der Grundbesitzer Pichleritsch. In seinem Testament hatte er seine Wirthschafterin Kosir zur Uni versalerbin eingesetzt. Es stellte sich heraus, daß er durch die K. mit Gilgenwurzel systematisch vergiftet worden ist. Das Testament hat der Geliebte der Wirthschafterin gefälscht. — In Quedlinburg (Provinz Sachsen) ist der große Thurm der Benediktikirche bis auf das Mauerwerk niedcrgebrannt. Tas Feuer wurde durch eine Explosion einer Petroleumlampe in der Thürmer wohnung verursacht. — In Lemberg (Galizien) plünderten Arbeitslose die Brodverkaufsstände und schlugen zahlreiche Fenster von Kaufläden ein. Es mußte Militär einschreiten. — Bei einer Feuersbrunst in Saint-Jean in Süd-Frankreich kamen 8 Soldaten um, mehrere erlitten Brandwunden. — Einer der größten Schiffseigenthümer und Getreidehändler Rumäniens, Carnevali in Braila, hat sich erschossen. Seine Schulden werden auf 5 Mill. Fr. angegeben. — Unter schwerem Verdacht steht der österreichische Reichsrathsabgeordnete Krempa, Mitglied der polnischen Volkspartei. Er wird beschuldigt, an einem Ueberfall auf einen reichen Ochsen händler theilgenommen zu haben. — Auf eines der seltsamsten Denkmäler der römischen Herrschaft in Ger manien stieß man im Kreise Hanau bei Frankfurt a. M., nämlich auf eine sogenannte Giganten- oder Jupiter- säule, allerdings in Trümmern liegend. Die Zusammen setzung der besonders interessanten Reitergruppe ist be reits gelungen. — Den im städtischen Krankenhause zu Höchst am Main untergebrachten vier Schwerverletzten der Griesheimer Katastrophe geht es sämmtlich bester, ebenso melden die Franksurter Krankenanstalten Besse rungen im Befinden der Verletzten. Lebensgefahr ist nur noch bei einer Frau vorhanden. Todte wurden nicht mehr gefunden, dagegen werden noch sechs Arbeiter vermißt. — Die Berliner Straßenbahn hat im Monat April 7 Personen todtgefahren; die Zahl der Schwer verletzten beträgt 12. — Der wegen seiner Unthaten gegen Frauen und Mädchen in Ludwigshafen (Pfalz) Verhaftete hat ein Geständniß abgelegt. Er heißt Lud wig Graf, ist 25 Jahre alt und Eisenbahnarbeiter. Er hatte sich nach seiner Aussage eine Krankheit zugezogen, um deren Willen er den Frauen Rache schwor. — In einer Bäckerei zu Hohenlinden in Oberbayern ver brannten bei einem Großfeuer eine Frau und zwei Kinder. — Aus Hamburg: Tie Werftarbeiter, sämmtliche Gruppen des Metallarbeiterverbandes, die Schuhmacher und die Zimmerer beschlossen wegen der hohen Beiträge den Austritt aus dem Hamburger Ge werkschaftskartell. Durch diesen Beschluß wird die Existenz des Arbeitersekretariats gefährdet. Telegramme. Chemnitz, 1. Mai. Im benachbarten Einsiedel ist in der vergangenen Nacht ein von zwei Kamilie« bewohntes Seitengebäude abgebrannt. 4 Personen, darnnter zwei erwachsene Männer und zwei Kinder, find verbrannt. Eine Krau und «in Fenerweyrman« find schwer verletzt. Wie oaS Aeuer entstand, ist nicht bekannt. Berlin, 1. Mai Aus politische» Kreise« wird dem „K!. Jourv.'- geschrieben: Es kann aus Vester Quelle versichert werde«, daß die maßgebende Stelle ihr Ange zur heutigen Stunde «ach dem Orient richte« werde, wo Herr v. Marschall di« In. tereflen des deutschen Reiches vertritt. Für dtese Ansicht spreche« viele Gründe. Es ist bisher in der Lagespreffe nicht veröffentlicht woroen, daß