Volltext Seite (XML)
delli so wenig Lebensfähigkeit besitzt, daß es kaum zu befürchten braucht, noch mit der Erneuerung des Drei bundvertrages befaßt zu werden; wer weiß, wer dann schon italienischer Ministerpräsident ist! Rutzlanv. Ueber Petersburg ist der Belagerungszustand verhängt worden, nachdem ein Attentat auf den Leiter des heiligen Synod Pobjedonoszew versucht worden ist. Der Stadtcommandant hat unumschränkte Vollmachten. Er kann beliebige Personen aus der Residenz aus weisen, ohne sein Vorgehen zu begründen. Da wird wohl manch Einer spurlos verschwinden. Asten. Auf Korea ist eine neuerliche Spannung zwischen England und Rußland ausgebrochen, weil letzteres die Entfernung des englischen Zolldirectors aus der koreanischen Hauptstadt Söul durchsetzte. Die Engländer begreifen es offenbar noch garnicht, daß Rußland durch den südafrikanischen Krieg in die Lage gesetzt ist, in China fast Alles durchzusetzen, was es ernstlich in An griff nimmt. Die Wirkungen des russischen Sondervorgehens in China sind höchst unheilvolle und bedauerliche. Die Chinesen glauben nicht mehr an die Einigkeit der Mächte, Räuberbanden wagen sich wieder hervor und treiben ihr Unwesen, und die schlimmen Mordgesellen, wegen deren Unthaten die ganze Chinafrage seiner Zeit aufgerollt wurde, greifen wieder zum Messer. Afrika. Die Londoner Börse nahm in Montanwerthen um fangreiche Käufe vor, wodurch sich die Meinung be festigte, daß England seine Friedensverhandlungen mit den Buren sehr bald erneuern und sich zu weitergehenden Zugeständnissen bereit erklären werde. Wie sehr die südafrikanische Frage die leitenden eng lischen Staatsmänner beschwert, das ist auch aus der Thatsache zu entnehmen, daß Lord Salisbury, der eng lische Ministerpräsident, vor Aerger und Verdruß un päßlich wurde und genöthigt ist, sich die größte Schonung aufzuerlegen. Die Nachrichten vom südafrikanischen Kriegsschauplatz sind auch wirklich dazu angethan, die Nerven selbst des kaltblütigsten Engländers aufzuregen. Tie ständige Ausbreitung der Pest in Kapstadt, die auch schon eine ganze Anzahl englischer Transportdampfer verseucht hat, wird täglich zu einer größeren Gefahr. Wahrscheinlich herrscht sogar im Kitchenerschen Lager schon Lebensmangel, denn man hört von englischen Kriegsunternehmungen fast garnichts mehr, so daß man die Actionsfähigkeit der Engländer für vollständig ge lähmt ansehen muß. Bei dem Orte Hartebeestfontein fand am 22. d., wie englische Drahtungen besagen, ein sehr heftiges Gefecht zwischen Buren und Engländern statt, an dem namentlich britische Kavallerie betheiligt war. Wahrscheinlich konnte die Kavallerieabtheilung nicht mehr vorwärts und wurde daher von den Buren angegriffen. Der Ausgang dieser Schlacht, in der außer ordentlich heiß gekämpft wurde, muß für die Engländer geradezu verhängnißvoll gewesen sein, wagen doch die Londoner Berichte auch nicht mit einer Silbe über das Ergebniß des Kampfes zu reden. Dagegen melden sie, daß am 23. und 24. März 12 Pesterkrankungen in Kapstadt constatirt werden mußten, und daß sich unter diesen 12 Erkrankten 4 Europäer befanden. Aus vem Mnldeuthale. "Waldenburg, 26. März. Sonntag den 24. d. M., gegen Mittag empfing Se. Majestät der Kaiser u. a. Se. Durchlaucht den Fürsten Otto Victor von Schön- burg-Walvenburg und nahm dessen Meldung als Leut nant L la 8uite des Leib-Garde-Husaren-Regiments ent gegen. Ihre Durchlaucht Frau Erbprinzessin Lucie von Schönburg-Waldenburg wurde alsdann mit dem Fürsten Otto Victor, ihrem ältesten Sohne, zur Kaiserlichen Frühstückstafel geladen, an welcher auch Se. Durchlaucht Prinz Heinrich von Schönburg-Waldenburg, Flügel adjutant Sr. Majestät des Kaisers, nebst Gemahlin theilnahmen. *— Auf dem für die Genoffenschaft Kröhne'scher Familientag im Sinne des Gesetzes vom 15. Juni 1868 bestehenden Blatt 10 des Genoffenschaftsregisters des hiesigen Gerichtsbezirks ist am 22. d. verlautbart worden, daß Herr Bernhard Groh, Brandversicherunzs- Oberinspector in Bautzen, nach Ableben des bisherigen Vorstandes Herrn Johann Julius Kirmse, Finanzraths in Altenburg, Vorstand der Genossenschaft ist. *— Wer in einem Hause infolger mangelhafter Treppenbeleuchtung zu Schaden kommt, kann nach einem neueren Urtheile des Reichsgerichts vom Hausbesitzer keinen Schadenersatz verlangen, wenn er an seinem Schaden selbst mit Schuld ist, indem er sich über die Räumlichkeit nicht genügend erkundigt hat. *— In Falken fand am Sonntag die diesjährige Jahresversammlung des „Niedererzg. Turngaues" statt. Dieselbe war von 33 Vereinen mit 92 Abgeordneten beschickt. Die erstatteten Jahresberichte wiesen abermals eine wesentliche Erstarkung des Gaues nach. *— Ein größerer Gelddicbstahl wurde am Mittwoch Vormittag bis Donnerstag früh bei der in Altstadt- waldenburg in der Bahnhofsstraße wohnenden Putz macherin verw. Bernhardt verübt. Von dem Spitzbuben fehlt jede Spur. *— Der sächsische Fischereiverein verausgabte im ver gangenen Jahre 421 Mark an Fangprämien für erleg tes Raubzeug. An Gratifikationen für die erfolgte An zeige verübter Fischfrevel wurden im Laufe des Jahres 1900 an 85 Aufsichtsbeamte 426 Mark gewährt. Dem im Herbste dieses Jahres zusammentretenden sächsi Landtage soll der Entwurf eines neuen Fischges.^^ unterbreitet werden. Der sächsische Fischereiverein zählte Anfang 1901 rund 500 Mitglieder, darunter 27 corpora- tive. Die Gesammteinnahmen beliefen sich auf 6874 Mk., die Ausgaben auf 5227 Mk. *— Mehrfach in letzter Zeit vorgekommene Fälle lassen erkennen, daß im reisenden Publikum die Meinung verbreitet ist, man könne mit einer Fahrkarte der nie deren Klasse eine höhere Wagenklasse benutzen, ohne sich einer Bestrafung auszusetzen. Man glaubt vielfach, schlimmsten Falles könne man zur Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen niederer und höherer Klaffe herangezogen werden. Dies ist aber ein Jrrthum, der den Reisenden in große Unannehmlichkeiten bringen kann. Vor Allem ist zu betonen, daß ein „Betroffen werden" in der höheren Klasse im Sinne einer früheren Bestimmung der Berkehrsordnung zum Thatbestand einer Fahrgeldhinterziehung nicht mehr erforderlich ist. Nach der jetzt giltigen Eisenbahn-Verkehrsordnung kann dieser Thatbestand auf jede andere Weise (an der Bahnsteig sperre) auch nachträglich noch festgestellt werden. Da- Fahrpersonal und die Zugscontroleure sind neuerdings angewiesen worden, die rechtmäßige Benutzung der Wagen klaffe streng zu überwachen und mit jedem Zuwider handelnden nach den bestehenden Bestimmungen zu Ver fahren. *— Wer mit Kindern in Berührung kommt, sollte sich klar machen, daß Güte und Nachsicht an unrechter Stelle vom Uebel find und daß man den Kindern da mit nur schadet. Besonders Großmütter, Tanten und Freunde der Familie fühlen sich oft berufen, ein Veto den Ermahnungen der Eltern gegenüber zu setzen. Aber sie beschränken sich nicht darauf, dies in der Abwesen heit des Kindes zu thun, sondern sie führen es im Beisein des kleinen Wesens aus. Wer sich aber mit dem Seelenleben eines Kindes viel beschäftigt, der kann bei erster bester Gelegenheit die Wirkung derartiger Vorgänge erkennen. Des Kindes Blick zeigt deutlich, sobald ihm etwas untersagt oder ihm etwas scharf be fohlen wird, „Bist Du nicht wieder zu streng zu mir?" Es erinnert sich fofort des Mitleids derjenigen Personen, die es bei verflossener Gelegenheit in Schutz genommen haben und kommt sich als ein unschuldig Gescholtenes vor. Vor allen Dingen haben aber die Erzieher, be sonders die Eltern darauf zu sehen, daß kein Zweifel an der Nothwendigkeit ihres Verbotes bestehen darf. Das Kind muß wissen, daß es etwas falsch gethan hat, wenn man gezwungen ist, es zu tadeln. Allerdings darf man, wie der Praktische Wegweiser in Würzburg mit Recht betont, sich keineswegs von Launen und Stimmungen beherrschen lassen und bei Verdrießlich keiten oder Krankheit darf man dem kindlichen Treiben Unterhaltungstheil. Auf der Felfeninsel. Eine Erzählung aus den norwegischen Schären. Von M. Ottesen. 30) (Fortsetzung.) Der Wind pfiff in den Raaen, kreischend umflatterten die weißen Möven das Schiff, und mit einförmigem Getöse brachen sich die Wellen an dem felsigen Strand. Ein leichter Nebel verhüllte die Sonne — Stille und Frieden herrschte überall. In der Brust eines Menschen wurde aber ein Streit gestritten, der für seine und einer anderen Zukunft entscheidend sein sollte. Ich sah, daß er an meinen Worten zweifelte, daß es vielleicht anderer Beweise bedurfte, um ihn von der Treue und Liebe seiner Gespielin zu überzeugen. Würde er mir überhaupt folgen oder, im finstern Trotz ver harrend, fortan die Heimat meiden? Lange genug hatte ich jetzt in den Schären gelebt, um diesen Charakter zu verstehen. Hart und streng gegen sich und andere, wenn es gilt, einen Kampf ums Dasein aufzunehmen, ist der Küstenbewohner doch im Grunde seines Herzens ein Sanguiniker. Nie verlernt er es, auf einen unerwarteten Glücksfall zu hoffen, der sein Fahrzeug wieder flott machen soll. Sollte Sigurd, dieser echt norwegische Seemann, aus ganz anderem Schlage sein als seine Gefährten? Würde er nicht vielmehr Herr seiner Eifersucht werden und bald mit erneutem Muth seinem Glückssterne folgen? Ich trat an den Rand des Verdecks und schaute hinaus über die große, wogende Straße, welche in die Ferne führte. Bald würde auch ich darüber hinsegeln, jetzt wollte ich wirklich meinen Plan ausführen und mich den kühnen Entdeckungsreisenden anschließen. Toch ohne Freude gedachte ich heute der Fahrt, die sonst mein höchster Wunsch gewesen war. Grau und eintönig wie die unendliche Wasserfläche zu meinen Füßen breitete sich die Zukunft vor mir aus. Mochte Gunhildas Ge schick sich entscheiden wie es wollte — für mich war sie doch verloren. Aber nein, hatte ich ihr den Mann ihres Herzens wiedergewonnen, dann konnte ich ruhiger davonziehen. Unwillkürlich mußte ich meiner gestrigen Rede ge denken — und jetzt wiederholte ich mit wirklich em pfundener Bitterkeit: Pflicht, Pflicht! Ein Frösteln durchfuhr mich, und ich beugte mich so tief über die Brüstung hinab, daß mir der kalte Gischt ins Gesicht spritzte. Wie, wenn mich nun ein Schwin del erfaßte, wenn ich langsam, ohne es selbst gewollt zu haben, in den kalten Fluthen von dem kalten Leben schied! Wer fragte darnach? Der alte Mann dort in der Stadt, der in Olaf Ravenskjold allein den Erben des alten Namens erblickte und nur über seine ver nichteten Hoffnungen trauern würde! Oder that ich ihm unrecht? Hatte er vielleicht doch den Waisenknaben in sein Herz geschlossen, und würde er noch bitterer, noch vereinsamter werden, wenn ihn der einzige, den er um sich geduldet, verließ? Und wieder zischten die Wellen: Pflicht, Pflicht! Da legte sich eine Hand auf meine Schulter, und rasch wandte ich mich hinweg von der lockenden Tiefe. Vor mir stand Sigurd erhobenen Hauptes, das alte Lächeln um die Lippen. „Schlagen Sie ein," rief er, mir mit männlicher Offenheit die Hand reichend. „Sie sind doch ein guter Mensch, und ich glaube Ihnen ja alles aufs Wort, was Sie mir da gesagt haben. Längst hätte ich's auch gestanden, wie es um mich steht, wäre es nicht ganz überflüssig erschienen, förmlich um ihre Hand zu werben. Soweit ich nach denken kann, habe ich sie meine kleine Frau genannt, und ich dächte, sie müßte mir's an den Augen ansehen, daß ich ihr gut sei. Da kamen Sie, und gleich packte mich die Helle Eifersucht, wollte ich mir's auch nicht merken lassen. Ich kannte Gunhildas Schwärmerei für das Lesen, und wenn ich sah, wie andächtig sie stets Ihren Worten lauschte, verlor ich beinahe den Muth und wurde gegen meine Art wortkarg und verschlossen. Gegen einen solchen Gelehrten kann es mir wenig nutzen, anzukämpfen, und ich zog mich immer mehr zurück. Nur die Frau Pastor wollte mich nicht ge währen lassen und forderte mich stets auf, mit ihr da hin und dorthin zu gehen — überall sah ich Gunhilda in Ihrer Begleitung und wurde bald ganz an dem Mäd chen irre. Als Gunhilda aber gestern ganz die alte war, so lieb und gut zu mir und der Mutter — da ward mir wieder leicht ums Herz, und ich dachte, alles könnte noch werden, wie ich es mir wünschte. Gun hilda wollte ich suchen — und ich finde sie in Ihren Armen. Da habe ich getobt und gerast, und Gott muß ich danken, daß er mich vom schlimmsten zurückhielt." Ich drückte still seine Hand, und er fuhr fort mit einer Herzlichkeit, die einen sonderbaren Gegensatz zu seinem sonstigen Benehmen mir gegenüber bildete: „Jetzt aber, wo Sie hierher gekommen sind, um mir dies alles zu sagen, jetzt weiß ich, daß Sie ein edler Mensch sind, der Gunhilda viel mehr verdient als ich — denn daß ich's nur gestehe: gerade als Sie kamen, kämpfte ich mit mir einen schweren Kampf. Konnte ich sie nicht besitzen, so sollte es auch kein anderer. Zurückkehren wollte ich, und süßer dünkte mir der Tod mit ihr in den Wellen, als ein Leben allein in der Ferne. Sie aber, Sie wollen ihr Glück vor allem, und nie werde ich die Lehre vergessen, die Sie mir gegeben haben." Noch immer vermochte ich nicht, ihm eine freundliche Antwort zu geben, mir war das Herz zum Zerspringen voll: jetzt hatte ich die Geliebte ganz verloren und selbst den Felsen vorgeschoben, der mir für immer den Ein tritt in das Land des Glückes versperrte. Abend war es, als wir nach einer mühsamen Fahrt gegen den Wind endlich den Handlungsplatz erreichten. Unten im Hafen verrichteten die Leute in gewohnter Weise ihre Arbeit. Wir gingen zum Hause hinauf; eS war leer. Vom Garten schallten aber laute Stimmen zu uns empor; verwundert eilten wir dahin, wo der Lärm herkam. Keiner bemerkte uns, und ich winkte Sigurd, leise näher zu treten, ich ahnte, daß etwas Bedeutungsvolles vorgefallen sei. Die ganze Gesellschaft drängte sich um Doktor Falsen, der einen glitzernden Gegenstand in der Hand hielt und eifrig auf Gunhilda einredete. Es war noch hell, jenes Dämmerlicht, welches den nordischen Abenden eigen ist, ehe die Nacht eintritt; deutlich konnte ich jede Miene in Gunhildas Gesicht erkennen. Sie schien erregt, die Röthe kam und flog auf dem schönen Gesicht, die Augen standen voller Thränen. „Und ich sage Ihnen, verehrtes Fräulein," betheuerte der Doktor in einem ihm sonst fremden, respektvollen Ton, „es ist kein Jrrthum möglich. ,C. R/ — Cordelia Ravenskjold, dazu das Bild und Ihre frappante Aehn- lichkeit mit der Verschwundenen — ein merkwürdiger Zufall — —" (Schluß folgt.)