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Reiche während der Dauer der Session verlangt. Ueber die Diätenfrage wird heute beschlossen werden. Zur Zolltarifvorlage wird weiter gemeldet, daß die Beschlußfassung des preußischen Staatsministeriums darüber erst nach Ostern erfolgen werde. Auch diese Beschlußfassung soll aber zunächst nur eine vorläufige sein, lediglich um zu ermöglichen, daß sich der Bundrs- rath mit der Sache befassen kann. Von den Bundes regierungen ist beim Reichskanzler bereits der Bescheid eingegangen, daß sie ihre Entscheidung über den wich tigen das wirthschaftliche und politische Leben der Nation auf Jahre hinaus beeinflussenden Angelegenheit, trotz aller Geneigtheit dem Reichskanzler entgegenzukommen, nicht überstürzen könnten. So haben wir immer ge dacht und meinen daher auch, daß sie den Reichstag erst im Herbste beschäftigen wird. Die gestrige Reichstagssitzung wird in der Er- innerung haften bleiben, nicht weil sie eine mustergültige war, sondern weil sie etwa das Gegentheil von dem darstellte, was wir von unsern parlamentarischen Ver handlungen zu erwarten und zu halten pflegen. Die Sitzung, welche schon um 11 Uhr ausgenommen wurde, zog sich ganz ungebührlich in die Länge und dauerte nicht weniger als 8 Stunden. DaS möchte nun ja noch angehen, wenn diese lange Zeitspanne nur auch wirklich fruchtbringend ausgenutzt worden wäre. Aber o weh! fast vier volle unwiederbringliche Stunden wurden mit einer in den Annalen unsres Parlamentaris mus ganz unerhörten persönlichen Polemik zwischen den socialdemokratischen Rednern Bebel, Singer, Ledebur und Stadthagen einer- und dem Abgeordneten Stöcker andrerseits zugebracht. Schimpfworte wie: Lüge, in fame Lüge, Gemeinheit und dergl. krönten jedesmal die Ausführungen der Redner, trugen ihnen aber auch jedesmal den verdienten Ordnungsruf ein. Sämmt- liche Socialdemokraten, die das Wort ergriffen, aber auch der Abg. Stöcker wurde zur Ordnung gerufen; der Abg. Bebel sogar dreimal, so daß ihm während der Dauer der Sitzung des Wort entzogen wurde. Eine Sitzung wie die gestrige, in der die schmutzige Wäsche in so entsetzlicher unschöner Weise von der Tribüne des Reichstags aus gewaschen wurde, bedeutet für den Parlamentarismus im Reiche eine schwere Niederlage. Vor Scenen wie gestern ist der deutsche Reichstag bis her bewahrt geblieben; so etwas hat man bisher nur in ausländischen Parlamenten gehört. Wir hoffen, daß die abschüssige Bahn, die gestern betreten ward, nicht weiter verfolgt werden wird, sonst wäre es auch mit dem Rest von Ansehen und Bedeutung, die dem deutschen Reichstage nach zu eigen sind, vorbei. Frankreich. Aus Paris meldet man der „Voss. Ztg.": Die stark! abnehmenden Kammermehrheiten, die bei den! letzten Ablehnungen regierungsfeindlicher Anträge zum Vereinsgesetz nur noch 13 und 12 Stimmen betrugen, beunruhigen die Regierungskreise und werden neue Be sprechungen zwischen Radikalen und Socialisten ver anlassen. Italien. Die Opposition hat einen Antrag auf Beschleunigung dem Ter und weitere Ausdehnung der Verzehrsteuer-Erleich terung unter staatlicher Beihilfe in der Kammer ein gebracht. Man bezweckt damit, dem Ministerium ein Bein zu stellen. heutige Morgen überraschte uns mit einer Winterland schaft, wie man sie sich nicht schöner wünschen kann. Dabei ist das Quecksilber im Thermometer unter Null herabgegangen, so daß die Hoffnungen, auf dem Schlitten Asten. Der russisch-englische Zwischenfall in Tientsin ist doch noch nicht vollkommen beigelegt, schlimmere Consequenzen sind daraus jedoch nicht mehr zu befürch ten, da England einsieht, daß es Rußland gegenüber zum Nachgeben verurtheilt ist, da es Widerstand nicht zu leisten vermag. Rußland besteht auf dem Rückzüge der Engländer aus Tientsin, wie der russische General Wogak dem Grafen Waldersee erklärte, und es wird seine Forderung ohne besondere Mühe durchsetzen. Frank reich fordert gleichfalls Maßregeln gegen England, da ein englischer Hauptmann in Tientsin einen französischen Soldaten niederschlug. Nach Pariser Meldungen beschloß die französische Re gierung die Abberufung von 10,000 Mann ihrer Chinatruppen. Die Rückkehr soll schon im April erfolgen. Afrika. Trotz der Versicherung des Colonialministers Cham berlain, daß die Documente über die Unterhand lungen zwischen Kitchener und Botha dem Unter- Hause vorgelegt werden würden, sind diese bis zu dem angekündigten Termin nicht eingegangen. Sie müssen also doch sehr deprimirend für England lauten und dessen ganzes Lügengewebe zerreißen. Nun er klärt das Londoner Kriegsamt, die Buren haben die Fortsetzung der Feindseligkeiten gewollt, sie sollen sie haben. Als ob nicht Jedermann wußte, daß nur die Engländer Friedensverhandlungen betrieben und bezüg liche Anerbietungen gemacht haben. Die Buren, welche den Waffenstillstand zu ihrer Restaurirung kräftig aus genutzt haben, befinden sich gegenwärtig, abgesehen viel leicht von dem durch French bedrängten Commando, in sehr günstigen Positionen. So weit sie nicht frei um- herschweifen und ihren Vortheil bald hier bald dort wahrnehmen, befinden sie sich in den nördlichsten Ge bieten des Transvaal, zu denen die Engländer bisher noch nicht vorzudringen vermochten. Daß sie, wie aus Lorenzo Marquez gemeldet wird, Eisenbahnzüge in der Nähe der Delagoabai in die Luft gesprengt haben, ist nicht recht wahrscheinlich; so weit sind sie wohl noch nicht gekommen; aber mit Hilfe ihres Bundesgenossen, der Pest, welche die englischen Schiffe in bedenklicher Weise verseucht, gelingt es ihnen hoffentlich, die Eng länder recht bald gefügiger zu machen und von ihnen diejenigen Zugeständnisse zu erpressen, auf die sie be gründeten Anspruch haben. Aus veru Mut-euthale. *Waldeubnrg, 21. März. Der Winter macht Frühling die Herrschaft noch erfolgreich streitig. 8 Uhr 12 om, nachmittags 4 Uhr 20 om, die Nieder schlagsmenge in den letzten 24 Stunden bis mittags 12 Uhr 39,g mill, davon in fester Form 33,nuu. Die meisten Züge der Muldenthalbahn hatten Verspätungen. *— Wie wir von zuverlässiger Seite erfahren, wird für Hausbrandkohlen (Würfel I und II, sowie Knörpel I) vom 1. April d. I. an im Zwickauer und im Oels- nitz-Lugaucr Steinkohlenrevier eine Ermäßigung von 4 bis 6 Mk. pro Doppelwagen eintreten und werden diese Preise bis Ende Juli Giltigkeit behalten; vom 1. August d. I. an werden alsdann die seitherigen Preise wieder in Kraft treten. Dagegen erfolgt in Industrie» kohlen für Abschlüffe vom 1. April d. I. an insofern eine Preiserhöhung, als nach Ablauf der bisher noch laufenden Abschlüsse die Preise den gegenwärtig giltigen werden angepaßt werden. *— Die diesjährige Musterung der Militärpflichtigen aus Dürrengerbisdorf, Herrnsdorf, Kaufungen mit Mühl wiese, Rochsburg und Schlagwitz findet am 28. d. vor mittags 8 Uhr und derjenigen aus Penig, Thierbach, Uhlsdorf, Wolkenburg und Zinnberg am 19. d., vor mittags 8 Uhr im Rathhause zu Penig statt. *— Telegraphische Postanweisungen nach Ungarn sind jetzt nach sämmtlichen Orten zulässig, nachdem alle Post ämter mit Bestelldienst in Ungarn zur Auszahlung solcher Postanweisungen fim in- und ausländischen Verkehr er mächtigt sind. *— Zahlungseinstellungen in Sachsen sind im Februar 111 eröffnet worden, 11 weniger als im Vormonate, aber 1 mehr als im Februar des Vorjahres. *— Die 7. ordentliche Landessynode der evangelisch lutherischen Kirche ist zum 24. April d. I. einberufen worden. — Wurzen ist in der glücklichen Lage, die Steuern Herabsehen zu können, wenn sie auch noch hoch genug bleiben, nämlich 210 statt 220 der staatlichen Ein kommensteuer. Aus dem Sachse»la«-e. — Einen bedeutenden Erfolg hat die Maschinenfabrik „Germania" in Chemnitz zu verzeichnen. In den letzten Tagen waren mehrere Herren aus Japan daselbst anwesend, die genannter Firma die Ausführung einer großen Branerei mit künstlicher Eis- und Kühlanlage für Tokio übertrugen. Tie Herren hatten verschiedene Brauereianlage-Fabrikcn in Nordamerika und Deutsch land besucht und dann der „Germania" den Auftrag ertheilt. — Der AuSstand der beim Bau der Wasserleitung in Meerane beschäftigten Arbeiter ist beendet. Die Forderungen der Arbeiter sind zum Theil bewilligt worden. — In Meerane fand am Montag Abend eine Volksversammlung statt, in welcher der nationalsociale Parteiführer Naumann über Weltpolitik und Getreide zölle sprach. Ter Saal war von Männern und Frauen überfüllt. Die Socialdemokraten rissen bei Bildung eines Bureaus die Herrschaft sofort an sich und nahmen schließlich eine Resolution an, in welcher die National- in den Frühling hineinfahren zu können, ihre volle Be- socialen, obwohl Naumann sich gegen Erhöhung der rechtigung haben. Die Schneehöhe betrug heute früh! Getreidezölle auSsprach, den Brotwucherern an die Seite Unterhaltungstheil. Auf der Felseninfel. Eine Erzählung aus den norwegischen Schären. Von M. Ottesen. 28) (Fortjetzung.) Der alte Rasmus harrte der Unvorsichtigen mit seinem Lyster.*) Ein kurzer, kräftiger Stoß, und die erste Forelle wurde triumphirend in die Höhe gezogen. In kurzer Entfernug folgten uns die anderen Boote, doch allein das Perlen des Wassers, wenn das Lyster sein Opfer erreichte, unterbrach die lautlose Stille, welche die ganze Gegend in ihrem magischen Banne ge fangen hielt. In dem rochen Lichtglanz nahmen die im tiefen Schatten ruhenden Bäume und Felsen der Ufer, an denen wir langsam vorüberglitten, neue ge spenstische Formen an. Der Mond trat blendend hell hinter den finsteren Tannen hervor und mischte seine silbernen Strahlen unter den rochen Feuerschein. So zauberhaft schön war das Ganze, daß wir alle zuerst traumverloren dasaßen. Selbst Hannah hatte ihr Lachen verlernt, und unmöglich schien es, in GunhildaS Ohr leise Liebesworte zu flüstern. War es nur der unsichere Lichtschimmer, der sie mir so seltsam verändert erscheinen ließ? Totenblaß, regungslos saß sie da, den Blick starr auf die funkelnde Brücke gerichtet, die sich der Mond unten im Wasser baute. Einmal beugte sie sich so tief über den Rand, daß ich sie ängstlich zurück hielt. Zum erstenmal während der langen Stunden redete sie mich an: „Fürchten Sie nichts! Ich bin keine Nixe, die, nachdem sie Unheil über alle, die sie liebten, gebracht hat, wieder in den Wellen verschwindet. Ich *) Dies eigenthümliche Fifchgeräth, dessen man sich auch in Schottland zu ähnlichem Zwecke unter dem Namen .leistsrinx' bedient, besteht aus einem eifernen Kamme, aus einem langen Schafte befestigt, mit S—4 Zoll langen Zähnen, die mit Wider haken versehen sind. bin nur ein armes Menschenkind, welches selbst am schwersten die Last seiner Schuld trägt und sinnt, wie begangenes Unrecht gesühnt werden könne." Ich erschrak, mehr noch über den tiftraurigen Klang der Stimme, den düsteren Ausdruck ihres Gesichts als über die Worte selbst. „So bald ich mit Ihrem Pflegevater gesprochen habe, verlaffen wir die Insel," sagte ich unbeholfen und ver suchte, ihre Hand verstohlen zu drücken. Mit einer Bewegung unaussprechlichen Widerwillens machte sie sich frei und tauchte die schmalen Hände so ost in die Fluth, als ruhe darauf ein Fleck, den alle Wasser der Welt nicht rein waschen könnten. Dann benetzte sie sich das Gesicht, Hals und Arme, hüllte sich fest in ihr Tuch und saß unbeweglich da, finster und bleich wie eine Statue des Schicksals, gegenwärtig und doch wie durch eine unübersteigliche Mauer von mir getrennt. Der Traum, den ich in der ersten Nacht meines Hierseins gehabt hatte, fiel mir ein, und ich fühlte mein Herz in Eiseskälte erstarren. Jetzt begriff ich die selt samen Empfindungen, die sie allen Leuten einflößte. Lag nicht in Wahrheit etwas Nixenhaftes in ihrem gan zen Wesen? Bald berückend, sanft und liebenswürdig, bald kühl und unnahbar, hatte sie mich vielleicht nur an gezogen, um mich wieder fortzustoßen. DaS Ideal eines Weibes hatte ich in ihr erblickt — und sie war doch nur eine herzlose Kokette, die mit allen ihr Spiel trieb, die sich nicht willenlos ihrer Herrschaft beugten. Eine Beute der widerstreitendsten Gefühle, saß ich da, bald mich selbst einen Thoren scheltend, bald von Zorn er füllt gegen das schöne Mädchen, das mich keines freund lichen Wortes würdigte, nachdem ich ihr mein Bester zu eigen gegeben. Endlich wurde umzukehren befohlen. Sigurd ruderte an unS vorbei in seinem Kanoe, und wieder folgten ihm Gunhildas Blicke. Begann ihr altes Interesse für ihn zu erwachen, wo er ihr stolz und ablehnend begegnete? War doch früher etwas zwischen den beiden Vorgefallen, was man mir verheimlicht hatte? „Komm, Hannah," unterbrach Gunhildas Stimme plötzlich das Schweigen. „Setze Dich hier zu mir. Du sieht müde aus, Kind." Waren wir denn alle unter dem Banne eines bösen Zaubers? Hannahs Gesicht war blaß, und die Augen blickten mich einen Moment traurig und vorwurfsvoll an. Dann legte sie leise ihr Köpfchen an die Schulter der Freundin und vermied es, mich anzusehen. „Oss oxtrSmes 86 touvstent," flüsterte der Doktor, neben dem ich Platz genommen hatte. „Wer vermöchte zu sagen, welcher von beiden der Vorzug gebührt?" Ich stutzte; völlig neu war mir der Gedanke, eS könne sich jemand mit der erhabenen Schönheit Gun hildas vergleichen — und nun gar die kleine Hannah! Unerträglich war mir aber der Gedanke, dieser trockene Verstandesmensch könne die Hand nach dem übermüthigen Wildfang ausstrecken wollen. Sofort leitete ich daS Gespräch auf die Reize und Vorzüge der Zwillinge, bis mich der erfahrene Weltmann kurz unterbrach. „Kennen wir," meinte er ruhig. „Dutzendkram! Zwar für meine Zwecke recht brauchbar — doch still, hier ist nicht der Ort, eine so delikate Sache zu discu- tiren. Morgen werde ich mit dem Vater sprechen der wird schon wissen, welche am besten für mich paßt." Reich mit Beute beluden kehrten wir heim. Wieder erwartete uns im Eßsaal des gastlichen Hauses ein reiches Mahl, doch jetzt theilte auch die übrige Gesell schaft meine trübe Stimmung, und vergeblich versuchte es der Doktor, von allen vielleicht der einzige Unbe fangene, Leben hineinzubringen. Unter dem Vorwand der Müdigkeit zog sich jeder früh auf sein Zimmer zu- rück, und so war der Abend vergangen, ohne daß eS zwischen mir und Gunhilda zu einer Aussprache ge kommen war. (Fortsetzung folgt.)