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2. SÄllge M Schönburger TugebIM Sonntag, Seu 17. Februar 1901. Wongrowitz. Ein Städtebild aus dem Osten deS Reichs von Georg Feltner. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Wongrowitz, im Februar 1901. Zu den Kreisen in der Provinz Posen, in denen auf wirthschaftlichem Gebiete der Kampf zwischen den Deut schen und Polen besonders heftig tobt, gehört vor Allem der Wongrowitzer. Hier kaufte nach Erlaß des An siedelungsgesetzes und nach Begründung der Ansiedlungs commission die letztere zuerst ihre größeren Gütercom- plexe an, und zwar insgesammt 24 Rittergüter, wozu noch vereinzelt ehemalige polnische Bauerwirthschaften gekommen sind. Bisher hat die Ansiedlungscommission im Kreise Wongrowitz 8 neue Landgemeinden mit zu- sammen 135 Ansiedlern bei einem Flächeninhalt von 3216 Hectaren begründet. Neben einzelnen Restgütern in der Größe von 300 und mehr Morgen und ver schiedenen ganz kleinen Ansiedlerstellen (den sog. Hand werker-Arbeiterstellen), hält sich der durchschnittliche Umfang einer Ansiedlerstelle in der Größe von 80 bis 150 Morgen. Außerdem besitzt die Ansiedlungscommis, sion im Kreise Wongrowitz 14 selbständige Güter im Gcsammtumfange von 9491 Hectaren, die größtentheils bereits in der Besiedlung begriffen sind. Der Groß grundbesitz im Kreise Wongrowitz umfaßt zur Zeit 61,070 Hectarc, wobei der größte Grundbesitzer die Ansiedlungs commission mit etwa 38,000 Morgen ist, während der überwiegend polnische Kleingrundbesitz sich auf 40,260 Hectare stellt. Man sollte nun glauben, daß durch diese bedeutende Thätigkeit der Ansiedlungscommission im hiesigen Kreise die Stadt Wongrowitz mehr und mehr deutsch werden müsse, daß deutsche Handwerker, Gewerbtreibende, Kauf leute und Industrielle sich in immer größerer Zahl in unserer Stadt niederlassen und auch sonst ein deutscher Zuzug stattsinden müsse. Indessen ist dies nicht der Fall. Trotzdem Wongrowitz, das an der Eisenbahn linie Jnowrazlaw-Kreuz gelegen ist, Sitz der Kreis behörde ist, ein Gymnasium, ein Amtsgericht hat, und auch eine Reihe wohlhabender deutscher Einwohner zählt, fehlt es gerade auffallend an deutschen Hand- Werkern und Kaufleuten. PolnischerseitS werden näm lich außerordentliche Anstrengungen gemacht, den Grund- besitz und vor Allem städtische Grundstücke in polnischen Besitz zu bringen, vielfach nicht ohne Erfolg. Beson ders in der Kreisstadt selbst, die nach der letzten Volks zählung 5400 Einwohner zählt, ist es gelungen, das polnische Element zu stärken. Während an der Be völkerungsvermehrung der letzten 20 Jahre die Deut schen 2,z«/o theil haben, beträgt der Antheil der Polen 24°/<>. Im Jahre 1880 kamen auf 100 Handwerker und Gewerbtreibende noch 65 Deutsche, 1900 nur noch 44. Aus diesen Ziffern ist ersichtlich, daß energische Anstrengungen gemacht werden müssen, falls die Stadt nicht ganz der Polonisirung entgegen gehen soll. Dabei ist Wongrowitz ein Platz, der nicht ohne In dustrie ist und dessen rührige und umsichtige Stadtver waltung eine Reihe moderner Einrichtungen geschaffen hat, die Städten von gleicher Einwohnerzahl hier im Osten meist fehlen. So ist schon vor einer Reihe von Jahren auf Anregung des Bürgermeisters Weinert ein mustergiltiges städtisches Schlachthaus errichtet worden. Ebenso ist gegenwärtig ebenfalls auf Anregung deS Bürgermeisters Weinert ein städtisches ElektricitätSwerk im Bau begriffen, das bereits am 1. Juli seiner Be- stimmung übergeben werden soll. Die Anlage eines Wasserwerkes verbunden mit der Frage der Kanalisation steht gegenwärtig zur Verhandlung und dürfte allem Anscheine nach in bejahendem Sinne entschieden werden. Die Stadt Wongrowitz besitzt zwei große Holzschneide, mühlen, eine Cementwaaren- und Kunststeinfabrik, eine Hartsteinfabrik, eine Brennerei, Molkerei, eine größere Wassermühle rc. Im Kreise selbst befinden sich 19 Brennereien, darunter 2 Genoffenschaftsbrennereien, 4 Stärkefabriken, 10 Molkereien, 7 größere Ziegeleien, 1 Hypsbergwerk (in Wapno), 6 größere Mühlen rc. Für deutsche Industrielle würde sich Wongro witz ganz besonders zur Niederlassung eignen und dieselben der billigen Arbeitskräfte wegen ihre Rechnung finden. Vor allem gilt dies von der Holz industrie (Holzbearbeitung und Holzwaarenfabrikation), da die fast unmittelbar an die Stadt stoßenden fiscalischen Forsten das Rohmaterial für diese Zweige in mehr als ausreichendem Maße bieten. ES werden jetzt Holz- stümme, in erster Linie Eichen, in weite Ferne, z. B. zur Herstellung von Möbelfournieren, bis nach Hamburg versandt. Kleineren Betrieben wird das im Bau be griffene ElektricitätSwerk billige Motorkraft abgeben können. Außerdem ist Wasser in zwei unmittelbar an der Stadt gelegenen Seen und in dem Welnafluß vor handen. Sehr erwünscht und für Unternehmer sehr rentabel wäre die Begründung einer Industrie, welche die Verarbeitung der landwirthschaftlichen Erzeugnisse zum Gegenstände hätte. Es kämen hierbei namentlich eine Zuckerfabrik, sowie eine große auf genossenschaft licher Basis errichtete Stärkefabrik in Frage.*) Vor Allem ist aber die Heranziehung intelligenter deutscher Handwerker und Kaufleute nothwendig. Tas aber wird nur möglich sein durch Gewährung billiger Hypotheken, Darlehen behufs Erwerbes von Grund und Boden. Genossenschaftliche Vereinigungen, welchen bil liges Geld zur Verfügung stände, müßten zu diesem Zwecke begründet werden. Ebenso würde die Gewäh rung von Stipendien an begabte Handwerkergehülfen zum Besuche von Fachschulen mit der Verpflichtung, daß die Empfänger sich später am Orte niederlasien, die Seßhaftmachung deutscher Handwerker wesentlich unter stützen. Jetzt ziehen die Arbeiter, auch die deutschen, vielfach in die Jndustriegegenden des Westens wegen des lohnenderen Verdienstes. Eine Arbeiterkalamität be steht im Kreise und besonders in der Stadt Wongrowitz noch nicht. Und es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß der Abzug der Arbeiter nachläßt, sobald die Gelegenheit zu besserem Verdienste sich in der Heimat bietet. Auch die Parcellirung des nachbarlichen Großgrund besitzes könnte viel zur Hebung des deutschen Handwerks und der deutschen Kaufmannschaft beitragen, da dann die kleineren Landwirthe ihren Bedarf in der nächsten Kreisstadt decken, während die Großgrundbesitzer fast immer in Berlin, Posen und anderen Großstädten zu kaufen Pflegen. Damit würde eine Zunahme der Be völkerung und der Steuerkraft erfolgen. Vor Allem aber gilt für Wongrowitz, was für so viele mittlere und kleinere Städte der Provinz Posen unbedingt nöthig ist, wenn diese Orte wirthschastlich und kulturell gehoben werden sollen: bessere Eisenbahn verbindungen und eine Garnison. Eine Vollbahn Posen-Bromberg über Wongrowitz-Schubin, die in dieser Trasse schon vor über 30 Jahren geplant war, ist noch immer ein dringender Wunsch, da sie Vorbedingung wirthschaftlichen Aufschwunges und Gedeihens der Stadt ist. Die bestehenden Zugverbindungen mit Berlin, Stettin, Breslau sind zum Theil geradezu erbärmlich. Zwar sind zwei gute Tagesverbindungen nach Berlin, je eine nach Stettin und Breslau vorhanden, zurück bedarf es einer Reisedauer von 9 bis 13 Stunden; die Tages rückfahrt Berlin-Wongrowitz währt — 11 Stunden. Ebenso ungünstig ist die Verbindung mit Bromberg. Der Abendzug von dort nach Wongrowitz braucht für die 86 Kilometer lange Strecke — 5 Stunden. Was die Frage betreffs Verlegung einer Garnison nach Wongrowitz anbelangt, so hat die Bürgerschaft stets derartige Wünsche geäußert. Dieselben sind jedoch uner füllt geblieben, weil angeblich militärische Rücksichten die Wünsche der Stadt nicht begünstigten. Im nationalen Interesse ist aber eine Garnison für Wongrowitz gerade zu eine Nothwendigkeit, denn eine solche würde nicht nur den Stützpunkt für das Ansiedlungswerk im Kreise, sondern auch einen Kristallisationspunkt für alle deutschen Bestrebungen abgeben und namentlich die Seßhaftmachung deutscher Handwerker und Arbeiter begünstigen. Tie Lage der Stadt in landschaftlicher Hinsicht ist keine ungünstige. Seen, Kiefern- und Eichenwälder, im Sommer mit schönen schattigen Spaziergängen, verleihen der nächsten Umgegend entschieden gewisse Reize. Der Boden im Kreise ist gut, die Bevölkerung für östliche Verhältnisse wohlhabend, so daß wandernde rührige deutsche Handwerker und Kaufleute sehr wohl eine Existenz finden könnten. Von älteren Sehenswürdigkeiten in der Stadt seien vor Allem die Klosterkirche, in deren Nähe übrigens auch Napoleon auf seiner Flucht aus Rußland 1812 rastete, und von neueren das Kaiserdenkmal, eine Schöpfung des Steglitzer Bildhauers Beger, erwähnt. Das Kaiserdenkmal wurde am 30. September 1900 enthüllt. In früheren Jahren war besonders Wongro witz durch seine bedeutende Ausfuhr von Krebsen nach Berlin in der Reichshauptstadt bekannt. Heute ist jedoch die Krebsausfuhr eine minimale und wird in absehbarer Zeit wohl ganz aufhören. Im Jubeljahr. Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht die Münchener ..Jugend" ein Bild, wie Kaiser Wilhelm I. und Fürst Bismarck anno 1901 auf Berlin Herniederschauen, mit folgenden Versen: 1 Jede Auskunft an Gewerbetreibende und Industrielle betreffs eventueller Niederlassung in Wongrowitz rrtheilt Herr Bürgermeister Weinert daselbst. Ueber den Sternen wandeln zwei, Reden und ralhen mancherlei, Blicken herab vom Himmel. Blicken zum deutschen Norden bin, „Hei, waS balgt sich dort in Berlin Für ein tolles Gewimmel?* Spricht der Ein« mit trübem Blick: „Freund, mir bangt es um das Geschick Meines DalkeS da unten! Ist das der alte, knorrige Stamm, Rauh und ehrlich, derb und stramm, Der einst die Welt überwunden? Hörst du daS Kreischen und Freudengejohl, Siebst du sie um des Mammons Idol Tanzen, vom Rausch« beflügelt? Feil wird die Ehre, wie Dirnea-Kuß, Und die Parole heißt Geld und Genuß! Keine Begier wird gezügelt!* Spricht der Zweite im Eisenwamms: „Herr die Geschicke deS deutschen Stamm- Machen mich selber bangen! Schau nur, eS hält an rhrrm Kleid Jungfer Germania, die reine Maid, Schon der Brite gefangen! Macht er sie gar wohl zum Krämerweib? Könnt' ich ihm nur an den feisten Leib Dem perfiden Gesellen! Selber treibt er dem Ende zu — Will er zuvor noch um Glück und Ruh Tückisch die Deutschen prellen? Wächter, da unten! hab' Acht, hab' Acht! Daß er Euch ganz zu Narren macht, Wächter, das darfst du nicht leiden!* Aber der treue Ruf verhallt — Opferqualm in die Höhr wallt, Da entschwinden die Beiden. Schreitet zum Herrgott das greise Paar: „Laß uns da drunten di« trunkene Schaar Ihrem Virderben entrinnen! Schicke den Thoren Gefahr und Noth, Laß sie mit Thränen salzen ihr Brot, Daß sie sich wieder besinnen.* Kirchliche Nachricht-». Am Sonntag Estomihi. BtzaldeabNr«. Vormittags V>10 Uhr predigt H«rr Ober- pfarrer Harleß über Luc. 18, 31—43 (Lied 79). Nach mittags '/»2 Uhr Missionsstunde für Heidrnmisfion. Diens tag Abend 8 Uhr vibelst««do im Pfarrhause. — Wochen amt: Herr Oberpfarrer Harleß. »ttsta»tt»al»o«b«r-. Spätgottesdienst 10 Uhr. Feier d»S heil. Abendmais. '/»10 Uhr Beichte. Nachmittag '/>2 Uhr Consirmandengottesdienft. Ni*berwi«k«l. Frühgottesdienst V»8 Uhr. Nachm. '/»2 Uhr Eonfirmandengott,»dienst in Altstadtwaldenburg. Schwab««. Vormittag? 9 Uhr Predigtgott,-dienst. Schlagwitz. Vorm. 8 Uhr PredigtgotteSdirnst. Franko«. Borm. ',^11 Uhr Predigtgottesdienst. vberwi«t«l. Vorm. 9 Uhr Gottesdienst. Grumbach. Nachm. 2 Uhr Gottesdienst. k^ledul, lielitltre. « Sitrnelle keri-lilerltatliin^ « vsrrüglkder, telk medrkardlger Mlöerlckimnöi. VS<tienIIIck ein Harker keil prei; r; Plena!». ' Vlerteljadrlliti Z Marli r? plennlg. Z» ollen 8uilidan6lu»a«n ru Kaden. « palkeNuagEte 7M0.