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eine Folge von Staatsstreichen nnd Verfassungsver letzungen, eine Mißwirtschaft zu Gunsten seines ewig leeren Portemonnaies gewesen. Milan war ein kluger und energischer Kopf, aber jeder Mangel an richtiger Erziehung, sein unbegrenzter Hang zu groben Aus schweifungen aller Art und zum Spiel ließen die guten Seiten seines Charakters völlig in den Hintergrund treten. Dazu kam seine bodenlos unglückliche Ehe mit der reichen, ehrgeizigen und rücksichtslosen Natalie Kaschko, der nur der heutige König Alexander, geboren 14. August 1876, entsprang. Die serbischen Finanzen zerrüttete Milan durch die unglücklichen Kriege mit der Türkei und mit Bulgarien noch mehr, hatte aber doch die Genugthuung, nach der völligen Besiegung der Türkei durch Rußland sein für unabhängig erklärtes Land durch das Gebiet von Nisch vergrößert zu sehen. Er nahm die Königswürde an, gedachte sich dann nochmals auf Kosten Bulgariens zu bereichern, wurde aber von Alexander Battenberg bei Sliwnitza, Pirot und Nisch schwer geschlagen. Der Weg nach Belgrad lag dem Bulgarenfürsten offen, nur ein österreichisches Ultimatum verhinderte die Eroberung der Hauptstadt. Der Skandal, den sein Zerwürfniß mit der Königin herbeiführte, be schäftigte ganz Europa; Milan ließ sich scheiden und der bei seiner Mutter befindliche Kronprinz Alexander wurde dieser in Wiesbaden auf Milans Reclamation durch die Polizei abgenommen. Als der Serben-König erkannte, daß seine Mißwirthschaft glücklich bis zum nahen Ausbruch einer Revolution geführt, dankte er 1889 am 6. März zu Gunsten Alexanders ab und versprach gegen Zahlung einer hohen Rente, nicht wieder nach Serbien zu kommen. Allein das Geld war schnell verwirthschaftet in Paris, Milan pumpte alle Welt an, den Zaren, zuletzt sogar seine geschiedene Frau, mit der er sich 1893 wieder vertrug. Aber die Moneten gingen immer wieder aus, und so stiftete er den Staatsstreich an, durch welchen sein achtzehnjähriger Sohn die für ihn regierenden Regenten beseitigte, kam dann selbst wieder nach Serbien, wurde Obercommandirender der Armee und war der eigentliche König. Das dauerte so lange, bis der junge König voriges Jahr sich in Draga Maschin verliebte und diese heiratete. Milan war wüthend, reiste ab, nachdem er sein Commando nieder gelegt und grollte fürchterlich, so langt er noch Geld hatte. Als dies alle war, kroch er de- und wehmüthig zu Kreuze. Irgend welche Achtung hat er weder in Serbien, noch sonstwo mehr besessen. Asten. Zwischen den fremden Gesandten in Peking und den chinesischen Friedensbevollmächtigten ist es zu einem vollständigen Bruch gekommen, da die Chinesen eine vollkommene Verschleppungstheorie beobachten, so daß man mit ihnen nicht vorwärts kommen kann. Es wer den den Langzöpfen daher fortan nur schriftlich formu- lirte Vorschläge unterbreitet werden, die die Bezeichnung unabänderlich tragen und ein striktes ja oder nein er heischen. Dann wird man ja sehen, wozu die Chinesen gewillt sind. In China ist die Situation ja schon lange keine drohende mehr, die Verhältnisse müssen sich dort aber neuerdings in sehr erfreulicher Weise gebessert haben, Unterhaltungstheil. Auf der Felseninsel. Eine Erzählung auS den norwegischen Schären. Von M. Ottesen. 5) (Fortsetzung.» Auf dem runden Tisch mit der schneeweißen, gestickten Serviette stand eine schöne chinesische Porzellanvase mit einem Strauß von Feldblumen, welche ihren feinen und doch würzigen Duft ausströmten. Dazu kam noch am Fenster ein Damenschreibtisch von schöner, einge legter Arbeit, welcher zu dem Bücherschrank an der Wand gegenüber paßte — beide waren offenbar be deutend jüngeren Datums als ihre würdigen Etuben- genossen, wirkten aber wunderbarerweist nicht störend. Zwei mächtige Eisbärenfelle waren als Teppiche angebracht und sahen förmlich grau aus auf dem weißgescheuerten Fußboden. Das Zimmer war offenbar für zwei Personen ein gerichtet und machte doch keinen unharmonischen Ein druck. Links hauste der alte Schiffer. Das zeigte der Rauchtisch, die große» Karten an der Wand und das prächtig kolorirte Bild eines Fahrzeuges, welches mit vollen Segeln über azurblaue Wellen einer rosigen Küste zusteuerte. Ich öffnete den Bücherschrank; Romane der verschie densten Art von Paul und Virginie und Thomas Thyr nau bis zu den Novellen einer Carlen und Friederike Bremer. „So sieht also die Bibliothek eines jungen Mädchens aus," sagte ich geringschätzig, die unteren Reihen musternd. „Kein einziges gediegenes Werk — oder doch? Becker's Weltgeschichte, die Edda, P. A. Munch — gar nicht so übel. Ob man dies auch liest? Ich wette, die Liebes geschichten sind fleißig abgenutzt, und die übrigen füllen nur den leeren Raum." : ssA da man feit Wochen von glänzenden Paraden hört, die der Oberbefehlshaber Graf Waldersee über die Truppen abhält. Eine solche Parade hat dieser Tage erst wieder in Tientsin über die deutschen Truppen statt gefunden, und soll über das englische Contingent daselbst in nächster Zeit erfolgen. Wenn diese Paraden natür lich auch nur glänzende Schauspiele sind, die nur in friedlicher Zeit vorgenommen werden können, fo ge statten sie doch dem Oberbefehlshaber einen Einblick in die Verfassung der Mannschaften. Und diese ist offenbar eine gute, da sonst nicht der glänzende Ausfall der Paraden stets hervorgehoben werden könnte. Das Wohl befinden unsrer braven Truppen in China ist für uns aber die allererste Hauptsache. Afrika. In Südafrika haben neuerdings sehr heftige Kämpfe zwischen Engländern und Buren stattgefunden. Ein Angriff Bothas auf die Engländer bei Bothwell wurde von den letzteren zwar zurückgeschlagen, die Verluste waren aber auf beiden Seiten so gewaltige, daß von einem Siege der Engländer schlechterdings keine Rede sein kann. Eine sehr schwere Niederlage hat da gegen Dewet den Engländern gelegentlich feines Durch bruchs durch die britischen Linien zwischen Bloemfontein und Ladybrand auf den Tabaksberg-Hügeln beigebracht. Die Kämpfe liegen zwar um einige Tage zurück, das ändert aber nichts an der Bedeutung ihres Ausgangs. Die Truppen Dewets beliefen sich auf 2500 Mann. Die Briten wollen weniger gewesen sein. Weniger ge worden sind sie sicherlich. Die Burenkugeln räumten furchtbar unter ihnen auf und ein englisches Geschütz ging verloren. Die großen Randminen sind zuver lässiger Mittheilung zufolge alle im besten Zustande. Die Buren sind eben anständige Leute. Lord Kitchener, von dessen Abberufung und Er setzung durch General Evelyn Wood trotz aller Ab leugnungen immer lauter geflüstert wird, hat, wie erinnerlich sein wird, mit Beginn der letzten Januar woche, also vor reichlich zwei Wochen, mit allen ver fügbaren Kräften in Transvaal, wie in der Kapcolonie große Angriffsbewegungen gegen die Buren begonnen. Ausgerichtct hat er trotz aller Scharmützel augenschein lich garnichts, die Buren sind beweglicher, als die Brite», und ziehen diese hinter sich her, bis ihnen die „Puste" ausgeht. Jedenfalls sind die Bemühungen, Dewet oder einen anderen Buren-Commandanten einzukreisen, wieder total fehlgeschlagen. Wie ungenirt die Buren sind, beweist, daß sie auf der Natalbahn einen Personenzug mit allen Passagieren und Gepäck abfingen. Darauf wurde die Bahn gründlich zerstört. In der Bahnpost sollen Briefe von dem deutschen Consul in Durban für Johannisburg gewesen sein; daß die Adressaten diese erhalten werden, ist nicht zu bezweifeln. Bei dem ganzen Zwischenfall ist das Bedeutendste die Thatsache, daß die Buren die Natalbahn, welche die Engländer in Transvaal verproviantirt, beherrschen. Bringt Lord Kitchener sie von dieser Strecke nicht fort, sitzt er fest. Die portugiesische Regierung erklärt in aller Form das Gerücht von einem bevorstehenden Angriff der Buren auf Lorenzo Marquez für falsch. Ebenso ist es unwahr, daß sie englische Truppen zur Unterstützung Wieder fehlgeschossen. Beim Oeffnen deS „Eitlen Weibes" flog mir ein feiner Staub in die Augen. In Munsch's „Geschichte des norwegischen Volkes" lagen dagegen mehrere Lesezeichen, und einzelne Stellen waren sogar mit Randbemerkungen versehen. Eine Reihe prächtig gebundener Bücher füllte ein ganzes Regal: lauter Reisebeschreibungen, darunter sehr kostbare, illu- strirte Werke. Ich las die Widmung, mit einer festen, kaufmännischen Hand geschrieben: „An Gunhilda von Sigurd." Dann Datum und Jahreszahl. „Aha, der Bücherwurm verleugnet sich nicht," rief der Leuchtthurmverwalter wieder eintretend. „Jetzt kommen Sie aber mit. Der Tisch ist gedeckt. Sie müssen schon vorlieb nehmen — einfache Schifferskost." Das anstoßende Zimmer war schmal und lang; es erinnerte in seiner ganzen Ausstattung an die Kajüte eines Schiffes. Unter der Decke hing das vollständige Modell einer Brigg, und mein Wirth erklärte wohlge fällig, er habe die Sofas ohne Lehne, welche an den Wänden entlang standen, de» Teppich auS karrirtem Wachstuch und die Taburctts zurückbehalten, als er sein Fahrzeug verkaufte. Durch das kleine Fenster sah man nach der Insel hin. Graue Felsen erhoben sich neben einander, und hier, wo das Meer fehlte, hatte die Gegend einen ernsten, fast trostlosen Charakter. Mir blieb aber nicht lange Zeit, Umschau zu halten, denn mein Wirth hatte schon an dem Tisch, der fast ganz das Zimmer ausfüllte, Platz genommen und nöthigte mich eifrig, DortheS Kochkunst Gerechtigkeit widerfahren zu lasten. Ich ließ mich nicht lange bitten. Ein Norweger, der vom Auslande zurückkehrt, versteht es allein, ein correct zubereitetes Fischgericht zu würdi gen; und als mir zuletzt ein alter spanischer Wein und echte Havanacigarren, vom Hausherrn selbst importirt, dargeboten wurden, pries ich im stillen meinen Glücks stern, der mich zu diesem herrlichen Zufluchtsort ge erbat. Es scheint, als hätten die Engländer hier im Trüben fischen und bei Gelegenheit den portugiesischen Hafen besetzen wollen. Die Pest-Nachrichten, die aus Südafrika kommen, haben, fo harmlos sie in den eng lischen Blättern dargestellt werde», das Anwerbc-Geschäft gründlich gestört. Wie die angeblich nach Afrika nach zusendenden 30,000 Reiter und Rosse zusammenkommen sollen, ist schwer zu errathen, es wird wohl daraus nie etwas werden, wenn nicht zu Zwangs-Aushebungen ge schritten wird. Die Londoner Börse triumphirte Sonnabend auf die angebliche Nachricht hin, „Dewets Truppen seien deSorganisirt." Der weiß schon, warum er seine Leute wie einen Schwarm Tauben in alle vier Winde zerflattern läßt. Auch General French, der schneidige englische Reiterführer, hat das gemerkt: Trotz aller Mühe hat er die Buren nicht fassen können, und er verfügte über die beste britische Reiterei. Sie verschwinden ihm unter den Fingern. Aus dem Muldeuthale. "Waldenburg, 12. Februar. Auch gestern war der Besuch des Festspiels „Deutschlands 19. Jahrhundert" ein so zahlreicher, daß eine Menge Personen, welche erst am Nachmittage vom Lande herein gekommen waren, keine Eintrittskarten mehr erhalten konnten, da der Saal vollständig ausverkauft war. Es dürfte sich deshalb empfehlen, die Karten möglichst frühzeitig schriftlich zu bestellen. * — Auf Blatt 93 des Handelsregisters für den hiesigen Gerichtsbezirk ist am 7. d. die Firma Balduin Tetzner in Waldenburg und als ihr Inhaber der Kauf mann Max Balduin Tetzner daselbst eingetragen worden. Dagegen ist auf Blatt 28 am gleichen Tage verlautbart worden, daß die Firma Emilie verw. Neumann in Waldenburg erloschen ist. * — Seit einiger Zeit werden in Deutschland Loose einer „ll^procentigen Gothaer Obligations-Verloosung" verbreitet, und zwar von dem angeblichen „Bank- und Lotierie-Contor Fr. Bergmann und Co. in Gotha", für welches ein H. Krause zeichnet. Das ganze Unter nehmen stellt sich als Schwindel dar, es existirt in Gotha weder eine Firma Fr. Bergmann u. Co., noch ein Vertreter derselben. Indem das Publikum vor diesem Unternehmen gewarnt wird, ergeht von dem Ersten Staatsanwalt in Gotha an sämmtltche deutsche Polizeiverwaltungen das Ersuchen, nach Personen, die solche gefälschten Loose vertreiben, zu fahnden und sie dem nächsten Amtsgericht zur Verantwortlichen Ver nehmung und vorläufigen Festnahme vorzuführen. * — Das König!. Ministerium des Innern hat auS Anlaß einer ihm vorgetragenen Meinungsverschiedenheit in diesen Tagen verordnet, daß die Bürgermeister in mittleren und kleinen Städten, Gemeindevorstände und Gutsvorsteher, denen nach Maßgabe von Z 147 de» Allgemeinen Baugcsetzes vom 1. Juli 1900 die Ge schäfte der Baupolizei übertragen worden sind, in allen den im Z 5 der Ausführungs-Verordnung näher be zeichneten Fällen, soweit sie der baupolizeilichen Ent schließung der genannten Gemeindeorgane überhaupt unterliegen, die Eingänge der Gewerbeinspection zur Begutachtung mitzutheilen haben. Die Gewerbeinspection führt hatte. In meiner aufgeräumten Stimmung merkte ich nicht, daß mein Wirth immer einsilbiger und der Himmel immer trüber wurde, bis ein plötzliches Wetterleuchten jäh und grell da§ gefurchte Gesicht meines Nachbars be leuchtete. Er war zu höflich, um den Gast zum Auf bruch zu mahnen, saß aber offenbar wie auf Nadeln, um fortzukommen. Ich beeilte mich, gesegnete Mahlzeit zu wünschen, und vertauschte auf Zureden des alten Schiffers meinen leichten Reiseanzug mit derben Seemannskleidern und einem großen Südwester. Jetzt fiel mir ein Mangel im Hause auf: eS gab hier keinen einzigen Spiegel, nur ein paar kleine Glasscherben in schmalen, goldenen Rahmen, welche so hoch an der Wand angebracht waren, daß sich kein vernünftiger Mensch darin spiegeln tonnte. Mein Wirth, der sich ähnlich „angetakelt" hatte, wie er sich ausdrückte, nickte aber zufrieden. „So, jetzt sehen Sie anders aus. Sind ja meiner Treu ein ganz stattlicher Kerl, der wohl einen Sturm auszuhalten imstande sein wird — denn Sturm giebt es, darauf können Sie sich verlassen, und unglaublich scheint es mir, daß mein Mädchen nicht längst zurück ist- Gott gebe, daß ihr kein Unglück widerfahren ist!" Drittes Kapitel. Eine heiße, drückende Luft schlug uns entgegen, al» wir aus dem Hause traten. Und wie verändert war die Landschaft! Noch regte sich kein Wind, doch dumpf grollte schon in der Ferne der Donner; der bleifarbene Himmel schien mit der Meeresfläche in eins zu ver schmelzen, und laut auftreischend flatterten die Möven, diese sicheren Vorboten des Sturmes, umher. Unten an der Mole stand ein junger Mann mit einem offenen, wettergebräunten Gesicht und klaren, bläuen Augen. (Fortsetzung folgt.)