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Beamten, welche die Civiltrauung vornahmen, wobei der Justizminister den Standesbeamten vertrat. Die Braut war mit ihrer Mutter erschienen, worauf um i/,12 Uhr die Trauung vollzogen wurde. Nach der Civiltrauung begaben sich die Königin und der Herzog in den Saal, wo die fürstlichen Gäste harrten, und dann sofort zur Großen Kirche. In den festlich ge schmückten Straßen bildeten bei herrlichem Sonnenschein Tausende von Menschen Spalier, die den Wagen des Brautpaares mit brausenden Zurufen begleiteten. In der Kirche vollzog sich die Ceremonie in den üblichen Formen, vernehmlich klang das „Ja" des Bräutigams und der Braut, die in dem prächtigen Hochzeitsstaat noch entzückender als sonst aussah. Unter den Klängen der Orgel verließen die Neuvermählten das Gotteshaus wieder und kehrten nach dem Schlosse zurück, auf dem ganzen Wege mit Huldigungen überschüttet. Im Schlosse folgte zunächst die große Gratulationskour und hierauf ein Frühstück. Nachmittags reiste das junge Paar nach Schloß Loo ab, um hier die Flitterwochen zu verleben. Im Haag aber fand eine prächtige Beleuchtung statt, und die Menschenmassen füllten bis in den tiefen Abend hinein die Straßen. England. Zwischen Portugal und England herrscht gegen wärtig die dickste Freundschaft, König Karol bleibt noch mehrere Tage in London, Lord Kitchener hat den Schutz der Portugiesen und die Wiederherstellung der von den Buren bei Lorenzo Marquez zerstörten Eisenbahn über nommen. Asten. Die diplomatischen Verhandlungen in Peking über die Grundlagen der ersten Forderung, Bestrafung der Schuldigen, nehmen einen so schleppenden Verlauf, daß man vorläufig noch garnicht an den Abschluß eines Friedensvertrages denken darf. Eine bemerkenswertste Episode aus den Verhandlungen wird der „Voss. Ztg." berichtet. Als die chinesischen Bevollmächtigten erklärten, es wäre unmöglich, Tuan und die übrigen Prinzen infolge ihrer nahen Verwandtschaft mit dem Herrscher hause hinzurichten, erinnerte der französische Gesandte Pichon daran, daß vor 50 Jahren ein Prinz, der eben falls verwandt war mit dem Herrscher, enthauptet worden sei, und zwar auf Befehl der Kaiserin-Wittwe selber. Die Chinesen antworteten darauf, das sei ein ganz andrer Fall gewesen, da der in Rede stehende Prinz des rebellischen Verhaltens gegen die Regierung schuldig gewesen sei. Pichon erwiderte: Wollen Sie damit sagen, daß Tuan nicht in derselben Weise schuldig sei und daß er das, was er that, auf Geheiß der Regierung that? Die Commissare blieben darauf die Antwort schuldig. Ueber die Frage der Kriegsentschädigung soll unter den Gesandten eine Verständigung dahin erzielt worden sein, China eine Gesammtbuße von 1600 Millionen Mark aufzuerlegen, von der jeder einzelnen Regierung der ihr zustehende Theilbetrag zugewiesen werden solle. Die deutsche Colonne Trotha befindet sich noch in voller Thätigkeit in den Gebirgszügen im Nordwesten der Provinz Tschili. Die Angabe, daß sie ausgesandt sei, um den Hof von Singanfu nach Peking zurück zuholen, erweist sich als unbegründet. Afrika. Aller Orten begegnet man Zweifel darüber, ob Eng land in absehbarer Zeit überhaupt im Stande sein wird, die sehr nothwendige und deshalb beschlossene Verstärkung von 30,000 Mann Berittenen nach Süd afrika zu werfen. Jedenfalls wird der Transport am Sonnabend nur ein sehr geringer Bruchtheil der be schlossenen Verstärkung sein, und das Weitere wird man dann ja sehen. Vorläufig haben die Buren jedenfalls noch nichts zu fürchten und können in aller Ruhe die Lortheile ausnützen, die sie in den letzten Wochen und Monaten erreicht haben. Amerika. Wessel, ein Vetter des Präsidenten Stein, erklärte in einer Versammlung von Burenfreunden in Chicago, seine Landsleute hätten das volle Vertrauen, daß der Kampf schließlich zu ihren Gunsten ausfallen werde. In derselben Versammlung schilderte der Feld- cornet Vilgoen die Grausamkeiten der Engländer in Südafrika, wie sie die Wohnungen plünderten und zer störten und wie furchtbar sie Kinder und Frauen be handelten. Seitdem die Engländer da unten vollständig in die Defensive gedrängt sind, hat sich wenigstens in dieser Beziehung hoffentlich manches gebessert. Aus dem Mul-euthale. "Waldenburg, 8. Februar. Die Errichtung eines Alter thumsmuseums hierselbst ist seitens des dafür eingesetzten Ausschusses soweit vorbereitet worden, daß die Eröffnung des Mnseums voraussichtlich zu den Osterfeiertagen erfolgen kann. Erwünscht ist es, daß dem Museum Alterthümer und alterthümliche Gegenstände, wenn auch unter Vorbehalt des Eigenthumsrechtes, in recht reicher Anzahl seitens der hiesigen Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden. ... *— Vergangenen Sonntag beging auf dem hiesigen Gottesacker ein jetzt in Glauchau wohnhafter Schneider, welcher früher in Altwaldenburg wohnte, bei einem Begräbnisse mehrfache Störungen, die seine gewaltsame Entfernung nöthig machten. Der Vorfall ist, wie wir mittheilen können, bereits zur Anzeige gebracht worden und sieht der Störenfried seiner Bestrafung entgegen. * — Als Gutsvorsteher des Rittergutes Oberwiera ist am 1. d. Rittergutsbesitzer Herr Linus Oswin Kühn daselbst in Pflicht genommen worden. * — Nach den „Dr. N." soll auf der Straße von Remse nach Waldenburg am Mittwoch Vormittag ein älterer Mann erfroren aufgefunden worden sein. Auch soll im unteren Muldenthale in der Nacht zum Mitt woch ein mehrere Secunden andauernder Erdstoß ver spürt worden sein. Von beiden Vorfällen ist hier nichts bekannt. * — Wenn man gegenwärtig durch die Ortschaften geht, die jetzt zur Kreishauptmannschaft Chemnitz ge hören, so wird man finden, daß die am Eingänge eines jeden Dorfes angebrachten Ortstafeln, die den Namen des Dorfes, der Amtshauptmannschaft rc. aufweisen, ent fernt worden sind. Dies hat seinen Grund darin, daß die Aufschrift der betreffenden Tafeln einer Aenderung unterzogen wird; an Stelle der Worte „Kreishauptmann schaft Zwickau" kommt jetzt die Bezeichnung „Kreishaupt. Mannschaft Chemnitz". * — Tie sächsische Staatseisenbahnverwaltung hat im Jahre 1900 etwa 1^ Mill. Mk. mehr für Kohlen verausgabt als im Jahre 1899. Die Mehrausgabe ist in der Hauptsache auf die erhöhten Kohlenpreise zurück- zuführen und würde vielleicht das Doppelte betragen haben, wenn seitens der Generaldirection nicht mit allen Mitteln auf Minderung des Kohlenverbrauchs hin gearbeitet worden wäre. Hierzu gehören zunächst der Wegfall aller mangelhaft benützten Züge und die Ent fernung aller Personenwagen aus den Zügen, soweit dieselben nicht unbedingt zur Bewältigung des Verkehrs benöthigt werden. *— An Strafanstalten besitzt Sachsen ein Zuchthaus: in Waldheim, vier Gefängnißanstalten: in Zwickau, Hoheneck, Sachsenburg (für Jugendliche) und Vogtsberg bei Oelsnitz, außerdem drei Correctionsanstalten: in Hohenstein (sächs. Schweiz), Sachsenburg (für Jugendliche) und Grünhain, das ebenfalls theilweise mit jugendlichen und zwar weiblichen Personen besetzt ist. Im Zucht hause zu Waldheim befanden sich am Schluffe des ab gelaufenen Jahres 1874 Züchtlinge, in den vier Straf anstalten 2651 Gefangene, von denen 304 Personen weiblichen Geschlechts auf Vogtsberg kommen. In den Correctionsanstalten waren 643 Personen untergebracht. — Augenscheinlich richtet die deutsche Reichsbank ihr Augenmerk auf die Industrie-Bezirke, welche im Laufe der letzten Jahre sich so außerordentlich gehoben haben, es sind dies Rheinland, Westfalen und das Königreich Sachsen. In letzterem Lande, besonders im Bezirke der Handels- und Gewerbekammern Chemnitz und Plauen, entstehen unaufhörlich neue Reichsbank-Neben stellen; neuerdings kommt Waldheim an die Reihe. Die Reichsbankstellen Chemnitz und Plauen sind mit so zahlreichen Nebenstellen versehen, daß eine Theilung dieser beiden Bezirke nothwendig wird. Als zukünftige Reichsbankstellc wird Zwickau bezeichnet. Tas Reichs- bankdirectorium hat bereits vom Stadtrathe in Zwickau ein Grundstück erworben, um auf demselben ein eigenes Reichsbank-Gebäude zu errichten. Aus dem Sachseulaude. — Im Postamt 6 in Dresden auf der König Albertstraße erschoß sich am Donnerstag früh gegen 6 Uhr der Gcldbriefträger Böhme. Er ließ sich eine Unterschlagung ihm anvertrauter Gelder, deren Höhe noch nicht bestimmt ist, zu Schulden kommen. — Ter für nächsten Montag in Leipzig angekündigte Besuch des Königspaares ist infolge der neuerlichen Er krankung des Königs auf eine der nächsten Wochen ver schoben worden. — Tie Stadtverordneten in Leipzig bewilligten in ihrer Sitzung den Betrag von 85,950 Mk. für den An kauf des Vorwerkes Sorg bei Adorf im Erzgebirge zur Errichtung einer Lungenheilanstalt für Leipziger Ein wohner. — Künftigen Sonntag, den 10. Februar, nachmittags 5 Uhr wird in Hoheusteiu-Ernstthal ein Fest des evangelisch-lutherischen Gotteskastens gefeiert werden, bei dem Herr Oberpfarrer Harleß aus Waldenburg predigen, iu der Nachversammlung ^/,8 Uhr in den 3 Schwanen u. a. Herr Katechet Synesius Fischer aus Außig über die evangelische Bewegung in Böhmen berichten wird. Der Gottcskasten in Sachsen, 1854 gegründet, 1876 erneuert, ist ein kirchlicher Verein nach Art des Gustav- Adolph-Vereins; er ergänzt diesen namentlich insofern, als er alle Lutheraner umfaßt, soweit sie in nicht lutherischer Umgebung sich befinden, also seine Fürsorge nicht nur auf diejenigen unserer Glaubensbrüder, er streckt, die unter Römischen wohnen, wie der Gustav- Adolph-Verein thut, sondern auch derer sich annimmt, die in reformirter und uniirter Umgebung sich befinden und dort kein besseres Loos haben, als die unter Römischen verstreut wohnen. So arbeitet er denn nicht nur in Oesterreich-Ungarn und Bayern, sondern auch in Preußen und Baden, in der Schweiz und Frankreich, in Brasilien und Südafrika, und zwar unter sichtlichem Segen. Seine Hauptaufgabe erkennt er darin, die Zerstreuten zu Gemeinden zu sammeln, ihnen gläubige lutherische Geistliche und Lehrer zu geben und ihnen gottesdienstliche Stätten zu bauen. Er ist sehr auf die Mithülfe der Glaubensgenossen in den lutherischen Kirchen gebieten angewiesen und ist der guten Zuversicht, daß immer weitere Kreise in der Kirche Luthers nach dem Schriftwort handeln werden: Lasset uns Gutes thun Jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. Zur weiteren Orientirung dienen die Schriften und Flugblätter, die in der oben erwähnten Nachversamm lung verkauft werden, und bei dem Agenten für den Gotteskasten in der Ephorie Glauchau, Pastor Lehmann in Callenberg, zu haben find. Alle Freunde des Reiche- Gottes seien zu dem Hohensteiner Fest herzlich eingeladen. — Der Landwirthschaftliche Kreisverein im Erzge birge veranstaltet Sonnabend, den 9. d. von Vormittag 10 bis Nachmittag 5 Uhr in Lahl's Restaurant in Aunaberg wiederum eine Flachsausstellung, für welche reichliche Anmeldungen vorliegen und das Directorium des Kreisvereins jetzt die Einladungen zum Besuche der selben ausgesendet hat. — Zum Pfarrer in Oschatz ist der Pfarrer der St. Markusparochie in Chemnitz, Herr Armin Ottokar Col ditz, gewählt worden. Mit der Stelle ist das Amt eines Königlichen Superintendenten verknüpft. Herr Col ditz, geboren am 12. Juli 1856 in Treuen, ist seit etwa fünfzehn Jahren in Chemnitz thätig. — In Altenburg wurde der tschechische Pfarrer Hirtel, welcher eine Inspektionsreise durch die Industrie gebiete Anhalts unternahm, wegen aufreizender Reden verhaftet und ausgewiesen. Deutscher Reichstag. 43. Sitzung vom 7. Februar. 1^ Uhr: Die Berathung des Etats des Reichs justizamts wird fortgesetzt. Abg. Liebermann v. Sonncnbera (Antis.) bemerkt zu nächst dem Staatssekretär Nieberdin^, daß Klagen über Rechts verletzungen in den einzelnen Prozeßfällen, wie vorgestern sie Herzfeldt vorgebracht habe, durchaus hier vor den Reichs tag gehörten. Denn wenn auch die Gerichte einzelstaatiich seien, so sei doch das Recht ein einheitliches im Reich und für das Reich. Auch er müsse deshalb auf den Mordproceß in Konitz näher eingehen. Man glaube im Lande ihalsäch- lich schon, daß die Judenfnrcht bereits die Behörden ergriffen habe. Er selbst glaube ja allerdings nicht, daß es bei un schön jo weit sei, wie in Oesterreich-Ungarn, woAndrassy er klärt habe: „Die Juden in TiSza Eszlar haben die Estler Salomossy ermordet. Aber wie dürften wir das zugeben, ES wären ja sonst in Ungarn 17,000 Juden an einem Tage ermordet worden, und wo sollen wir denn das Geld her nehmen?!" Aber vorbeugen muß unsere Regierung, daß e» bei uns nicht so weit komme. In Konitz seien die Tumulte nur durch die jüdische Anmaßung und jüdische Frechheit her- vorgerusen worden. Redner behandelt die Könitzer Affaire auch weiter in diesein Tone. Auch die neuesten Kleiderfunde bewiesen, daß die Mörderbande auch jetzt wieder nur bezweckte, die ruhige Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten zu veranlassen. Ebenso seien die Funde ein Beweis, daß es sich um einen Mord aus Aberglauben handele, denn ein Mörder pflege doch sonst nicht, schon der Entdeckungsgefahr halber, Klei dungsstücke des Ermordeten so lange aufzubewahren. Auch den Fall in Xanten berührt Redner, um sodann besonder» gegen die vorgestrigen Ausführungen des Abg. Rickert zu polemisiren. Thalsächlich fei die nach Konitz geschickte Criminal- volizei immer der Ueberzeugung gewesen, daß der Mörder überall zu suchen sei, nur nicht bei den Juden! Bei solcher Voreingenommenheit sei es natürlich schwer möglich, recht zeitig die richtigen Spuren zu finden. Herr Rickert, dieser Ministeranwärter tu psrpstuum, habe ihn zu dieser Er widerung gezwungen. Sollte derselbe wieder antworten, sei es hier, sei es im preußischen Abgeordnetenhause, so werde die Kette sich fortsetzen, so lange bis Herr Rickert aushöce. Glücklicherweise habe, wie ja Rickert selbst zugeben müsse, der Antisemitismus auch im Abgeordnetenhause Freunde. Daß ein ganzer antisemitischer Generalstab in Konitz gewesen sei, darin habe man Rickert schmählich belogen. Wohl aber ser in Konitz ein förmliches jüdisches Verwirrungs- und Ber- tuschungs-Comitee installirt. So oft Rickert vertuschen helfe, werde er, Liebermann, sofort antworten. (Heiterkeit.) Er und seine Freunde erwarteten jedenfalls von den Justiz behörden, daß sie die noch übrig gebliebenen Spuren, die sämmtlich nur auf Juden Hinweisen, sorgfältig verfolgen würden. Abg. Beckh (fr. Vp.) widerspricht nochmals der Basser- mann'schen Behauptung von der Prozeßverschleppung in der bayerischen Pfalz, plaidirt für bedingte Verurtheilung im Gegensatz zu bedingter Begnadigung und verlangt nochmal» Abstellung der gegenwärtigen Mißstände im preußischen Ge- richtSvollzieherwesen. Ebenso wiederholt er sein Verlangen nach Entschädigung für die unschuldig Verhafteten, um so dann auf den Komtzer Mordprozeß einzugehen. Wie schlimm das DenunciationSwesen sei, das hätten wir doch wahrlich genug erfahren auf dem Gebiete der Majestätsbeleidigungs- prozesse. Viel schlimmer sei aber die Sache, wenn m der Weise vorgegangen werde, wie dies Seitens des Vorredner- geschehen sei. Das Märchen vom Ritualmorde sollte doch längst als überlebt gelten. Gleichwohl diese Hetze in Konitz und nun heute hier im Reichstage! Sollte wirklich im Könitzer Prozeß etwas versäumt worden sein, so sei das zu beklagen. Aber die Verwirrung, welche entstanden, sei ver schuldet nicht von jüdischer Seite, sondern vielmehr von den Antisemiten, die nicht nur einen Generalstab dort eingesetzt hätten, sondern geradezu einen Untersuchungsausschuß neben dem staatlichen, um die Untersuchung in die Fährte eine» Ritualmordes zu lenken. Ausdrücke wie Liebermann sie ge braucht: jüdische Frechheit und weiterhin Mordbande, womit Liebermann dem ganzen Zusammenhang« noch offenbar auch nur jüdische Mordbande gemeint habe, gehörten nicht in den Reichstag hinein und kennzeichneten nur die Schlechtigkeit der Sache, der man mit solchen Ausdrücken zu dienen hoffe. Bindewald habe neulich unter Hinweis auf den Justizrath