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Stab gebrochen und es erscheint zum mindesten fraglich, ob kommenden Falles seine Mehrheit für eine Bier steuer zu haben sein würde. Das Ausbleiben eines Amnestieerlasses gelegent lich der 200jährigen Jubelfeier der preußischen Königs krone ist im deutschen Reiche schmerzlich empfunden worden. Als am Morgen des Jubeltages die Extra ausgabe des Reichs- und preußischen Staatsanzeigers zur Ausgabe gelangte, war die Enttäuschung groß, als in dem umfangreichen Druck kein Wort von dem Erlaß einer Amnestie zu finden war. Ein Antrag um Einführung einer gleichmäßigen deutschen Rechtschreibung im ganzen deutschen Reiche und den benachbarten deutschen Sprachgebieten von Oesterreich-Ungarn und der Schweiz ist von der freisinnigen Volkspartei im Reichstage eingebracht wor den. Solch ein Antrag ist natürlich leichter eingebracht als ausgeführt. Der Puttkamersche Versuch einer allgemeinen deutschen Rechtschreibung hat die Verwirrung doch noch größer gemacht, als sie schon vordem war und bietet daher nichts Verlockendes zu neuen Experimenten. Andererseits wird es freilich Niemand schön finden, daß im deutschen Reiche beinahe ein jeder seine eigene Ortho graphie hat. Die staatlichen Kohlengruben in Oberschlesien sollen eine Preiserhöhung ins Auge gefaßt haben, so wird einem Breslauer Blatte von angeblich bestinformirter Seite gemeldet. Während alle Welt auf eine Herab setzung der fiskalischen Kohlenpreise rechnet, soll also das Gegentheil eintreten. In der Könitzer Mordaffaire soll nach einer der „Voss. Ztg." zugegangenen Drahtmeldung nunmehr Klarheit gewonnen, und der Könitzer Gemeindeschullehrer W. verhaftet worden sein. Auch eine an der Berliner Börse verbreitete Nachricht besagte Aehnliches und deutete an, daß Winter von dem betr. Lehrer im Gemach der Frau Lehrerin betroffen und auf der Stelle erschlagen worden sei. Nach einer anderweitigen Meldung haben die eifrig betriebenen Untersuchungen bisher jedoch zu keinem Ergebniß geführt. Es habe den Anschein, als ob die traurige Affaire wiederum auf einem Ruhepunkt angelangt sei, da die Berliner Criminalbeamten am Sonntag Konitz verließen und nur der Commissar v. Kracht zurückgeblieben sei. Die letztere Version wird die zutreffende sein. Oesterreich-Ungarn. Der Reichsrath ist zum 31. d. M. einberufen worden. Unter seinen Vertretern erscheinen die Deutschen in erheblich verstärkter Zahl, so daß eine antideutsche Gesetzgebung auf keinen Fall zu befürchten ist. Schwede«. König Oskar von Schweden ist von seiner Krank heit wieder hergestellt. Am Montag, als an seinem 73. Geburtstag, hat er die Regierungsgeschäste wieder übernommen. England. Die Auflösung der Königin Viktoria von Eng land geht ohne Todeskampf vor sich. Kaiser Wilhelm weilt seit Montag Vormittag am Sterbebette seiner von ihm hochverehrten Großmutter. Die Kräfte der greisen Fürstin nehmen mit großer Schnelligkeit ab, das Bewußtsein war bereits am Montag Morgen nahe zu erloschen. Einer der Aerzte der Königin erklärte, die Ursache der Erkrankung sei Altersschwäche, complicirt durch Schlaflosigkeit und Tagesmattigkeit. Die Aerzte wendeten in der Nacht vom Sonntag zum Montag ge wisse lebenserhaltende Mittel an, und der Zustand der Königin hatte sich etwas gebessert, so daß sie um 6 Uhr im Stande war, etwas Nahrung zu sich zu nehmen. Um 10 Uhr wurde aber wieder eine er hebliche Verschlimmerung festgestellt, eine Stunde später wurde der Pfarrer der Wippinghamer Kirche zu der Königin berufen. Kaiser Wilhelm, der Sonnabend Abend Berlin verlassen hatte, landete 24 Stunden später, nach stürmischer Ueber^ahrt, auf englischem Boden. Montag früh 8^ Uhr ging der Extrazug mit dem Kaiser, mit dem Prinzen von Wales und dem Herzog Von Bork vom Viktoria-Vahnhof in London ab und traf vor 10 Uhr in Portsmouth ein, von wo die Ueberfahrt nach Schloß Osborne erfolgte. Sämmtliche Londoner Blätter geben der Genugthuung Ausdruck, welche die Reise Kaiser Wilhelm's zu seiner Großmutter in ganz England verursacht. Der Besuch wird allge mein als ein rein von Herzen kommender privater Familienakt ohne politische Zwecke erklärt. Die „Times" sagen: Der Kaiser hat augenscheinlich seinen Wunsch gezeigt, sowohl seiner Mutter wie seiner Großmutter jeden in seiner Macht stehenden Trost zu gewähren, er hat die Sorgen des großen Reiches und alle politischen Erwägungen bei Seite gesetzt auf den Ruf jener kind lichen Pietät und Familien-Anhänglichkeit, welche die Zierde des deutschen Charakters sind. Sein Besuch sei ein Tribut Deutschlands an jene von der Königin zu allen Zeiten bewiesenen, so sehr menschlichen Gefühle und Sympathien; als solcher wird er aufgefaßt und um so mehr geehrt werden, als er eine gewisse er habene Außerachtlassung der reinen Politik bedingt. Asien. Die chinesischen Bevollmächtigten haben an die frem- !den Gesandten das Ersuchen gerichtet, mit ihnen in !mündliche Verhandlungen über einige vom Kaiser i Kwangsü beanstandete Punkte des Präliminarfriedens ! einzutreten. Da sich die Mächte schon vor Wochen zur Aufnahme solcher mündlichen Verhandlungen bereit er klärt hatten, sobald die Bcdinzungen der Collectivnote von China officiell angenommen worden seien, so dürften die Besprechungen jetzt bereits begonnen haben. Leider fehlt jeder Anhalt dafür, wenn sie einmal be endigt sein werden. Afrika. Angesichts der rigorosen englischen Kriegsführung zeigen sich, wie bekannt, jetzt auch die Buren rücksichtsloser. Ihr Leben brauchen die Engländer nicht zu lassen, Wohl aber die Kleider, wenn sie gefangen werden, außerdem haben die frei gelassenen Gefangenen das Versprechen, nicht wieder gegen die Buren zu kämpfen, abzugeben. Um zu sehen, ob das Versprechen gehalten wird, werden die Gefangenen jetzt auf dem Rücken gestempelt: Asiuch (1r.) k(oxbl.) Auch General Buller, der gefangen und dann wieder freigelassen wurde, soll einen solchen unvertilgbaren Stempel erhalten Haden. Auf dem südafrikanischen Kriegsschauplätze ist eine bemerkbare Aenderung der Lage nicht eingetreten. Lord Kitchener bewahrt sein undurchdringliches Schweigen, das natürlich nichts Gutes bedeutet; die Buren aber sind zuversichtlichen Muthes und haben erst ganz neuer dings wieder erklärt, es liege jetzt kein Grund zur Unterwerfung ihrerseits mehr vor, sie würden die Feind seligkeiten fortsetzen, bis die Engländer mürbe gemacht worden seien. Aus -e« Muldeitthale. »Waldenburg, 22. Januar. Morgen Mittwoch findet im Saale des Schönburger Hofes ein vom hiesigen Gewerbeverein veranstalteter Projectionsvortrag über „Hamburg und sein Weltverkehr" statt. Ter Vortrag wird durch 80 prachtvoll colorirte Lichtbilder illustrirt. Es werden hierbei nicht nur die hervorragendsten Bauwerke der größten, mächtig aufblühenden deutschen Seestadt und ihres Freihafengebietes, dieser gewaltigen Schöpfung der unvergleichlichen Staatskunst Bismarcks, sondern auch die Einrichtungen der großen deutschen Oceandampfer, welche den immer großartiger sich entwickelnden deut schen Weltverkehr vermitteln, vor Augen geführt werden. Eine gleich bequeme Gelegenheit, von diesen Einrich tungen Kenntniß zu nehmen, dürfte hier nicht so leicht wieder geboten werden. *— Tie Ziehung 2. Klasse 139. König!. Sächs. Landeslotterie findet am 4. und 5. Februar statt. *— Der in voriger Woche am Callenbcrger Wege in halberstarrtem Zustande aufgefundene Mann, der im hiesigen Krankenhausc uutergebracht gewesen war, ist nunmehr seinen Leiden erlegen. Seine Person konnte noch nicht festgestellt werden. *— Tas Verbot des Durchgangsverkehrs von Last geschirren auf dem Dorfwege rechts des Lungwitzbachcs in Egidien von der eisernen Brücke in der Nähe des Gasthofes „zu den 3 Schwanen" nach dem niederen Ortstheil ist nach einer Bekanntmachung der Königlichen Amtshauptmannschaft Glauchau wieder aufgehoben. * — Die beste und billigste Einfriedigung eines Grund stückes ist der Weißdornzaun. Ein alter Herr theilt im praktischen Rathgeber im Obst- und Gartenbau seine Er fahrungen über einen jetzt 34jährigen Weißdornzaun mit. Er schreibt zum Schluß: Wenn ich noch einmal einen Weißdornzaun anlegen müßte, würde ich zunächst einen leichten Stangenzaun mit starken Säulen aufstellen. Der Zaun muß aber mindestens 30 oir» innerhalb der Grenze des Grundstücks stehen, da sich die Hecke später sehr breitet. An diesen Zaun pflanzte ich dann mit 10 vna Abstand die Weißdornsctzlinge. Tie Zweige werden später kreuz und quer verflochten. Das ist zwar etwas mühevoll, da solche Hecke aber über ein Menschenalter anshält, ist sie doch eine der billigsten und zuverlässig sten Umzäunungen. *— An einer wenig betretenen Stelle des Forstes wurde bei Reinholdshain am Sonntag Vormittag von Unterhaltungstheil. Der Engel von Weitzfeld. Von Adolf Neiler. 65) (Fortsetzung.) „Arthur" war Hero's zweiter Vorname, und den Familiennamen hatte er, wie Veronika noch erklärend hinzufügte, nach der Besitzergreifung des ihm in letzter Zeit als Erbschaft zugefallenen Gutes Troczyn ange nommen, wozu der jeweilige Besitzer dieser Herrschaft be rechtigt war. „Früher," so erzählte Veronika, „hat sich mein Bräutigam Herr Graf von Luxemburg nennen lassen — er hat seinen jetzigen Namen dem früheren vorgezogen." „Also nach längerer Zeit kommt er wieder zu Ihnen?" „Drei Monate ungefähr dürfte es dauern, wie er sagte. Seine ununterbrochene Anwesenheit dortselbst während dieses Zeitraums sei nothwendig. Dann aber soll auch unsere Hochzeit sehr bald gefeiert werden." „Wie lange nennt er sich Troczyn?" „Seit etwa sechs Monaten hat er mir erzählt, daß er bei seinem früheren Namen auch sehr glücklich ge wesen sei. Jenes Glück habe er verloren, dasselbe aber in mir wiedergefunden. Mit ganz allgemeinen Bemer kungen nur, aus welchen ich nie etwas Bestimmtes habe entnehmen können, hat er zuweilen seine Vergangenheit berührt, und ich hielt es für Jndiscretion, ihn um aus führlichere Mittheilungen zu ersuchen. Jedenfalls hat er Eine innig geliebt, und sie ist ihm gestorben. Aber ich werde in meiner grenzenlosen Liebe bestrebt sein, ihm sein früheres Glück in der That zu ersetzen. Dieser Hoffnung hat auch er zu mir wiederholt Ausdruck ge geben, und der Gute soll sich nicht täuschen! Aus den Briefen, die ich ihm täglich schreibe, soll er trotz unserer einstweiligen Trennung mit Bestimmtheit ersehen können, wie innig fest mein Herz an dem seinen hängt." Wie ein Dolch stach dies Wort in Martha's Herz; doch nur einen Augenblick war's. Sie, die schon so viel gelitten hatte, faßte sich bald; sie legte ihr Glück in das Herz ihrer theuersten Freundin, während diese nicht die geringste Ahnung von dem hatte, was Martha's Gemiith so sehr bewegte. — „Nach drei Monaten ungefähr kommt er wieder," wiederholte sich Martha, und schnell, bevor sie ihren Entschluß, sofort abzureisen, ausgesprochen hatte, änderte sie ihn, indem sie sich nun vornahm, erst kurz vor der Ankunft des Grafen Troczyn abzureisen. Zum nächsten April hatte der Vater endlich nach Wien übersiedeln wollen, und dorthin wollte sie nun zu ihm zurückkehren; die Weißfelder sollten sie nicht mehr sehen — so hatte sie es sich gewünscht, und dieser Wunsch schien ihr nun auch in Erfüllung gehen zu sollen. Der Frühling war in das Land wieder eingekehrt, und zwar ein solcher, wie man ihn im südlichen Ungarn zu sehen nur gewohnt ist. Ein rechter Frühling war in Magyarok und auch in dem Herzen aller Bewohner dieses Herrschaftssitzes: Graf Troczyn sollte bald er scheinen, und der Tag seiner Vermählung mit Veronika war bereits bestimmt. Auch in dem Herzen Troczyn's schien nunmehr eine vollständige Wandlung zum glück licheren Dasein sich vollzogen zu haben. Sein früheres Leben war nun auch schwer genug gesühnt worden! An Agathe mußte er freilich noch oft denken, aber sein Herz war geläutert: es war ihm leichter geworden, sich Veronika zu nähern, sie aufrichtig und mit der ganzen Kraft seiner Mannesseele zu lieben. Seit dem Verlust seiner längst todtgeglaubten Agathe konnte er sich end lich wieder einmal recht glücklich fühlen, und dieses Glück, ein heißes Sehnen, bewog ihn, seine Reise nach Ma gyarok noch einige Tage früher anzutreten, als er be stimmt hatte. Somit kam es, daß er bei den Eltern feiner Braut anlangte, als Martha gerade im Begriff war, zu ihrem Vater nach Wien abzureisen, wohin er soeben umge zogen war. Auch sie hatte sich mit der Welt bereits ausgesöhnt und auch schon begonnen, sie wieder zu lieben. Nicht mit Schmerzen, wie früher, dachte sie an Hero zurück; sie durfte ihm nicht mehr angehören, und es war ihr nach langen Kämpfen und kummervollen Nächten endlich gelungen, sich seiner nicht mit mehr Wärme zu erinnern, als ihrer anderen Bekannten; sie hatte für ihn nur noch das Gefühl einer aufrichtigen Freundschaft. Diese ihre Gesinnung zu ihm änderte sich auch uicht, als Martha die Mittheilung von seiner Ankunft auf einmal hörte; nur das Gefühl der Sehusucht nach ihrem Vater allein kannte sie jetzt. In großer Hast, zitternd am ganzen Körper, traf sie die Vorbereitungen zu ihrer Abreise, die am nächsten Tage bestimmt er folgen sollte. Sie konnte auf Hero's Besitz verzichten — das fühlte und wußte sie; doch war ihre Aufregung entsetzlich. — „Martha, liebste Freundin meines Herzens, so kom men Sie doch endlich zu meinem Bräutigam herunter! Ich schlich mich von ihm fort und lief die Treppe zu Ihnen hinauf, und als er mir sogleich nachrief: „Wo hin so eilig, mein Kind? Ich komme mit," da mußte ich ihm beschwichtigend antworten: „Bleibe nur da, ich muß meine liebste Freundin holen, um sie Dir kurz vor ihrer Abreise vorzustellen. Also nun kommen Sie!" Sie ergriff Martha's linken Arm und wollte mit ihr hinuntergehen. Wie von einer Viper gestochen, entwand sich ihr Martha. Sie eilte nach dem Sopha hin und legte sich, wie erschöpft, in die Lehne zurück. „Veronika, nur heute nicht! Von der Freude so er regt, meinen Vater nach so langer Zeit nun bald wieder sehen zu dürfen, bin ich momentan unfähig, meinen Körper aufrecht zu halten. Schon überhaupt etwas nervenschwach, fühle ich mich bei dem Gedanken an das mir nunmehr kurz bevorstehende Wiedersehen so schreck lich angegriffen; ich zittere und werde mich erst ein Weilchen erholen. Bitte, bitte, entschuldigen Sie mich." (Fortsetzung folgt.)