Volltext Seite (XML)
schlechten Nachrichten aus Potsdam trugen dazu in außer ordentlich hohem Maße bei, das Niedersinken der Kräfte zu beschleunigen. Ter Stolz der Herrscherin wollte es allerdings nicht dulden, daß von ihrem Zustand die in ist auch bis in dir allerletzten Tage so ziemlich gewahrr. Ob die Königin wußte, wie es mit ihr stand? Kaum! Tie Altersschwäche verbot das Grübeln. Die Leiche der Königin ist jetzt einbalsamirt und in einem schweren Sarge gebettet, in dem sie nach Schloß Windsor überführt werden wird, wo die Paradeaus stellung ftattfindet. Die Londoner werden vom Freitag ab in Hellen Schaaren nach dem unferncn Schlosse Hin ausströmen. Die definitive Beisetzung erfolgt, wie schon mitgetheilt, in Frogmore, dem königlichen Landsitze bei Windsor, wo der Prinzgemahl Albert begraben liegt. Dort ist auch die Mutter der Königin, die Herzogin von Kent, bestattet. Ein Sarkophag für die Entschlafene ist dort bereits ausgestellt. Der Sarkophag des Prinz- Gemahls trägt die eingemeißelten Worte: „Lebe wohl, Tu Allertheuerster. Hier werde ich mit Dir ruhen und mit Dir wiederauferstehen in Christo!" Königin Victoria ist das letzte Glied der Dynastie Hannover, die mit Georg I., Kurfürsten von Hannover, am 12. August 1719, den Thron bestiegen hatte. Das Haus Hannover hatte dem britischen Reiche fünf Könige gegeben von Georg I. bis Georg IV., den König Wilhelm IV. und die Königin Victoria. Mit König Albert beginnt die Koburger Linie. König Albert ist via Portsmouth mit seinem Sohn, dem Herzog von Uork und seinem Bruder, dem Herzog von Connaught, am Mittwoch Nachmittag in London angekommen. Ter neue Monarch fand überall ehrer bietige, aber stille Begrüßung, der sonst so heitere Prinz von Wales sieht recht ernst und sorgenvoll aus. Tas Ministerium und die Mitglieder des Geheimen Rathes leisteten dem Könige den Treueid, ebenso vereinten sich zu gleichem Zwecke die Mitglieder des Parlaments. Die Sitzung dieser Tage gelten nur den Trauer-Formalitäten. Das gewaltige London zeigt ein düsteres Trauergepräge, doch herrscht ein außerordentlich bewegtes Leben. Tie kritische Lage in Südafrika hat den phlegmatischen Briten stark nervös gemacht, und das plötzliche Hinscheiden der Königin trägt nicht dazu bei, die Tinge rosiger zu sehen, als sie sind. Es waltet eine gewisse Beklommenheit ob. Die Parlamentssitzungen waren gut besucht, der König und seine Begleitung wurden abends in Osborne zurück erwartet. Die Trauerkundgebungen der Staatsoberhäupter, Re gierungen und der Presse sind, wie schon oben hervor gehoben, allgemein und im Wesen natürlich dieselben. In den Parlamentssitzungen, wo dieselben stattfanden, ist allenthalben der Entschlafenen gedacht, deren nun freilich auch mitunter, in Unkenntniß ihrer wirklichen Position, Verdienste zugeschrieben werden, die sie nie besessen nnd auf die sie nie Anspruch erhob. Tie deut schen amtlichen Blätter äußern sich würdig. Der „Reichs anzeiger" sagt: „Die deutsche Nation schließt sich der Trauer des britischen Reiches um die von ihrem Volke wahrhaft geliebte Königin an, deren Name in der Ge schichte ihrer Staaten immer fortleben wird." Tie „N. A. Z." sagt: „Der entschlafenen weisen Fürstin wird es auch vor der Geschichte unvergessen bleiben, daß ihr Einfluß die auf Erhaltung von Friede und Freundschaft gerichteten Anstrengungen öfters erleichtert, niemals durchkreuzt hat!" Freilich nicht immer erleichtert, das sieht man bei dem Burenkriege! Besonders groß ist die Theilnahme natürlich an den Höfen derjenigen Staaten, an welches verwandte Beziehungen obwalten, so nächst Deutschland in Dänemark, Rußland, Griechenland. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser ist durch den Tod seiner Großmutter auf das Tiefste ergriffen. Mußte man nach dem Alter der Königin unbedingt mit einem Hinscheiden rechnen, so kommt doch für unseren Kaiser der Gedanke an seine kranke Mutter hinzu, bei der gegenwärtig die Kaiserin Augusta Victoria und die übrigen Familienangehörigen weilen. Die Kaiserin Friedrich erscheint gefaßt, immer hin ist der Eindruck der Trauerbotschaft ein tiefgehender gewesen. Der Beisetzung seiner Großmutter wird unser Kaiser selbst nicht beiwohnen, mit der Vertretung wird der Kronprinz des deutschen Reiches, der Urenkel der Verblichenen betraut werden. Der Kaiser bleibt wohl bis zur Ueberführung der Leiche nach Windsor und kehrt dann nach Deutschland zurück. Die Kaiseryacht „Hohenzollern", Kreuzer „Nymphe" und Aviso „Sleipner" sind nach England abgegangen, auch die Kapelle der ersten Matrosen-Division ist auf der „Hohenzollern" mit eingeschifft. Die in den heimischen Gewässern befind lichen deutschen Kriegsschiffe flaggen bis zur Beisetzung der Königin halbmast. Der Commandeur des 1. Garde- Dragoner-Regiments, dessen Chef die Königin war, reist mit einer Deputation des Regiments nach England. Auf Allerhöchsten Befehl legt die gesammtc preußische Armee Trauer auf 14 Tage an, die bei dem obenge nannten Regiment auf 3 Wochen ausgedehnt wird. Kaiser's Geburtstag wird unter diesen Unständen am oeutschen Kaiserhofe eine sehr stille Feier erfahren, zumal es fraglich ist, ob der Kaiser dann selbst in Berlin ist. Wenn er auch England schon verlassen hat, dürfte er dann doch noch bei seiner Mutter verweilen. Die Ber liner Feier dürfte im Wesentlichen in der großen Parole- Lusgaoe bestehen. Die Berathung der Budgetcommission über den Reichseisenbahnetat gestaltete sich gestern zu einer Kohlen- debatte. Für Kohlen fordert der neue Etat ca. 6^/g Million, 2,104,000 Mk. mehr als für das Vorjahr. Es wird beantragt, von dieser Petition 1 Million zu streichen. Ein Regierungsvertreter theilt mit, daß die früher über Kohlenlieferung abgeschlossenen Verträge kürzlich gekündigt worden seien und daß auf drei weitere Jahre Lieferungsverträge mit der Saarbrücker Kohlen- direction abgeschlossen seien. Der Preis, den die Reichs eisenbahnverwaltung zahle, sei nicht höher als der von den preußischen Bahnen gezahlte. Abg. Müller-Fulda (Ctr.) hofft, daß sich die Eisenbahnverwaltung hinsichtlich der Preise bei ihren Verträgen nicht gebunden habe, da von einer Steigerung der Kohlenpreise in nächster Zeit keine Rede sein könne. Ein Regierungscommissar theilt ferner mit, daß ausnahmsweise zur Zeit der Kohlennoth kleine Mengen englischer Kohle, die thatsächlich schlecht waren, verwendet worden seien. Die Verwaltung sei bemüht, durch Anbringung geeigneter Apparate an den Locomotiven die Verbrennungseinrichtungen zu verbessern. Schließlich streicht die Commission nicht eine ganze, aber doch eine halbe Million von der Kohlenförderung. Am heutigen Donnerstag wird die Berathung fortgesetzt. Finanzminister von Miquel ist völlig wiederhergestellt und nahm an der Mittwoch-Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses theil. Er nahm auf der Minister bank indessen nicht feinen gewohnten Ecksitz ein, auf dem er sich infolge von Zugluft seine letzte Erkältung zuge zogen hatte, sondern wählte sich vorsichtig einen geschützten Platz in der Mitte der Ministerbank. Der preußische Landwirthschaftsminister, Freiherr v. Hammerstein, ist an der Influenza erkrankt und genöthigt, das Bett zu hüten. Aus Konitz wird der „Staatsbürger-Ztg." gemeldet, daß die Untersuchung in den letzten Tagen ganz be sonders geheim geführt worden ist; daß daher auch über ein Ergebniß nichts zu erfahren sei, es sei nur That- sache, das der Mörder noch immer nicht ergriffen sei. Eine gewisse Erregung innerhalb der Bevölkerung ist durch den Umstand hervorgerufen, daß zwar bei einer großen Anzahl von Familien, aber nicht bei allen ge haussucht worden ist. Die Leute fragen: warum bei uns, warum nicht auch bei andern? Tie Aussichten für die erste Berathung der Kanal vorlage im preußischen Abgeordnetenhause haben sich nunmehr geklärt. Es stehen sich zwei Strömungen gegenüber, die eine, repräsentirt durch die Conservativen und das Ccntrum, befürwortet die Anberaumung der ersten Berathung dieser Vorlage auf den 4. Februar, während die andere Strömung für den 29. Januar eintritt. Es ist anzunehmen, daß schließlich Präsident von Kröcher sich für den 4. Februar entscheiden wird. Zwei Helden des Burenkrieges, der Commandant Piet Steenkamp und dessen Bruder Feldkornett Jan Steenkamp, sind aus Burgersdorp in der Kapkolonie in Berlin angekommen. Sie sind nach Mittheilung dortiger Blätter mit einer geheimen Mission betraut, die sie einige Tage in Berlin festhalten und sodann in die übrigen Hauptstädte Deutschlands führen wird. Rußland. Rußland wünscht einen Hafen des serbischen Golfes. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß Bender-Abbas dieser Hafen sein wird. Man glaubt nicht, daß die Besitznahme unmittelbar bevorsteht. Die Einrichtung aber von Handelsverbindungen zwischen Odessa und dem Golf, und die Erleichterungen aller Art, die der Finanzminister Witte den russischen Kapitalisten bewilligt, die diese Verbindungen ausge- stallen wollen, lassen erkennen, daß ernste Vorbereitungen in diesem Sinne getroffen werden. Englischerseits wird versichert, daß falls Rußland sich in Bender-Abbas fest setzt, die Engländer Lingah nehmen würden; dieser Hafen aber steht in seiner Bedeutung dem von Bender- Abbas nach. Türkei. Bei der Ceremonie des Handkusses im Thronsaal von Dolma Bagdsche stürzte ein alter General, vom Schlage getroffen, gerade vor dem Thronsessel zu Boden. Der Sultan erbleichte, seine Umgebung ver- muthete ein Attentat, es stürzte in wilder Verwirrung alles durcheinander und die feierliche Ceremonie wurde alsbald abgebrochen. Nicht einmal vor seinen Generalen fühlt sich Abdul Hamid sicher; armer Sultan! Asten. Die Gesandten der Mächte in Peking haben soeben wieder gezeigt, daß sie vor chinesischen Winkelzügen auf der Hut sind. Sie haben den chinesischen Friedens bevollmächtigten auf deren letzte Note mitgetheilt, daß die mündlichen Auseinandersetzungen erst dann beginnen können, wenn die chinesische Regierung durch Maß nahmen und Beschlüsse gezeigt habe, daß ihre Be mühungen um den Frieden auch wirklich ernst gemeint sind. — Der schwierigste gegenwärtig zu er ledigende Punkt ist, wie das deutsche auswärtige Amt durch die „Köln. Ztg." mittheilen läßt, die Zahlung einer ausreichenden Entschädigung, die eine Milliarde überschreiten dürfte und unbedingt sicher gestellt sein müsse, ehe von dem Abzug der verbündeten Truppen aus der Provinz Tschili gesprochen werden könne. Die Aufbringung der Kriegsentschädigung könne aber nur durch ausreichende Erhöhung der Seezölle bewirkt werden. Erst wenn alle Mächte einer solchen zuge stimmt hätten, sei die erforderliche Grundlage gegeben, um den endlichen Friedensschluß und die Räumung des Landes herbeizuführen. Diese Einigung werde jetzt angestrebt. Diejenigen Mächte aber, denen die Räumung des Landes am meisten am Herzen liege, sollten daher Alles aufbieten, daß die Zollerhöhung baldigst ein- müthig bewilligt werde. Wie dem „Berl. Lokalanz." aus Peking berichtet wird, besuchte der chinesische Prinz Tschuug die deutsche Gesandtschaft, woselbst er einem Militärconcert beiwohnte. Dies läßt darauf schließen, daß seine Wahl für die Führung der Sühnemifsion nach Berlin zu Stande kommen wird, obwohl seine Entsendung der deutschen Regierung wahrscheinlich erst dann genehm sein wird, wenn China auch alle anderen Forderungen der Mächte erfüllt hat. Die entschiedene Sprache der Gesandten in Peking gegenüber den chine sischen Fricdensbevollmächtigten ist überall mit Genug- thuuug ausgenommen worden. Erst sollen die Chinesen durch rechtskräftige Beschlüsse und durch die That be weisen, daß sie wirklich den Frieden wollen; eher kann mit ihnen nicht in mündliche Verhandlungen eingetreten werden. Dies Ultimatum wird hoffentlich Erfolg haben. Afrika. Zum Kriege in Südafrika ist die unheilvolle Nach richt zu verzeichnen, daß im englischen Heere die Pest ausgebrochen ist und furchtbare Verheerungen anrichtet. Die Nachricht, die einem in Brüssel vor liegenden Privatbriefe entstammt, läßt die Unthätigkeit der Engländer sehr erklärlich erscheinen. Die Buren machen inzwischen in der Kapcolonie sehr gute Fort schritte. Mit dem Augenblick des Uebertretens der Buren in die Kolonie wurden auch die provisorisch von den Engländern errichteten Brücken zerstört, und als die Knotenpunkte der Bahnlinien von den Buren besetzt worden waren, sind wahrscheinlich auch sämmtliche Tetegraphen-Verbindungen durchschnitten, so daß die englischen Truppen keinerlei Verkehr mit der Außenwelt haben konnten. Man hatte es also jetzt nur mit den Truppen zu thun, die etwa noch in den Städten der Kapcolonie vorhanden waren. Dort waren aber keine, soweit aus den südafrikanischen Nachrichten ersichtlich ist. Denn die Vertheidigung der Städte bestand aus wenigen Polizisten und den Bürgern, die sich freiwillig gemeldet hatten. Taher erklärt sich auch, daß die Buren ohne einen Schwertstreich von den Ortschaften Besitz nehmen konnten. Amerika. Präsident Mac Kinley wird sich anscheinend seiner Wiederwahl zum Staatsoberhaupte der Vereinigten Staaten von Nordamerika nicht mehr lange erfreuen. Er soll an einem schweren Nierenleiden kranken, von dem es keine Heilung giebt. Tie Vereinigten Staaten werden daher alsbald in einen neuen Präsident schaftskampf gestürzt werden, und wer weiß, was dieser den United-States und Europa bringen wird. JnWashington wurde einesehrgefährlicheAnarchisten- bande verhaftet, deren Mitglieder griechischer Natio nalität sind. Die Bande soll mehrere schwere Attentate geplant haben. Alls dem Mnldeuthale. "Waldenburg, 24. Januar. In der gestern Abend von 6 Uhr an stattgehabten Sitzung der städtischen Collcgien wurde zunächst Kenntniß genommen von der seitens der kgl. Kreishauptmannschaft Chemnitz einge gangenen Bestätigung des Herrn Stadtrath Zieger zum stellvertretenden Rathsvorstand; im Anschluß hieran erfolgte die Verpflichtung des Herrn Zieger mittelst Handschlags. In den Schulansschnß wurden alsdann aus der Bürgerschaft die Herren Klempnermeister Vieweg und Seilermeister Dost gewählt. Von der Errichtung einer Freibank hier wurde vorläufig abgesehen. "— Bei dem gestrigen Vortrag im hiesigen Gewerbe verein über „Hamburg und sein Weltverkehr" von Herrn Richard Laube vom Institut Kosmos in Leip zig hatte sich der gut durchwärmte Saal des Schön burger Hofes fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Herr Vortragende gab zunächst einen geschichtlichen Rück blick auf die Gründung und Entwicklung Hamburgs und seines Seehandels, die bis ins 8. und 9. Jahr hundert unserer Zeitrechnung zurückgeht, — die Grün dung soll durch Karl dem Großen erfolgt sein, — be rührte die Zeit der Hansa, der Reformation, die Ent wicklung des Handels nach Amerika, die Zeit unter Napoleon I., den großen Brand von 1842 und die Er richtung des Freihafengebiets durch Bismarck. Alsdann begann er im Geist einen Rundgang durch die Stadt unter Vorführung einer großen Anzahl prachtvoll colo- rirter Lichtbilder, wie das Schillerdenkmal, die Lom-