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Emir von Afghanistan, dem die Kriegsgöttin dauernd ungnädig bleibt, sich zur Flucht gewandt habe. Die „Daily News" melden darüber unterm 21. d aus Allahabad: „Der Emir von Afgha nistan hat sich mit der russischen Mission nach Balkh zurückgezogen, das Land zwischen Jellalabad und Kabul ist in vollständiger Anarchie. Die Zuk- kurkehls flüchten vor den britischen Truppen in das Gebirge, ihre Häuser und Forts werden zerstört." Nach einem aus London zugehen den Privattelcgramme glaubt man in englischen Kreisen allgemein, daß durch die Flucht des Emirs eine schnelle und leichte Beilegung des afghanischen Streites in Aussicht stehe. Aus dem Muldenthale. * Waldenburg, 24. December. (Das Weih nachtsfest.) Wieder ist jene goldene Zeit ge kommen, die aus der Jugendzeit wie eine blühende Oase im Hellen Sonnenschein in die Wüste des menschlichen Lebens leuchtet und wohin kein Rück weg führt, — ist die Zeit gekommen, wo in Hütte, Haus und Palast, im Salon und im kleinsten Dachstübchen da mehr, da weniger, jener Geist eiuzieht, der Lieblichkeit und Barmherzigkeit, Ver zeihung und Versöhnung ausströmt und ein ge schäftiges Laufen und Kaufen, ein Sinnen und Trachten, Ueberlegen und Erforschen nach den Be dürfnissen der lieben Angehörigen und nach Allem, womit Freude und Zufriedenheit erweckt werden kann, init sich bringt; jener Geist, der nur den einzigen Wunsch aufkommen läßt, seine Mit menschen glücklich zu machen, und die tausend fache Noth und den Jammer des menschlichen Lebens in der laugen Zeit des Jahres für einige Stunden vergessen zu helfen. Möge Keinem in - diesen Tagen jener Geist fehlen, ohne welchen das unmöglich ist, was wir allen unseren Lesern wünschen: Ein fröhliches Christfest! *— (Theater.) Selten nur haben wir hier den Genuß einer Theateraufführung; es sollten daher dergleichen Unternehmungen Unterstützung erfahren. Morgen Abend wird zum Besten des Turnhallenfonds im Saale des „Schönburger Hofes" hier vom Theaterclub des Turnvereins ein Melodrama „Domi, der amerikanische Affe," aufgeführt werden. (S. Inserat.) Wir empfeh len den Besuch dieser Vorstellung um so mehr, als die Sprünge des Affen ihre erheiternde Wirkung nicht verfehlen werden. *— (Die nächste Leipziger Neujahrs messe) beginnt mit dem 2. Januar und endigt mit dem 15. Januar. Eine sog. Vorwoche, d. h. eine Frist zum Auspacken der Waaren und zur Eröffnung der Meßlokale vor Beginn der eigent lichen Messe, hat die Neujahrsmesse nicht. (Zum Kapitel der „armen Reisen den") meldet das „Leipz. Tgbl." folgende Ge schichte: „Gestern Nachmittag erschien ein biederer „armer Reisender" an der Vorsaalthür einer Leipziger Familie und bettelte. Die gern wohl- thuende Frau des Hauses ließ dem Bittenden drei große, mit Gänsefett gestrichene Bemmen reichen. Was war der Dank des Bummlers? Er feuerte, als er die Treppe hinabschritt, die schönen Bemmen, welche manchem wirklich Armen als köstlicher Leckerbiffen erschienen wären, an die Wand und ließ sie im Schmutze liegen. Nutz anwendung ergiebt sich von selbst." Wir wollen nicht hoffen, daß die Nutzanwendung die sein wird, überhaupt nichts mehr zu geben; vermuth- lich ist es im obigen Falle ein dem Trünke er gebener Bummler gewesen, dem es nur darum zu thun war, Geld zu Schnaps zu bekommen, und in seiner Enttäuschung das Brod aus Aerger wegwarf. Es giebt noch viele arme hungernde Teufels, die dankbar auch ein Stück Brod an nehmen. Glauchau, 21. December. Die Meineidsprozesse nehmen in erschreckendem Maße überhand. In einer Wechselkagsache gegen den Flaschenbierhändler Schumann und dessen Ehefrau in Meerane wurde am 7. September d. I. bei letzteren Execution vollstreckt und dabei außer anderen Gegenständen ein Sack mit Korken, auf 100 Mk. taxirt, mit Beschlag belegt. Der Korkenfabrikant Wagner aus Schneeberg reclamirte hierauf diesen Sack mit Korken als sein Eigenthum, indem er an- ! führte, nachdem Schumann ihm Anfangs August gelieferte 2000 Stück Korke zurückgeschickt, habe er diesen am 24. desselben Monats eine größere Partie und von besserer Qualität übersendet mit dem Bemerken, daß er später zu ihm kommen und den Preis mit ihm vereinbaren werde, wo rüber er auch einen Eid ableistete. Schumann hatte aber die Korke auf seine Bestellung und mit einer Factura, nicht unter Beifügung eines Briefes erhalten, letzterer war vielmehr erst nach der Auspfändung an Schumann geschrieben und behändigt worden. Die Schumannsche Eheleute bestätigten, daß Wagner nach der Auspfändung in ihrer Wohnung war und sich die Rechnung hatte wiedergeben lassen. Beim hiesigen Geschwor- nengericht deshalb wegen Meineids angeklagt, wurde er für schuldig erkannt und zu 3 Jahren Zuchthaus, 6 Jahren Ehrverlust und fernerer Eidesunfähigkeit verurtheilt. Unterhalb Jerisau in der sogenannten Aue wurde am 22. d. Abends ein Mann, anscheinend hoher Vierziger, in erfrorenem Zustande aufge funden. Derselbe hat dunkelbraunes Haar und Vollbart, trug grauschwarzen lieber- und braunen Unterrock, sowie dergleichen Hosen. — In Zwickau tritt die Diphtheritis in ziemlich starkem Maße auf. In der Familie des dasigen Bergdirectors Hering z. B. sind seit dem 23. Nov. in kurzen Zwischenräumen vier Kinder im Alter von 2— 9 Jahren gestorben. — In Penig sind bei der am 20. d. stattgefundenen Stadtverordnetenwahl die von den Socialdemokraten ausgestellten Can didaten durchgekommen. Aus dem Suchfenlande. In der Tiefe eines Kunstschachtes zu Döhlen ist an einem dort beschäftigten Pferde ein Act rohester Brutalität verübt worden. Man hat demselben um die Unterkiefer einen Strick ge bunden, um es dadurch zum Ziehen zu bewegen, dadurch aber ein Stück der Zunge vollständig ab gerissen. Ein dieser abscheulichen That verdächtiger Mensch ist bereits eingezogen. — In Chemnitz war auf der Poststraße am Donnerstag ein Gas rohr geplatzt. Bei der Bemühung, die Sache wieder in Ordnung zu bringen, hieb einer der Arbeiter mit einem Spitzhammer auf einen Stein; ein Funke sprang auf, traf in den Gasstrom und unter starkem Knall wurden die sämmtlichen Arbeiter bei Seite geschleudert, ohne daß jedoch Jemand dabei verletzt ward. — Dem „Chemnitzer Arbeiterverein" wurden vom Commerzienrath v. Zimmermann 3000 Mark in Actien der Chem nitzer Centralherberge übergeben. Durch dieses Geschenk ist die Anzahl der dem Verein g-hörigen Actien bedeutend vermehrt worden. — In Pirna wollte die Wirthschafterin einer Engländerin einem Bettler eine Unterstützung geben, der freche Patron benutzte aber die Gelegenheit und riß der Wirth schafterin das Portemonnaie aus der Hand, nahm außerdem mehrere Kleidungsstücke von einem Kleiderhalter und verschwand, ehe die Beraubte aus ihrer Bestürzring kam. Der Räuber ist noch nicht aufgegriffen worden. — Der im November verhaftete Direktor der landwirthschaftlichen Pri vatschule zu Brandis erklärt jetzt in Leipziger Blättern, daß ihn das Gericht als völlig schuld los wieder entlassen habe. Doch bekennt er auch, daß innerhalb dreier Jahre weit über 30,000 Mark mit der Schule zugesetzt wurden und daß er noch einen Theil Schulschulden zu decken habe. — Der Ende Oktober verstorbene Kaufmann und frühere Stadtrath Leschner in Meißen hat unter Anderem der dortigen Armenkasse 30,375 Mark, zu einem Stipendium für Studirende 3000 M., zwei Schullegate an zusammen 2400 M-, der Armenkasse zu Freiberg (seinem Geburtsort) 3000 M., der Armenkasse in Niederfähre 1500 M., der Stadt Meißen zu Bauanlagen 1500 M., der Kinderbewahranstalt 1500 M., dem Gustav- Adolph-Verein 1500 M-, dem Dom in Freiberg 600 M. und der Nicolaikirche daselbst 600 M. an Legaten ausgesetzt. — Laut Bekanntmachung des evangelischen Landesconsistoriums ist das Diakonat zu Hohenstein (Callator: Se. Erlaucht Graf Karl v. Schönburg-Forder-Glauchau) er ledigt. — In Plauen i. V. hat der Fabrikant Weißflog für die bei ihm beschäftigten Arbeiter eine Spar- und Versorgungskaffe errichtet, die nur aus Mitteln der Fabrik dotirt wird und da zu dienen soll, den Arbeitern einen Prozentsatz ihres Lohnes verzinslich zurückzulegen. Eine solche Einrichtung ist nicht genug zu loben, denn wenn erst der Einzelne im Besitze von 100 oder 200 Thalern ist, dann „theilt" er nicht mehr mit. — In Dresden ist ein Dienstmädchen spät beim Zu bettgehen noch von einem herben Geschick betroffen worden. Dasselbe hat nämlich nach erfolgter Entkleidung die mitgeführte Petroleumlampe wie gewöhnt ausblasen wollen, hat dadurch aber eine Explosion des Glasballons herbeigeführt und da bei zugleich ihre letzte Hülle in Helle Flammen gesetzt. Das bedauernswerthe Mädchen hat da durch bedeutende Brandwunden am ganzen Körper erhalten. Es sei davor gewarnt, zu stark in den Cylinder einer Petroleumslampe hineinzublasen; ein gar nicht zu starkes Blasen bringt die Flamme ebenso gut zum Verlöschen und ist die Gefahr viel geringer. Auch empfiehlt es sich, die Flamme vorher ei» wenig einzudrehen. Ain besten dürfte jedoch das Aufsetzen eines Holzhütchens auf den Cylinder sein, wodurch die Flamme wegen Mangel an Luft sogleich erlischt. — Aus den Fluren des Dorfes Boderitz bei Dresden sahen drei Stein brecher einen völlig unbekleideten Mann über die schneebedeckten Felder laufen. In dem richtigen Vermuthen, daß es ein Irrsinniger sei, setzten sie ihm nach und erlangten ihn nach einiger Mühe. Derselbe wurde zunächst mit einer Woll jacke und Schürze bekleidet und zum Gemeinde vorstand von Boderitz geführt, wo es sich heraus stellte, daß es ein bisher in Dresden wohnender geisteskranker Engländer ist. Spiele nicht mit Schießgewehren!*) So gefährlich es für Halbgebildete ist, Fremd wörter zu gebrauchen, die von ihnen meist falsch ausgesprochen oder unrichtig angewandt werden, so bloßstellend ist es auch, Cilate zu verstümmeln oder am ungeeigneten Orte zu verwenden — das Bedenklichste ist aber, wenn Jemand, von dem wir vollkommene Bildung voraussetzen, des schrift lichen Ausdruckes nicht Herr ist, oder Jemand, dem kein Mensch Bildung zutraut, sich unberu fener Weise zur Veröffentlichung seiner Sprach versündigungen herandrängt. Die Sprache ist ein Schießgewehr, das überraschend losgehen und den, der mit ihr ungeschickt spielt, empfindlich ver letzen kann. Einer wunderlichen Satzconstruction erwähnt Büchmann in seinen „Geflügelten Wor ten." Der Fürst eines schon längst nicht mehr in seiner politischen Selbstständigkeit existirenden Ländchens, der durch seine wunderlichen Erlasse seiner Zeit eine Art Berühmtheit erlangt hatte, soll vor fast einem halben Jahrhundert folgenden eigenhändigen Befehl veröffentlicht haben: „Seit 20 Jahren reite ich auf einem Princip herum, d. h. Ich verlange, daß ein Jeglicher bei seinem Titel genannt wird. Dies geschieht stets nicht. Ich will also hiermit ausnahmsweise eine Geldstrafe von Einem Thaler festsetzen, der in meinem Dienste ist, und einen Andern, der in meinem Dienste ist, nicht bei seinem Titel oder Charge nennt." Folgt Datum und Unterschrift. Dieses amüsante Cabinetsstttck autokratischer Stilistik dürfte die Gefährlichkeit der Sprachflinte zur Evidenz beweisen. Spiele nicht mit Geheimmitteln und mit deinem Vertrauen, das du nicht fortwerfen sollst! Der Schwindel ist endlos und wechselt proteusartig Gestalt und Namen. Wie oft spukt irgend ein neues chinesisches Mittel gegen Kopfschmerz, Migräne, Zahnschmerz u. dergl. in den Zeitungen. Die aus lateinischen und griechischen Wortstämmen gebildeten, exotischen Bezeichnungen lassen sich mit Hilfe der Lexika von dem Laien entziffern und zeigen die Mittel in ihrer Harmlosigkeit oder gänzlichen Nichtswürdigkeit — man greift jetzt in's Japaiiesische oder Chinesische, um den Schwin- delproducten neue, räthselhafte, absolut unver ständliche Namen anzuheften. Eine von Zahn- * Aus dem geistvollen Buche: Randglossen zum Buche des Lebens von Gerhard v. Amyntor (Verlag von Sam. Lucas in Elberfeld), das wir hiermit angelegentlichst empfohlen halten.