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In Betreff der griechischen Angelegenheit wird gemeldet, daß das englische Cabinet die französische Note wegen der griechischen Grenzre- gulirung ablehnend beantwortet habe. Ein der artiger Schritt, so meint das Cabinet von St. James, sei für diesen Augenblick inopportun, weil die Aufregung in den betreffenden Gebieten allzu groß sei; die Grenzregulirungscommissare könnten leicht Mehemed Ali's Schicksal erleiden. Englische Blätter berichten fortgesetzt, in wel cher schlimmen Lage sich der Emir von Afgha nistan befindet. Jeden Tag sterben oder deser- tiren seine Soldaten massenweise, ganze Stämme fallen von ihm ab und im eigenen Lande droht der Aufruhr. Angesichts dieser Thatsachen würde es für England ganz überflüssig sein, sich zum Kriege gegen den Emir zu rüsten, wenn nicht diese Thatsachen durch — englische Blätter gemel det würden. Die New-Aorker „Correspondance americaine" überrascht ihre Leser mit der Neuigkeit, daß die Regierung der Vereinigten Staaten eine Protestnote an Deutschland gerichtet habe, und zwar auf Grund der angeblich neuerdings von Deutschland unternommenen Schritte behufs Er werbung einer Flotlenstation (der zur Zeit in holländischen Besitz befindlichen Insel Cura^ao) in Amerika. Das Washingtoner Cabinet berufe sich diesem Plane gegenüber auf die Monroe- Doctrin (Amerika für die Amerikaner) und wolle nicht zugeben, daß eine neue europäische Groß macht auf amerikanischem Boden festen Fuß fasse. — Gegenwärtig finden in den Vereinigten Staa ten die Wablen zum Repräsentantenhause statt. Nach den bisherigen Ergebnissen wird dasselbe 133 Republikaner, 148 Demokraten und 11 Mitglieder der Greenbackspartei zählen. Die demokratische Mehrheit kann aber durch die aus stehenden Wahlergebnisse noch steigen. Aus dem Mnldenthale. * Waldenburg, 11. November. (Vortrag.) Vergangenen Freitag Abend hielt Herr Or. Zenker aus Dresden im gebeizten Turnsaal des hiesigen Seminars vor zahlreicher Zuhörerschaft einen Experimentalvortrag über den Phonographen oder Tonschreiber. Der Phonograph hat in letzter Zeil so viel von sich reden gemacht, seine Lei stungen sollten so vortrefflicher Natur sein, daß es angezeigt erscheint, die Thäligkeit des Apparates näher zu beleuchten. Der Apparat besteht aus > äußerst einfachen Theilen: Zunächst ist ein mes singenes gebogenes Schallrohr angebracht, in welches man die Worte so laut wie möglich zu sprechen Hal; dieses Schallrohr läuft in einen Papierüberzug aus, welcher das Trommelfell unseres Ohres vertritt, inmitten dieses Ueberzuges ist ein Slist angebracht, der an eine auf einem Fcililletini. „L'hirondelle." Novelle von Rudolph Müldener. (Fortsetzung.) Seine meiste Zeit brachte der Kapitän in der Kajüte zu, wo er, auf einem Divan ausgestreckt, seine Aufmerksamkeit zwischen einer Cigarre und irgend einer Lectüre theilte. Allein wenn irgend eine drohende Gefahr oder ein bevorstehender Kampf ihn auf das Deck rief, dann war er See man durch und durch und rechtferügte vollkommen den glänzenden Ruf, den er sich, trotz seiner Jagend, durch seemänni'che Tüchtigkeit, unerschüt terliche Kaltblütigkeit und einen an Tollkühnheit grenzenden Muth gewonnen. Lieutenant Durand, ein National-Franzose, war ein praclisch-tüchtiger, aber nichts weniger denn wissenschaftlich gebildeter Seemann, und sein Um gang mit dem Kapitän erstreckte sich fast nur auf die Erfordernisse des Dienstes. Es mar drückend heiß; trotzdem war fast die ganze Mannschaft, statt ihrer Gewohnheit gemäß, die Miuagstnnden zu verschlafen, wenn anders der Dienst sie nicht fesselte, auf dem Verdecke versammelte. Der Capitän stand auf dem Hinterdecke, auf die Brüstung des Schiffes gelehnt, und beobachtete Cylinder mittels Firniß geklebten Staniolplatte durch Schrauben festgedrückt wird. Spricht man nun, während die um den Cplinder befindliche Staniolplatte gedreht wird, in das Schallrohr hinein, so Heilen die Schallwellen dem Papier überzug sich mit, welcher diese Bewegungen wieder um auf den Stift überträgt und von letzterem auf die sich drehende Staniolplatte geschrieben werden. Soll der Apparat das Hineingesprochen- wiederholen, was in langen oder kurzen Zeiträu men geschehen kann, so wird der Stift zu Anfang der auf der Staniolplatte gemachten Eindrücke eingesetzt und in letztere demselben Tempo wie beim Hineinsprechen herumgedreht, worauf der Papier überzug dieselben Schallwellen wieder hervorbringt und das Hineingesprochene wiederheraustönt,jedoch nur in unvollkommenem Maße; denn während die Vokale der Worte größlentheils ganz gutzu verstehen waren, waren einzelne Consonanten, wie das „r" nur mangelhaft, der größte Theil der Conso- nannten aber gar nicht verständlich, so daß Der jenige, der die hinein gesprochenen Worte nicht gehört hatte, sicherlich keine Worte in den heraus tönenden Lauten ahnen konnte. Die Erfindung ist noch in ihren Anfängen, und wie beim Tele phon jetzt schon erhebliche Verbesserungen ange bracht worden sind, so wird auch der Phonograph noch seine Verbesserungen erfahren, der in gegen wärtiger Gestalt noch keinerlei praktische Ver- werthung finden kann. * — (Das Gesetz- und Verordnungs blatt) vom 8. d. publicirt nunmehr die mit dem Gesammthause Schönburg wegen des Ueber- gangs der Gerichtsbarkeit von den Schönburg'fchen Receßherrschaften auf den Staat und wegen einiger anderer, die receßherrschaftlichen Verhält nisse berührender Punkte unter dem 29. October 1878 abgeschlossene Uebereinkunft. Der Abdruck bedarf jedoch, wie das „Dr. I." vernimmt, einer auch im nächsten Stück des Gesetzblattes zur Veröffentlichung gelangenden Berichtigung, indem in § XX als Zeitpunkt, zu welchem die Uebereinkunft in Wirksamkeit tritt, anstatt des „1. December 1878" vielmehr der „15. Novem ber 1878" stehen muß. * — (Spielkarten.) Das Gesetz wegen Be steuerung der Spielkarten tritt zwar erst am 1. Januar in Kraft, doch Hal der Finanzminister angeordnet, daß Spielkarten-Fabrikunten schon vom 10. December an die Spielkarten zu deren Versehung mit dem Reichsstempel vorlegen kön nen, um eine Störung im Betriebe zu ver meiden. * — (Die Ausweisung des Socialisten Kaiser) ist mittels „Formular 22" erfolgt, in welchem folgende Stellen vorkommen: „Auch werden Sie hiermit unter gleicher Strafandrohung, vor zweck- oder obdachlosem Umhertreiben, vor Kam- piren, Einschleichen, sowie unbefugtem Nächtigen vermittelst des Fernrohrs aufmerksam einen kleinen, nur dem Auge eines Seemanns sichtbaren Punkt, der sich in südwestlicher Richtung auf dem Meere zeigte. Auch der Lieutenant hatte ein Glas in der Hand, und die Blicke der Mann schaft ruhten abwechselnd auf der Person ihres Capitäns und auf dem Gegenstände, welcher den selben beschäftigte. Die Mannschaft der „Hirondelle" bot in diesem Augenblicke ein buntes, malerisches Bild: ihre Tracht war, wenn nicht schön, doch mannichfaltig, malerisch und reich an Farbe. Einige trugen schwarze, gefirnißte, mit einem farbigen Seiden bande geschmückte Hüte, Andere rothe wollene Mützen, ähnlich dem türkischen Fez, oder gar nur Mützen von Segeltuch; auch spanische Filz hüte, schwarz oder grau, fehlten nicht, freilich von Wind und Wetter arg mitgenommen. Einige zeigten sich in blauen oder grauen Schifferjacken, von den Niederländern gewöhnlich Schubjacken genannt: noch Andere trugen Hemden von rolhem oder blauem Flanell, die Südländer Hemden oder Blousen von gestreiftem Kattun: die Meisten aber hatten die Oberkleider gänzlich abgeworfen und zeigten ihre muskulösen Gestalten, den langen Schifferdolch an der Seite, in Hemdärmeln und schmierigen, reichlich mit Theer und Fett getränk ten linnenen Beinkleidern. Jeder dieser Charakterköpfe wäre für einen Maler eine unbezahlbare Studie gewesen. in fremden Räumen, und vor Völlerei, ingleichen ungebührlichem, unfolgsamen und widerspenstigen Benehmen gegen die dienstthuendenPolizeibeamten verwarnt und bedeutet, Sich im Fall der Obdach- und Subsistenzmittellosigkeit stets sofort an die zuständige Armenversorgungsbehörde zu wenden und das Ihnen dort zu bietende Unterkommen unverweigerlich anzunehmen." Das Formular stammt allem Anscheine nach aus dem vorigen Jahrhundert. Glauchau, 1. November. Wie die „Glauchauer Nachrichten" unterm 9. d. mittheilen, ist auf Antrag der kgl. Kreishauptmannschaft zu Zwickau durch das hiesige Handelsgericht für Recht befunden worden, die hier bestehende Gesellschaft „Genossen schaftsbuchdruckerei" (eingetragene Genossenschaft) auf Grund des § 35 des Genossenschaftsgesetzes in Verbindung mit den ßH 1 und 2 des Aus nahmegesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestre bungen der Socialdemokratie aufzulösen. Dieses Erkenntniß erlangt in zehn Tagen Rechtskraft, die auch durch eine eingelegte Beschwerde nicht aufgehoben wird. In Zwickau hatte am 6. d. Nachmittags die Ehefrau des Zimmergesellen Brendel ihr Wohnzimmer auf kurzer Zeit verlassen, als sie durch heftiges Schreien ihres dreijährigen Knaben zurückgerufen wurde; beim Eintreten fand sie den Knaben in Hellen Flammen stehend. Wahrscheinlich ist das Kind dem Ofen zu nahe gekommen uud auf diese Weise in Brand gerathen. Das Kind hat bedeutende Brandwunden am ganzen Körper erlitten und wird an dessen Auf kommen gezweifelt. Ein Tischler, welcher aus gepfändet werden sollte, schlug in Gegenwart des aussühienden Beamten die Möbels mit dem Beile entzwei, und benahm sich überhaupt gegen den Be amten sehr renitent, so daß er von der Polizei verhaftet und dem Staatsanwalt überwiesen wurde. Atts dem Sachsenlande. In Dresden sind am 8. d. von der Kreis hauptmannschaft die nachstehenden 4 Schriften von Oskar Klemich: „Aristoteles", „Der Na- tionalitätendünkel", „Der Egoismus als Welt- princip" und „Die Entwickelung des Menschen geistes" verboten worden. — In Brandis wurde am 4. d. der Director der dortigen landwirth- schaftlichen Schule durch zwei Gendarmen ver haftet. Wie es heißt, sind die Vergehen der Unterschlagung und wohl auch die Hinterziehung der Hilfsvollstreckung die Veranlassung zu jener Maßregel gewesen. — In Selleris bei Gößnitz gerieth am 5. d. Nachmittags in der Mühle der Bruder des Mühlenbesitzers Gerth in das Ge triebe der Mühle, welches ihm den Kopf wegriß und einen Arm aus der Kugel drehte. Der Ver unglückte hatte schon vor längerer Zeit das Un glück, daß ein Wagen über ihn hinwegfuhr und „Ja es ist ein Schiff!" wandte sich van Vor beck endlich an Durand. „Aber der Teufel mag wissen, welcher Nation es angehört! .... Nun, wir werden ja sehen! Wenn das Schiff seinen jetzigen Cours beibehält, so muß es den unsrigen kreuzen; in zwei Stunden wissen wir jedenfalls mehr!" Bei diesen Worten ging der Capitän, die Hände auf den Rücken gelegt, langsam auf dem Verdecke auf und ab. „Lieutenant Durand. Wenn das Schiff da vor uns seinen Cours ändern sollte, so benach richtigen Sie mich davon." Van Borbeck kehrte in die Kajüte zurück: die Matrosen suchten theils ihre Hängematten auf, theils vertheilten sie sich, plaudernd und schwatzend, von erlebten Abenteuern erzählend, in einzelnen Gruppen auf dem Verdeck; nur die Wache blieb auf ihrem Posten. Auf einem nur mit der gewöhnlichen Beman nung versehenen Kauffahrer dürfen die Matrosen niemals müssig sein. Es giebt immer etwas zu thun! man muß das stehende Zeug nachsehen, muß Schiemannsgarn, Matten, Kabelgarn ver fertigen, theeren, schmieren, ölen, färben, das Schiff reinigen, Segel flicken und tausend andere Dinge mehr, und wenn zufällig einmal nichts zu thun sein sollte, so verstehen es doch die Capitäne, wahrscheinlich den Müssiggang für den Anfang aller Laster haltend, meisterhaft, die Leute nöthi-