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Erstatteter Anzeige zufolge sind in der Nacht vom 12. zum 13. dieses Monats aus einem in der Mittelstadt hier gelegenen Hause mittelst Ein bruchs folgende Gegenstände: 1 ., eine Cylinderuhr mitSecundenzeiger und weiß und gelbem Zifferblatt 2 ., ein geräucherter Schinken von ca. 5 Kilogramm Gewicht, 3 ., 200 Stück Cigarren in mit den Etiquetten: „Habana Nr. 15" und „El Privilegio" versehenen Packeten, 4 ., 3 Stück Knackwürstchen und 5 ., 70 Pfennige baares Geld entwendet worden. Behufs Ermittelung der Thäter und Wiedererlangung der gestohlenen Gegenstände wird Solches hierdurch öffentlich bekannt gemacht. Waldenburg, den 14. September 1878. Der Stadt rath. Cunrady. Politische Rundschau. * Waldenburg, 16. September 1878. Der deusche Kaiser hat am 14. d. Mittag 11'/2 unter begeisterten Hochrufen der Bevölke rung und unter den Klängen der preußischen Volkshymne Bad Gastein verlassen. Der Er folg der Kur ist über alle Erwartungen vortreff lich, daß Schreiben mit der rechten Hand ist wie der ohne Anstand möglich. Die Fahrt über Salz burg, München und Bebra nach Wilhelmshöhe bei Kassel, wo der Kaiser gestern am 15. Mor gens um 9 Uhr 20 Minuten eintraf. Er fchritt nach Begrüßung der Behörden die Front der am Bahnhofe aufgestellten Ehrenwache entlang und fuhr dann unter Hochrufen einer dichtgedrängten Menge im offenen, sich langsam vorwärts be wegenden Wagen die von Blumen bedeckte, von Guirlanden überspannte und von Fahnen um wehte Allee zum Schloß Wilhelmshöhe hinauf. Schützen- und Kriegervereine, Feuerwehr, die Schuljugend hatten sich am Eingänge des Parks zum Empfange aufgestellt, während Kassel mit Laub- und Blnmengewinden, Fahnen, Wappen und Reihen junger Fichtenbäume geschmückt war. — In Gastein wurde übrigens kürzlich ein Han noveraner verhaftet, der sich durch verschiedene falsche Angaben über seine Person verdächtig ge macht hatte. Dieses Factum gab in Berlin An laß zu dem Gerücht, daß eine Verschwörung ge gen den Kaiser entdeckt worden sei, was sich je doch nicht bestätigte. Man hatte sich billig verwundert, daß der Kronprinz die Eröffnung des Reichstags nicht selbst vornahm, und daß die diesmalige Thronrede sogar mager — sie handelte bekannt lich nur von dem vorgelegten Socialistengesetze — ausgefallen war; als Grund dafür wird jetzt die baldige Wiederaufnahme der Negierungsge schäfte durch den Kaiser selbst angegeben. Das Socialistengesetz ist in der national- liberalen Fraktion vorberathen worden. Man war darüber einverstanden, daß ohne das Hinein schieben eines Termins kür die Dauer der Giltig keit des Gesetzes dasselbe nicht angenommen werden könne. Bezüglich der Commission entschied man sich dahin, dieselbe ans 21 Personen be stehen zu lassen, und zwar 6 Nationalliberale, 6 vom Centrum und 6 Conservative, 2 vom Fortschritt und 1 Socialdemokraten. Die Dauer der Neichstagssession wird nach Schätzung Kundiger mindestens bis zum 10. Oc tober, vielleicht noch länger, währen. Man nimmt an, daß die Commission am 18. September sich constitniren rind einschließlich der Feststellung des unbedingt schriftlich zu erstattenden Berichtes 14 Tage, d. h. bis zum 2. October zu thun haben wird. Sodann würden der 3. bis 5. October für die Fractionsberathungen frei bleiben und die zweite Lefung am Montag den 7. Octbr. beginnen. vr. Rudolf Meyer, der in socialen Fragen wohl bewanderte frühere Socius des wirkt. Geh. Oberregierungsrath Wagener, richtet von Paris aus (wohin er sich begeben hatte, um sich der wegen Beleidigung des Reichskanzlers über ihn verhängten Strafe zu entziehen) ein längeres Schreiben an die „Germania", in dem er das Socialistengesetz scharf verurtheilte. „Ich be haupte, — bemerkte er u. a. — daß Hr. Tessen- dorf und seine Genossen seit 1873 i.l Deutschland mehr Socialdemokraten gemacht haben, als Lassalle bis 1863. Und das Ausnahmegesetz wird deren nicht nur mehr machen, sondern auch erbittertere. Hr. I)r. Meyer behauptet, daß auch Hr. Wagener, der einzige Staatsmann unserer Tage, der von socialen Fragen etwas verstehe, seiner Ansicht sei. — Erbitterter mögen die gegenwärtigen Socialdemokraten wohl werden, ob aber mehr Socialdemokraten mit dem Socialistengesetz ge schaffen werden, diese Behauptung Meyers möch ten wir doch nur seiner Feindschaft gegen Fürst Bismarck zuschreiben. Das Rundschreiben der deutschen Reichs regierung an die Großmächte, das nach unserer letzten Meldung bei allen Cabinetten die zuvor kommendste Aufnahme gefunden hat, hat bei England doch nicht das gewünschte Entgegen kommen gefunden. Nach Wien wird nämlich gemeldet, daß die englische Regierung es abge lehnt habe, sich den gemeinsamen Schritten bei der Pforte wegen Ausführung des Berliner Vertrages anzuschließen. — Die alte englische Schacherpolitik. Da England keinen Vortheil daraus ersieht, für den Vertrag, den es selbst mit unterzeichnete, einzustehen, unterläßt es dies auch. Nach dem im Kriegsministerium zusammenge stellten Hauptbericht zählte das preußische Heer nebst dem königlich sächsischen und königlich württembergischen Armeekorps im Juli d. I. 27,304 Kranke oder 7,6 pCt. der wirklichen Stärke. Davon sind in militärärztlicher Behand lung 96 gestorben, wovon die meisten an Lungen schwindsucht, nämlich 25, demnächst 17 an Unter leibstyphus , 3 in Folge von Verunglückung und 2 Selbstmordversuche. Außerdem sind noch 39 Todesfälle vorgekommen, davon 14 durch Verunglückung und 19 durch Selbstmord, so daß das Heer 135 Mann durch den Tod verloren hat. Die Wilhelmsspende ist gestern Sonntag Mittag 12'/« Uhr von dem dazu gewählten Comito an den Kronprinzen übergeben worden. An der Spitze des Comit^ stand Graf Molke, Graf Eulenburg-Prossen, Freiherr v. Forckenbeck, Bürger meister Duncker, der Präsident der Seehandlung, Excellenz Bitter. Die Uebergabe erfolgte in einem Depositenschein über 1,800,000 Mark, welche in der Seehandlung deponirt sind. Die Zahl der Geber beziffert sich auf 11,500,000, die der mit Beiträgen vertretenen Gemeinden auf 75,000. Der Landtag des Fürstenthums Reuß ältere Linie ist bekanntlich aufgelöst worden, weil er die Bildung eines eigenen Landgerichtes für das Fürstenthum ablehnte. Die Regierung hat nunmehr eine Bekanntmachung erlassen, in der sie die Bevölkerung auffordert, die Neuwahlen auf Männer zu richten, welche die schwebende Frage im patriotischen Sinne lösen wollen. Die Regierung ist nämlich der Ansicht, daß die Pflicht der möglichsten Wahrung der staatlichen Selbst ständigkeit und der Bewahrung der Bewohner des Fürstenthums vor schwerer Schädigung die Bildung eines eigenen Landgerichts fordere, die eine erhebliche Mehrbelastung der Landeskasse nicht erheische, während eine Landgerichtsgemein schaft mit Nachbarstaaten in Zukunft leicht größere Opfer fordern werde. Vom Occupationsschauplatze. Das Ge rücht von der Zurückverlegung des Hauptquartiers von Serajewo nach Brood Hot auf die österreich ische Bevölkerung einen tiefen und unangeneh men Eindruck hervorgerufen, und man beeilte sich deshalb, dieses Gerücht zu dementiren und den Armeecommandanten Philippovich in Sera jewo zu lassen. Nur für die Dauer der Opera tionen längs der Save und der nordöstlichen Grenze Bosniens wird ein Theil des Hauptquar tiers der zweiten Armee mit einem Stellvertreter des Obercommandos provisorisch in Brood eta- blirt werden. Es scheint, als wollte man die erste so schlecht aufgenommene Nachricht damit abschwächen, Thatsache ist, daß die Insurgenten der österreichischen Heeresleitung über den Kopf wachsen, und daß das österreichische Hauptquar tier nach keiner Seite hin, selbst nach Wien nicht, eine gesicherte Verbindung hat. Es wird der energischsten Anstrengung von Seiten Oesterreichs bedürfen, um die beiden zu besetzenden Provin zen noch in diesem Jahre zur Ruhe zu bringen. In welcher Weise Oesterreich übrigens jetzt den Krieg zu führen gezwungen ist, erhellt daraus, daß die österreichischen Truppen am 14. Sept, die Stadt Bertschka zu bombardiren begonnen haben. Die Manöver der französischen Armee haben vorige Woche stattgefunden. Ein kundiger militärischer Redacteur der „France" urtheilt da rüber so: „Das Resultat war ein minder gün stiges, als wir gehofft hatten, aber es wäre un gerecht, unsere Armee nach einer solchen Probe zu beurtheilen. Die Probe ist schlecht, aber wenn man gesehen hat, mit welchem unermüdlichen Eifer die Ausbildung betrieben wird, kann man hinzufügen: Die Armee ist gut." Die Russen ziehen sich mehr und mehr aus