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August 1878. Der Stadtrat h. Cunrady. Bekanntmachung. Behufs geeigneter Durchführung der Bestimmungen des Reichs-Jmpf- gesetzes werden die im hiesigen Stadtbezirke wohnhaften Eltern, bez. Vor münder und Pfleger der in den Jahren 1873 bis 1877 geborenen Kinder aufgefordert, die bezüglichen Impfscheine bei Vermeidung von Geldstrafen bis zu 20 Mark —- bis zum 24. August 1878 auf der hiesigen Rathsexpedition abzugeben. Waldenburg, den 13. August 1878. Der Stadtrat h. Cunrady. PoliMr Rundschau. * Waldenburg, 14. August 1878. Der Reichstag wird laut einer Verordnung im „Reichs-Anz." auf den 9. September d. I/ einberufen. Es ist wohl nicht ganz müssig, in Anbetracht der neuen Parteiverhältnisse die Frage der Präsidentschaft aufzuwersen. Der liberale Herr v. Forckenbeck, dessen alterprobte Leitung der Reichstag nun einmal nicht entbehren kann, wird wohl mit der größten Mehrheit oder ein stimmig wiedergewählt werden. Die Stelle des ersten Vicepiäsidenten wird man vielleicht den Ultramontanen überlassen müssen, da die Cen trumspartei entsprechend ihrer Stärke als zweit größte Fraction im Reichstage anzusehen ist. Den Deutschcouservativen bliebe dann noch die Stelle des zweiten Vicepräsidenten. Die Stichwahlen nehmen noch immer ihren Fortgang und ist in Iserlohn der nationalliberale Schlieper mit 10,191 Stimmen über den fort schrittlichen Overweg, der 8975 Stimmen erhielt, Sieger geblieben. Im Breslauer Ostkreis ist es der Vereinigung der Ultramontanen mit den Socialdemokraten gelungen, den Socialdemokraten Reinders mit 9768 Stimmen gegen Molinari, der 9316 Stimmen erhielt, durchzubringen. Die Socialdemokraten haben damit den fünften Can didaten durchgebracht, und da ihnen wahrschein lich auch der vierte Berliner Wahlkreis noch zufallen wird, so sind sie im Reichstag durch sechs Mitglieder ihrer Partei vertreten. Im Bres lauer Westbezirk erhieltBürgers (Fortschr.) 10215 und Kräcker (Socialdem.) 8818 Stimmen. In Hanau-Gelnhausen ist der nationalliberale Or. Weigel mit 9323 gegen den Socialdemokraten Frohme gewählt worden. Frobme erhielt 6734 St. Allerdings ist dies noch nicht das officielle Er gebniß, allein am Resultate selbst wird keine Aenderung mehr eintreten. Auch hier habe» die Ultramontanen zum großen Theile für den Social demokraten gestimmt; die specifisch katholischen Orte, die bei der Nachwahl socialistisch wählten, beweisen dies zu Genüge. Im zweiten Frank furter Wahlkreise erhielt nach den bis jetzt vor liegenden Nachrichten der Rittergutsbesitzer Schön (conscrvativ) 6763, Syndikus Beisert (liberal) 6070 Stimmen. .Die Untersuchungen auf fachliche» Ge bieten werden immer mehr ausgedehnt. Außer der Tabaksindustrie wird jetzt auch der Baum wollen- und Leinen-Industrie eine hohe Aufmerksamkeit gewidmet. Die dafür eingesetzte Commissio» ^t mit dem Programm zugleich ein Anschreiben an die Handelskammern gerichtet, und sie um ih^ Mitwirkung bei den statistischen Ermittelungen ersucht. Bis spätestens zum 10. September sollen die Fragebogen an die Handels kammern ausgefüllt zurückgeschickt werden; sollten wider Erwarten einzelne Industrielle die Beant wortung ablehnen oder über jenen Termin hin aus verzögern, so sind die Handelskammern er sucht, nach bestem Wissen über den Gewerbebe trieb der betreffenden Fabrikanten im letzten Jahre selbst zu berichten. Auch über den Gesammtum- fang der kleinen Fabrikbetliebe, an deren In haber keine besondern Fragebogen verabreicht wer den, sollen die Handelskammern sich gutachtlich äußern. Endlich werden sie um Auskunft da rüber ersucht, welche Fabriken seit dem Jahre 1867 den Betrieb eingestellt, wie stark dieser Be trieb bis dahin war und welche Gründe zur Ein stellung geführt haben. Neber dies Alles soll bis spätestens zum 20. September berichtet werden. Nebenher ist auch an die Industriellen selbst noch ein Anschreiben ergangen, worin sie unter Hin weis auf die Wichtigkeit der Sache ermahnt wer den, die Fragebeantwortung zuverlässigen Hän den anzuvertrauen, und ohne Sorge zu sein, daß die Daten etwa zu anderen Zwecken als zu denen der Untersuchung verwendet werden könnten. — Die Untersuchungscommission für die Eisen- Industrie wird Ende dieser oder Anfang näch ster Woche wieder zusammentreten, um über die inzwischen ansgearbeiteten Fragebogen zu berathen und die Liste der zu hörenden Eisenindustriellen sestzustellen. Die in Gemäßheit der Artikel 2 und 18 des Berliner Vertrages einzusetzenden europäischen Commissionen werden gegenwärtig gebildet. Die erste derselben hat sich mit den Angelegen heiten Bosniens, die zweite mit denen Ostrume- liens in Gemäßheit der Bestimmungen des Ver trages zu befassen. Letzterer untersteht auch die Prüfung der von der Pforte für Kreta und die andern christlichen Provinzen zu erlassenden or ganischen Reglements. Die Kissinger Verhandlungen zwischen dem Fürsten Bismarck und dem päpstlichen Nuntius sind keineswegs abgebrochen, wie es in den Zei tungen hieß, dieselben dauern im Gegentheil noch fort, sollen aber zu einem definitiven Resultate noch nicht gelangt sein. Als ein Zeichen, daß Bismarck sich in weitgehende Concessionen nicht einlassen wird, mag die Thatsache gelten, daß die Anknüpfung zu den neuesten Verhandlungen nicht vom Fürsten Bismarck ausgegangen ist. Es scheint demnach, daß Bismarck sich doch nicht, um eine gefügige Reichstagsmajorität zu erhalten, zum Aufgeben wichtiger Staatsrechte verleiten läßt. Am Sonntag und Montag hat in Gießen eine Versammlung Delegirter der deutschen Kriegerkameradschaft stattgefunden, in welcher Vorschläge einstimmig angenommen wurden, die auf Vereinigung der deutschen Kriegerverbände und Uebernahme des Protektorats durch den Kaiser Hinzielen. Gleichzeitig wurden zur Ver tretung auf dem demnächstigen Congreß der Kriegerverbände in Frankfurt a. M. fünf Herren mit weitgehendsten Vollmachten versehen. Dem Kaiser sind diese Beschlüsse telegraphisch mitge- theilt worden. Die in Heidelberg stattgehabten Minister co nferenzen haben außer der Feststellung und Normirung gewisser indirecter Steuern auch eine durchgreifende Reform der in den deutschen Staaten herrschenden Steuersysteme zur Berathung gehabt. Die Vermehrung der Socialdemokrate.'n, die bei der diesmaligen Wahl leider wiederum zu constatiren ist, trifft nicht auf alle Theile Deutschlands zu. In Schleswig-Holstein wurden im Jahre 1877 laut Statistik über 40,000 Stim men für die Socialdemokraten abgegeben, am 30. Juli jedoch kaum 25,000, und beschränkt sich diese Anzahl fast ausschließlich auf die Kreise Kiel, Altona und Attensen-Pinneberg, wogegen die übrigen 7 Kreise gar keine, beziehungsweise eine sehr geringe Anzahl Stimmen aufzuweisen haben. Glückliches Land, in welchem jetzt schon die Bevölkerung zur Einsicht kommt, daß es mit den socialistischen Versprechungen nichts ist. Hoffentlich werden wir in Sachsen auch bald zu dieser Einsicht gelangen, „denn mir Sachsen sein Helle." Socialdemokrat Hasselmann war bekannt lich beim Zuchtpolizeigericht zu Elberfeld wegen Aufreizung der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten angeklagt, aber freigesprochen worden. Die correc- tionelle Appellkammer des Landgerichts zu Elberfeld hat dieses Erkenntniß am vergangenen Montag bestätigt, allein trotzdem wird Hasselmann in Haft behalten, da der Ober-Procurator den Caffations- recurs angemeldet hat. Zwei andere Socialdemo kraten wurden zu zehn, resp. zwölf Monaten Gefängniß verurtheilt. Bei Lichte betrachtet, ist ein derartiges Vorgehen gegen die Socialdemokratie wohl kaum mit dem allgemeinen Rechtsgefühle in Einklang zu bringen. Hasselmann wird ange klagt und verhaftet, er wird freigesprochen, muß aber immer noch in Haft bleiben, er wird in der zweiten Instanz wiederum freigesprochen, trotz dem wird er noch in Haft gehalten; erst wenn, wie es wahrscheinlich ist, auch die dritte Instanz ein freisprechendes Urtheil fällen wird, wird Hassel mann auf freien Fuß gesetzt werden. Unsere Leser kennen zur Genüge den Standpunkt, den wir gegen die Socialdemokratie einnehmen, so daß sie wohl schwerlich eine Liebäugelei mit dieser vermuthen, wenn wir diese Behandlung nicht ganz als moralisch gerechtfertigt finden, obgleich sie ge setzlich zulässig ist. Die Socialdemokraten müssen