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MMmbliM Unjktzer. Erscheint wöchentlich drei Mal: Dinstags, Donnerstags und Sonnabends. Preis vierteljährlich 1 Mark, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummern 8 Pf. — Jnsertionsgebühren pro kleingespaltene Zeile für Abonnenten 7 Pf., für Nichtabonnenten 10 Pf. Bei mehrmaliger Jnfertion entsprechender Rabatt. — Jnseraten-Annahme bis Abends 5 Uhr des vorhergehenden Tages. — Reclamen im Redactionstheil pro Zeile 20 Pf. — Geeignete Beiträge sind stets willkommen. Donnerstag, 11. Zuli 1878. Abomlcmcnts-EiMmig. Abonnements auf den „Waldenburger Anzeiger" werden von den Austrägern sowohl wie in der Expedition, Obergasse 41 im Laden, noch jederzeit entgegengenommeu und die bereits erschienenen Nummern nachgeliefert. Namentlich machen wir auf die in Nr. 1 be gonnene Erzählung von Hans Wachenhusen: „Pie Hngelsstimme" aufmerksam. Dieselbe ent hält eine mit großer Sachkenntniß geschriebene Schilderung, in welcher Weise in der sogenann ten Gründerzeit das Geld gewonnen und ver loren wurde. Abonnementspreis pro Vierteljahr 1 Mark frei in's Haus, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. Bei Abholung aus der Expedition 90 Pf. pränumerando. Inserate werden pro Spalt zeile mit 7 Pf. für Abonnenten, mit 10 Pf. für Nichtabonnenten berechnet. Bei mehrmaliger Be stellung Rabatt bis zu 33'/» Procent. Ergebenst Exp d. „Waldenburger Anzeiger." Politischk RmMu. Waldenburg, 10. Juli 1878. Der Umschwung der öffentlichen Mei nung ergreift immer weitere Kreise. Die Ten denz des Geschehens- und Gehenlassens, der wir den moralischen und wirthschaftlichen Verfall un seres Volkes doch vorzugsweise verdanken, wird jetzt selbst von den tonangebenden nationallibera len Führern und Parteiblättern verworfen. So schreibt die „National-Zeitung" in offenherziger Weise: „Der lang in der Betrachtung der Staats-Verhältnisse vorherrschende optimistische Zug, das untrügliche Heilmittel in der Unbe- Feuilleton. Die Engelsstimme. Erzählung von Kaus Wachmhusen. <Forlse,ung.) Der Rath war wieder aufgestanden und fchaute gedankenschwer am Fenster auf die Straße hinab. „Papa," hörte er der Tochter Helle Stimme hinter sich, während sich ein weißes Händchen auf seinen Arm legte. „Ich bin nun schon drei Tage hier und kaum zum Hause hinaus gekommen. Hast du heute frei, so schlägst du's mir gewiß nicht ab! Das Frühlingswetter ist so herrlich! Laß Nachmittag einen Zweispänner holen und fahre uns ein wenig in's Freie hinaus. Du siehst, ich habe schon Toilette dazu gemacht und freue mich recht darauf." Marbach zuckte die Achsel und schaute nicht zurück. Die Zumuthung paßte gerade in seine Stimmung. „Scheust du das Geld, Papa, ich habe noch so viel von meinem Taschengeld von der seligen Tante! Es soll mir nicht darauf ankommen!" „Behalte dein Geld, mein Kind, du wirst es gebrauchen! Ich wollte, die Tante hätte dich übrigens mehr Oekonomie gelehrt. Wer, meinst du, soll dich einmal heirathen, wenn du Ansprüche schränktheit des Einzelnen gefunden zu haben, tritt heute zurück, wo die Grundlagen nicht allein des historisch gewordenen Staats, sondern auch der bisherigen menschlichen Gesellschaft und Sitte grundsätzlich in Frage gestellt werden und die Perspective des Krieges Aller ge^en Alle und einer neuen Barbarei mit schon erkenntlichen Zügen vor unseren Augen erscheint. Ganz ab gesehen von den schnöden Mordversuchen, die nur, dem Erdstoße gleich, als eine an die Ober fläche gedrungene Mahnung finsterer, vulkani scher Gewalten gelten mögen, hat es im Laufe der letzten Jahre nicht an mannichfachen Symp tomen gefehlt, daß es mit unserer sozialen Po litik auf dem bisherigen Wege des Geschehen lassens nicht weiter fortgehen kann." Wir haben schon mehrfach Gelegenheit genommen, zu con- statiren, daß wir ganz auf dem Boden der Re formen, der „Remedur unserer Gesetzgebung", wie das Schlagwort lautet, stehen, und freuen uns, von der mehr und mehr zunehmenden Ver breitung der gleichen Ansichten und Bestrebungen im liberalen Lager Act nehmen zu können. Hoffen wir, daß im nächsten Reichstage eine große Partei vorhanden sein wird, welche die Mittel und Wege findet, eine wirkliche Besserung unserer traurigen Verhältnisse herbeizuführen. Mit dem Hoffen allein ist es jedoch nicht gethan. Um diese Hoffnung erfüllt zu sehen, ist es auch nöthig, daß Jeder am 30. Juli, dem Wahl tage, seine Pflicht thue, und daß Alle ein- müthig Mann für Mann ihre Stimme abgeben für den Candidaten der Ordnungspalteien; in unserm Wahlkreise für Herrn Professor vr. Birnbaum in Leipzig. Keiner versäume seine Pflicht vielleicht aus Gleichgiltigkeit, vielleicht aus persönlicher Abneigung gegen den Candidaten. Alle müssen wählen, soll der Sieg diesmal er rungen werden. machst wie die, mit denen du hier bei uns aus trittst?" Elsbeth ließ die Hand von seinem Arm sinken. Sie trat mißmuthig in's Zimmer zurück. Ihr Blick streifte dabei den Spiegel und der gab ihr ihre Laune wieder. Sie lachte mit demselben Spötteln sich im Spiegel an und verweilte unge sehen vor demselben, mit beiden Händen den Gürtel von der schlanken Taille herabdrückend und die Brust hebend. „O, es gibt jetzt und namentlich jetzt reiche Männer genug, Papa!" rief sie mit siegreichem Blick auf ihr Spiegelbild, der sich aber plötzlich finster vergrollte und einen Schatten über ihr schönes Antlitz warf. „Einen Armen nehme ich gewiß nicht! ... Wie sieht denn der Botmer aus, von dem du eben sprachst? Ist er hübsch, interes sant?" . . . Wieder derselbe Blick in den Spie gel. Die Hand gab dem Löckchen, das seine bestimmte Stätte über der Schläfe hatte, die angewiesene Lage zurück. „Beides!" antwortete brummig der Vater- ohne zurück zu schauen. „Es soll mich nicht wundern, wenn dem auch noch eine reiche Partie gelingt." „Ich würde ihn aber trotzdem nicht nehmen! Ich weiß was Besseres!" „So nimm dir den Besseren!" „Du möchtest mich wohl recht bald wieder los sein, Papa?" „Ich möchte meinen Kindern nur den Rath Der Congreß ist mit seinen hauptsächlichsten Arbeiten nun zu Ende. Die politische Neuge staltung der Balkanhalbinsel ist gesichert, nachdem die Grenzen Bulgariens im Allgemeinen festge stellt und die Occupation Bosniens und der Her zegowina seitens Oesterreichs, sowie der Gebiets zuwachs Serbiens, Rumäniens und Montenegros vereinbart worden sind. In der Batumfrage hat nun Rußland der Forderung, daß Batum ein Freihafen werde, nachgegeben, so daß alle Handelsschiffe dort einlaufen können. Ueber- rafchend ist die Nachricht von einer Convention zwi schen England und der Pforte, wonach England die Türkei gegen etwaige spätere Angriffe in Asien vertheidigen will, die Pforte aber hierfür die Insel Cypern an England abtritt. Ein Beweis, daß sich England noch immer auf Er werbung von guten Positionen versteht. In Bezug auf die vom Congreß behandelte griechische Frage haben die Mächte anerkannt, daß im Interesse einer friedlichen Auseinander setzung der Pforte mit Griechenland erstere sich zu einer Abtretung eines Theils Thessaliens und von Epirus an Griechenland verstehen möge. Es hat sich zwar keine Macht für die Ausfüh rung dieses Votums in formeller Weise ver pflichtet, wohl aber ist durch dieses europäische Votum jeder der europäischen Mächte die Frei heit gegeben, die Griechen in ihren Ansprüchen auf Gebietsabtretung bis zu der vom Congreß anerkannten Grenze zu unterstützen. Der Türkei ist es also überlassen, den griechischen Proposi tionen entgegenzukommen, so weit sie es in ihrem eigenen Interesse für nützlich hält. Will sich die Türkei zu einer Gebietsabtretung an Griechen land nicht verstehen, so trägt sie dann allein die Verantwortung dafür und darf in einem daraus sich ergebenden Kriege mit Griechenland auf einen Bundesgenossen nicht rechnen, selbst wenn geben, sich in die Verhältnisse ihres Vaters zu schicken, oder sich was Besseres zu suchen, wenn ihnen diese nicht genügen. Du wirst wohl thun, dich danach zu richten, mein Kind!" Damit verließ der Rath das Fenster, durchmaß mit einem ärgerlichen Blick auf all den weiblichen Putz das Gemach und trat in sein Arbeitszimmer. Elsbeth schaute ihm nach. Auch die Mutter erhob sich hinter dem weißen Tüll-Gebirge, in dem sie wie in einer Gletscherspalte versunken. Mit besorgtem Blick schaute sie die Tochter an, und die schien tief verstimmt. „Das ist nun die Heimath, auf die ich mich so gefreut!" Elsbeth setzte sich an's Fenster und stützte die Wange in die Hand. „Der Vater übt sich seit gestern darin, mir Unangenehmes zu sagen. Alles was ich thue, wird von ihm geta delt!" „Vielleicht bist du nicht ohne Schuld, Elsbeth, du mit deinen Ansprüchen!" Das Mädchen lachte bitter und preßte das feine Spitzentuch in der Hand zusammen. „Mit. meinen Ansprüchen! Warum habt Ihr mich zu der Tante gethan und nicht den Bruder, der anderswo ebenso gut Griechisch und Latein lernen konnte! Für ein junges Mädchen ist's doch vortheilhafter, in der großen Stadt zu sein als in der Provinz, wo immer gleich große Verlegenheit ist wenn ein Lieutenant den Schnupfen hat oder ein Referendar versetzt wird und also ein Tänzer