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MMnIwM An;kM. Erscheint wöchentlich drei Mal: Dinstags, Donnerstags und Sonnabends. Preis vierteljährlich 1 Mark, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummern 8 Pf. — Jnsertionsgebühren pro kleingespaltene Zeile für Abonnenten 7 Pf., für Nichtabonnenten 10 Pf. Bei mehrmaliger Insertion entsprechender Rabatt. — Jnseraten-Annahme bis Abends 5 Uhr des vorhergehenden Tages. — Reclamen im Redactionotheil pro Zeile 20 Pf. — Geeignete Beiträge sind stets willkommen. Probenummer. Sonnabend, 29. Juni 1878. Ablimimknts-EinIli-iliig. Von nächstem Dinstag ab erscheint der „Walden burger Anzeiger" in regelmäßiger Weise und laden wir hierdurch nochmals freundlichst zu recht zahlreichem Abonnement ein. In einer der nächsten Nummern werden mir mit der Veröffentlichung einer größeren Erzäh lung eines der beliebtesten und bekanntesten deut schen Schriftsteller beginnen, die gewiß allseitiges Interesse erwecken wird. Abonnementspreis pro Vierteljahr 1 Mark frei in's Haus, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. Bei Abholung aus der Expedition 90 Pf. pränumerando. Inserate werden pro Spalt zeile niit 7 Pf. für Abonnenten, mit 10 Pf. für Nichtabonnenten berechnet. Bei mehrmaliger Be stellung Rabatt bis zu 33'/» Procent. Ergebenst Exp d. „Waldenburger Anzeiger." Politische Rundschau. * Waldenburg, 28. Juni 1878. Die Congreßverhaudlungen haben nach den eingehenden Nachrichten eine Wendung ge nommen, welche die Hoffnung auf eine friedliche Verständigung zwischen den betheiligten Groß mächten wiederum um ein Bedeutendes im Course steigen läßt. Nach langwierigen und mitunter sehr ernsten Verhandlungen sind die Vertreter Großbritanniens, Oesterreich-Ungarns und Ruß lands nämlich auf dem Wege vertraulicher Be sprechungen über die heikle bulgarische Frage zu einem prinzipiellen Einvernehmen gelangt, denn dann in den letzten beiden Plenarsitzungen des Congreffes am Sonntag und Montag die Sanction des europäischen Areopag's zu Theil geworden sein dürfte. Bulgarien wird in zwei Theile zerfallen, in ein Nordbulgarien, welches sich nach Süden hin bis zum Kamme des Bal kans erstrecken und unter der Oberherrlichkeit der Pforte ein in allen inneren Angelegenheiten selbst ständiges Fürstenthum mit eigenem Herrscher bil den würde, und in ein Südbulgarien (Numelien), welches bei der Türkei verbleiben, aber eine mög lichst ausgedehnte provinzielle Autonomie erhalten soll. Die Pforte erhält das Recht, die Balkan- päfse zu befestigen und in Numelien eine Be satzung zu unterhalten, die Festung Varna und Sophia wird zu Bulgarien geschlagen, Burgas verbleibt den Türken. Diese Modifikation des Vertrages von San Stefano soll der Earl of Beaconsfield, der, vom Grafen Andrassy kräftig unterstützt, wiederholt erklärt hatte, daß er vor allen Dingen die Lebensfähigkeit der Türkei in Europa gesichert wissen wolle, geradezu als un erläßliche Bedingung für die fernere Betheili gung Englands an den Arbeiten des Congreffes bezeichnet haben. Indem der Czar seinen Dele- girten aus telegraphischem Wege die prinzipielle Zustimmung zu den anglo-österreichischen Forde rungen gestattete, somit der Gefahr eines plötz lichen Scheiterns des Congreffes vorbeugte, hat er zugleich dem Fürsten Bismarck, dem Congreß und Europa einen Dienst von hervorragender Tragweite geleistet. Der Vorsitzende des Con- gresses hat dadurch, bemerkt die „Kreuzztg.", die öffentliche Quittung über seine diplomatische Ver mittelungsfähigkeit und sein „ehrliches Makler- thum" erhalten, der Congreß selbst seine Autori tät gestärkt, und Europa endlich sieht nach länge rem Hangen und Bangen in schwebender Pein nun mit den besten Hoffnungen der wirklichen Erhaltung des Friedens entgegen. Während im nördlichen Deutschland bezüglich der Wahlbewegung die deutsche Querköpfigkeit vorherrschend ist, welche das Sprichwort veran laßt hat, „Wo drei Deutsche zusammensitzen, gibt es vier verschiedene Meinungen," haben sich z. B. in Würtemberg Mitglieder der nationalliberalen und conservativen Partei bereits über ein Wahlpro gramm gecinigt, in welchem Ausnahmegesetze und nöthigenfalls auch eine Einschränkung des Wahl rechts und des Vereinswesens für zulässig er klärt wurden. Im Leipziger Landkreise ist gleich falls bereits eine vollständige Einigung zwischen den conservativen und liberalen Wählern erzielt worden. Der letztere Kreis wurde bekanntlich von dem Socialdemokraten Hosbaurath Demmler im Reichstage vertreten, da nun derselbe eine ev. Wiederwahl abgelehnt hat, so haben die Social- demokraten diesen Kreis bereits aufgegeben. Von socialdemokratischen Candidaturen verlautet übri gens, daß Bebel außer seinen anderen Caudida- turen auch in Königsberg, Liebknecht in Stoll berg und in Offenbach, Bracke in Braunschweig und Magdeburg, Rittinghausen in Solingen, Ka pell in Reichenbach-Neurode aufgestellt werden sollen. Diese Doppelaufstellungen beweisen so recht, wie wenig sicher sich die Herren Social demokraten fühlen. Curiose Blühten treibt doch schon der begin nende Wahlkampf. Jeder Socialdemokrat weiß uns klar und deutlich auseinanderzusetzen, daß im socialdemokratischen Staate daß Eigenthum aufhören und Alles Staatseigenthum werden müsse, daß der gesammte Ertrag der Arbeit je dem nach seinen vernunftgemäßen Bedürfnissen zu- getheilt werde, daß das stehende Heer abgeschafft und eine allgemeine Volkswehr eingeführt werde, daß die Ehe nur auf wahrer Liebe beruhen dürfe, und daß, wo diese aufhöre, auch das äußere Band getrost fallen solle, daß Staatssteuern in folge der allgemeinen Staatsproduction selbstver ständlich nicht mehr zu zahlen sind und noch an dere schöne Dinge mehr. Nun kommt da ein socialdemokratischer Schuhmachermeister aus Ber nau, Arendt heiß er, und erklärt auf einer social demokratischen Wählerversammlung in Weißensee bei Berlin: „Soldaten müsse es geben, soweit es die Vertheidigung des Staates erfordert; aber die Ungleichheit, daß der Sohn des Reichen nur ein Jahr zu dienen braucht, während der des Armen drei Jahre seinem Gewerbe entzogen wird, müsse wegfallen. Ohne Steuern könne kein Ge meinwesen bestehen; die rechtmäßige Verlheilung derselben sei indessen die dabei angestrebte Auf gabe. Ebenso auch mit dem Eigenthum: Jeder mann müsse die Früchte seines eigenen Thuns, nach der Urform des Wortes Eigenthum, auch thatsächlich als sein Eigenthum erhalten. Was aber die Ehe betreffe, so möchte er fragen, was dem Arbeiter noch bleibe, wenn er sich nicht mehr an keiner Familie und deren Beglückung erfreuen könnte." Wunderbar, in der Thal! Entweder kennt Herr Arendt, der übrigens in Weißeniee als Candidat für den Reichstag aufgestellt wor den ist, die eigentlichen Ziele der Socialdemo- > kralie nicht, oder die Socialdemokratie ist reaclio- > när geworden und auf einen Standpunkt zurück gekehrt, den sie ungefähr im Jahre 1863 ein- nahm. Für die letztere Annahme spricht auch die Thatsache, daß in ihren jetzigen Wahlaufru fen niemals von socialdemokratischer Partei, sondern stets von Arbeiterpartei die Rede ist. Die Schlauheit dieser Handlungsweise läßt sich wirklich nicht bestreiten. Während die Regierung die großartigsten Vorbereitungen trifft, ein Ge setz gegen die Socialdemokralie durchzubringen, um damit die socialdemokratischen Bestrebungen zu unterdrücken, vollzieht sich unterdessen ganz still und sachte in der socialdemokratischen Partei eine Wandlung. Wenn dann das Gesetz in Wirksamkeit tritt und die Negierungsorgane kom men: „Ihr verfolgt socialdemokratische Ziele, Eure Blätter müssen aufhören zu erscheinen, Eure Versammlungen dürfen nicht mehr stattfinden!" Da werden sie sich hinstellen und mit großer Un- verfro'-enheit sagen: „Fällt uns gar nicht ein, Socialdemokraten zu sein, wir sind eine Arbeiter partei." Und so ist der Regierung eine Nase ge dreht und das Geschäft wird in unveränderter Weise unter einer anderen Firma fortgeführt. Das Befinden des Kaisers ist — wiedas Deutsche Montags-Blatt erfährt — ein im All gemeinen fo befriedigendes, daß der Kronprinz schon am Freitag mit Zustimmung der Aerzte dem Kaiser über die während der Stellvertre tung durchgeführten Maßregeln, namentlich über die Auflösung des Reichstages, Vortrag halten und die Ansicht des Kaisers darüber einholen konnte. Ueber die Reisedispositionen des Kaisers ist übrigens noch nichts festgesetzt. Die Aerzte beschäftigen sich zwar mit der Frage, wohin sie dem hohen Patienten zu gehen empfehlen wollen, sie sind indeß bisher nur zu dem negativen Re sultate gekommen, ihn nach gewissen Badeorten, namentlich nach Teplitz, nicht zu senden. Noch vor Ablauf dieses Jahres wird der deut schen Panzerflottein der neuen Panzercorvette „Sachsen" ein Schiff zugewachsen sein, das dem unlergegangenen „Großen Kurfürst" im Tonnen gehalt gleichstehen und ihn in der Maschinenkraft noch beträchtlich überragen wird. Auch in der Artillerie-Ausrüstung, welche aus einem 30,5 ein und vier 26 ein-Geschützen bestehen wird, überbietet dieses neue Schiff jene nur mit vier 26 ein- und zwei 17 ein- Geschützen ausgerüstete untergegangene Panzerfregatte bedeutend. Für die Verwendung auf hoher See würde sich das selbe jedoch um deswillen wenig geeignet erweisen, weil es gar keine Takelage besitzt. Aus London kommt inbetreff des „Großen Kurfürst" eine bedeutsame Mittheilung, die in klarer Weise bekundet, wie berechtigt das Miß trauen der deutschen Admiralität in die Zuver lässigkeit der englischen Taucher war. Die deut schen Taucher haben nämlich den gesun kenen „Großen Kurfürst" in ganzem Zu stande gefunden. Nach Aussage derselben läßt die Lage des Schiffes die Hebung desselben nicht unmöglich erscheinen. Wir können nur hoffen, daß diese günstige Aussage sich bestätigt. — Der angebliche Zeitungs-Correspondent Mr. Bishop, der bekanntlich wegen Beamlenbestech- ung angeklagt war, ist dieser Tage von der Criminald.'pulation des Berliner Stadtgerichts zu zwei Jahren sechs Monaten Gefängniß ver-