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1021 Tiber sehr angeschwollen und droht,- über ihre Ufer zu treten. Auch aus anderen Flußgebieten treffen beunruhigende Nachrichten über Überschwemmungen ein, und namentlich wird aus Ober- Italien von großen, durch Wasserfluten angerichteten Beschä digungen gemeldet. Frankreich. Die am 5. December in den Bureaux der Nationalversammlung gewählte Dreißigercommission zur Be ratung der constitutionellen Reformen besteht aus 19 Depu- tirten von der Partei der Rechten und 11 Depntirten von den Fraktionen der Linken. Im Ganzen wurden für die ersteren 360, für die letzteren 334 Stimmen abgegeben. Die Stimmen zahl bei dem Vertrauensvotum vom 29. Novbr. ist also in das Gegenteil umgewandelt. Am Abend des 5. hat der Präsident der Republik zahlreiche Mitglieder der Linken empfangen, welche allesammt die Bitte an denselben richteten, daß er der Rechten, trotz des von derselben bei der Wahl der Dreißigercommission davongetragenen Sieges, keinerlei Zugeständnisse machen möge. In einer von der Linken abgehaltenen Fractionssitzung wurde der Beschluß gefaßt, zu Gunsten neuer Wahlen für die National versammlung die umfassendsten Agitationen ins Werk zu setzen und die Einreichung von Massenpetitionen in diesem Sinne im weitesten Rahmen zu organisiren. — Sämmtliche Minister sollen ihr Entlassungsgesuch wiederholt haben. — Die „Corr. Havas" schreibt: Gegenüber der Beharrlichkeit der Municipalräthe, Zu stimmungs-Adressen an Herrn Thiers zu senden, befinden sich die Präfecten in großer Verlegenheit über die zu ergreifenden Maßregeln, und viele von ihnen haben sich an den Minister um weitere Instructionen gewendet, ohne jedoch bis jetzt eine Weisung erhalten zu haben. Die Präfecten von Lyon und Marseille werden selbst in Versailles erwartet. — In der jetzigen Woche steht die Zahlung einer neuen Rate von 200 Millionen an Deutschland bevor, wodurch die dritte Milliarde der Kriegs kostenentschädigung voll wird. Cngland. Am 1. und 2. Decbr. hielten die republikanischen Vereine Englands in Sheffield öffentliches Rütli ab, um sich unter dein Titel „Die nationale republikanische Bruderschaft" in eine einzige große Gemeinde zu verschmelzen. Unter Anderem wurde beschlossen, daß die Fahne des Bundes grün-weiß-blau sei; daß die Erreichung allgemeinen Stimmrechts, einer unver fälschten geheimen Abstimmung, einer gleichen Eintheilung der Wahlbezirke, eines durchweg freien weltlichen Unterrichts, einer „NatLonalisirung" von Grund und Boden, einer Abkürzung der Parlamente, einer Bezahlung der Mitglieder, einer Abschaffung der Staatskirche und Einführung der Republik durch gesetzliche Mittel Zweck des Bundes sei. Von der „Times" wird diese Versammlung die heillos kindischste genannt, die vielleicht je in England zusammenkam. — Die strikenden Londoner Gasarbeiter zogen am 4. Decbr. in Procession mit einer dreifarbigen republi kanischen Fahne und unter Absingung der Marseillaise nach dem Trafalgar-Square, woselbst ein Meeting, an dem ca. 3000 Per sonen Theil nahmen, abgehalten wurde. Das Publicum auf der Straße zischte und bezeugte Widerwillen. Die einstimmig an genommene Resolution erklärt, daß die Arbeiter in ihrem Strike ausharren und allen Einschüchterungsversuchen Widerstand leisten werden, zugleich aber bereit seien, die Streitfrage einem Schieds gericht zu unterbreiten. Die Londoner Blätter vom 6. Decbr. halten übrigens die durch diesen Strike herbeigeführte Störung für beseitigt. Die von den Gasgesellschaften neu angestellten Arbeiter hätten sich rasch in ihre Verrichtungen gefunden und schon jetzt sei die Beleuchtung wieder eine bessere geworden. Spanien. Es wird amtlich bekannt gemacht, daß der König vollkommen hergestellt ist. — Der „Pr." telegraphirt man: Die Dotation der Geistlichkeit ist vom Congresse definitiv mit 141 gegen 83 Stimmen beschlossen worden. In Beantwortung der Interpellation der Alfonsisten über die öffentliche Ordnung ver- theidigte der Ministerpräsident Zorilla die Nothwendigkeit des Repressivsystems; die Freiheit und die Dynastie seien gesichert; einzelne Bewegungen, die stattfinden, seien weniger bedeutend als unter der Herrschaft der Moderados; von einem Bürgerkrieg sei keine Rede.— Eine bewaffnete Bande von 250 Carlisten hat am 2. December die französische Grenze überschritten und ist in Spanien eingefallen. V. Landtagswoche. Die erste Kammer beriech am 2. Decbr. den Entwurf eintt revidtrte« Landgemeinde-Ordnung mit demselben Ergebniß, wie den der Behördenorganisation, d.h. unter theilweiser AblehnW Regierungsentwurfs und der Abänderungen desselben nM den Beschlüssen der zweiten Kammer. Die Mehrheit der außerordentlichen Deputation-, mit dem Berichterstatter Adv. Deumer von Kamenz an der Spitze- trat vergeblich für das Gesetz ein; die Minderheit, vertreten durch Herrn v. d. Planitz und den Lausitzer Landesältesten Hempel, wußte sich mit ihren reactionären Anschauungen wiederum die Mehrheit in der Kammer zu sichern. Die Herren v. Aehmen (Präsident), v. Erdmannsdorff, Graf Hohenthal, Hausminister v. Falkenstein und der bürgerliche Ritterguts besitzer aus dem Voigtlande, Seiler, hielten treu mit ihnen zusammen und das Gesetz erhielt wiederum eine Fassung, wie Regierung und zweite Kammer es in den abgeänderten Paragraphen nickt annehmen rönnen. Die Abstimmung über das Gesetz fand in der Sitzung am 4. statt. Eine dritte Sitzung hielt die Kammer am 6. ab. In derselben fand das Dolks- schulgesetz in der von der Kammermehrheit beliebten, den Beschlüssen der zweiten Kammer widersprechenden Fassung gegen drei Stimmen seine Annahme. Lebhafte Verhandlungen fanden in derselben Kammer wieder über den das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen betreffenden Gesetzentwurf statt. Auch hierbei machte sich die obenerwähnte Minderheit der Deputation gegen die Mehrheit mit deren Berichterstatter, Bürgermeister vc. Koch, geltend, ohne jedoch diesmal den Sieg zu erringen, da da- Gesetz in der von der Regierung vorgelegten Fassung mit 22 gegen 18 Stimmen Annahme fand. Die Herren v. d. Planitz und v. Falkenstein sprachen dabei mit großer Entschiedenheit gegen den Minister v. Nostitz- Wallwitz für Beibehaltung der Trennung der Justiz von der Verwaltung, fanden aber an dem ausgezeichneten Staatsmann einen Gegner, welcher das Zweck- und Zeitgemäße seiner Maßregeln in das hellste Licht zu setzen verstand. Außer demselben traten noch Geh. Rath v. König und Ur. Koch mit Geist und Geschick für den Regierungsentwurf ein. Im Großen und Ganzen empfing man bei Anhörung der Verhandlungen den Eindruck, als habe sich gleichwie im preußischen Herrenhause bei uns eine der Erhaltung des Alten gewidmete unerbittliche Opposition gegenüber den dem Fortschritt gewidmeten Regierungsmaßregeln gebildet. Freilich konnte dabei der andere Eindruck nicht ausbleiben, daß eine Copie immer schlechter wie das Original ist. Noch müssen wir hervorkeben, daß unsere königlichen Prinzen weder für noch gegen das vorerwähnte Gesetz stimmten, da sie sich vor der Ab stimmung entfernt hatten. Obgleich die zweite Kammer in der vergangenen Woche noch nicht zur wiederholten Berathung der von der ersten Kammer abgeänderten Gesetzentwürfe gelangte, weil, y)ie die Berichterstatter darüber in der Sitzung vom 3. Decbr. hervorhoben, diese Kammer über dieselben noch nicht endgültig abgestimmt, so blieben ihre Verhandlungen doch nicht ohne Bedeutung. Dafür sorgte schon die Regierungsvorlage betreffs der auf Grund des § 88 der Verfassung am 10. Decbr. l870 zur Ausführung des allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches in unserem Lande erlassenen Ver ordnungen. Die Deputation hatte vorgeschlagen, sie nach Lage der Dinge für gerechtfertigt zu erklären, allein der Abg. Ludwig ging in seiner ab weichenden Meinung so weit, daß er die Minister sogar, wegen der un zeitig und unnöthig erlassenen Verordnungen, in Anklagezustand versetzt wissen wollte, mit welcher Anschauung der Dinge er in der Kammer be greiflich vereinzelt blieb. Inzwischen, obgleich die Abg. Strödel, Bieder mann, Streit, Minckweitz rc. das Vorgehen der Regierung, zugleich mit dem Berichterstatter, Staatsanwalt Petri von Bautzen, gerechtfertigt sanden, konnten sie doch nicht umhin, Bedenken über die Anwendung des § 88 der Verfassung zu äußern, welcher der Regierung gestattet, bei Gefahr im Verzüge, Verordnungen zum Besten des Landes unter der Bedingung von deren nachträglicher Genehmigung durch die Kammern zu erlassen. Daß diese damals während des Krieges nicht zur Gutheißung der Ver ordnungen einberufen worden, wurde durchaus gebilligt, daz aber die Regierung betreffs der Verordnung, die Bestrafung wahrheitswidriger Aussagen vor Behörden betreffend, nicht sich der Gutheißung dieser Maßregel feiten des Oberappellationsgericktes vergewissert, wie das Gesetz zulässig erklärt, fand besonders der Abg. Schreck zu rügen. Iustizminister Abeken und Generalstaatsanwalt Schwarze vertheidigten die Regierung, deren Ansichten übrigens bei Berathung der Verordnung, die Ausführung des Strafgesetzbuches für den norddeutschen (jetzt deutschen) Bund betreffend, mehrfach in der Minderheit blieben. Jene andere Verordnung, betreffs der Bestrafung wahrheitswidriger Aussagen, welche von der Regierung auf Grund eines Erkenntnisses des Oberappellationsgericktes als reicksverfassungswidrig zurückgenommen worden, gab noch in der Sitzung am 6. Anlaß zu längeren Verhandlungen, die indeß nur dadurch merkwürdig wurden, daß Herr Minister Abeken auf Anregung des Abg. Ludwig die Kammer von der Anzweifelung der Rechtsbeständigkeit der Verordnung feiten des Reichskanzleramtes in Kenntniß setzte. Die Sache kam vor den Bundesrath und dieser nahm auf Grundlage seines Iustizausschusses, da die sächsische Regierung nur in gutem Glauben gehandelt und die allen Zweifeln ein Ende machende Reicksstrafproceßordnung vor der Thür steht, Umgang von der Sacke. Zum Schlüsse unseres sechsten Wochenberichtes wollen wir noch erwähnen, daß mit der von Sr. Mas. dem Könige ver anlaßten Kündigung der Tätigkeit der Schwestern der christlichen Liebe im Dresdner Iosephin enstift diese seit dem Februar d. I. anhängige An gelegenheit ihre Erledigung in der Kammer gefunden. Der Inseratentheil der heutigen Nummer bringt eine Be kanntmachung der Sächsischen Creditbank in Dresden, deren Wirkungskreis betreffend, auf welche wir hiermit verweisen. Die